Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Isabell Zacharias SPD vom 21.05.2015 Kulturelle Bildung im Inklusionsbereich Menschen mit Behinderung haben in Deutschland das Recht auf gesellschaftliche Inklusion, das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am kulturellen Leben und auf kulturelle Bildung (UN-Behindertenrechtskonvention von 2009). Kulturelle Inklusion muss aber nicht nur gesellschaftlich gewollt, sondern auch bewusst gestaltet werden. Man benötigt strukturelle und inhaltliche Bedingungen zur kulturellen Förderung im Inklusionsbereich. Deshalb frage ich die Staatsregierung: 1. Welches Konzept verfolgt die Staatsregierung zur kulturellen Bildung, Ausbildung und Weiterbildung im Inklusionsbereich ? 2. a) Welche Angebote für Menschen mit Behinderung gibt es in der Musik – und Kunstausbildung? b) Welche Angebote für Menschen mit Behinderung gibt es in der Ausbildung für künstlerische Berufe? c) Welche Angebote für Menschen mit Behinderung gibt es speziell in der Theaterausbildung? 3. Welche konkreten Beispiele von Bildungs-, Ausbildungs - und Weiterbildungsangeboten im kulturellen Bereich gibt es für Menschen mit Behinderung? 4. a) Welche Rolle spielt der Ausbildungsinhalt, kulturelle Bildung für Menschen mit Behinderung, in den sonderpädagogischen Studiengängen? b) Welche konkreten Beispiele inhaltlicher Lehrveranstaltungen zur kulturellen Bildung für Menschen mit Behinderung gibt es in den sonderpädagogischen Studiengängen ? 5. a) In welcher Form und in welchem Ausmaß wird der Ausbildungsinhalt, kulturelle Bildung für Menschen mit Behinderung, in den Lehramtsstudiengängen der Kunst- und Musikhochschulen berücksichtigt? b) Welche konkreten Beispiele inhaltlicher Lehrveranstaltungen zum Thema kulturelle Bildung für Menschen mit Behinderung gibt es in den Lehramtsstudiengängen der Musik- und Kunsthochschulen? 6. a) Welches Konzept der Inklusion verfolgt die Staatsregierung in den Kulturinstitutionen? b) Welche Instrumente und Mittel zur Förderung inklusiver Projekte hat die Staatsregierung in den kulturellen Einrichtungen? c) Welche Maßnahmen gibt es, die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen z. B. Besuche von Museen, Bibliotheken , Theatern, Festivals, etc. von Menschen mit Behinderung zu fördern? 7. Welche konkreten Beispiele und Projekte inklusiver Angebote in den Kulturinstitutionen gibt es? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 20.08.2015 1. Welches Konzept verfolgt die Staatsregierung zur kulturellen Bildung, Ausbildung und Weiterbildung im Inklusionsbereich? Die Staatsministerien für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst widmen sich in ihren jeweiligen Zuständigkeiten der Inklusion. Hierbei spielt der Bereich der kulturellen Bildung eine tragende Rolle. Grundsätzlich verfolgt die Staatsregierung das Ziel, Menschen mit Behinderung nicht nur kulturelle Teilhabe in allen möglichen Facetten und durch möglichst alle Kulturanbieter zu ermöglichen, sondern auch und gerade die künstlerischkulturellen Leistungen von Menschen mit Behinderung als bereicherndes Element für das gesellschaftliche Zusammenleben zu erkennen und zu fördern. Dies gilt nicht nur für Kindertageseinrichtungen und Schulen , sondern prinzipiell für alle Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung lernen, arbeiten oder betreut werden . Der Freistaat Bayern ebenso wie alle anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland setzen entsprechende Maßnahmen schrittweise um. Das Staatsinstitut für Frühpädagogik hat z. B. im Auftrag des StMAS kürzlich die umfassende Broschüre „Lust und Mut zur Inklusion in Kindertageseinrichtungen“ veröffentlicht. Der Leitfaden ermöglicht eine differenzierte und gelingende Integration behinderter Kinder in Kindertageseinrichtungen für alle Träger und gibt konkrete Hinweise für die Möglichkeiten der kulturellen Bildung im Bereich der Inklusion. Das StMBW hat eine eigene Stabsstelle für Inklusion und Schule eingerichtet. Das Thema kulturelle Bildung und Inklusion spielt hierbei ebenfalls eine wesentliche Rolle. