Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.06.2015 Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) I Modelle der sozialgerechten Bodennutzung sind gegenwärtig von höchster Aktualität. Aufgrund steigender Grundstücks - und Wohnungspreise wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum für untere und mittlere Einkommensgruppen zu schaffen. Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Innenverdichtung sowie dem Auslaufen von Sozialbindungen für Mietwohnungen ist eine städtebauliche Lenkung zur Steuerung des Wohnungsbedarfs künftig von wachsender Bedeutung. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung Modelle der sozialgerechten Bodennutzung insbesondere in bayerischen Ballungsgebieten? a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung, inwiefern solche Modelle zu einer Verbesserung der Wohnraumversorgung insbesondere für Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen beitragen? 2. Welche Kommunen in Bayern nutzen das städtebauliche Instrument der sozialgerechten Bodennutzung (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? 3. In welcher Höhe sollte sich der Anteil der Bodenwertsteigerung für den Grundstückseigentümer belaufen, um dem Grundsatz der Angemessenheit Rechnung zu tragen? a) Hält die Staatsregierung einen Planungswertgewinn von bis zu zwei Dritteln – wie in der Landeshauptstadt München – für angemessen? 4. Inwiefern können kleine Kommunen bei der Realisierung solcher Modelle im Zuge der erforderlichen städtebaulichen Planung unterstützt werden? 5. Hält es die Staatsregierung für erforderlich, Kommunen diesbezüglich Mustersatzungen oder Leitfäden zur Verfügung zu stellen? 6. Inwiefern hat die Staatsregierung Modelle der sozialgerechten Bodennutzung auch im Hinblick auf Maßnahmen zur Behebung von Wohnraummangel bereits mit den kommunalen Spitzenverbänden erörtert? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 05.08.2015 1. Wie beurteilt die Staatsregierung Modelle der sozialgerechten Bodennutzung insbesondere in bayerischen Ballungsgebieten? Die Staatsregierung begrüßt Modelle der sozialgerechten Bodennutzung insbesondere dann, wenn sie dazu beitragen , dass Flächen für Projekte der Wohnraumförderung entstehen. Für die sozialgerechte Bodennutzung auf zahlreichen früheren Militärflächen in der Landeshauptstadt München waren insbesondere entscheidend der Einleitungsbeschluss einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme entsprechend § 165 Absatz 4 BauGB und in der Folge die Durchführung einer „Als-ob“-Entwicklungsmaßnahme durch die Landeshauptstadt. In Kombination mit den dadurch angewandten Verbilligungsgrundsätzen durch den Bund konnte die Stadt die Flächen zu einem „entwicklungsunbeeinflussten “ Wert erwerben und die Abschöpfung der Wertsteigerungen zur Finanzierung der Entwicklung nutzen, etwa für die Bereitstellung von erschwinglichen Bauflächen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau, für Erschließungsanlagen und die soziale Infrastruktur. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Konversion der früheren Waldmann-Stetten-Kaserne zum Wohngebiet „Am Ackermannbogen“, von dem ein Teilbereich im Rahmen des Programms „Siedlungsmodelle – Offensive Zukunft Bayern – Neue Wege zu preiswertem, ökologischem und sozialem Wohnen“ entwickelt wurde. Schließlich trägt das genannte Instrument des BauGB auch zur Mobilisierung von Bauland im Allgemeinen bei, ganz im Sinne des Art. 161 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung („Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits - oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“) a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung, inwiefern solche Modelle zu einer Verbesserung der Wohnraumversorgung insbesondere für Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen beitragen ? Modelle der sozialgerechten Bodennutzung können vor allem dann zur Verbesserung der Wohnraumversorgung von Haushalten mit unteren und mittleren Einkommen beitragen , wenn durch sie Flächen für Projekte der Wohnraumförderung entstehen. Gerade in prosperierenden Regionen wie den bayerischen Verdichtungsräumen ist der Mangel an für mietgünstigen Wohnungsbau zur Verfügung stehenden Flächen ein Hemmnis, da dort die Nachfrage nach Grundstücken insbesondere für hochpreisige Eigentums- und Mietprojekte eine erhebliche Konkurrenz darstellt. 