Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer, Dr. Paul Wengert SPD vom 17.07.2015 Suizide von bayerischen Polizisten Wir fragen die Staatsregierung: 1. Wie viele Suizide wurden seit 2011 von bayerischen Polizisten begangen? 2. Wie werden die Suizide intern untersucht? 3. Welche Gründe werden für die Suizide ermittelt? 4. Kommt es vor, dass dienstliche Gründe für den Suizid ermittelt werden? 5. Wie viele Suizide wurden mit der Dienstwaffe begangen? 6. Welche Präventionsmaßnahmen gibt es und wie werden sie angewandt? 7. Gibt es sonstige außergewöhnliche Todesfälle bei der Bayerischen Polizei? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 06.08.2015 1. Wie viele Suizide wurden seit 2011 von bayerischen Polizisten begangen? Jahr Gesamtzahl 2011 7 2012 6 2013 10 2014 3 2015 (Stand 20.07.2015) 4 Vom 01.01.2011 bis 17.07.2015 haben insgesamt 30 bayerische Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte Suizid begangen . 2. Wie werden die Suizide intern untersucht? Um eine effiziente und Erfolg versprechende Suizidprävention durchführen zu können, bedarf es einer genauen Analyse der geschehenen Suizidfälle. Mit dem Ziel einer wirksamen Suizidprävention ist der Zentrale Psychologische Dienst der Bayer. Polizei (ZPD) beauftragt, alle eindeutig nachgewiesenen Suizide zu dokumentieren und wissenschaftlich auszuwerten. Hierzu wurde ein fallbezogener Fragebogen erstellt. Ergänzend zu den Informationen des Fragebogens werden dem ZPD die kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnisse (z. B. Obduktionsbericht, Abschiedsbrief etc.) zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Staatsministerium der Justiz ist eine entsprechende Verfahrensregelung abgestimmt. Die Einsicht in die Ermittlungsakten zu Vorgängen, bei denen Polizeibeamtinnen bzw. -beamte einen Suizid begangen haben , kann erst nach Abschluss der jeweiligen Ermittlungsverfahren erfolgen. Zum Verfahrensablauf wurde vereinbart, dass die ermittelnde kriminalpolizeiliche Dienststelle den ZPD über einen entsprechenden Vorgang informiert. Auf Anfrage des ZPD bei der zuständigen Staatsanwaltschaft wird die Akte nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens übersandt. Weiterhin ist es dem ZPD im Einzelfall möglich, über die Personalabteilung entsprechende Datenauskünfte über den Verstorbenen (z. B. Einstellungsmodalitäten, Einstellungstests , Krankenstand, Disziplinar- und Strafverfahren etc.) zu erhalten und zu wissenschaftlichen Untersuchungszwecken in anonymisierter Form zu verwenden. Daneben führen die Polizeiverbände nach einem Suizid oder bei einem eindeutig erfolgten Suizidversuch mit Einverständnis des Betroffenen eine anlassbezogene Nachbesprechung auf Dienststellenebene durch. 3. Welche Gründe werden für die Suizide ermittelt? 4. Kommt es vor, dass dienstliche Gründe für den Suizid ermittelt werden? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 zusammen beantwortet: Im Rahmen der kriminalpolizeilichen Ermittlungen und der Analyse der Fälle durch den Zentralen Psychologischen Dienst der Bayer. Polizei (ZPD) werden etwaig vorhandene Abschiedsbriefe ausgewertet und, sofern möglich, im Umfeld des Suizidenten nahe Angehörige, Freunde und Kollegen zu den möglichen Motiven befragt. Dabei wurden u. a. Schwierigkeiten im persönlichen Umfeld des Suizidenten wie zum Beispiel Ehe- bzw. Beziehungsprobleme , psychische Probleme oder psychische Erkrankungen, berufliche Krisen, finanzielle Probleme oder schwere (unheilbare) Krankheiten bekannt. Jedoch lassen selbst Abschiedsbriefe die Motive für den Suizid in den seltensten Fällen klar erkennen. In sehr vielen Fällen liegen Schwierigkeiten in verschiedenen Lebensbereichen des Suizidenten vor und es gibt mehrere Auslöser für suizidale Handlungen. Über die Auswertung dieser subjektiven Wahrnehmungen ist nur eine Annäherung und keine fundierte wissenschaftlich belegbare Aussage über das bzw. die Motive von Suizidenten möglich. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.10.2015 17/7932 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7932 5. Wie viele Suizide wurden mit der Dienstwaffe begangen ? Von den 30 Suiziden bayerischer Polizisten seit 01.01.2011 wurden 23 mit der Dienstwaffe begangen. 