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.10.2015 17/7948 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7948 So sind künstlerisches und musikalisches Gestalten oftmals zentrale Schnittstellen, um gemeinsames Leben und gemeinsames Lernen im Sinne der inklusiven Bildungsangebote voranzubringen. Gerade in diesen Fachbereichen begegnen sich Menschen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf vorurteilsfrei und offen für die jedem Einzelnen innewohnenden kreativen bzw. künstlerischen Begabungen. Im Zusammenwirken der unterschiedlichen eingebrachten künstlerischen Persönlichkeitsprofile entwickelt sich über die beiden Fachbereiche hinaus oftmals eine Offenheit für barrierefreie Kommunikation und auch vorurteilsfreies gemeinsames Lernen. 2. a) Welche Angebote für Menschen mit Behinderung gibt es in der Musik – und Kunstausbildung? Förderschulen Lern- und Förderangebote aus den Bereichen Musik und Kunst schaffen für Menschen mit Behinderung die Grundlage für eine künstlerisch-kreative Bildung und Erziehung in der Schule. Sie sind für den Bereich der Förderschulen in Bayern in verschiedenen Lehrplänen niedergelegt. In den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten, in denen eine Unterrichtung nach den Lernzielen der Regelschullehrpläne grundsätzlich möglich ist, wurden die Lehrpläne der Grund- und Haupt-/Mittelschule für diese Förderschwerpunkte adaptiert. Dies gilt für die Förderschwerpunkte Sprache, emotionale und soziale Entwicklung , körperliche und motorische Entwicklung, Hören und Sehen. Für diese Förderschwerpunkte wurden zudem förderschwerpunktspezifische Aspekte, die bei der Unterrichtung nach dem zugrunde liegenden Regelschullehrplan in den einzelnen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten relevant sind, ergänzt. Künstlerisch-kreative Lerninhalte dieser Förderschwerpunkte orientieren sich also am Regelschulbereich. Sie sind bei inklusiver Beschulung von besonderer Bedeutung. In den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten Lernen und geistige Entwicklung liegen spezielle Lehrpläne vor. Der Rahmenlehrplan für den Förderschwerpunkt Lernen weist in den Fachprofilen Musik und Kunst fachspezifische Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten im kreativen Gestalten aus. Der Lehrplan für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung führt die Lernbereiche Kunst und Musik auf. Auch in diesen Lernbereichen werden gestalterische Prozesse beschrieben, die eine künstlerisch-musische Grundbildung gewährleisten. Die Lehrpläne aus dem Förderschwerpunkt Lernen und geistige Entwicklung sind ebenfalls bei einer inklusiven Beschulung als Referenzpunkte zu verstehen. In allen Förderschulen werden aufgrund der Bedeutung von Kunst und Musik innerhalb des Jahreskreises in Zusammenarbeit mit Künstlern die verschiedensten Projekte angeboten . Diese Möglichkeiten werden schulartübergreifend, vor allem im Rahmen der inklusiven Schulentwicklung, vermehrt angeboten. Das Staatsministerium unterstützt diese Initiativen mit finanziellen Ressourcen. Allgemeinbildende Schulen In den allgemeinbildenden Schulen in Bayern sind im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Bundesrepublik die Fächer Kunst und Musik Pflichtunterricht und in den Stundentafeln verbindlich ausgewiesen. Die Ausbildung der Kunst- und Musiklehrer für alle Schularten beinhaltet als wesentlichen Bestandteil die Vermittlung praktischer Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Gerade im künstlerischen Tun, im Malen und Zeichnen, im Singen und gemeinschaftlichen Musizieren wird Inklusion zu einem alltäglichen Bestandteil des Unterrichts. Elementare Musikpädagogik und basale Fertigkeiten im Gestalten sind deshalb für alle Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen verpflichtende Ausbildungsinhalte . Realschulen und Gymnasien An Realschulen und Gymnasien sind die Fachlehrer gerade in der Binnendifferenzierung beim gemeinsamen Musizieren oder in der differenzierten Aufgabenstellung beim künstlerischen Gestalten besonders