Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 12.08.2015 Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge: Neue Kunden für die Arbeitsagenturen Damit Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge am Arbeitsmarkt teilhaben können, sind sie von den bestehenden Regelsystemen zur Arbeitsmarktintegration zu erfassen und von den Arbeitsagenturen zu betreuen, zu beraten und zu vermitteln. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie wird sichergestellt, dass sich Personen mit Gestattung und Duldung möglichst frühzeitig bei den Agenturen für Arbeit Arbeit suchend bzw. arbeitslos melden (können), um dann als Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge die entsprechenden Beratungs - und Förderinstrumente in Anspruch nehmen zu können? 2. a) Wie wird sichergestellt, dass eine Förderung der Arbeitsmarktteilhabe durch die Jobcenter auch für nicht deutschsprachige Migranten erfolgt? b) Sind die Jobcenter auf die zunehmenden Anträge entsprechend vorbereitet? c) Wie ist das Problem der Sprachbarriere bei Beratungen und Anträgen gelöst? 3. Wie ist trotz Sprachbarrieren eine Einzelfallberatung, Vermittlung und darüber hinaus im Rahmen des Ermessens auch der Zugang zu (nahezu) sämtlichen Förderinstrumenten des SGB III sichergestellt? 4. Wie ist sichergestellt, das nach den Anerkennungsverfahren die Arbeitsagenturen ihre neuen Klienten schnellstmöglich übernehmen und diese so in den Integrationsprozess (Wohnen, Arbeiten,..) eintreten können ? 5. a) Wie werden im besonderen Fall der Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlinge die Forderungen der Jobcenter (Eingliederungsvereinbarungen, Meldepflichten , Eigenbemühungen, Wahrnehmung und Verhalten bei einer Bewerbung...) an den Klienten bezüglich Verständnis, Mobilität und Akzeptanz (Mentalität und Herkunft) erhoben? b) Welche Hilfen erhalten Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge, um die Forderungen der Arbeitsagentur zu erfüllen? c) Wie kann ausgeschlossen werden, dass durch erfolgte Kürzung der Regelleistungen aufgrund von unwillentlichen Verstößen die Integration der Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlinge (Wohnung, Teilhabe...) Schaden nimmt? 6. Welche Schulungen erfahren Mitarbeiter der Arbeitsagenturen im Umgang mit z.T. traumatisierten Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen? 7. Wie kann eine Teilnahme an den vom Europäischen Sozialfonds (ESF)/Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderten, berufsbezogenen Sprachkursen sichergestellt werden? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 22.09.2015 Zu 1.–7.: 1. Agenturen für Arbeit und Jobcenter Für die Beratung und Förderung der beruflichen Eingliederung von Asylbewerbern und Geduldeten sind im Rechtskreis des SGB III die Agenturen für Arbeit zuständig . Für die Beratung und Förderung der beruflichen Eingliederung von anerkannten Asylbewerbern und aus humanitären Gründen aufgenommenen Personen im Rechtskreis des SGB II sind die Jobcenter und innerhalb der Jobcenter ebenfalls die Agenturen für Arbeit zuständig . Bei der in beiden Rechtskreisen für die Integration in Arbeit zuständigen Agentur für Arbeit handelt es sich um eine Bundesbehörde, die der Aufsicht des Bundes unterliegt . Aufsichtsbefugnisse der Staatsregierung bestehen nicht. Der Staatsregierung ist daher die Beantwortung der einzelnen, detaillierten Fragen nicht möglich. Im Übrigen ist Folgendes anzumerken: a) Agenturen für Arbeit Zu Beginn des Asylverfahrens, in der dreimonatigen Wartefrist, ist der Zugang auf die Beratungsleistungen der Agenturen für Arbeit begrenzt. Mit dem Arbeitsmarktzugang nach drei Monaten Aufenthalt im Bundesgebiet können Asylbewerber und Geduldete auch die über Beratung hinausgehenden Arbeitsförderungsleistungen der Agenturen für Arbeit unter den jeweils gesetzlichen Voraussetzungen in Anspruch nehmen. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit geht nach aktuellen Berechnungen für das zweite Halbjahr 2015 von einem Zugang von bis zu 47.000 von den Agenturen für Arbeit zu betreuenden Asylbewerbern und Geduldeten im Bundesgebiet aus. Der zusätzliche Finanzmittelbedarf im Jahr 2015 an ArbeitsförderungsleistunDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.11.2015 17/8063 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8063 gen im Zusammenhang mit den erwarteten Zugängen wird vom IAB auf bis zu 48 Mio. € und für zusätzlich erforderliches Betreuungspersonal bei den Agenturen für Arbeit auf rund 2 Mio. € beziffert. Zur Finanzierung dieses Mehrbedarfs der Agenturen für Arbeit hat der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit die arbeitsmarktpolitische Interventionsreserve in Höhe von bis zu 50 Mio. € freigegeben. b) Jobcenter Auch für die Jobcenter kommt mit der Arbeitsmarktintegration anerkannter Asylbewerber und Flüchtlinge ein neuer und umfangreicher Aufgabenschwerpunkt zu. Der Aufwand für anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge wird aufgrund sprachlicher sowie weiterer Barrieren überdurchschnittlich sein. Zur Bewältigung dieser Aufgabe bedarf es zusätzlicher finanzieller und personeller Ressourcen. Die Verwaltungs- und die Eingliederungsmittel in den Jobcentern sind in erheblichem Umfang zu erhöhen, um die bestehende erhebliche Unterfinanzierung der Jobcenter zu beenden und den Zugängen erwarteter anerkannter Asylbewerber als auch den Zugängen aufgrund zugesagter humanitärer Aufnahmen (z. B. bei syrischen Flüchtlingen) Rechnung zu tragen. Für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel ist der Bund zuständig. Die Staatsregierung hat in der Vergangenheit bereits mehrmals eine aufgabenadäquate Finanz- und Personalausstattung der Jobcenter angemahnt. Die im Koalitionsausschuss am 6. September 2015 vereinbarte Erhöhung der Mittel zur Bewältigung der Aufgaben im Zusammenhang mit der Asyl- und Flüchtlingssituation wird begrüßt. In welchem Umfang den Jobcentern zusätzliche Mittel zufließen werden, bleibt abzuwarten. 2. Zur sprachlichen Förderung: Für die sprachliche Qualifizierung von Asylbewerbern und Geduldeten ist der Bund in der Pflicht. Es wird deshalb begrüßt, dass die Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 18. Juni 2015 den Beschluss gefasst hat, für Asylsuchende und Geduldete mit jeweils guter Bleibeperspektive prioritär die Integrationskurse (Sprachmodule im Umfang von 300 Stunden, nach Anerkennung der Schutzberechtigung von 600 Stunden) zu öffnen. Dies wurde vom Koalitionsausschuss am 6. September 2015 nochmals bekräftigt. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Bayern bisher als einziges Bundesland Deutschkurse zur sprachlichen Erstorientierung für Asylbewerber durchführt. Ziel ist es, den Asylbewerbern einen möglichst frühzeitigen Spracherwerb für die Verständigung insbesondere in Alltagssituationen zu ermöglichen. Das Angebot umfasst 300 Unterrichtseinheiten. Der Spracherwerb wird u. a. mit alltäglich auftretenden Situationen eingeübt wie z. B. Kontakt mit Behörden, Arztbesuche etc. Das Modellprojekt startete im Juli 2013 und wurde bayernweit an 40 Standorten erprobt. Nach einer erfolgreichen Evaluation zu Beginn des Jahres 2014 konnte das Modellprojekt in zwei Tranchen an insgesamt 121 Standorten fortgesetzt werden. In 2015 wird das Angebot auf mindestens 150 Standorte weiter ausgebaut. Seit Oktober 2013 werden in Bayern zudem ehrenamtliche Sprachkurse gefördert. Bis zum 31. Dezember 2014 konnten rund 910 ehrenamtlich durchgeführte Deutschkurse mit einer Aufwandspauschale von je 500 € finanziell unterstützt und damit weit über 10.000 Teilnehmer erreicht werden. Die Organisation der ehrenamtlichen Deutschkurse erfolgt durch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (lagfa Bayern e.V.).