Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 12.08.2015 Verfahrensdauer von bei der Landesanwaltschaft anhängigen Disziplinarverfahren Da durch die Antwort der Staatsregierung auf meine Anfrage vom 26.05.2015 zum Thema „Verfahren wegen Amtsmissbrauch “ m. E. nicht alle Unklarheiten beseitigt werden konnten , frage ich die Staatsregierung: 1. Hält es die Staatsregierung für vertretbar, dass Disziplinarverfahren oder ähnliche Verfahren, die bei der Landesanwaltschaft anhängig sind, erst ein Jahr ruhen und dann nach Wiederaufnahme innerhalb von 12 Monaten keine Entscheidung getroffen wird? 2. Hat der Innenminister oder eine sonstige vorgesetzte Stelle die Möglichkeit, Weisung an die Landesstaatsanwaltschaft bezüglich der Bearbeitung von Verfahren dieser Art zu erteilen? a) Wenn ja, hält der Innenminister dies in dem Fall aus Bad Reichenhall für notwendig, und wenn nein, warum nicht? 3. Ist die Landesanwaltschaft so stark unterbesetzt, dass überlange Verfahren die Regel sind? 4. Wie viele Verfahren waren im Jahr 2014 und im ersten Halbjahr 2015 länger als ein Jahr anhängig, ohne dass ein Abschluss erfolgt ist? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 21.09.2015 1. Hält es die Staatsregierung für vertretbar, dass Disziplinarverfahren oder ähnliche Verfahren, die bei der Landesanwaltschaft anhängig sind, erst ein Jahr ruhen und dann nach Wiederaufnahme innerhalb von 12 Monaten keine Entscheidung getroffen wird? Die Durchführung eines Disziplinarverfahrens erfordert eine gewisse Zeitdauer, die nicht generell auf ein vertretbares Höchstmaß begrenzt werden kann. Das Disziplinarverfahren nach dem bayerischen Disziplinargesetz (BayDG) ist ein streng formell geregeltes behördliches Verfahren. Neben dem Beschleunigungsgebot ist daher insbesondere auf die Einhaltung der Anhörungsfristen der Betroffenen und der Beteiligungsrechte des Personalrats sowie der Schwerbehindertenvertretung zu achten. Damit ist eine etwa halbjährige Dauer der Disziplinarverfahren bereits in einfach gelagerten Fällen vorgezeichnet. Unabhängig hiervon werden Disziplinarverfahren i. d. R. nach Art. 24 BayDG ausgesetzt bei gleichzeitig anhängigen Strafverfahren sowie u. a. bei staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren , deren Ausgang entscheidend für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist. Soweit eine solche Aussetzung nicht bereits gesetzlich angeordnet ist, ist sie sachlich geboten, um parallele Ermittlungen des Sachverhalts zu vermeiden, zumal tatsächliche Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils bindend für die Disziplinarbehörde sind (bzw. die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafbefehls insoweit bindend sein können). Bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens und der sich hieran anschließenden Fortsetzung des Disziplinarverfahrens können im Einzelfall mehrere Jahre vergehen. Nachdem bestimmte Vorwürfe strafrechtlich irrelevant sein, aber gleichwohl ein Dienstvergehen wegen Verstoßes gegen die beamtenrechtlichen Pflichten darstellen können, ist u. a. auch bei Einstellung eines Strafverfahrens oder sogar im Falle eines Freispruchs im Einzelfall noch weiterer Ermittlungsaufwand im Rahmen des Disziplinarverfahrens notwendig. Bis daraufhin eine abschließende Entscheidung im Disziplinarverfahren getroffen werden kann, kann je nach Sachlage der Zeitraum bis zur abschließenden Entscheidung im Disziplinarverfahren durchaus auch 12 oder gegebenenfalls mehr Monate beanspruchen. 2. Hat der Innenminister oder eine sonstige vorgesetzte Stelle die Möglichkeit, Weisung an die Landesstaatsanwaltschaft bezüglich der Bearbeitung von Verfahren dieser Art zu erteilen? Die Landesanwaltschaft Bayern erfüllt die Aufgaben als Disziplinarbehörde eigenverantwortlich unter Bindung an Recht und Gesetz. Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben die rechtliche Möglichkeit, der Landesanwaltschaft Bayern in Disziplinarangelegenheiten Weisungen zu erteilen. Zuständige Aufsichtsbehörde im angesprochenen Verfahren gegen den Oberbürgermeister einer Großen Kreisstadt ist nach § 2 Abs. 3 Satz 4 LABV das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr. Von dieser Möglichkeit wird jedoch in Disziplinarangelegenheiten mit Rücksicht auf die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Aufgaben durch die Landesanwaltschaft Bayern grundsätzlich kein Gebrauch gemacht. a) Wenn ja, hält der Innenminister dies in dem Fall aus Bad Reichenhall für notwendig, und wenn nein, warum nicht? Die Notwendigkeit einer Weisung wird auch im konkret angesprochenen Fall nicht gesehen. Die Landesanwaltschaft Bayern hat mitgeteilt, dass für Mitte September eine Beweisaufnahme terminiert ist, und hält daher zunächst weiDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.11.2015 17/8072 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8072 tere Ermittlungen für geboten. Gründe, durch Weisung eine hiervon abweichende Sachbehandlung zu erwirken, sind – auch weil auf Weisungen in Disziplinarangelegenheiten grundsätzlich verzichtet wird – nicht erkennbar. 3. Ist die Landesanwaltschaft so stark unterbesetzt, dass überlange Verfahren die Regel sind? Die durchschnittliche Verfahrensdauer der Disziplinarverfahren bei der Landesanwaltschaft Bayern lag – ohne Berücksichtigung der Zeiten, während derer das Verfahren ausgesetzt war – im Jahr 2014 bei 11,2 Monaten, im ersten Halbjahr 2015 bei 10,1 Monaten. Von regelhaft „überlangen“ Verfahren kann daher nicht ausgegangen werden. 4. Wie viele Verfahren waren im Jahr 2014 und im ersten Halbjahr 2015 länger als ein Jahr anhängig, ohne dass ein Abschluss erfolgt ist? Diese Frage kann nur stichtagsbezogen behandelt werden, da die zur Verfügung stehende Software zur Verfahrensverwaltung einen anderen Erhebungsmodus nicht zulässt. Zum 31.12.2014 lagen insgesamt 97 offene (inklusive ausgesetzter) behördliche Disziplinarverfahren vor, wobei 65 Verfahren im Laufe des Jahres 2014 neu eingegangen waren. 23 Fälle waren seit mehr als 12 Monaten eingeleitet , aber noch nicht abgeschlossen und nicht ausgesetzt. 52 Fälle wurden im Jahr 2014 abgeschlossen. Vom 01.01.2015 bis 30.06.2015 sind 25 Verfahren neu eingegangen. Zum 30.06.2015 lagen insgesamt 91 offene (inklusive ausgesetzter) behördliche Disziplinarverfahren vor. Davon waren 20 Fälle seit mehr als 12 Monaten eingeleitet , aber noch nicht abgeschlossen und nicht ausgesetzt. 31 Fälle wurden im ersten Halbjahr 2015 erledigt.