Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susann Biedefeld SPD vom 17.07.2015 Strategie zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung Die Sicherung einer zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung ist eine der wichtigsten Zukunftsherausforderungen . In Anbetracht dessen frage ich die Staatsregierung: 1. Was versteht die Staatsregierung unter einer bezahlbaren Energieversorgung? 2. a) Wie haben sich die Kosten für die verschiedenen Energieformen (Strom, Wärme, Kraftstoff) nach Endverbraucher (aufgeschlüsselt nach privaten Haushalten; Verkehr; Industrie, insbesondere energieintensives produzierendes Gewerbe; Handel, Dienstleistungen) in Bayern in den letzten 15 Jahren entwickelt? b) Von welcher Preisentwicklung in Bayern geht die Staatsregierung für die nächsten zehn Jahre aus? c) Auf welche Grundlagen bzw. Annahmen stützen sich die Berechnungen bzw. Einschätzungen der Staatsregierung ? 3. Welche konkreten Maßnahmen verfolgt die Staatsregierung , um eine weitere Steigerung der Energiekosten für die Endverbraucher zu verhindern? 4. a) Welchen konkreten Strategien geht die Staatsregierung nach, um Bayern unabhängiger von Energieimporten bzw. von den großen Monopolisten/Oligopolisten im Energiesektor zu machen? b) Welche Energieformen hält die Staatsregierung hierfür als besonders geeignet? c) Wie wird die Staatsregierung diese Energieformen in den nächsten Jahren fördern? 5. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird sich die Staatsregierung über den Bund und die Europäische Union für eine bezahlbare Energieversorgung in Bayern einsetzen? 6. Inwiefern wird sich die Staatsregierung über den Bund für steuerliche Anreize für die Energieeinsparung einsetzen (z. B. Haushaltsgeräte, Gebäudebereich, Wärmeerzeugung , Mobilität etc.)? Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 19.08.2015 1. Was versteht die Staatsregierung unter einer bezahlbaren Energieversorgung? Darunter versteht die Staatsregierung eine Energieversorgung , welche unter Beachtung der energiepolitischen Ziele der absoluten Versorgungssicherheit für Bayern und der Umweltverträglichkeit sowohl Haushalts- wie Industriekunden mit den unter diesen Prämissen geringstmöglichen Energiepreisen belastet. Es muss durch die Ausgestaltung der Energiemärkte gewährleistet werden, dass es – immer unter Beachtung der genannten Prämissen – keine Überförderung für bestimmte Energieformen gibt, welche die bayerischen Verbraucher und Bayern als Wirtschaftsstandort schädigen könnte. 2. a) Wie haben sich die Kosten für die verschiedenen Energieformen (Strom, Wärme, Kraftstoff) nach Endverbraucher (aufgeschlüsselt nach privaten Haushalten; Verkehr; Industrie, insbesondere energieintensives produzierendes Gewerbe; Handel , Dienstleistungen) in Bayern in den letzten 15 Jahren entwickelt? Die Entwicklung der Energiekosten für die privaten Haushalte kann anhand des Verbraucherpreisindex dargelegt werden. Dieser misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte für Konsumzwecke kaufen. Im Rahmen der Revision 2005 der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wurde eine wesentliche Methodenänderung – die sogenannte Vorjahrespreisbasis – eingeführt, bei der dimensionslose Indikatoren verwendet werden. Die Preisentwicklung für Strom, Gas, Heizöl und Kraftstoffen kann folgender Tabelle entnommen werden: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.11.2015 17/7956 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7956 Verbraucherpreisindex Bayern (2010=100) Jahr Heizöl, leicht Strom Gas Kraftstoffe 2000 61,7 64,7 63,5 71,3 2001 59,0 65,8 77,8 71,8 2002 52,9 67,8 72,8 73,6 2003 55,5 70,1 76,8 77,4 2004 61,4 71,9 77,2 80,5 2005 82,5 73,9 84,5 86,8 2006 92,8 77,9 100,3 91,5 2007 88,2 81,2 102,8 95,3 2008 119,6 89,1 112,6 102,0 2009 82,4 97,7 109,1 90,2 2010 100,0 100,0 100,0 100,0 2011 124,8 107,0 104,8 112,3 2012 136,3 108,9 110,4 118,7 2013 127,4 123,4 111,1 114,6 2014 117,1 124,9 111,0 110,2 Quelle: LfStat Die