Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan, Markus Ganserer, Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 09.07.2015 Polizeieinsatz beim Vernetzungstreffen „Zwischentag” der Frankonia in Erlangen Am 4. Juli 2015 demonstrierten zahlreiche Menschen gegen die Messe „Zwischentag“ der Burschenschaft Frankonia in Erlangen. Wir fragen die Staatsregierung: 1.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber, dass Polizeieinsatzkräfte in unverhältnismäßiger Weise auf die Gegenproteste reagiert haben sollen? 1.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber, dass einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung über eineinhalb Stunden in praller Sonne eingekesselt worden sein sollen? 2.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber, dass, und wenn ja, wie viele, Personen von Polizeieinsatzkräften zu Boden geworfen oder mit Pfefferspray verletzt worden sein sollen? 2.2 Wurden Polizeieinsatzkräfte und/oder Demonstranten oder Demonstrantinnen verletzt, und wenn ja, in welcher Weise? 3. Weshalb erfolgte eine sehr weiträumige Absperrung der Veranstaltung „Zwischentag“? 4. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber, dass weibliche Demonstrantinnen von männlichen Polizeieinsatzkräften körperlichen Durchsuchungen unterzogen worden sind, obwohl auch weibliche Polizeieinsatzkräfte vor Ort gewesen sein sollen? 5. Wie viele Polizeieinsatzkräfte, insbesondere solche des Unterstützungskommandos (USK), waren bei diesem Einsatz vor Ort? 6. Ist es zutreffend, dass Teilnehmer der Messe mit offen erkennbaren Tattoos, die verfassungswidrige Symbole darstellten, zur Veranstaltung erschienen sind, und wenn ja, warum wurde dagegen nicht eingeschritten? 7.1 Wurden nach diesem Einsatz gegen Demonstrationsteilnehmerinnen und Demonstrationsteilnehmer Anzeigen erstattet und Ermittlungsverfahren eingeleitet (bitte aufgeschlüsselt nach Anzahl und Straftatbeständen )? 7.2 Wurden nach diesem Einsatz gegen Veranstaltungsteilnehmer Anzeigen erstattet und Ermittlungsverfahren eingeleitet (bitte aufgeschlüsselt nach Anzahl und Straftatbeständen)? 7.3 Wurden nach diesem Einsatz gegen Polizeieinsatzkräfte Anzeigen erstattet und Ermittlungsverfahren eingeleitet (bitte aufgeschlüsselt nach Anzahl und Straftatbeständen)? 8.1 Ist es zutreffend, dass Pressevertretern mit der Begründung , die Teilnehmer des Zwischentages könnten sich durch die Presse gestört fühlen und die Polizei könne deshalb nicht für die Sicherheit der Pressevertreter garantieren, der Zutritt zum abgesperrten Bereich um den Veranstaltungsort verweigert wurde? 8.2 Wie beurteilt die Staatsregierung diesen Vorfall? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 12.08.2015 Die Schriftliche Anfrage wird nach Einbindung des Polizeipräsidiums (PP) Mittelfranken wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Am Samstag, den 04.07.2015, fand im Zeitraum von 11.00 bis 17.30 Uhr in Erlangen die Messe „Zwischentag“ statt. Nach drei vorangegangenen Treffen der nationalistischen Verlegerszene in Berlin und Bonn war erstmals Erlangen Ziel der im Jahresrhythmus anberaumten Veranstaltung. Als Verantwortlicher und Veranstaltungsleiter fungierte der Publizist Felix Menzel. Die Veranstaltung mit Präsentationen, Podiumsdiskussionen und Lesungen fand im Haus der Burschenschaft Frankonia in der Löwenichstraße 16 statt. Laut Mitteilung des PP Mittelfranken nahmen ca. 160 Personen, welche teilweise der rechten Szene angehören, an der Messe mit 16 Ausstellern teil. Gegen die Messe „Zwischentag“ formierte sich lokal und regional breiter Protest, getragen von mehreren politischen Parteien und diversen