geschult. Gemeinsames Singen und Musizieren wird so auch zur Praxis gelingender Integration und Inklusion. Differenzierte Aufgabenstellungen im gestalterischen Bereich ermöglichen auch Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine gleichwertige Mitarbeit im Klassenverband und tragen so erheblich zur Anerkennung eigenständig künstlerischer Leistungen von Menschen mit Behinderung bei. Schultheater Mit dem Thema Inklusion befasst sich auch der Theaterbereich der weiterführenden Schularten. Die diesjährige Sitzung der Landesarbeitsgemeinschaft Theater und Film im Februar 2015 hat sich dem Thema Inklusion gewidmet. Hier sind spezielle Projekte in Planung. Verbreitung finden in Bayern immer mehr Schultheatergruppen , die teils in freier Arbeit, teils an Schulen angebunden Theater mit Hörgeschädigten, Sehbehinderten, Körperbehinderten oder geistig behinderten Menschen machen. Kinder- und Jugendkunstschulen Der Landesverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen LJKE Bayern e.V. hat 2014 begonnen, Inklusionsprojekte jeweils im Tandem – eine Jugendkunstschule kooperiert mit einer staatlichen Schule – durchzuführen. Drei Pilot-Kooperationen werden derzeit vom StMBW gefördert. Im Herbst 2015 sollen weitere Kooperationen hinzukommen. Darüber hinaus führt die Jugendkunstschule in Erlangen regelmäßig Veranstaltungen in einer Erlanger Flüchtlingsunterkunft durch. Sing- und Musikschulen Sing- und Musikschulen sind strukturierte Bildungseinrichtungen . Ihre Aufgabe ist die qualifizierte musikalische Förderung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Dieser Aufgabe widmen sich die Sing- und Musikschulen gemeinsam mit weiteren institutionellen Einrichtungen. Die Staatsregierung fördert Kooperationen zwischen Bildungspartnern , damit Kinder und Jugendliche die Chance erhalten, nachhaltig musikpädagogisch gefördert zu werden. Das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst hat deshalb in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration eine neue Förderschiene für die Bezuschussung von Kooperationsstunden von Musikschulen mit Kindertagesstätten und allgemeinbildenden Schulen eröffnet. Vorausgegangen war ein Beschluss des Bayerischen Landtags vom 4. November 2014: „Die Sing- und Musikschulen nehmen als öffentliche Bildungseinrichtungen den politischen Auftrag der Inklusion an und stellen sich auf gesellschaftliche Veränderungen ein.“ Drucksache 17/7948 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Der Freistaat stellt für diese unter dem Themenschwerpunkt Inklusion vereinbarten Kooperationen 500.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Berufsfachschulen Als spezielle Einrichtung gibt es die Berufsfachschule für Musik für Blinde, Sehbehinderte und Sehende, Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte Nürnberg. Kunst- und Musikhochschulen Grundsätzlich stehen alle Ausbildungsangebote an den Musikhochschulen sowie an den Berufsfachschulen für Musik auch Menschen mit Behinderung offen. Die jeweiligen Rechtsbestimmungen sehen einen Nachteilsausgleich vor. Auch alle Angebote der Akademien für Bildende Künste München und Nürnberg sowie der Hochschule für Film und Fernsehen München stehen ebenso Menschen mit Behinderung offen. b) Welche Angebote für Menschen mit Behinderung gibt es in der Ausbildung für künstlerische Berufe ? Die für Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehenden Angebote in der Ausbildung für künstlerische Berufe sind mit den erreichten Schulabschlüssen verbunden. Hat ein Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen mit der Mittelschule vergleichbaren Schulabschluss erworben , so stehen ihm entsprechende weitere berufliche Bildungsmöglichkeiten offen. Dies schließt die Ausbildung in künstlerischen Berufen, entsprechend den dazugehörigen Ausbildungsordnungen, mit ein. Für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die keinen der Mittelschule entsprechenden Schulabschluss erworben haben, stellt der Lehrplan zur beruflichen Vorbereitung die Grundlage für den Erwerb von beruflichen Qualifikationen