2. Welche Kommunen in Bayern nutzen das städtebauliche Instrument der sozialgerechten BodenDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.10.2015 17/7895 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7895 nutzung (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken )? Die Fragestellung zielt über den Aufgabenbereich der Staatsregierung auf Informationen aus dem Bereich der kommunalen Selbstverwaltung hinaus. Dazu wären aufwendige Umfragen bei den 2.056 Gemeinden erforderlich. Dies ist in der verfügbaren Antwortfrist nicht darstellbar. 3. In welcher Höhe sollte sich der Anteil der Bodenwertsteigerung für den Grundstückseigentümer belaufen, um dem Grundsatz der Angemessenheit Rechnung zu tragen? Ein städtebaulicher Vertrag zur Bindung geförderten Wohnraums ist nur dann rechtmäßig, wenn dieser Vertrag dem Grundsatz der Angemessenheit entspricht. Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB für den städtebaulichen Vertrag , folgt aber auch schon aus § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG allgemein für öffentlich-rechtliche Verträge. Danach ist zu beachten, dass der städtebauliche Vertrag „den gesamten Umständen nach“ angemessen sein muss. Ein wichtiges Kriterium ist dabei, ob die vertragliche Bindung insgesamt dazu führt, dass das Vorhaben für den Grundstückseigentümer wirtschaftlich noch rentabel bleibt. Anerkannt ist in diesem Zusammenhang, dass grundsätzlich die Bodenwertsteigerung , die durch eine Überplanung eintritt, zulässiger Maßstab für die Bewertung der Angemessenheit sein kann. Verbleibt demnach dem Eigentümer ein nicht unerheblicher Anteil der Bodenwertsteigerung, ist in der Regel die Angemessenheit des Vertrags gewahrt. Bei der Betrachtung der Angemessenheit ist aber immer zu beachten, dass keine pauschale Wertabschöpfung erfolgen darf. Vor diesem Hintergrund lässt sich daher nicht pauschal ein konkreter Anteil bestimmen, der dem Grundstückseigentümer als Bodenwertsteigerung verbleiben soll. Voraussetzung für einen rechtmäßigen Vertrag ist, dass der Umfang der Belastungen und der dem Grundstückseigentümer verbleibende Teil der Bodenwertsteigerung konkret im Einzelfall zu ermitteln ist. Das Kriterium fordert gerade bei kleineren Städten und Gemeinden in der Regel eine gutachterliche Ermittlung. Demzufolge verbietet sich die pauschale Übernahme von Wertansätzen aus bereits bestehenden Modellen. a) Hält die Staatsregierung einen Planungswertgewinn von bis zu zwei Dritteln – wie in der Landeshauptstadt München – für angemessen? Nach dem Münchner Modell der sozialgerechten Bodennutzung verbleibt dem Grundstückseigentümer ein Anteil von einem Drittel des Bruttowertzuwachses der Bodenwertsteigerung ; mit anderen Worten, es erfolgt eine Abschöpfung des Wertzuwachses durch die Landeshauptstadt München in Höhe von bis zu zwei Dritteln. Zwar greift die Literatur vereinzelt auf den verfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz zurück, gesteht aber gleichzeitig die Möglichkeit zu, eine weitergehende Kostenentlastung der Gemeinde als angemessen anzusehen, wenn der Grundstückseigentümer durch Sondervorteile (z. B. schnelle Projektabwicklung, besonders gute Infrastruktur) eine entsprechende Kompensation erfährt (vgl. Quaas/Kukk, in: Schrödter, Kommentar zum Baugesetzbuch, 8. Auflage, § 11, Rn. 68 ff.). Dem Grundstückseigentümer bleibt es ohnehin unbenommen, im Einzelfall durch Darlegung seiner konkreten wirtschaftlichen Belastung zur Realisierung des konkreten Baugebiets nachzuweisen, dass die ihm zustehende Bodenwertsteigerung von einem Drittel im konkreten Fall nicht angemessen ist. Im Ergebnis bleibt dies stets einer Prüfung im Einzelfall vorbehalten; es wird insoweit auf die Ausführungen zu Nr. 3 verwiesen. 4. Inwiefern können kleine Kommunen bei der Realisierung solcher Modelle im Zuge der erforderlichen städtebaulichen Planung unterstützt werden? Die Landeshauptstadt München nutzt das Modell der „Sozialgerechten Bodennutzung“ bereits seit den 90er-Jahren. In der Zwischenzeit haben zahlreiche weitere, auch kleinere Kommunen ähnliche Modelle etabliert bzw. prüfen die Einführung von solchen, z. B. Erding, Poing oder KirchheimHeimstetten . Die Regierungen bieten hierfür allen Kommunen fachliche Beratung an. 5. Hält es die Staatsregierung für erforderlich, Kommunen diesbezüglich Mustersatzungen oder Leitfäden zur Verfügung zu stellen? Nein. 6. Inwiefern hat die Staatsregierung Modelle der sozialgerechten Bodennutzung auch im Hinblick auf Maßnahmen zur Behebung von Wohnraummangel bereits mit den kommunalen Spitzenverbänden erörtert ? Nein.