gesellschaftlichen Organisationen und Gruppen. Bereits am Vortag der Messe wurde in der Erlanger Innenstadt zu Kundgebungen sowie einer Vortragsveranstaltung mit dem Titel „Burschenschaften und rechte Szene“ eingeladen. Zur Gewährleistung eines störungsfreien Verlaufs der angezeigten Veranstaltungen und Versammlungen erarbeitete das PP Mittelfranken ein abgestuftes und auf DeeskalatiDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.11.2015 17/8010 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8010 on ausgerichtetes Maßnahmenkonzept mit einer Differenzierung zwischen friedlichen und unfriedlichen Versammlungsteilnehmern . Vor diesem Hintergrund führte das PP Mittelfranken bereits vor der Veranstaltung mit allen Verantwortlichen Kooperationsgespräche. Im Vorfeld der Veranstaltung riefen vorwiegend linksautonome Kreise in einschlägigen Netzwerken und Flugblättern zur Verhinderung der Messe „Zwischentag“ auf. Es war deshalb mit einer erheblichen Beteiligung von Teilnehmern des gewaltgeneigten Spektrums aus dem regionalen und nordbayerischen Raum zu rechnen. Um gewalttätige Konfrontationen zu vermeiden, erfolgte durch Errichtung polizeilicher Absperrungen eine räumliche Abgrenzung des Veranstaltungsortes zur Trennung rivalisierender Personengruppen. Darüber hinaus sah ein vom PP Mittelfranken erarbeitetes Stufenkonzept vor, mit potenziell gewaltbereiten Gruppen und Personen bereits in der Zustromphase zum Veranstaltungsort in Dialog zu treten, sie ggf. zu begleiten und lagebezogen auf unfriedliche Aktionen unmittelbar zu reagieren. Hierzu wurden u. a. auch speziell geschulte Kommunikationsbeamte eingesetzt. Folgende Gegenkundgebungen fanden am Samstag, 04.07.2015, zur Messe „Zwischentag“ statt: • Lewin-Poeschke-Anlage (nördlich der Messeveranstaltung ) – „Buntes Sommerfest“ im Zeitraum von 09.30 bis 23.45 Uhr mit ca. 50–60 Personen. • Besiktasplatz (Innenstadt, westlich der Messeveranstaltung ) – Kundgebung „Antifaschistische Demonstration gegen rechte Buchmesse“ von 10.45 bis 11.15 Uhr mit ca. 10 Teilnehmern. • Löwenichstraße (nördlich angrenzend an das Burschenschaftshaus Frankonia) – gemeinschaftliches Versammlungsgeschehen „Blumenmeer für Toleranz“ und „Tag der Aufklärung statt Zwischentag“ von 08.45 bis 14.15 Uhr; kooperative Kundgebung einer Vielzahl von lokalen Parteien , Organisationen und Gruppierungen mit ca. 300 Teilnehmern. 1.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass Polizeieinsatzkräfte in unverhältnismäßiger Weise auf die Gegenproteste reagiert haben sollen? Erkenntnisse, dass Polizeieinsatzkräfte in unverhältnismäßiger Weise reagiert haben sollen, liegen nicht vor. 1.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung über eineinhalb Stunden in praller Sonne eingekesselt worden sein sollen? Eine Gruppe von Personen wurde zur Identitätsfeststellung festgehalten, da die Gruppe nach vorangegangener gewaltsamer Überwindung einer polizeilichen Absperrung und ausgesprochener Belehrung nur kurze Zeit später erneut an anderer Stelle die polizeiliche Absperrlinie durchbrach. Nach Darstellung des PP Mittelfranken sah man wegen der kritischen Stimmungslage der festgehaltenen Personen von einer geschlossenen Verbringung der Personengruppe an eine andere Örtlichkeit ab. Die Polizei forcierte deshalb mit einer Zuführung von Unterstützungskräften die Durchführung der Identitätsfeststellungen vor Ort. Die festgehaltenen Personen wurden in einem sichtabgewandten Bereich zur Eigensicherung durchsucht. Hierbei wurden in mehreren Fällen verbotene Gegenstände aufgefunden und sichergestellt. Während der polizeilichen Maßnahmen verhielten sich mehrere Personen