Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jutta Widmann FREIE WÄHLER vom 13.07.2015 Zweckentfremdung von Wohnraum Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie sieht die Staatsregierung die Entwicklung, dass immer mehr private Unterkünfte im Freistaat, die nicht offiziell als Ferienunterkünfte angemeldet sind, trotzdem über Plattformen wie z. B. Airbnb als Fremdenzimmer , Ferienwohnungen etc. vermietet werden? 2. Wie unterscheiden sich solche privaten Unterkünfte von Unterkünften in der Hotellerie und im Tourismusbereich a) in steuerlicher Hinsicht? b) hinsichtlich des Brandschutzes und Baurecht? c) hinsichtlich der Hygienevorschriften? 3. Sieht die Staatsregierung hier eine Notwendigkeit, gegen diese Entwicklung vorzugehen, a) einheitlich für den gesamten Freistaat? b) einzeln durch die Kommunen? c) aufgrund der Zweckentfremdung von Wohnraum? d) aufgrund der steuerlichen Ungleichbehandlung gegenüber offiziell angemeldeten Ferienunterkünften? 4. Inwiefern werden bei solchen privaten Unterkünften, die regelmäßig als Ferienwohnung, Fremdenzimmer etc. angeboten und vermietet werden, die Finanzämter hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht der Vermieter aktiv? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom18.08.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: 1. Wie sieht die Staatsregierung die Entwicklung, dass immer mehr private Unterkünfte im Freistaat, die nicht offiziell als Ferienunterkünfte angemeldet sind, trotzdem über Plattformen wie z. B. Airbnb als Fremdenzimmer, Ferienwohnungen etc. vermietet werden? Die Staatsregierung sieht die zunehmende professionelle Vermarktung von privaten Unterkünften als Ferienwohnungen und Privatappartements unter dem Aspekt der Zweckentfremdung von Wohnraum mit Sorge. Gerade in Ballungsräumen wie München, in denen fortlaufend großer Wohnungsmangel herrscht, muss verhindert werden, dass Wohnraum dem allgemeinen Wohnungsmarkt auf Dauer entzogen wird. Mit dem Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) steht den Gemeinden mit Wohnraummangel bereits eine rechtliche Grundlage zur Verfügung, dagegen Maßnahmen zu ergreifen (siehe Antwort zu Frage 3). 2. Wie unterscheiden sich solche privaten Unterkünfte von Unterkünften in der Hotellerie und im Tourismusbereich a) in steuerlicher Hinsicht? Die umsatzsteuer- und einkommensteuerrechtliche Behandlung der kurzfristigen Vermietung privater Unterkünfte – z. B. über eine Internetplattform – unterscheidet sich nicht von der steuerlichen Behandlung offiziell angemeldeter Ferienunterkünfte . b) hinsichtlich des Brandschutzes und Baurecht? Die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an den Brandschutz stellen sich für Gebäude mit Wohnungen nicht anders dar als für Gebäude mit Ferienwohnungen. Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Rettungswege, die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile und die brandschutztechnische Abtrennung der einzelnen Nutzungseinheiten besteht jeweils kein Unterschied zwischen einer Wohnung und einer Ferienwohnung. Für Betriebe der Hotellerie gilt: Bei kleineren Beherbergungsbetrieben – mit nicht mehr als 12 Betten – gelten im Hinblick auf den bauordnungsrechtlichen Brandschutz die Standardanforderungen der Bayerischen Bauordnung (BayBO), die auch für Wohngebäude gelten. Ab einer Größenordnung von mehr als 12 Betten zählen Beherbergungsstätten zu den sogenannten „Sonderbauten“ (Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO). Bei solchen Gebäuden kann die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Baugenehmigung einzelfallbezogen weitere Anforderungen stellen, als in der BayBO selbst enthalten sind, soweit es im konkreten Fall zur Abwehr von Gefahren oder Nachteilen erforderlich ist (Art. 54 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Für größere Beherbergungsstätten gibt es eine Spezialvorschrift in Form der Beherbergungsstättenverordnung (BStättV). Sie erfasst Beherbergungsbetriebe mit mehr als 30 Gastbetten und enthält für diese Gebäude spezielle Anforderungen insbesondere an die Rettungswegführung , die brandschutztechnische Abtrennung der einzelnen Zimmer, die anlagentechnische Brandfrüherkennung und die Alarmierung der Gäste im Gefahrenfall. Sie enthält auch Betriebsvorschriften, die die BayBO für Gebäude mit Wohnungen oder Ferienwohnungen nicht vorsieht. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.10.2015 17/7904 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7904 Aus baunutzungsrechtlicher Sicht gilt Folgendes: Bei „privaten Unterkünften“, also (dauergenutzte) Wohnungen im privaten Bereich, handelt es sich nach den Nutzungskategorien der Baunutzungsverordnung um „Wohngebäude“, die in allen Baugebieten zulässig sind, mit Ausnahme von Gewerbe -, Industrie- und Kerngebieten (hier sind in der Regel nur Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zulässig). Unterkünfte in der Hotellerie und im Tourismusbereich sind „Betriebe des Beherbergungsgewerbes“, die umgekehrt in Wohngebieten nur ausnahmsweise, in allen anderen Baugebieten aber generell zulässig sind. c) hinsichtlich der Hygienevorschriften? Spezielle infektionsschutzrechtliche Regelungen für Hotel - und Tourismusbetriebe bestehen nicht. Sofern in einem Hotel- oder Tourismusbetrieb zur Verpflegung der Gäste ein Umgang mit Lebensmitteln erfolgt, sind jedoch die §§ 42, 43 