dar. Hierbei können berufsfeldübergreifende Kompetenzen im Bereich Kunst und Kultur erworben werden . Dieses Angebot steht Schülern mit Behinderung als Wahlfach zu Verfügung. Der maßgeblich von beruflichen Anforderungen geprägte schulische Alltag findet im Wahlfach Kunst und Kultur eine musisch-kreative Ergänzung. Im Zentrum steht dabei die aktive bzw. produktive Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur. Im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) können sich Schüler mit Behinderung für das Berufsfeld Farbtechnik und Raumgestaltung entscheiden, das konkret auf eine Ausbildung in diesem Berufsfeld vorbereitet. Der Unterricht gibt hierbei den Schülern Einblicke in die Verschiedenartigkeit des Berufsfeldes . Innerhalb der fachpraktischen und fachtheoretischen Grundlagen wird eine Schwerpunktsetzung getroffen, die sich an den regionalen beruflichen Angeboten und an den Interessen und Eignungen der Jugendlichen orientiert. c) Welche Angebote für Menschen mit Behinderung gibt es speziell in der Theaterausbildung? Auch für die Aufnahme eines Theaterstudiums gilt das in den Antworten zu den Fragen 2 a und 2 b Gesagte. Grundsätzlich stehen alle Angebote auch Menschen mit Behinderung offen. Spezielle Angebote gibt es bisher nicht. An der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg plant die Landesarbeitsgemeinschaft Theater und Film e.V. einen Fachtag zum Thema Inklusion, der sich aber zunächst vorrangig auf den Grundschulbereich beziehen wird. Wichtig erscheint den Organisatoren, den Inklusionsbegriff nicht zu eng zu fassen, sondern das Thema Inklusion und die damit verbundenen Perspektiven insbesondere auch auf kulturelle und soziale Inklusion zu beziehen. 3. Welche konkreten Beispiele von Bildungs-, Ausbildungs - und Weiterbildungsangeboten im kulturellen Bereich gibt es für Menschen mit Behinderung ? Neben den in den Antworten zu den Fragen 2 a und 2 b bereits genannten Maßnahmen hat sich die Musikschule Fürth e.V. einen bundesweit einzigartigen Ruf als Inklusionsmusikschule erworben. Bereits seit 20 Jahren musizieren an dieser Musikschule Menschen unterschiedlicher Herkunft und aus unterschiedlichen sozialen Schichten gemeinsam mit Menschen mit speziellem Förderbedarf. Der Leiter der Musikschule ist auch Vorsitzender des Bundesfachausschusses „Inklusion“ des Verbandes Deutscher Musikschulen und trägt damit seine Erfahrungen in die gesamte Breite der Musikschullandschaft. 4. a) Welche Rolle spielt der Ausbildungsinhalt, kulturelle Bildung für Menschen mit Behinderung, in den sonderpädagogischen Studiengängen? Beim Lehramt für Sonderpädagogik ist das vertiefte Studium einer sonderpädagogischen Fachrichtung entweder mit dem Studium der Didaktik der Grundschule oder mit dem Studium der Didaktiken einer Fächergruppe der Haupt(bzw. Mittel)schule verbunden. Hier gelten die Vorgaben für das Lehramt Grund- bzw. Mittelschule. Eine spezifische Schwerpunktsetzung im Bereich der kulturellen Bildung gibt es nicht. Vielmehr werden von allen Lehrkräften, die sonderpädagogische Studiengänge absolvieren , die gleichen Basisqualifikationen in Musik und Kunst verlangt wie beim Studium für das Lehramt Grundschule oder Mittelschule. b) Welche konkreten Beispiele inhaltlicher Lehrveranstaltungen zur kulturellen Bildung für Menschen mit Behinderung gibt es in den sonderpädagogischen Studiengängen? Bisher sind für Bayern keine bekannt. 5. a) In welcher Form und in welchem Ausmaß wird der Ausbildungsinhalt, kulturelle Bildung für Menschen mit Behinderung, in den Lehramtsstudiengängen der Kunst- und Musikhochschulen berücksichtigt ? Die Studien- und Prüfungsordnungen sehen stets einen Nachteilsausgleich für Behinderte vor. Weitere Besonderheiten bestehen nicht. Die Belange von behinderten Studierenden werden im alltäglichen Studienablauf bis hin zu Prüfungssituationen berücksichtigt. Alle Hochschulen haben eine(n) Behindertenbeauftragte(n) (an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg in informeller Kooperation mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), der/die