unkooperativ . Die polizeilichen Maßnahmen dauerten ca. eineinhalb Stunden. Bei festgestellter Identität erfolgte Zug um Zug die Entlassung aus der polizeilichen Festhaltung, sodass nur wenige Personen tatsächlich über den gesamten Zeitraum festgehalten wurden. Am Festhalteort stand Schatten in begrenztem Umfang durch einen Baum zur Verfügung. Dieser Schutz wurde von den festgehaltenen Personen rege genutzt, sodass laut Darstellung des PP Mittelfranken niemand ununterbrochen der Sonneneinstrahlung ausgesetzt war. Darüber hinaus erfolgte zur Erfrischung der festgehaltenen Personen eine Versorgung mit Wasser. 2.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass, und wenn ja, wie viele, Personen von Polizeieinsatzkräften zu Boden geworfen oder mit Pfefferspray verletzt worden sein sollen? Über zu Boden geworfene Personen sowie über verletzte Versammlungsteilnehmer liegen laut Mitteilung des PP Mittelfranken keine Erkenntnisse vor. Beim ersten versuchten Überrennen der Polizeiabsperrung in der Fichtestraße setzte ein zur Seite gestoßener Polizeibeamter einen Sprühstoß seines Pfeffersprays ein, der jedoch keine Person traf. 2.2 Wurden Polizeieinsatzkräfte und/oder Demonstranten oder Demonstrantinnen verletzt, und wenn ja, in welcher Weise? Infolge des Einsatzgeschehens trugen drei Polizeibeamte infolge von Tritten und Schlägen Verletzungen davon. Sie erlitten Schürfungen und Hämatome, bedurften jedoch keiner unmittelbaren medizinischen Versorgung und blieben dienstfähig. Über verletzte Versammlungsteilnehmerinnen oder Versammlungsteilnehmer liegen dem PP Mittelfranken keine Erkenntnisse vor. 3. Weshalb erfolgte eine sehr weiträumige Absperrung der Veranstaltung „Zwischentag“? Aufgrund der Ankündigung linksautonomer Kreise, die Messe „Zwischentag“ verhindern zu wollen, und um eine einschließende Belagerung des Burschenschaftshauses der Frankonia zu vermeiden, war eine räumliche Absperrung mit Trennung der rivalisierenden Personengruppen geboten. Die zu diesem Zweck von der Polizei errichteten Absperrungen wurden mit den Verantwortlichen der Gegenkundgebungen in Kooperationsgesprächen einvernehmlich kommuniziert. Die Veranstalter der Gegendemonstrationen legten ausdrücklich darauf Wert, den nördlichen Bereich der Löwenichstraße mit Verbindung zum stattgefundenen Sommerfest in der Lewin-Poeschke-Anlage für ihr Protestgeschehen nutzen zu können. Um einen konfliktfreien Personenverkehr zum Burschenschaftshaus Frankonia gewährleisten zu können, errichtete die Polizei eine Absperrung unmittelbar am Burschenschaftshaus Frankonia, die sich in ihrer Ausdehnung auf ca. 30 m nördlich und südlich des Burschenschaftshauses erstreckte. Die sich ausschließlich in südlicher und südöstlicher Richtung anschließenden Absperrungen waren alle mit Durchlassstellen versehen und dienten vorrangig dem Zweck, Blockaden zu vermeiden. Drucksache 17/8010 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Das angezeigte und in den Kooperationsgesprächen ausführlich thematisierte Versammlungs- und Veranstaltungsgeschehen gegen die Messe „Zwischentag“ wurde durch die polizeilichen Absperrungen nicht beeinträchtigt. Zudem gewährleistete die Polizei eine ständige Zugangsmöglichkeit für alle Berechtigten (Anwohner, Besucher, Lieferverkehr , Pflegedienste, Pressevertreter etc.). 4. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass weibliche Demonstrantinnen von männlichen Polizeieinsatzkräften körperlichen Durchsuchungen unterzogen worden sind, obwohl auch weibliche Polizeieinsatzkräfte vor Ort gewesen sein sollen? Laut Mitteilung des PP Mittelfranken trifft es nicht zu, dass weibliche Versammlungsteilnehmerinnen von männlichen Polizeibeamten durchsucht wurden, wenngleich diese Behauptung mehrfach kolportiert wurde, u. a. auch durch entsprechende Durchsagen via Lautsprecher durch eine Rednerin bei der Hauptversammlung in der Löwenichstraße. 