Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.06.2015 Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) II In vielen Ballungsräumen besteht ein starker Mangel an bezahlbarem Gewerbegrund für kleine und mittlere Unternehmen . Laut § 1 Abs. 5 BauGB soll unter anderem eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleistet werden. Dazu zählt auch eine städtebauliche Entwicklung, die soziale, wirtschaftliche und umweltschützende Anforderungen in Einklang bringt. Ich frage die Staatsregierung: 1. Inwiefern ist eine sozialgerechte Bodennutzung zur Sicherung handwerklicher und mittelständischer Gewerbestrukturen im Rahmen des europäischen Beihilferechts möglich? 2. Ist eine solche Form der sozialgerechten Bodennutzung nach dem Baugesetzbuch und der Landesgesetzgebung zulässig? a) Wenn ja, in welchem Umfang? 3. Sind der Staatsregierung Modelle bekannt, nach denen eine sozialgerechte Bodennutzung für kleine und/ oder mittlere Unternehmen erfolgt? 4. Hat die Staatsregierung über solche Formen der sozialgerechten Bodennutzung schon einmal Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt? a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Initiierung von Modellvorhaben in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung grundsätzlich eine derartige Förderung? a) Würde die Staatsregierung entsprechende Initiativen befürworten, sollte eine wirtschaftlich sozialgerechte Bodennutzung bundes- und europarechtlich bislang nicht möglich sein? b) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 05.08.2015 1. Inwiefern ist eine sozialgerechte Bodennutzung zur Sicherung handwerklicher und mittelständischer Gewerbestrukturen im Rahmen des europäischen Beihilferechts möglich? Bauleitplanerische Vorgaben zur Umsetzung sozialgerechter Bodennutzung zu gewährleisten sind im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung an das geltende Recht gebunden. Dabei kann auch das europäische Beihilferecht der Planungshoheit der Gemeinden Schranken setzen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind alle staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art mit dem Binnenmarkt unvereinbar, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigen . Grundsätzlich haben Gemeinden bei der Bauleitplanung auch dann einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn eine Planung den Grundstückswert beeinflusst; in der Regel handelt es sich hier um beihilfeneutrale, allgemeine Maßnahmen , die kein bestimmtes Unternehmen begünstigen. Es kommt aber auf die konkrete Ausgestaltung der „sozialgerechten Bodennutzung zur Sicherung handwerklicher und mittelständischer Gewerbestrukturen“ an (Einzelfallprüfung ). 2. Ist eine solche Form der sozialgerechten Bodennutzung nach dem Baugesetzbuch und der Landesgesetzgebung zulässig? Eine solche Form ist nach dem Baugesetzbuch grundsätzlich zulässig, im Landesrecht finden sich hierzu keine Regelungen . a) Wenn ja, in welchem Umfang? Die Gewährleistung einer sozialgerechten Bodennutzung im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB als zentrale Aufgabe der Bauleitplanung entspricht ihrer Bedeutung als eine den Inhalt des Eigentums bestimmende Regelung der Bodennutzung. Umfasst sind dabei die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung im weitesten Sinne, soweit sie einen städtebaulichen Bezug haben. Die wichtigsten sozialen Bedürfnisse sind in § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB beispielhaft aufgeführt; sie sind aber nicht auf diese sozialen Belange beschränkt. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB geht nicht von einer isolierten Betrachtung der Inhalte des Bauleitplans aus. Da jedem Bauleitplan ein (Gesamt-)Konzept und im Sinne des Abwägungsgebots ein Ausgleich der berührten öffentlichen und privaten Belange zugrunde liegt, geht die Vorschrift davon aus, dass der jeweilige Bauleitplan in seiner Gesamtheit eine am Allgemeinwohl orientierte sozialgerechte Bodennutzung gewährleistet (Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch , Stand 2015, § 1, Rn. 104). Im Einzelfall können Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.10.2015 17/7896 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7896 daher – so wie dies auch das „Münchner Modell der sozialgerechten Bodennutzung“ vorsieht – auch Maßnahmen zur Sicherung handwerklicher und mittelständischer Gewerbestrukturen mit Blick auf die ortsnahe Versorgung, die Bereicherung der Ortschaft bzw. des Stadtteils und die Sicherung von Arbeitsplätzen ergriffen werden (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 8 a und c BauGB). 3. Sind der Staatsregierung Modelle bekannt, nach denen eine sozialgerechte Bodennutzung für kleine und/oder mittlere Unternehmen erfolgt? Abgesehen von dem o. a. Ausnahmetatbestand im „Münchner Modell der sozialgerechten Bodennutzung“ sind der Staatsregierung keine entsprechenden Modelle bekannt. Eine entsprechende Abfrage bei den 2.056 Gemeinden ist in der verfügbaren Antwortfrist nicht darstellbar. 4. Hat die Staatsregierung über solche Formen der sozialgerechten Bodennutzung schon einmal Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt? Nein. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Initiierung von Modellvorhaben in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung grundsätzlich eine derartige Förderung? Die Fragen 4 a und 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die Einführung einer sozialgerechten Bodennutzung zur Sicherung handwerklicher und mittelständischer Gewerbestrukturen fällt in den Bereich der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Planungshoheit. Die Entscheidung zur Einführung eines solchen Instrumentes, dessen individuelle Ausgestaltung im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben sowie eine etwaige Beteiligung oder Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden obliegen daher ausschließlich den Kommunen selbst. a) Würde die Staatsregierung entsprechende Initiativen befürworten, sollte eine wirtschaftlich sozialgerechte Bodennutzung bundes- und europarechtlich bislang nicht möglich sein? Eine wirtschaftliche sozialgerechte Bodennutzung kann nach Prüfung des Einzelfalls sowohl bundes- als auch europarechtlich zulässig sein (siehe Antworten auf die Fragen 1 und 2. Weitergehende Initiativen sind daher nicht erforderlich . b) Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu Frage 5.