Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 11.08.2015 „Hochwasserschutz Tiroler Ache“ Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Hochwasserschutzmaßnahmen wurden seit dem Hochwasser 2013 im Bereich der Tiroler Ache verwirklicht? b) Welche Hochwasserschutzmaßnahmen sind im Bereich der Tiroler Ache bis zu welchem Zeitpunkt geplant ? c) Wurden im Bereich der Tiroler Achen seit dem Hochwasser 2013 neue Retentionsflächen geschaffen (bitte Angaben Gemeindegebiet, Fläche und Wirkung)? 2. a) In welchem Bereich der Tiroler Achen sind Dammrückverlegungen angedacht? b) Könnte der Achendamm zwischen Grassau und Übersee zurückverlegt werden und welche Entlastungswirkung würde dies haben? 3. a) Nach welcher Systematik und in welcher Höhe werden Landwirte für Hochwasserschäden entschädigt? b) Welche staatlichen Hilfen gibt es für Landwirte zum Umgang mit Überschwemmungsgut? 4. Gibt es mit Österreich bzw. dem Land Tirol eine Zusammenarbeit , um den Hochwasserschutz an der Tiroler Ache zu verbessern? Wenn ja, welche Vereinbarungen gibt es? 5. a) Welche Auswirkungen haben die Hochwasserschutzmaßnahmen im Bereich der Großache auf der österreichischen Seite auf die Hochwassersituation der Tiroler Ache auf der bayerischen Seite? b) Wurden die Hochwasserschutzmaßnahmen auf der österreichischen Seite mit den zuständigen Behörden in Bayern abgestimmt? c) Gibt es konkrete Bestrebungen der bayerischen Staatsregierungen, die Zusammenarbeit im Hochwasserfall mit den österreichischen Behörden und Hilfsorganisationen (Feuerwehr, THW, etc.) zu verbessern? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 11.09.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. a) Welche Hochwasserschutzmaßnahmen wurden seit dem Hochwasser 2013 im Bereich der Tiroler Ache verwirklicht? b) Welche Hochwasserschutzmaßnahmen sind im Bereich der Tiroler Ache bis zu welchem Zeitpunkt geplant? c) Wurden im Bereich der Tiroler Ache seit dem Hochwasser 2013 neue Retentionsflächen geschaffen (bitte Angaben Gemeindegebiet, Fläche und Wirkung )? Seit dem Hochwasser 2013 wurden die in Tabelle 1 angeführten Hochwasserschutzmaßnahmen durchgeführt und abgeschlossen. Die Investitionskosten belaufen sich dabei insgesamt auf ca. 5 Mio. Euro. Flusskilometer Art der Maßnahme 7,0–7,4 rechts Sanierung Deichbruch und Vorfußsicherung 2,2–2,4 rechts Sanierung Deichbruch und Vorfußsicherung 12,9 Sanierung Hochwasserschäden am Gränzmühlwehr 9,0–22,0 Vorfußsicherung an mehreren Stellen 11,7–11,85 rechts Einbau statisch tragende Innendichtung 10.8–11,7 links Einbau statisch tragende Innendichtung 0,2–22,0 Schwemmgutentsorgung 2,2–3,4 links Einbau statisch tragende Innendichtung 9,8–10,85 links Einbau statisch tragende Innendichtung 9,6–11,7 rechts Einbau statisch tragende Innendichtung Tabelle 1: Durchgeführte Maßnahmen seit dem Hochwasser 2013 Bis zum Jahr 2017 sind die in Tabelle 2 angeführten Maßnahmen geplant. Die geschätzten Kosten betragen rd. 5 Mio. Euro. Flusskilometer Art der Maßnahme Fertigstellung 12,7–12,8 links Sanierung Hochwasserschutzmauer Ende 2015 13,1–13,3 links Einbau statisch tragende Innendichtung 2016 12,2–12,3 links Einbau statisch tragende Innendichtung inkl. Sanierung HW Mauer 2016 3,5–8,4 links Einbau statisch tragende Innendichtung 2016 9,0–9,2 links Einbau statisch tragende Innendichtung 2016 8,2–9,3 rechts Einbau statisch tragende Innendichtung 2016 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.11.2015 17/8048 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8048 Flusskilometer Art der Maßnahme Fertigstellung 12,3–12,45 rechts Einbau statisch tragende Innendichtung 2016 8,3–8,5 Vorfußsicherung 2016 9,7–9,9 Vorfußsicherung 2016 0,2–2,2 links Standsicherheitsuntersuchung 2016 12,45–12,5 links Hochwasserschutzmauer als Deichersatz 2017 12,35–12,4 links Hochwasserschutzmauer als Deichersatz 2017 21,4–22,0 links Einbau statisch tragende Innendichtung 2017 Tabelle 2: Geplante Maßnahmen bis 2017 Es wurden nur Maßnahmen im Zuge der Unterhaltung durchgeführt. Dabei wurden keine neuen Retentionsflächen geschaffen. Grundsätzlich