Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE vom 10.07.2015 Nominalisierungseffekte bei den Planungen zum Ausbau des Flughafens München Vor der Ablehnung der dritten Start- und Landebahn durch die Münchner Bevölkerung im Jahr 2012 wurden die Gesamtbaukosten auf 1,25 Milliarden Euro taxiert. Wie zahlreiche Beispiele in der Vergangenheit gezeigt haben, hält nahezu kein Baugroßprojekt den abgesteckten Kostenrahmen ein. Exemplarisch hierfür steht der Flughafen München selbst, bei dessen Bau – vom Planungsbeginn bis zur Inbetriebnahme – eine rund 1.000-prozentige Kostensteigerung zu beobachten war. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. a) Wie lautet die detaillierteste Kostenschätzung, von der die Staatsregierung nach derzeitigem Stand – bei zeitnaher Realisierung des Projektes „Dritte Startbahn“ – ausgeht? b) Von welchem Realisierungszeitraum geht die Staatsregierung derzeit aus? c) Wie hoch sind die Realisierungskosten, inklusive aller benötigten Infrastrukturmaßnahmen, etc. im Zusammenhang mit dem Bau der dritten Start- und Landebahn veranschlagt? 2. a) Inwiefern sind sogenannte Nominalisierungseffekte in den aktuellen Stand der kalkulierten Baukosten einberechnet ? b) Wie hoch sind die kalkulierten Nominalisierungseffekte prozentual veranschlagt? c) Welche Entwicklungen haben nach Ansicht der Staatsregierung einen direkten Einfluss auf diese Nominalisierungseffekte ? 3. Welche dieser Entwicklungen ergeben sich ursächlich aus dem Bauprojekt selbst und sind nicht extern verortet ? 4. a) Wurden Nominalisierungseffekte in die vorangegangenen Kalkulationen eingearbeitet? b) Falls ja, in welcher Form? c) Falls ja, ab wann? 5. Falls 4. a) negativ beantwortet wird, warum nicht? 6. Mit Kostensteigerungen in welcher Höhe ist – z. B. durch inflationsbedingte Preissteigerungen – überschlägig zu rechnen, wenn sich die Realisierung des Projekts a) um zwei Jahre b) um fünf Jahre c) um zehn Jahre verzögern sollte? 7. Wie ist das Projekt „Dritte Startbahn“ angesichts einer Verschuldung der im laufenden Betrieb defizitären Flughafen München GmbH (FMG) in einer Gesamthöhe von rund 4,2 Milliarden Euro ohne zusätzliche Steuermittel zu finanzieren, wo doch die FMG zu 100 % durch die Stadt München, den Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland getragen wird? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 22. 09.2015 Die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Ludwig Hartmann vom 10.07.2015 betreffend „Nominalisierungseffekte bei der Planung zum Ausbau des Flughafens München “ wird auf der Basis einer Stellungnahme der Flughafen München GmbH (FMG) wie folgt beantwortet: 1. a) Wie lautet die detaillierteste Kostenschätzung, von der die Staatsregierung nach derzeitigem Stand – bei zeitnaher Realisierung des Projektes „Dritte Startbahn“ – ausgeht? b) Von welchem Realisierungszeitraum geht die Staatsregierung derzeit aus? c) Wie hoch sind die Realisierungskosten, inklusive aller benötigten Infrastrukturmaßnahmen, etc. im Zusammenhang mit dem Bau der dritten Start- und Landebahn veranschlagt? Nach Auskunft der FMG (Stand 07/2015) könnten sich die erwarteten Gesamtkosten für den Bau einer 3. Start-/Landebahn auf Basis indizierter Kostenansätze und unter Berücksichtigung von zusätzlichen Nominalisierungseffekten (im Zeitablauf der Baumaßnahme erwartete Preissteigerungen) auf insgesamt bis zu 1,59 Mrd. Euro belaufen (vgl. hierzu auch die Informationen im Internetangebot des Flughafens München). Für Schallschutz und Umlandfonds sowie Umweltschutzmaßnahmen , insbesondere das Anlegen und Pflegen der Ökoflächen, sind dabei Kosten in Höhe von 318,7 Mio. Euro berücksichtigt. In der Gesamtkostenermittlung sind bereits die Kosten für die innerhalb des Flughafengeländes benötigte Infrastruktur wie z. B. Straßen, Versorgungstrassen enthalten. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.11.2015 17/8080 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8080 2. a) Inwiefern sind sogenannte Nominalisierungseffekte in den aktuellen Stand der kalkulierten Baukosten einberechnet? b) Wie hoch sind die kalkulierten Nominalisierungseffekte prozentual veranschlagt? Die Nominalisierungseffekte sind in Form von Baupreissteigerungen in Höhe von 2 % p. a. angesetzt und wurden in der aktuellen Kostenermittlung in Höhe von 121 Mio. € berücksichtigt . c) Welche Entwicklungen haben nach Ansicht der Staatsregierung einen direkten Einfluss auf diese Nominalisierungseffekte? Die Daten für die Nominalisierungseffekte werden vom Statistischen Bundesamt bereitgestellt. Die hierfür maßgebliche Kennzahl ist die Preisentwicklung bei den Ingenieurbauwerken . Zu den Einflussfaktoren der Nominalisierungseffekte bei den Baupreisen gehören nach Erläuterungen des Statistischen Bundesamtes insbesondere Materialkosten, Arbeitskosten sowie Kostenfaktoren wie Ausrüstung, Energie, Betriebsstoffe und Bauhilfsstoffe. 3. Welche dieser Entwicklungen ergeben sich ursächlich aus dem Bauprojekt selbst und sind nicht extern verortet? Durch die Unterbrechung des Projekts im Jahr 2012 müssen Teilbereiche der Ausführungsplanung nachgearbeitet bzw. entsprechend den aktuell geltenden DIN-Normen und technischen Regelwerken angepasst werden. Zudem sind neben den durch die Planungsunterbrechung und Verschiebung der Inbetriebnahme entstandenen Nominalisierungseffekten auch zusätzliche künftige Baupreissteigerungen zu berücksichtigen. 4. a) Wurden Nominalisierungseffekte in die vorangegangenen Kalkulationen eingearbeitet? b) Falls ja, in welcher Form? c) Falls ja, ab wann? 5. Falls 4. a) negativ beantwortet wird, warum nicht? Baupreissteigerungen sind gemäß Konzernvorgabe der FMG in jeder Gesamtkostenübersicht in Höhe von 2 % p. a. enthalten, immer ab dem Folgejahr der betrachteten Ausgangsbasis . 6. Mit Kostensteigerungen in welcher Höhe ist – z. B. durch inflationsbedingte Preissteigerungen – überschlägig zu rechnen, wenn sich die Realisierung des Projekts a) um zwei Jahre b) um fünf Jahre c) um zehn Jahre verzögern sollte? Unter Berücksichtigung einer Preissteigerung von 2 % p. a. würden sich folgende prozentuale Kostensteigerungen für die jeweilige Verschiebung ergeben: a) um zwei Jahre ca. 4 % b) um fünf Jahre ca. 10 % c) um zehn Jahre ca. 22 % Zusätzlich zur reinen Baupreissteigerung sind additiv, wie in der Antwort zu Frage 3 beschrieben, Mehrkosten zu berücksichtigen , die aus den zum Realisierungszeitpunkt geltenden technischen Vorschriften und Regelwerken resultieren . Eine genauere Abschätzung dieser Kosten ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. 7. Wie ist das Projekt „Dritte Startbahn“ angesichts einer Verschuldung der im laufenden Betrieb defizitären Flughafen München GmbH (FMG) in einer Gesamthöhe von rund 4,2 Milliarden Euro ohne zusätzliche Steuermittel zu finanzieren, wo doch die FMG zu 100 % durch die Stadt München, den Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland getragen wird? Zunächst richtigzustellen sind die in der Anfrage enthaltenen Aussagen zur Ergebnisentwicklung und Verschuldung der FMG. Der FMG-Konzern hat in den vergangenen Jahren jeweils mit positiven Ergebnissen abgeschlossen. Das betriebliche Ergebnis (EBIT) vor Zinsen und Steuern lag in den letzten vier Jahren jeweils stabil über 250 Mio. € und der Jahresüberschuss (EAT) nach Zinsen und Steuern steigerte sich in diesem Zeitraum von 74 auf 100 Mio. €. Die Nettofinanzschulden des FMG-Konzerns lagen in den letzten vier Jahren zwischen 2,4 und 2,6 Mrd. €. Hinsichtlich der Finanzierung der 3. Start-/Landebahn steht die FMG zu ihrer Aussage und der konsortialvertraglichen Vereinbarung unter den Gesellschaftern, diese aus eigener Kraft ohne zusätzliche Steuermittel zu bestreiten. Die Finanzierung kann aus dem Cash-Flow und bei Bedarf durch Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt erfolgen.