Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 13.07.2015 Strafrechtliche Verfolgung besonders schwerer Gewässerverunreinigungen in Bayern In der Antwort der Staatsregierung vom 03.06.2015 auf die Schriftliche Anfrage „Verfolgung von Umweltdelikten in Bayern ” vom 30.03.2015 (Drucksache Nr. 17/6990) werden für die Jahre 2010 bis 2013 insgesamt acht erfasste Fälle besonders schwerer Gewässerverunreinigung nach § 324 a i. V. m. § 330 des Strafgesetzbuches (StGB) aufgelistet. 2014 wurde kein Fall besonders schwerer Gewässerverschmutzung in Bayern erfasst. Nicht ersichtlich ist, um welche konkreten Fälle es sich hierbei handelte und wie diese strafrechtlich verfolgt wurden. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Um welche konkreten Fälle besonders schwerer Gewässerverunreinigung nach §324 a i. V. m. § 330 StGB handelte es sich bei den in Anlage 2 der Antwort der Staatsregierung aufgelisteten, im Einzelnen (bitte um Nennung der jeweiligen exakten Sachverhalte mit Art des Vorfalls und Ursache, Ablauf, betroffene Gewässer , Zeitraum)? 2. Wie wurden diese erfassten Delikte geahndet bzw. strafrechtlich verfolgt (bitte um Nennung des jeweiligen Falles mit den rechtlichen bzw. strafrechtlichen Folgen und deren Begründung)? 3. Welche Gründe sieht die Staatsregierung dafür, dass 2010 und 2011 alle Fälle aufgeklärt werden konnten, 2012 nur noch die Hälfte der Fälle und 2013 von drei erfassten Fällen kein einziger mehr aufgeklärt werden konnte? 4. a) In welchen der in Anlage 2 aufgezählten Fällen von Gewässerverunreinigung (nicht schwerer Gewässerverunreinigung ) wurde 2010 bis einschließlich 2014 zuerst oder zwischenzeitlich auch wegen des Verdachts auf schwere Gewässerverunreinigung ermittelt, dieser Tatbestand aber nicht weiterverfolgt bzw. fallen gelassen? b) Aus welchen Gründen wurde so vorgegangen (siehe 4 a)? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 01.09.2015 Die Schriftliche Anfrage wird, hinsichtlich der Vorbemerkung und der Frage 4 im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Wie bereits in der Antwort des Staatsministeriums des Innern , für Bau und Verkehr vom 3. Juni 2015 auf die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten von Brunn vom 30. März 2015 betreffend die „Verfolgung von Umweltdelikten in Bayern“ (LT-Drs. 17/6990, S. 2) ausgeführt, erfasst die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) einen Fall nur bis zur Abgabe des Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft. Aus ihr geht daher nicht hervor, wie ein bei der Polizei erfasster Fall letztlich durch die Justiz abgeschlossen wird. Scheinbare Widersprüche zwischen der Anzahl der in der PKS als aufgeklärt bzw. nicht aufgeklärt erfassten Fälle und der Anzahl der durch die Staatsanwaltschaft aus tatsächlichen Gründen eingestellten Fälle sind dadurch zu erklären. 1. Um welche konkreten Fälle besonders schwerer Gewässerverunreinigung nach §324 a i. V. m. § 330 StGB handelte es sich bei den in Anlage 2 der Antwort der Staatsregierung aufgelisteten, im Einzelnen (bitte um Nennung der jeweiligen exakten Sachverhalte mit Art des Vorfalls und Ursache, Ablauf , betroffene Gewässer, Zeitraum)? PKS-Berichtsjahr 2013: Einem der im PKS-Berichtsjahr 2013 erfassten Fälle der besonders schweren Gewässerverunreinigung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Mai 2013 wurde auf einem Bach im Bereich des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen ein größerer Ölfilm mit deutlich wahrnehmbarem Ölgeruch vorgefunden. Dieser Ölfilm konnte letztendlich aufgefangen und beseitigt werden , ohne dass es zu größeren Umweltschäden gekommen ist. Wegen der großen Anzahl von Firmen im umliegenden Gewerbegebiet konnte letztendlich der verantwortliche Verursacher nicht ausfindig gemacht werden. Das gegen unbekannt geführte Verfahren wurde daher eingestellt. Ein weiteres im PKS-Berichtsjahr 2013 erfasstes Verfahren betraf eine mutmaßliche Gewässerverunreinigung im Passauer Beiderwiesbach am 6. August 2013, wobei ca. 100 tote Fische festgestellt wurden. Entnommene Fisch- und Wasserproben ließen nach Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts keinen eindeutigen Rückschluss auf die Ursache des Fischsterbens zu; die Ergebnisse der Fischproben würden auf eine stark eingeschränkte Sauerstoffaufnahme (möglicherweise als Folge einer Hitzeperiode) als Ursache des Fischsterbens hindeuten. Das gegen unbekannt geführte Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, weil ein Verursacher des Fischsterbens nicht ermittelt werden konnte. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.11.2015 17/7994 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/7994 Gegenstand des dritten im PKS-Berichtsjahr 2013 erfassten Falles war eine Verunreinigung des Schnuttenbaches in Offingen. Das Ermittlungsverfahren wurde aufgrund der Anzeige einer Privatperson vom 12. Juli 2013, die im Bach mehrere tote Flusskrebse entdeckt hatte, eingeleitet. Nach Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts waren alle Gewässerorganismen im Schnuttenbach verendet. Durchgeführte Ermittlungen ergaben, dass das Gewässer unter anderem durch ein technisches Gemisch aus Alkylnaphtalinen verunreinigt worden war. Eine Einleitungsstelle, von welcher die Verunreinigung ausging, konnte nicht ermittelt werden. Da Alkylnaphtaline als Additive Schmiermittel und Gleitmittel beigegeben werden, bestand der Verdacht, dass die Verunreinigung durch eine unsachgemäße Entsorgung von Schmiermitteln verursacht wurde. Es wurden in diesem Zusammenhang der Inhaber einer anliegenden Kfz-Werkstatt und eines Autohandels als Zeugen befragt, die einen Umgang mit Schmierstoffen verneinten bzw. einen vorschriftsmäßigen Umgang und ein ebensolches Entsorgen dieser Stoffe behaupteten. Mangels Vorliegens hinreichend objektiver Anhaltspunkte für eine Täterschaft waren weitere Ermittlungsmaßnahmen nicht gerechtfertigt. Das gegen unbekannt geführte Verfahren wurde eingestellt, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte. PKS-Berichtsjahr 2012: Gegenstand eines im PKS-Berichtsjahr 2012 erfassten Verfahrens war die Verunreinigung des Baches „Biber“ zwischen Nordholz und Halbertshofen im Gemeindebereich Buch. Das Ermittlungsverfahren wurde auf Grund einer Anzeige einer Privatperson vom 25. Januar 2012 eingeleitet, die mitteilte, dass der Bach im vorgenannten Bereich weiß gefärbt sei und schäumen würde. Untersuchungen des Wasserwirtschaftsamtes ergaben eine starke organische Beaufschlagung und Sauerstoffarmut des Gewässers vor allem im Mündungsbereich des alten Dorfkanals. Hier wurden Aufwüchse von Schwefelbakterien festgestellt, die auf wiederholte Einträge von organisch hoch belastetem Wasser schließen ließen. Das Wasserwirtschaftsamt vermutete, dass es zu einem Eintrag von Abwasser aus einem milchwirtschaftlichen Betrieb – ggf. durch einen fehlerhaften Anschluss einer Abwasserleitung an den Tagwasserkanal – gekommen sein könnte. Da nicht festgestellt werden konnte, ob und von welchem Kanalanschluss aus die Schadstoffe über den Kanal in den Bach gelangten, konnte ein Verursacher nicht ermittelt werden. Das gegen unbekannt geführte Verfahren wurde eingestellt, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Einem weiteren Fall aus dem PKS-Berichtsjahr 2012 lag das Einbringen einer waschpulverähnlichen Substanz am 27. Mai 2012 in den Zulauf eines Fischteichs auf einem Anwesen in Bayreuth zugrunde. Hierdurch sollen eine Verunreinigung des Teiches eingetreten und etwa 20 Koi-Karpfen beeinträchtigt worden sein. Das Ermittlungsverfahren, das sich gegen die Nachbarn des betroffenen Anwesens richtete , wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO aus tatsächlichen Gründen eingestellt, da die Täterschaft der Beschuldigten nicht nachweisbar war. PKS-Berichtsjahr 2011: Einer der im PKS-Berichtsjahr 2011 erfassten Fälle der besonders schweren Gewässerverunreinigung hatte eine am 29. September 2010 aufgetretene erhöhte Belastung des Trinkwassers der Marktgemeinde Rimpar – gespeist aus einem Brunnen im Wasserschutzgebiet Gramschatz – mit coliformen Keimen zum Gegenstand. Das Verfahren richtete sich gegen den Bewirtschafter eines im Wasserschutzgebiet Gramschatz liegenden Flurstücks, da dieser möglicherweise Fäkal- oder Klärschlamm ausgebracht haben könnte, welcher zu der festgestellten Verunreinigung geführt haben könnte. Einziges Indiz für diese Annahme war, dass von Zeugen beobachtet wurde, wie im Tatzeitraum vom 15. September 2010 bis 22. September 2010 auf dem Flurstück mit einem Schlepper mit Fassanhänger sowie einem Grubber gearbeitet wurde. Erkenntnisse darüber, ob und ggf. welche Materialien auf dem Flurstück ausgebracht wurden, konnten nicht erzielt werden. Bei einem Ortstermin am 6. Oktober 2010 konnten auf diesem Flurstück auch keine aufgebrachten Schlämme oder Ähnliches festgestellt werden. Letztlich konnte die Ursache für die Gewässerverunreinigung nicht festgestellt werden. Das Verfahren gegen den Beschuldigten wurde daher nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Bei dem zweiten Fall aus dem Berichtsjahr 2011 handelt es sich um einen Fall der Gewässerverunreinigung des Auinger Baches in Wörthsee am 13. September 2011. Dem Beschuldigten als zuständigem Bauleiter einer Bauträgerfirma wurde vorgeworfen, im Rahmen von Bautätigkeiten Grundwasser entgegen der vom Landratsamt Starnberg erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis in ein für Niederschlagswasser vorgesehenes Rückhaltebecken abgeleitet zu haben , welches über den Auinger Bach entwässert wurde. Der Beschuldigte soll hierdurch bezweckt haben, das Eindringen von Grundwasser in die Lichtschächte der zu errichtenden Gebäude zu verhindern. Die Einleitung des mit Sedimenten versehenen Grundwassers führte zu einer starken Verschlammung des Rückhaltebeckens sowie zu einem Eintrag des verschlammten Wassers in den Auinger Bach, welcher hierdurch nicht unwesentlich verunreinigt wurde. Dies führte neben der Verunreinigung zum Absterben dreier im Auinger Bach befindlicher Fische. Der Fall war von der zuständigen Polizeiinspektion der zuständigen Staatsanwaltschaft als besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat gemäß §§ 324, 330 StGB vorgelegt worden. Bereits in der Schlussanzeige der Polizei wurde jedoch der Verdacht gemäß § 330 StGB nicht aufrechterhalten , sodass letztlich eine einfache Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB verblieb. Das Verfahren wurde am 23. März 2012 gemäß § 153 a Abs. 1 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1.500 EUR an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. PKS-Berichtsjahr 2010: Dem im PKS-Berichtsjahr 2010 erfassten Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 20. Mai 2010 stürzte der rückwärtige Teil eines Gebäudes auf dem Grundstück des Beschuldigten in Stöttwang ein, wodurch im Gebäude gelagerte Abfälle in das Grundwasser gelangten, welches durch Abtragen des Erdreichs um das Gebäude herum freigelegt worden war. Anlässlich des Vorfalls entnommene Gewässerproben ergaben eine erhebliche Verunreinigung des Grundwassers. Aufgrund einer präventivpolizeilichen Anordnung des zuständigen Landratsamts wurde das Gebäude vor Durchführung weiterführender Ermittlungen abgerissen und die Gewässerverunreinigung beseitigt. Das Verfahren wurde gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt und zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten an die Verwaltungsbehörde gemäß § 43 des Gesetzes über Ord- Drucksache 17/7994 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 nungswidrigkeiten (OWiG) abgegeben; nach den der zuständigen Staatsanwaltschaft vorliegenden Informationen wurde kein Verfahren zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten eingeleitet. Hinsichtlich des Vorwurfs der Gewässerverunreinigung in einem besonders schweren Fall war nicht nachweisbar, dass der Beschuldigte das Grundwasser vorsätzlich verunreinigt hatte. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf konnte dem Beschuldigten ebenfalls nicht angelastet werden, da nicht nachweisbar war, dass der Beschuldigte wusste bzw. damit rechnen konnte, dass sein Anwesen einstürzen und es hierdurch zu Grundwasserverunreinigungen kommen würde. Hinsichtlich des Vorwurfs des unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen konnte nicht konkret festgestellt werden, welche Chemikalien der Beschuldigte tatsächlich in seinem Anwesen gelagert hatte bzw. welche Chemikalien schlussendlich durch den Einsturz des Gebäudes in das Grundwasser gelangt sind. Bei der Entscheidung wurde auch berücksichtigt, dass die Verwaltungsbehörden seit Jahren von den Zuständen auf dem Anwesen des Beschuldigten Kenntnis hatten. 2. Wie wurden diese erfassten Delikte geahndet bzw. strafrechtlich verfolgt (bitte um Nennung des jeweiligen Falles mit den rechtlichen bzw. strafrechtlichen Folgen und deren Begründung)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. 3. Welche Gründe sieht die Staatsregierung dafür, dass 2010 und 2011 alle Fälle aufgeklärt werden konnten, 2012 nur noch die Hälfte der Fälle und 2013 von drei erfassten Fällen kein einziger mehr aufgeklärt werden konnte? Es wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 Bezug genommen. 4. a) In welchen der in Anlage 2 aufgezählten Fällen von Gewässerverunreinigung (nicht schwerer Gewässerverunreinigung ) wurde 2010 bis einschließlich 2014 zuerst oder zwischenzeitlich auch wegen des Verdachts auf schwere Gewässerverunreinigung ermittelt, dieser Tatbestand aber nicht weiterverfolgt bzw. fallen gelassen? b) Aus welchen Gründen wurde so vorgegangen (siehe 4 a)? Die Anlage 2 und damit auch die Fragen 4 a und 4 b beziehen sich auf Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik. Zur Fragestellung besteht vonseiten der Polizei keine statistische Erfassung. Zur Beantwortung wäre eine Einzelauswertung aller Fälle von Gewässerverunreinigung von 2010 bis 2014 erforderlich. Da es sich hierbei um 1.617 Einzelfälle handelt, wurde hiervon im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand abgesehen.