können Retentionsflächen an der Tiroler Achen nur Auswirkungen bis zum Chiemsee haben, da der Chiemsee unterhalb der Tiroler Achen als großer natürlicher Retentionsraum innerhalb des Gewässersystems Tiroler Achen – Alz – Inn − Donau wirkt (siehe Abb.1 – beispielhafte Darstellung der Retentionswirkung beim Hochwasser 2013). - 3 - Es wurden nur Maßnahmen im Zuge der Unterhaltung durchgeführt. Dabei wurden keine neuen Retentionsflächen geschaffen. Grundsätzlich können Retentionsflächen an der Tiroler Achen nur Auswirkungen bis zum Chiemsee haben, da der Chiemsee unterhalb der Tiroler Achen als großer natürlicher Retentionsraum innerhalb des Gewässersystems Tiroler Achen – Alz – Inn − Donau wirkt (siehe Abb.1 – beispielhafte Darstellung der Retentionswirkung beim Hochwasser 2013). Abbildung 1: Retentionswirkung des Chiemsees beim Hochwasser 2013 2. a) In welchem Bereich der Tiroler Ache sind Dammrückverlegungen angedacht? b) Könnte der Achendamm zwischen Grassau und Übersee zurückverlegt werden und welche Entlastungswirkung würde dies haben? Im Rahmen des EU-kofinanzierten Projektes „Flussraumagenda für den Alpenraum“ wurden 2005 Deichrückverlegungen im Unterlauf der Tiroler Achen zwischen Eisenbahnbrücke und Chiemsee theoretisch auf ihre Auswirkungen auf Deltawachstum, Sohlhöhen und Wasserspiegellagen bei Hochwasser in einem Prognosezeitraum von 80 Jahren untersucht. Ob unterstrom der Autobahnbrücke (A8) eine Deichrückverlegung tatsächlich realisiert werden soll, bedarf weiterer detaillierterer Untersuchungen . Auf der östlichen Seite der Tiroler Achen zwischen Grassau und Übersee ist ab Flusskilometer 8,2 das Überschwemmungsgebiet der Tiroler Achen weit ins Vorland Abbildung 1: Retentionswirkung des Chiemsees beim Hochwasser 2013 2. a) In welchem Bereich der Tiroler Ache sind Dammrückverlegungen angedacht? b) Könnte der Achendamm zwischen Grassau und Übersee zurückverlegt werden und welche Entlastungswirkung würde dies haben? Im Rahmen des EU-kofinanzierten Projektes „Flussraumagenda für den Alpenraum“ wurden 2005 Deichrückverlegungen im Unterlauf der Tiroler Achen zwischen Eisenbahnbrücke und Chiemsee theoretisch auf ihre Auswirkungen auf Deltawachstum, Sohlhöhen und Wasserspiegellagen bei Hochwasser in einem Prognosezeitraum von 80 Jahren untersucht. Ob unterstrom der Autobahnbrücke (A 8) eine Deichrückverlegung tatsächlich realisiert werden soll, bedarf weiterer detaillierterer Untersuchungen. Auf der östlichen Seite der Tiroler Achen zwischen Grassau und Übersee ist ab Flusskilometer 8,2 das Überschwemmungsgebiet der Tiroler Achen weit ins Vorland hinaus amtlich festgesetzt. Das Hochwasserereignis 2013 hat dieses festgesetzte Überschwemmungsgebiet bestätigt . Somit steht dieser Retentionsraum bei entsprechenden Hochwasserereignissen bereits zur Verfügung. Auf der westlichen Seite wird auch Bebauung bzw. wichtige Infrastruktur durch den Deich geschützt. Prinzipiell möglich wäre eine Deichrückverlegung hier nur im Bereich Almau zwischen Flusskilometer 4,8 und 6,2 links. Eine Realisierung ist derzeit nicht angestrebt. Der bestehende linke Deich der Tiroler Achen zwischen Grassau und Übersee soll 2016 mit einer statisch tragenden Innendichtung gesichert werden. Die Entlastungswirkung von Rückverlegungen in diesem Bereich ist räumlich bis zum Chiemsee begrenzt. 3. a) Nach welcher Systematik und in welcher Höhe werden Landwirte für Hochwasserschäden entschädigt ? b) Welche staatlichen Hilfen gibt es für Landwirte zum Umgang mit Überschwemmungsgut? Ein Hochwasser ist ein Naturereignis. Einen Entschädigungsanspruch gibt es nicht. Die sich aus natürlichen Überschwemmungen ergebenden Schäden bzw. Einschränkungen des Eigentums (bspw. Nutzungseinschränkungen etc.) sind Ausdruck der Situationsgebundenheit und Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes ). Unabhängig davon kann die Staatsregierung wie beispielsweise nach dem Hochwasser 2013 freiwillige Hilfen für Hochwasserschäden zur Verfügung stellen. Entsprechend § 5 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) ist jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, verpflichtet, Schäden durch Anpassung der Nutzung von Grundstücken zu minimieren. 