Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulde und Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 15.07.2015 Speicherung des Vermerks „Ansteckungsgefahr“ als personengebundener Hinweis in polizeilichen Datenbanken Wir fragen die Staatsregierung: 1. Wie viele Personen werden in Bayern mit dem Kürzel ANST für Ansteckungsgefahr in welchen polizeilichen Datenbanken erfasst? 2. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt diese Speicherung ? 3. Wie bewertet die Staatsregierung die dadurch entstehende Stigmatisierungsgefahr für die Betroffenen? 4. Wie wird sichergestellt, dass entsprechende Vermerke, z. B. nach der vollständigen Heilung einer Hepatitis-Infektion , gelöscht werden? 5. Wie oft kam es in der Vergangenheit in Bayern zu einer Übertragung von HIV- oder Hepatitis-Infektionen im Polizeidienst ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 21.08.2015 1. Wie viele Personen werden in Bayern mit dem Kürzel ANST für Ansteckungsgefahr in welchen polizeilichen Datenbanken erfasst? Mit Stand 03.08.2015 sind in Bayern 13.992 Personen mit dem Personengebundenen Hinweis (PHW) „Ansteckungsgefahr “ im Informationssystem der Polizei (INPOL) erfasst. 2. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt diese Speicherung? Rechtsgrundlage für die Speicherung des PHW sind Art. 37 und 38 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Gemäß Art. 38 Abs. 2 PAG kann die Polizei insbesondere personenbezogene Daten, die sie im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, Straftaten begangen zu haben, speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Gefahrenabwehr , insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben werden bei den Behörden und Dienststellen der Bayerischen Polizei über erhobene oder angefallene Daten personenbezogene Sammlungen (= Polizeiliche Sammlungen – PpS) geführt. In Abstimmung und mit Zustimmung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr wurden dazu „Richtlinien für die Führung Polizeilicher Sammlungen“ (RPpS) und die Errichtungsanordnung für die polizeilichen Dateien „Polizeiliche Sachbearbeitung/Vorgangsverwaltung – Verbrechensbekämpfung – Personen- und Fall-Auskunftsdatei“ (EA PFAD) in Kraft gesetzt. In diesen Vorschriften sind u. a. auch der Zweck, die Speicherungsinhalte, die Speicherungsvoraussetzungen, die Zugangskriterien sowie Erläuterungen zum PHW „Ansteckungsgefahr “ enthalten. Bezüglich der Zugangskriterien und Erläuterungen ist insbesondere auf den „PHW-Leitfaden“ des Bundeskriminalamtes (Stand: 20.08.2012 – VS – Nur für den Dienstgebrauch ) hinzuweisen. Dieser wurde bundesweit durch eine Bund-Länder- Projektgruppe erarbeitet und vom Arbeitskreis II – Innere Sicherheit – der Innenministerkonferenz beschlossen. PHW sind Hinweise auf bestimmte Eigenschaften einer natürlichen Person, aus denen eine Gefährdung der Person selbst oder für die einschreitenden Polizeibediensteten abgeleitet werden kann. Sie dienen primär dem Schutz des oder der Betroffenen und der Eigensicherung der eingesetzten Polizeikräfte und werden auf der Basis von Katalogwerten und zugehörigen Vergabekriterien entsprechend dem bundeseinheitlichen Leitfaden für PHW vergeben. Der PHW „Ansteckungsgefahr“ darf nur bei Vorliegen der Krankheiten – Hepatitis B oder – Hepatitis C oder – HIV vergeben werden. Zur Vergabe ist erforderlich, dass die Hinweise von einem Arzt oder einer anderen öffentlichen Stelle auf Grundlage eines ärztlichen Attestes oder einer entsprechenden Unterlage (Gesundheitsamt, Verwaltungsbehörde, Justizvollzugsanstalt u. Ä.) oder dem Betroffenen selbst vorliegen. Dabei ist festzuhalten, dass die Art der Krankheit grundsätzlich der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt und deshalb in polizeilichen Dateien, insbesondere im Zusammenhang mit dem PHW „Ansteckungsgefahr“, nicht gespeichert wird. Stattdessen wird die Herkunft der Information erfasst. Bei der Erstellung der Vergabekriterien hat die o. a. BundLänder -Projektgruppe auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Robert-Koch-Institut (RKI) eingebunden . Außerdem werden alle PHW „Ansteckungsgefahr“ mit Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zu präventivem Verhalten ergänzt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.11.2015 17/8030 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8030 3. Wie bewertet die Staatsregierung die dadurch entstehende Stigmatisierungsgefahr für die Betroffenen? Die Erstellung des „PHW-Leitfadens“ des Bundeskriminalamtes (Stand: 20.08.2012) wurde umfassend und sorgfältig vorgenommen. Dabei wurden alle Begriffe, Bezeichnungen, Definitionen sowie Vergabekriterien wiederholt behandelt, gründlich geprüft und beschlossen. Zur Festlegung und Vergabe für den PHW „Ansteckungsgefahr“ waren – wie bereits unter der Antwort zu Frage 2 dargestellt – umfangreich das Robert Koch-Institut sowie das Bundesministerium für Gesundheit eingebunden. Daneben wird auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen: – PHW können nur zu Personen gespeichert werden, die im Informationssystem der Polizei (INPOL) mit einer aktuellen Fahndung oder einem Eintrag im Kriminalaktennachweis (KAN) erfasst sind. – Zur Vergabe des PHW muss immer eine konkrete Gefährdungseinschätzung vorliegen. – Diese Daten sind nur für Polizeibeamte im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse ersichtlich und dienen als internes Hilfsmittel, insbesondere zum Schutz der Polizeibediensteten. Dadurch ist somit nur einem bestimmten und eingrenzbaren Personenkreis der Zugriff auf diese Daten möglich. 4. Wie wird sichergestellt, dass entsprechende Vermerke , z. B. nach der vollständigen Heilung einer Hepatitis -Infektion, gelöscht werden? Die Laufzeit des PHW „Ansteckungsgefahr“ richtet sich grundsätzlich nach der Laufzeit der kriminalpolizeilichen Sammlung zu dieser Person. Die Vergabe des PHW „Ansteckungsgefahr“ ist nur bei wenigen Krankheiten (Hepatitis B, Hepatitis C und HIV) zulässig, die hinsichtlich ihres Ansteckungspotenzials eine Prävention erforderlich machen (s. Antwort zu Frage 2). Da wie angeführt die Polizei im Regelfall die Art der Erkrankung nicht erfährt und beispielsweise bei HIV jeder Infizierte lebenslang als potenziell ansteckungsfähig anzusehen ist, kann eine Löschung erst erfolgen, wenn eine belastbare Mitteilung bezüglich einer vollständigen Heilung der Krankheit der Polizei bekannt wird. 5. Wie oft kam es in der Vergangenheit in Bayern zu einer Übertragung von HIV- oder Hepatitis-Infektionen im Polizeidienst? Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mitteilung einer ärztlichen Diagnose an den Dienstherrn im Einzelfall die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erfordert. Es ist daher keine systematische und recherchierbare Erfassung von Krankheitsdaten von Polizeibeschäftigten möglich.