6. Welche Präventionsmaßnahmen gibt es und wie werden sie angewandt? Die Suizidprävention gehört zu den zentralen Aufgaben des Zentralen Psychologischen Dienstes der Bayer. Polizei (ZPD). Der ZPD nimmt im Rahmen der psychosozialen Versorgung Beratungs- und Betreuungsaufgaben wahr und leistet Krisenintervention u. a. bei suizidalen Krisen von Mitarbeitern oder psychischen Erkrankungen (z. B. Depressionen ), bei persönlichen, psychisch belastenden Krisen (z. B. Trennung, Scheidung, private Probleme), extrem belastenden Einsätzen (z. B. Schusswaffengebrauch), innerdienstlichen Problemen und Konflikten. Als weitere Maßnahme der Suizidprävention wurde im Jahr 2003 bei der Bayerischen Polizei ein polizeiinternes Netzwerk (PIN) insbesondere zur Hilfeleistung in akuten Lebenskrisen von Beschäftigten eingerichtet. Für die Durchführung und Aufrechterhaltung der Netzwerkstruktur ist der ZPD verantwortlich. Der Polizeiliche Soziale Dienst (PSD) ist ein Teil des polizeiinternen Netzwerkes und für die Beschäftigten der Bayer. Polizei zuständig. Die Hauptaufgabe des PSD ist es, Beschäftigte und deren Angehörige psychosozial zu unterstützen. Hierzu zählen Maßnahmen der Beratung, der Krisenintervention, der Betreuung , der Begleitung und der Suizidprävention. Der PSD bietet darüber hinaus Vorträge an und berät Führungskräfte bei Fragen im Bereich psychosozialer Versorgung. Die bei der Bayer. Polizei tätigen Diplom-Sozialpädagogen , die durch intensive Öffentlichkeitsarbeit nach innen über ihre Aufgaben im Verband informieren, sind Angehörige des jeweiligen Polizeiverbandes und stehen als Ansprechpartner für die Beschäftigten vor Ort zur Verfügung. Das Polizeipräsidium München, das Bayer. Landeskriminalamt und das Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz werden aufgrund der räumlichen Nähe direkt vom ZPD betreut , das Bayer. Polizeiverwaltungsamt vom Diplom-Sozialpädagogen des Polizeipräsidiums Niederbayern. Die Sozialpädagogen bilden in ihrer Aufgabenbeschreibung eine Schnittstelle zum ZPD. Dieser übt die Fachaufsicht aus und berät die Sozialpädagogen in fachlichen Fragen . Die Sozialpädagogen haben bei den Polizeiverbänden jeweils Betreuungsnetzwerke aufgebaut. Dabei nutzen sie einerseits bereits vorhandene Strukturen und stehen als Ansprechpartner von Suchtberatern, Gleichstellungsbeauftragten , Seelsorgern, Schwerbehindertenvertretungen, Beauftragten der Polizei für Frauen und Kinder (BPFK), Personalräten und Vorgesetzten zur Verfügung; andererseits schaffen sie aber auch Kontakte zu externen Stellen wie ambulanten Psychotherapeuten, Fachkliniken, Ehe-, Familien - und Lebensberatungsstellen oder Schuldnerberatung. Betreuungsaufgaben übernimmt auch die Bayer. Polizeiseelsorge . Diese hat u. a. die Aufgabe, Polizeibeamtinnen und -beamte in beruflichen, aber auch in privaten Krisensituationen wie z. B. schweren oder lang andauernden Krankheiten , Konflikten innerhalb der Familie zu betreuen. Besonderes Augenmerk gilt der seelsorgerischen Begleitung nach schwerwiegenden, außerordentlichen Ereignissen und Erlebnissen. Darüber hinaus nehmen auch andere Stellen innerhalb der Organisation Polizei Beratungs- und Betreuungsaufgaben wahr. Dies sind Suchtberater, Gleichstellungsbeauftragte, Schwerbehindertenvertretungen, Personalräte, der Ärztliche Dienst der Bayer. Polizei, die Abteilungen PV/Personal und vor allem auch die Vorgesetzten. Maßnahmen der Suizidprävention im Rahmen der Ausbildung : Im Rahmen der Ausbildung für die 2. Qualifikationsebene bei der Bayer. Bereitschaftspolizei und beim Sonderprogramm München werden Grundlagen zur Konflikt- und Stressbewältigung in den Fächern „Kommunikation und Konfliktbewältigung“ und „Berufsethik“ mit Vorstellung des Polizeilichen Sozialen Dienstes (PSD) und seiner Aufgaben in der Suizidprävention vermittelt. Im Leitthema „Dienstbetrieb “, Modul „Innerdienstliche Problemfelder“ wird das Thema „Suizid – Erkennen, Umgang, Gesprächsführung“ vertiefend behandelt. Weiterhin werden Projekttage und themenbezogene Veranstaltungen durchgeführt. Im Rahmen der Ausbildung für die 3. Qualifikationsebene an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern – FB Polizei (FHVR) werden psychologische Grundlagen in den Fächern „Kommunikation und Konfliktbewältigung“, „Berufsethik“, „Psychologie“ und „Führungslehre“ vermittelt. In den Leitthemen „Mitarbeiterführung “ und „Besondere Belastungssituationen“ werden die Inhalte vertiefend behandelt. Darüber hinaus werden themenbezogene Projekte, Seminare oder vergleichbare Veranstaltungen durchgeführt. Im Rahmen des Masterstudiums für die 4. Qualifikationsebene an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) wird das Thema Suizidprävention im Modul 4 „Führung von Mitarbeitern, Recht des öffentlichen Dienstes“, Lehrveranstaltung 3 „Führungskommunikation/Stressmanagement“ behandelt. Weiterhin werden themenbezogene Seminare und Projekttage durchgeführt. Maßnahmen der Suizidprävention im Rahmen der Fortbildung : Im Rahmen des zentralen Fortbildungsprogramms der Bayer. Polizei ist in die Konzeptionen sowohl des PAKETTrainings (Polizeiliches Antistress-, Kommunikations- und Einsatzbewältigungstraining) als auch des Führungskräftetrainings das Thema „Suizid und Suizidprävention“ aufgenommen worden. Die Referenten sind interdisziplinär (Seelsorger und Psychologen) zusammengesetzt. Darüber hinaus ist bei geeigneten Seminaren im Fortbildungsprogramm (z. B. Umgang mit Belastungen) das Thema stärker gewichtet. 7. Gibt es sonstige außergewöhnliche Todesfälle bei der Bayerischen Polizei? Bezogen auf Suizide bayerischer Polizisten sind uns keine außergewöhnlichen Todesfälle bei der Bayerischen Polizei bekannt.