4. Gibt es mit Österreich bzw. dem Land Tirol eine Zusammenarbeit, um den Hochwasserschutz an der Tiroler Ache zu verbessern? Wenn ja, welche Vereinbarungen gibt es? Die wasserwirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland im Einzugsgebiet der Donau richtet sich nach dem sogenannten Regensburger Vertrag vom 01.12.1987 (GVBl. Nr. 21/1990). Danach ist der jeweils andere Staat über Vorhaben rechtzeitig zu informieren , die den Wasserhaushalt auf dessen Staatsgebiet wesentlich beeinflussen können. In der Sachverständigen-Arbeitsgruppe „Wassermengenwirtschaft -Wasserbau“ zum Regensburger Vertrag am 27.01.2015 wurde darüber hinaus ein intensiver Austausch über geplante Projekte zur Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen und gemeinsame Studien zur Auslotung von Retentionsraumpotenzialen an Donau, lnn und Salzach vorgeschlagen und von der Ständigen Gewässerkommission nach dem Regensburger Vertrag am 13./14. April 2015 in Ehingen zustimmend zur Kenntnis genommen. 5. a) Welche Auswirkungen haben die Hochwasserschutzmaßnahmen im Bereich der Großache auf der österreichischen Seite auf die Hochwassersituation der Tiroler Ache auf der bayerischen Seite? b) Wurden die Hochwasserschutzmaßnahmen auf der österreichischen Seite mit den zuständigen Behörden in Bayern abgestimmt? c) Gibt es konkrete Bestrebungen der bayerischen Staatsregierungen, die Zusammenarbeit im Hochwasserfall mit den österreichischen Behörden und Hilfsorganisationen (Feuerwehr, THW, etc.) zu verbessern ? Nach Information durch das Amt der Tiroler Landesregierung haben die Hochwasserschutzmaßnahmen im Einzugsgebiet der Großache keine Auswirkungen auf Abflussspitze Drucksache 17/8048 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 und Laufzeit von Hochwasserwellen an der Tiroler Achen auf bayerischem Gebiet. Auf Vorschlag Bayerns hat sich das Amt der Tiroler Landesregierung (ATLR) bereit erklärt, Umfang und Auswirkung des Hochwasserschutzes Kössen in einer Veranstaltung zu erläutern. Eine erste Veranstaltung zum Hochwasserschutz im Achental hat bereits am 1. April 2015 mit ATLR, Landratsamt , Gemeinden und Abgeordneten stattgefunden. Diese wird am 11. November 2015 als öffentliche Veranstaltung wiederholt. Die Abstimmung richtete sich nach den oben beschriebenen Regeln zum Regensburger Vertrag. Ab 2015 wird, wie von den Gremien zum Regensburger Vertrag beschlossen, der Austausch über Hochwasserschutzmaßnahmen intensiviert . Große Katastrophen und schwere Unglücksfälle machen vor Ländergrenzen keinen Halt. Zu deren Bewältigung ist deshalb oft eine schnelle gegenseitige Information und grenzüberschreitende Hilfe entscheidend, was eine enge Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung der Katastrophenschutzbehörden sowohl in Deutschland als auch international erfordert. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den österreichischen Nachbarländern ist dem Freistaat Bayern daher ein wichtiges Anliegen. Bereits seit vielen Jahren bestehen auf allen Ebenen enge Kontakte der bayerischen und österreichischen Katastrophenschutzbehörden. Darüber hinaus bestehen zwischen den bayerischen (Bezirks-)Regierungen und den jeweils angrenzenden österreichischen Bundesländern „Gemeinsame Alarmpläne zur Bekämpfung von Schadensereignissen und von Gesundheitsgefahren durch übertragbare Krankheiten mit möglicher grenzüberschreitender Auswirkung“, welche insbesondere Verfahren zur grenzüberschreitenden Information und Alarmierung regeln. Die Zusammenarbeit mit Österreich im Bereich Katastrophenschutz verläuft dementsprechend sehr gut, die bestehenden Strukturen haben sich auch bei der Hochwasserkatastrophe 2013 bewährt. Dennoch müssen diese Kontakte regelmäßig aufgefrischt werden, weshalb geplant ist, auf Ebene der unteren Katastrophenschutzbehörden anzusetzen und im Rahmen von gemeinsamen Veranstaltungen mit den zuständigen österreichischen Behörden den gegenseitigen Erfahrungs-/Informationsaustausch weiter zu fördern.