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) zu beachten. Die in § 42 Abs. 1 IfSG genannten Tätigkeitsverbote im Umgang mit Lebensmitteln bestehen für bestimmte erkrankte oder krankheitsverdächtige Personen sowie für Personen, die bestimmte Krankheitserreger ausscheiden. Personen, welche die in § 42 Abs. 1 IfSG genannten Tätigkeiten erstmalig ausüben bzw. mit diesen erstmalig beschäftigt werden , müssen durch eine nicht mehr als drei Monate alte Bescheinigung des Gesundheitsamtes oder eines vom Gesundheitsamt beauftragten Arztes nachweisen, dass sie vom Gesundheitsamt oder von einem durch das Gesundheitsamt beauftragten Arzt über die Tätigkeitsverbote nach § 42 Abs. 1 IfSG und die sonstigen Verpflichtungen nach § 43 IfSG belehrt wurden. Der Arbeitgeber hat die Verpflichtung , Personen, die eine entsprechende Tätigkeit ausüben, nach der Erstbelehrung alle zwei Jahre über die Tätigkeitsverbote und sonstige Verpflichtungen zu belehren und die Teilnahme an der Belehrung zu dokumentieren (§ 43 Abs. 4 IfSG). Sofern bei der Vermietung einer privaten Unterkunft an Feriengäste zur vorübergehenden Nutzung der Vermieter als Bestandteil seiner Leistung auch Essen für die Gäste zubereitet oder zubereiten lässt, gelten die Verpflichtungen nach §§ 42, 43 IfSG auch für den Vermieter. Hiervon unabhängig kann das Gesundheitsamt sowohl bei Hotel- und Tourismusbetrieben als auch hinsichtlich der gewerblichen Vermietung privater Unterkünfte unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anlassbezogen tätig werden (§§ 16, 25, 28 ff. IfSG). Mindestschwelle für ein anlassbezogenes Tätigwerden ist insoweit, dass Tatsachen festgestellt oder anzunehmen sind, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, § 16 IfSG. Aus der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) ergeben sich hinsichtlich der Anfrage keine weiteren Unterscheidungen. Maßgeblich für spezielle Anforderungen gemäß TrinkwV wie die Untersuchung auf Legionellen ist die gewerbliche Nutzung, zu der in diesem Kontext auch jede Art der Vermietung zählt, gleichgültig, ob es sich um Wohnungen, Ferienwohnungen oder um die Hotellerie handelt. In jedem Fall muss das abgegebene Trinkwasser genusstauglich und rein sein. 3. Sieht die Staatsregierung hier eine Notwendigkeit, gegen diese Entwicklung vorzugehen, a) einheitlich für den gesamten Freistaat? b) einzeln durch die Kommunen? c) aufgrund der Zweckentfremdung von Wohnraum? Mit dem am 01.01.2009 in Kraft getretenen Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) ist in Bayern eine vollständige Kommunalisierung des Zweckentfremdungsrechts erfolgt. Seitdem gibt das Zweckentfremdungsgesetz den Gemeinden mit Wohnraummangel das Recht, nach ihrem Ermessen Zweckentfremdungssatzungen zu erlassen und im Rahmen des rechtlich Möglichen auch die Verfahren entsprechend auszugestalten. Diese Kommunalisierung hat sich in den letzten Jahren bewährt. Die Kommunen können selbst am besten beurteilen, ob vor Ort tatsächlich ein Wohnraummangel vorliegt, der Regelungen zur Zweckentfremdung von Wohnraum erforderlich macht. Die Fälle einer Zweckentfremdung von Wohnraum durch die Vermietung privater Wohnungen als Ferienwohnungen werden bereits von den Regelungen des Zweckentfremdungsgesetzes erfasst. Insbesondere wurde bei der letzten Änderung des ZwEWG durch Gesetz vom 22.03.2013 für den Bereich der Fremdenbeherbergung klargestellt, dass die „nicht nur vorübergehend gewerblich oder gewerblich veranlasst(e)“ Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung ein Fall der Zweckentfremdung von Wohnraum ist (Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG). Darüber hinaus können grundsätzlich auch weitere Fallgruppen einer Fremdenbeherbergung als Zweckentfremdung von Wohnraum beurteilt werden . Dies ergibt sich aus der Formulierung des Art. 2 Satz 2 ZwEWG „Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn (…)“. Das Zweckentfremdungsgesetz wurde unter anderem deshalb erneut – diesmal bis zum 30.06.2017 – befristet, um die Praxistauglichkeit des neu eingefügten Tatbestands der gewerblichen Fremdenbeherbergung zeitnah überprüfen zu können. Die Vorarbeiten zur Verlängerung und gegebenenfalls auch Änderung des ZwEWG beginnen bereits im nächsten Jahr. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob die Erfahrungen der Praxis mit den derzeitigen Entwicklungen im Bereich der Zweckentfremdung durch Touristen eine Änderung des Gesetzes erforderlich machen. d) aufgrund der steuerlichen Ungleichbehandlung gegenüber offiziell angemeldeten Ferienunterkünften ? Wie bei der Antwort zu Frage 2 a angegeben, gibt es keine steuerliche Ungleichbehandlung. Für die Besteuerung ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (§ 40 Abgabenordnung). 4. Inwiefern werden bei solchen privaten Unterkünften , die regelmäßig als Ferienwohnung, Fremdenzimmer etc. angeboten und vermietet werden, die Finanzämter hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht der Vermieter aktiv? Private Wohnungsvermieter unterliegen grundsätzlich mit ihren Vermietungsumsätzen der Umsatzbesteuerung. Sie haben die Umsatzsteuer in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Umsatzsteuererklärungen nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes zu berechnen und abzuführen. Bei Hinweisen auf Verstöße gegen diese Pflicht können die Finanzämter die nach der Abgabenordnung zulässigen Ermittlungsmaßnahmen ergreifen.