Verbrauchssektoren „verarbeitendes Gewerbe“ (Industrie ) und Gewerbe, Handel, Dienstleistungen (GHD) weisen im Vergleich zu den privaten Haushalten eine sehr heterogene Verbrauchsstruktur mit individuell vereinbarten Preisen und entsprechend großen Preisunterschieden auf. Ein amtlicher Index für die Verbrauchssektoren Industrie und GHD, der dem Verbraucherpreisindex entspricht, wäre daher aufgrund der Bildung von gemittelten Werten, die auf die wenigsten Unternehmen zuträfen, ohne Aussagekraft und liegt auch nicht vor. Lediglich für den Bereich Strom gibt die Strompreisanalyse des BDEW einen gewissen Anhaltspunkt : b) Von welcher Preisentwicklung in Bayern geht die Staatsregierung für die nächsten zehn Jahre aus? c) Auf welche Grundlagen bzw. Annahmen stützen sich die Berechnungen bzw. Einschätzungen der Staatsregierung? Die Staatsregierung erstellt keine Energiepreisprognosen. 3. Welche konkreten Maßnahmen verfolgt die Staatsregierung , um eine weitere Steigerung der Energiekosten für die Endverbraucher zu verhindern? Eines der Hauptprobleme des deutschen Strommarkts ist der hohe Anteil staatlich veranlasster Preisbestandteile, die inzwischen mehr als 52 % des Haushaltsstrompreises ausmachen . Daher begrüßt die Staatsregierung die Aussage im Weißbuch des BMWi „Ein Strommarkt für die Energiewende “, dass ein Zielmodell entwickelt werden soll, welches die Wirkung des Großhandelspreises beim Haushaltsstrompreis wieder stärker in den Vordergrund rücken soll. Da die EEGUmlage mit 21,4 % des Haushaltsstrompreises mit Abstand die größte Kostenposition darstellt, ist aus Sicht der Staatsregierung bei dieser auch am wirkungsvollsten anzusetzen. Das System der EEG-Vergütung muss mit der Maßgabe auf den Prüfstand, dass zum einen Erzeugung aus erneuerbaren Energieträgern stärker in den Wettbewerb mit Erzeugung aus möglichst emissionsarmen konventionellen Energieträgern treten, und zum anderen flexible Einspeisung mit netzstabilisierender Wirkung stärker honoriert werden muss. Für industrielle Verbraucher ist es zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung, dass – im Rahmen der europarechtlichen Zulässigkeit – ihre Eigenstromerzeugung frei von zusätzlichen Belastungen und die besondere Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen im Wesentlichen erhalten bleiben . Drucksache 17/7956 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Konkrete Maßnahmen werden sich im neuen Bayerischen Energieprogramm finden, das derzeit auf Grundlage der bundespolitischen Beschlüsse der Koalitionsspitzen vom 1. Juli 2015 erarbeitet wird. Seine Fertigstellung ist für Herbst 2015 geplant. 4. a) Welchen konkreten Strategien geht die Staatsregierung nach, um Bayern unabhängiger von Energieimporten bzw. von den großen Monopolisten/ Oligopolisten im Energiesektor zu machen? b) Welche Energieformen hält die Staatsregierung hierfür als besonders geeignet? Bayern ist ein Land mit hoher Lebensqualität, einer beeindruckenden Wirtschaftsleistung, geringer Arbeitslosigkeit und sozialem Frieden. Damit das so bleibt, ist eine zuverlässige und wettbewerbsfähige Energieversorgung auch zukünftig unverzichtbar. Wie die meisten Industrieländer ist auch Bayern als energie- und rohstoffarmes Land auf Energieimporte angewiesen. Die Importabhängigkeit kann durch Energieeinsparung, Erhöhung der Effizienz und Energiegewinnung im Inland, insbesondere durch die Nutzung erneuerbarer Energien, reduziert werden. Diese drei Aspekte sind zentrale Punkte der bayerischen Energiepolitik. Die Erfolge der Energieeinspar- und -effizienzbemühungen zeigen sich beispielsweise deutlich an der Primärenergieproduktivität (Bruttoinlandsprodukt im Verhältnis zum Primärenergieverbrauch), die in Bayern seit der Jahrtausendwende um rund 25 % zugenommen hat. Auch die Bemühungen der Staatsregierung zur verstärkten Nutzung der erneuerbaren Energien zeigen deutliche Erfolge . Der Beitrag der erneuerbaren Energien zur Deckung des Primärenergieverbrauchs konnte in Bayern im Zeitraum von 2009 bis 2013 von 218 Petajoule auf 334 Petajoule erhöht werden. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist im gleichen Zeitraum von 21,0 Terawattstunden auf 31,6 Terawattstunden gestiegen (vgl. Fortschrittsbericht 2013/2014 zum Umbau der Energieversorgung Bayerns). Diesen Weg wollen wir erfolgreich weiter beschreiten. Um darüber hinaus auch Abhängigkeiten von einzelnen Energielieferländern zu reduzieren, sind sowohl die Diversifizierung der Lieferländer als auch die Bevorratung geeignete Maßnahmen. Dies zeigt unter anderem das Beispiel der Erdölbevorratung, die infolge der Ölkrisen der 1970er-Jahre eingerichtet wurde. c) Wie wird die Staatsregierung diese Energieformen in den nächsten Jahren fördern? 5. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird sich die Staatsregierung über den Bund und die Europäische Union für eine bezahlbare Energieversorgung in Bayern einsetzen? Antworten zu Frage 4 c und Frage 5 werden sich im neuen Bayerischen Energieprogramm finden, das derzeit auf Grundlage der bundespolitischen Beschlüsse der Koalitionsspitzen vom 1. Juli 2015 erarbeitet wird. Seine Fertigstellung ist für Herbst 2015 geplant. Im europäischen Rahmen wird die Staatsregierung jedenfalls darauf dringen, dass die Mitgliedstaaten dem von der EU-Kommission in der Mitteilung „COM(2015)82“ vom 25.02.2015 aufgestellten Stromverbundziel von 10 % bis 2020 als erstem Schritt nachkommen. 6. Inwiefern wird sich die Staatsregierung über den Bund für steuerliche Anreize für die Energieeinsparung einsetzen (z. B. Haushaltsgeräte, Gebäudebereich , Wärmeerzeugung, Mobilität etc.)? Am 1. Juli 2015 haben die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD eine Reihe von Vereinbarungen über Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende getroffen. Diese beinhalten unter anderem auch ein klares Bekenntnis zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudemodernisierung. Nicht zuletzt auf Drängen Bayerns wird dieses Thema nun zügig weiterverfolgt. Unverändert hält die Staatsregierung ihre Ablehnung der zur Gegenfinanzierung ins Spiel gebrachten Reduzierung der steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen aufrecht . Bayern hält eine Gegenfinanzierung nicht für notwendig , weil mit beträchtlichen Selbstfinanzierungseffekten der Förderung zu rechnen ist. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudemodernisierung soll nicht nur Anreiz für den Klimaschutz, sondern auch ein wirksames Förderprogramm sein, von dem vor allem das Handwerk und die regionale Wirtschaft profitieren werden. Auch der Umbau der KWK-Förderung und damit auch die Förderung von Wärmeerzeugung war ein wichtiger Bestandteil des Gesprächs vom 1. Juli 2015. Auch hier hat die Staatsregierung – außerhalb von steuerlichen Anreizen – einiges erreicht: Die aktuell auf 750 Mio. € p. a. gedeckelte Förderung wird nicht nur – wie vom Bund ursprünglich vorgesehen – auf 1 Mrd. € erhöht, sondern auf 1,5 Mrd. €. Das förderfähige Investitionsvolumen bei Wärmenetzen und -speichern wird verdoppelt. Außerdem haben wir eine Erhöhung der Zuschläge für gasbetriebene KWK-Anlagen der öffentlichen Versorgung durchgesetzt. Erstmals werden auch erdgasbefeuerte KWK-Bestandsanlagen der öffentlichen Versorgung gefördert, ebenso der Ersatz von kohle- durch gasbefeuerte Anlagen. Die Staatsregierung sieht es zur Förderung der weiteren Verbreitung der Elektromobilität als vorrangig an, eine Sonderabschreibung für Elektrofahrzeuge und Ladevorrichtungen im betrieblichen Bereich einzuführen, wie es in einem vom Bundesrat am 10.07.2015 mit der Unterstützung Bayerns beschlossenen Gesetzentwurf gefordert wird (BR-Drs. 114/15). Auch die in diesem Gesetzentwurf geforderte Lohnsteuerbefreiung für den geldwerten Vorteil aus dem kostenfreien oder verbilligten Aufladen privater Elektrofahrzeuge des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz kann einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung des Markthochlaufs für Elektromobilität leisten.