sich um Einzelfragen und Belange behinderter Studierender kümmert. Grundsätzlich besteht in der Fachdidaktik Kunst wie in allen Fachdidaktiken in den nicht-sonderpädagogischen Lehramtsstudiengängen noch Forschungsbedarf hinsichtlich einer sachgerechten Inklusion. In den fachdidaktischen Lehrveranstaltungen werden allerdings immer wieder die besonderen Bildungschancen im Fach Kunst unter dem Aspekt der Inklusion betont: Die multisensuellen Arbeits- Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7948 weisen im Fach bieten viele Chancen einer Sensibilisierung und punktuellen Kompensation, aber auch Stärkung unterschiedlicher menschlicher Potenziale. Wesentliche Lehrinhalte der Fachdidaktik Kunst zielen auf basale kommunikative Situationen; in Rezeption und Produktion wird hier auf besondere Anforderungen hingewiesen, die für alle Menschen im Kommunikationsfeld optimale oder wenigstens verbesserte Bedingungen bieten. Dies können optische Leitsysteme sein mit prägnanten Piktogrammen oder ergonomische Verbesserungen bei der Produktgestaltung. b) Welche konkreten Beispiele inhaltlicher Lehrveranstaltungen zum Thema kulturelle Bildung für Menschen mit Behinderung gibt es in den Lehramtsstudiengängen der Musik- und Kunsthochschulen ? Bisher werden an den Musikhochschulen keine einschlägigen Lehrveranstaltungen angeboten. An der Universität Regensburg werden ebenfalls Musiklehrer für alle Schularten ausgebildet. Hier hat der Lehrstuhl für Musikpädagogik mit einer internationalen Tagungsinitiative „Der Heterogenität musikalisch begegnen“ nachhaltige Impulse zur Gestaltung von Inklusion gesetzt. Zielgruppe waren neben Studierenden aller Schularten auch Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen. An der Akademie der Bildenden Künste München wurden in Kooperation mit den museumspädagogischen Diensten der örtlichen Museen dezidiert zielgruppenangemessene Vermittlungsformate erarbeitet und erprobt, so z. B. hat ein fachdidaktisches Seminar mit dem Palais Pinakothek im Rahmen des Projektes „PINK“ mit eher bildungsfernen Jugendlichen und körperlich Behinderten im Museum gearbeitet . Im Augenblick arbeitet ein fachdidaktisches Seminar in Verbindung mit der Klasse für Kunsttherapie an und in einer „Kunststation“. Flüchtlinge in der Erstaufnahme der Bayernkaserne arbeiten gestalterisch vor Ort, um über das bildnerische Tun die psychosoziale Belastung – oft nach Flucht und Traumatisierung – ein Stück zu mindern und Kommunikationssituationen zu schaffen, die nicht eng an die deutsche Sprache gebunden sind. Zugleich werden die teilnehmenden Studierenden aus der Kunsttherapie und Kunstpädagogik für besondere kommunikative Herausforderungen unter prekären Bedingungen sensibilisiert und durch Begleitmaßnahmen unterstützt. 6. a) Welches Konzept der Inklusion verfolgt die Staatsregierung in den Kulturinstitutionen? Grundsätzlich geht es in allen Kulturinstitutionen um die Schaffung von Barrierefreiheit sowohl im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. So wurden und werden beispielsweise in der Bayerischen Staatsoper und im Residenztheater Induktionsschleifen für Träger von Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten verlegt. Auch das Cuvilliés-Theater und das Staatstheater am Gärtnerplatz sind komplett mit Induktionsschleifen ausgestattet. Ebenfalls sind die staatlichen Museen für die Anliegen von Menschen mit Behinderungen sensibilisiert und ergreifen unterschiedliche Maßnahmen, um ihnen einen möglichst gewinnbringenden Besuch zu ermöglichen. b) Welche Instrumente und Mittel zur Förderung inklusiver Projekte hat die Staatsregierung in den kulturellen Einrichtungen? Grundsätzlich entscheiden die staatlich geförderten Kulturinstitutionen selbstständig über die Verwendung ihrer Mittel. Das Thema Inklusion ist jedoch in weiten Teilen als vorrangig erkannt worden und wird sowohl baulich wie programmatisch angegangen. Erwähnt sei beispielsweise das Ausstellungskonzept der Ägyptischen Staatssammlung, das sich speziell um Menschen mit Behinderung kümmert. Hier wird neben