5. Wie viele Polizeieinsatzkräfte, insbesondere solche des Unterstützungskommandos (USK), waren bei diesem Einsatz vor Ort? Insgesamt befanden sich 322 Polizeibeamte, davon 83 Angehörige von Einheiten des USK, im Einsatz. 6. Ist es zutreffend, dass Teilnehmer der Messe mit offen erkennbaren Tattoos, die verfassungswidrige Symbole darstellten, zur Veranstaltung erschienen sind, und wenn ja, warum wurde dagegen nicht eingeschritten? Laut Mitteilung des PP Mittelfranken kam es im Verlauf des gesamten Einsatzes zu keinen Feststellungen von offen zur Schau gestellten Tattoos, welche verfassungswidrige Symbole im Sinne des § 86 a des Strafgesetzbuches (StGB( zum Gegenstand hatten. Auch diese Behauptung wurde mehrfach kolportiert und mittels entsprechender Durchsagen via Lautsprecher bei der Hauptversammlung in der Löwenichstraße verbreitet. 7.1 Wurden nach diesem Einsatz gegen Demonstrationsteilnehmerinnen und Demonstrationsteilnehmer Anzeigen erstattet und Ermittlungsverfahren eingeleitet (bitte aufgeschlüsselt nach Anzahl und Straftatbeständen)? Folgende strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet : • eine Strafanzeige wegen Körperverletzung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte • eine Strafanzeige wegen Beleidigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte • eine Strafanzeige wegen Vergehens nach dem BayVersG (Mitführen eines Messers) • eine Strafanzeige wegen Körperverletzung • eine Strafanzeige wegen Nötigung • drei Strafanzeigen wegen Beleidigung (davon zwei gegen Polizeibeamte) 7.2 Wurden nach diesem Einsatz gegen Veranstaltungsteilnehmer Anzeigen erstattet und Ermittlungsverfahren eingeleitet (bitte aufgeschlüsselt nach Anzahl und Straftatbeständen)? Gegen einen Veranstaltungsteilnehmer der Messe „Zwischentag “ werden Ermittlungen wegen eines Vergehens der Körperverletzung geführt. 7.3 Wurden nach diesem Einsatz gegen Polizeieinsatzkräfte Anzeigen erstattet und Ermittlungsverfahren eingeleitet (bitte aufgeschlüsselt nach Anzahl und Straftatbeständen)? Gegen Polizeieinsatzkräfte wurden bislang keine Strafanzeigen erstattet bzw. Ermittlungsverfahren eingeleitet. 8.1 Ist es zutreffend, dass Pressevertretern mit der Begründung, die Teilnehmer des Zwischentages könnten sich durch die Presse gestört fühlen und die Polizei könne deshalb nicht für die Sicherheit der Pressevertreter garantieren, der Zutritt zum abgesperrten Bereich um den Veranstaltungsort verweigert wurde? Laut Mitteilung des PP Mittelfranken wurde ausgewiesenen Pressevertretern ohne Beschränkung der Zutritt in den äußeren Absperrbereich gestattet. Der unmittelbare Kernbereich der Löwenichstraße, direkt vor dem Anwesen der Burschenschaft Frankonia, wurde aufgrund von Einwirkungsmöglichkeiten aufgrund der Wurfreichweite als Gefahrenraum eingestuft . Aufgrund dieser Gefahrenprognose, aber auch um diesen Bereich als ungehinderten Aktionsraum für Einsatzkräfte zu wahren, wurde Pressevertretern hier nur kontrollierter Zugang in Abstimmung mit der Pressebetreuung des PP Mittelfranken gestattet. Ein genereller Ausschluss von Medienvertretern fand auch in diesem Bereich nicht statt. Vereinzelt baten Journalisten, ihnen Zutritt zum privaten Areal der Messeveranstaltung zu ermöglichen, was von der Polizei an den zuständigen Verantwortlichen weitervermittelt wurde. 8.2 Wie beurteilt die Staatsregierung diesen Vorfall? Auf die Antwort zu Frage 8.1 wird verwiesen.