taktilen und auditiven Angeboten ein möglichst viele Sinne ansprechendes museumspädagogisches Programm erprobt, das auf andere Häuser ausgeweitet werden kann. Anträge an den Bayerischen Kulturfonds widmen sich Programmen für Menschen mit Behinderung. Auch hier wird sich die nächsten Jahre weiteres Gestaltungspotenzial auftun . c) Welche Maßnahmen gibt es, die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen z. B. Besuche von Museen , Bibliotheken, Theatern, Festivals, etc. von Menschen mit Behinderung zu fördern? Bayerische Staatsbibliothek Im Bereich der Bayerischen Staatsbibliothek gibt es eine ganze Palette von konkreten Beispielen für Maßnahmen, die die Teilhabe an den Angeboten für Menschen mit Behinderung fördern. Diese beziehen sich nicht nur auf kulturelle Veranstaltungen in den Bibliotheken, sondern v. a. auf deren Kernaufgaben, d.h. Informationsrecherche und Medienausleihe oder auch die Benutzung der Lesesäle und nicht zuletzt der digitalen Bildungsangebote wie die Virtuellen Fachportale. Der Webauftritt der Bayerischen Staatsbibliothek orientiert sich konsequent an den Vorgaben der „Bayerischen Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik “ (vom 24.10.2006) und den „Web Content Accessibility Guidelines 2.0“ der W3C. Dies gilt für die bestehende ebenso wie für die geplante neue Website. Auch der OPAC (Online Public Access Catalogue) als das zentrale Rechercheinstrument der Bayerischen Staatsbibliothek ist nach den Kriterien der Barrierefreiheit konzipiert: D. h. alle Bücher und sonstigen Bibliotheksmedien können barrierefrei von zu Hause aus recherchiert, bestellt und verlängert werden. Im Bereich der Benutzeranmeldung gibt es besondere Bedingungen für Menschen mit Behinderungen, die die Bayerische Staatsbibliothek nicht persönlich aufsuchen können. Auf Antrag wird der Benutzerausweis ohne persönliches Erscheinen ausgestellt (anhand von vorausgefüllten Formularen und Ausweiskopien) und den Benutzerinnen und Benutzern zugeschickt. Für Benutzerinnen und Benutzer, die die Bibliothek aufgrund ihrer Behinderung nicht aufsuchen und auch keine Person schicken können, die bestellte Medien abholt, gibt es die Möglichkeit, dass ihnen die Bestellungen per Post zugesandt werden. Damit sind alle Bestände der Bayerischen Staatsbibliothek, die nach Hause entliehen werden, für Menschen mit Behinderungen nutzbar. Das Sachgebiet „Führungen und Benutzerschulungen“ bietet seit 2012 spezielle Schulungsveranstaltungen („Einführung in die Benutzung“) für Gehörlose bzw. Schwerhörige an. Dieses Angebot wird in Kooperation mit dem Bayerischen Gehörlosenverband organisiert und erfreut sich großer Beliebtheit. Die erste Veranstaltung hatte beispielsweise über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Drucksache 17/7948 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Die Lesesäle der Bayerischen Staatsbibliothek können auch von Benutzerinnen und Benutzern mit körperlichen Einschränkungen gut benutzt werden. Für Rollstuhlfahrer stehen im Allgemeinen Lesesaal (1. OG) rechts an der ersten Tischreihe eigens gekennzeichnete Arbeitsplätze zur Verfügung. Für Sehbehinderte gibt es im Erdgeschoss zwei PC-Arbeitsplätze (beschildert) und im Allgemeinen Lesesaal drei PC-Arbeitsplätze mit der Unterstützungssoftware ZoomText (max. 36-fache Vergrößerung). Die geplante, auf modernster iBeacon-Technologie basierende Inhouse-Navigation im Gebäude der Bayerischen Staatsbibliothek wird ein spezielles Modul für gehbehinderte Nutzer bieten, das den barrierefreien Zugang unterstützt. Die Applikation „BSB-Navigator“ wird voraussichtlich im Winter 2015 freigeschaltet. Museumspädagogisches Zentrum München Das Museumspädagogische Zentrum München (MPZ) führt in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Nationalmuseum und dem Münchner Stadtmuseum seit einigen Jahren Inklusionsprojekte durch. Die Konzeption und Durchführung von Führungsangeboten für diese Zielgruppen erfolgen in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Museum und den dortigen Restaurierungsabteilungen . In Zusammenarbeit zwischen MPZ, dem Münchner Stadtmuseum und dem Gehörlosenverband München und Umland e.V. ist geplant, Gehörlose fachlich und didaktisch zu Museumsführern auszubilden und diese zu befähigen, Führung für diese Zielgruppe selbstständig durchzuführen. Bayerische Museumsakademie Vom 23. bis 25. April 2015 veranstaltete die Bayerische Museumsakademie (BMA) in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Museologie der Universität Würzburg und dem Museum am Dom Würzburg eine Fachtagung zum Thema „Barrierefreiheit ist mehr als die Rampe am Eingang: Auf dem Weg zum inklusiven Museum“. 7. Welche konkreten Beispiele und Projekte inklusiver Angebote in den Kulturinstitutionen gibt es? Für Menschen mit Beeinträchtigung bietet das Museumspädagogische Zentrum München im Bayerischen Nationalmuseum in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (BBSB) und dem sonderpädagogischen Förderzentrum der Rupert-Egenberger-Schule in Unterschleißheim seit 2007 folgende spezielle Führungsangebote an: Schöner Wohnen, Das Mittelalter, Burgen und Ritter. Zur Sonderausstellung „Bella Figura – Europäische Bronzeplastik in Süddeutschland“ (6. Februar bis 25. Mai 2015) wurden ebenfalls Führungen für Blinde und Sehbehinderte sowie in Zusammenarbeit mit dem „Fachdienst zur Integration taubblinder und hörsehbehinderter Menschen in Bayern“ Führungen für diese Zielgruppe entwickelt. Theater und Schule (TUSCH) München Theater und Schule München bringt in Kooperation mit dem StMBW seit Jahren Münchner Schulen und Theater in einer zweijährigen Laufzeit zusammen. Theaterpädagogen der jeweiligen Kooperationstheater und Lehrkräfte erarbeiten gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern u. a. Aufführungen , die auf professionellen Bühnen gezeigt werden. Schülerinnen und Schüler mit Behinderung sind bei diesen Aufführungen selbstverständlich mit dabei. Modellprojekte Schultanz Auch das Modellprojekt Schultanz, das vor allem mit dem überregional bekannten Tänzer Alan Brooks durchgeführt wird (derzeit in Kooperation mit der Universität Augsburg, Lehrstuhl für Kunstpädagogik), hat den besonderen Fokus auf Inklusion gelegt. Kinder und Jugendliche mit Behinderung werden mittel- und langfristig in die Projekte eingebunden und können dort ihre besonderen Begabungen wirkungsvoll einbringen. Wochenprojekte gab es zum Beispiel mit dem Sehbehinderten - und Blindenzentrum München und der Samuel-Heinicke -Realschule (Schule für hörgeschädigte und gehörlose Schülerinnen und Schüler). An einem großen Abschlussprojekt in Straubing nahmen die hörgeschädigten Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen aus Regelschulen sehr erfolgreich teil. Das Bayerische Staatsballett hat in Kooperation mit dem St.-Anna-Gymnasium München unter dem Titel „Anna wird alt“ ein sehr erfolgreiches Tanzprojekt mit alten Menschen und Schülerinnen und Schülern durchgeführt, das beispielhaft für gelingende Inklusion eine große interessierte Öffentlichkeit erreichte. Projekt Inklusion und Kunst Das Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern in Bayreuth hat gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus Mittelschulen und Förderzentren große Gipsfiguren zu wichtigen historischen Persönlichkeiten Bayreuths erarbeitet . Inklusion gelang hier im gemeinsamen künstlerischen Planen und Ausführen beinahe selbstverständlich und vor allem unterschiedliche Ausbildungsinstitutionen übergreifend . Schlussbemerkung Die in den Beantwortungen der Fragen genannten Maßnahmen und Projekte sind jeweils beispielhaft zu verstehen. Auf eine bayernweite Abfrage aller einschlägigen Kulturinstitutionen Aus-, Weiter- und Fortbildungseinrichtungen wurde zur Vermeidung von zusätzlichem Verwaltungsaufwand für diese Institutionen verzichtet. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass gerade mit Mitteln der künstlerisch-kulturellen Bildung sowohl in den Schulen wie auch in den zahlreichen Kultureinrichtungen der Kommunen und Landkreise inklusive Arbeit schon jetzt permanent stattfindet und sich zukünftig noch deutlich steigern wird.