Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 16.12.2013 Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Ulvi K. im Fall „Peggy“ – Anfrage 1 Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Konsequenzen werden vonseiten der Staatsregierung aus dem Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 09.12.2013 zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Fall „Peggy“ gezogen? a) Werden unabhängig vom gerichtlichen Verfahren insbesondere folgende Vorwürfe in Bezug auf die Arbeit der Ermittlungsbehörden (nochmals) überprüft: – die Falschaussage des Peter H., die Ulvi K. massiv belastete, sei nur deshalb getätigt worden, weil der von der Polizei bedrängt worden sei, ihm sei die Aussage in den Mund gelegt worden und er habe das Protokoll ungelesen unterschrieben, weil ihm die Freiheit versprochen worden sei; – das Geständnis sei aufgrund des Einsatzes der Reid-Methode zustande gekommen und das Verhör habe ohne Anwesenheit des Anwalts bzw. ohne Hinweis darauf stattgefunden, dass er seinen Anwalt noch hinzuziehen könne; zudem sei bei der Vernehmung im Gegensatz zu den vorangegangenen Vernehmungen das Tonband während des vierzigminütigen Geständnisses nicht an gewesen (zweiseitiges „Gedächtnisprotokoll“); – die Polizisten hätten Ulvi K. unter Druck gesetzt, ihm Angst vor dem Gefängnis gemacht und ihn angeschrien ; – die SoKo II habe das Vorliegen einer ausgearbeiteten Tathergangshypothese geleugnet und dadurch den Gutachter Prof. Kröber getäuscht; – möglicherweise Geheimnisverrat an die Mutter, Frau Kn., oder bevorzugte Behandlung, da einzelne Ermittler in sehr engem Kontakt zu Frau Kn. während der Ermittlungen standen, ohne dass hieraus entsprechende Ermittlungsergebnisse erkennbar wurden; – Zeugen seien zur Änderung ihrer Aussagen durch Mitglieder der SoKo II beeinflusst worden und eine brisante Zeugenaussage über die Verstrickung einzelner damaliger Ermittler sei missachtet worden? b) Werden ggf. nochmals staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen? 2. Weshalb hat der damalige Innenminister Günther Beckstein die damalige SoKo I abberufen und die SoKo II eingesetzt? 3. Wurden zwischenzeitlich die für die Polizei geltenden Dienstvorschriften zu den Grundsätzen der Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten um gesonderte Anweisungen für den Umgang mit geistig behinderten Menschen ergänzt? Falls nein, weshalb nicht? 4. a) Wird die umstrittene Reid-Methode in bayerischen Strafverfolgungsbehörden angewandt bzw. eine daran angelehnte oder abgewandelte Methode z. B. das sog. „Verhaltens-Analyse-Interview“? b) Wie viele Beamte sind ggf. in der Reid-Methode bzw. daran angelehnten Verhörmethode geschult, wie ist der konkrete Ablauf und wie oft, seit wann und unter welchen Voraussetzungen wird diese Methode in Bayern angewandt? c) Gibt es hierzu Anweisungen und wird die Anwendung dieser Verhörmethode in den Vernehmungsprotokollen kenntlich gemacht oder anderweitig in den Ermittlungsakten dokumentiert? Wenn nein, weshalb nicht? d) Werden im Rahmen dieser Methode erdrückende Beweise vorgespiegelt oder gar ausdrücklich Beweislagen erfunden? e) Wie wird ggf. die Anwendung der Reid-Methode bzw. eine daran angelehnte/abgewandelte Form dieser Methode vor dem Hintergrund des § 136 a StPO bewertet, der das bewusste Täuschen des Beschuldigten sowie eine Beeinträchtig der freien Willensentschließung und das bewusste Ausnutzen von Ermüdung oder Drohungen gegenüber dem Beschuldigten verbietet? f) Sind die Beamten, die Ulvi K. verhört haben, in der Reid-Methode und/oder in einer daran angelehnten/ abgewandelten Methode geschult? Wurde die Reid Methode oder eine daran angelehnte Verhörmetode an Ulvi K. angewendet? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 17.02.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Welche Konsequenzen werden vonseiten der Staatsregierung aus dem Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 09.12.2013 zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Fall „Peggy“ gezogen? Das Landgericht Bayreuth wird über alle im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens relevanten tatsächlichen und rechtlichen Fragen in richterlicher Unabhängigkeit entscheiden . Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.03.2014 17/809 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/809 a) Werden unabhängig vom gerichtlichen Verfahren insbesondere folgende Vorwürfe in Bezug auf die Arbeit der Ermittlungsbehörden (nochmals) überprüft : – die Falschaussage des Peter H., die Ulfi K. massiv belastete, sei nur deshalb getätigt worden, weil der von der Polizei bedrängt worden sei, ihm sei die Aussage in den Mund gelegt worden und er habe das Protokoll ungelesen unterschrieben , weil ihm die Freiheit versprochen worden sei; – das Geständnis sei aufgrund des Einsatzes der Reid-Methode zustande gekommen und das Verhör habe ohne Anwesenheit des Anwalts bzw. ohne Hinweis darauf stattgefunden, dass er seinen Anwalt noch hinzuziehen könne; zudem sei bei der Vernehmung im Gegensatz zu den vorangegangenen Vernehmungen das Tonband während des vierzigminütigen Geständnisses nicht an gewesen (zweiseitiges „Gedächtnisprotokoll “); – die Polizisten hätten Ulvi K. unter Druck gesetzt, ihm Angst vor dem Gefängnis gemacht und ihn angeschrien; – die SoKo II habe das Vorliegen einer ausgearbeiteten Tathergangshypothese geleugnet und dadurch den Gutachter Prof. Kröber getäuscht; – möglicherweise Geheimnisverrat an die Mutter, Frau Kn., oder bevorzugte Behandlung, da einzelne Ermittler in sehr engem Kontakt zu Frau Kn. während der Ermittlungen standen, ohne dass hieraus entsprechende Ermittlungsergebnisse erkennbar wurden; – Zeugen seien zur Änderung ihrer Aussagen durch Mitglieder der SoKo II beeinflusst worden und eine brisante Zeugenaussage über die Verstrickung einzelner damaliger Ermittler sei missachtet worden? – Aussage Peter H. Zu dem Vorwurf, der Zeuge Peter H. sei von der Polizei zu einer Falschaussage zum Nachteil von Ulvi K. veranlasst worden, hat die Staatsanwaltschaft Hof 2010 ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts einer Aussageerpressung geführt. Dieses Verfahren wurde mit Verfügung vom 7. November 2010 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ein strafbares Verhalten von Polizeibeamten konnte nicht festgestellt werden. Die Einstellung des Verfahrens beruhte insbesondere darauf, dass Peter H. beim Ermittlungsrichter widersprüchliche Angaben gemacht und seine früheren Vorwürfe weitestgehend widerrufen hatte. Ergänzend hat die Staatsanwaltschaft Bayreuth berichtet, der Zeuge H. sei von sich aus auf die Ermittlungsbehörden zugegangen und habe dabei von vorneherein zu erkennen gegeben, dass er für seine Informationen eine wohlwollende Prüfung seiner Entlassung aus der Psychiatrie erwarte. Diesem Ansinnen sei nach Aktenlage eine klare Absage erteilt worden. Ob dem Zeugen inhaltliche Vorgaben für seine Aussage „in den Mund gelegt“ worden sein sollen, lasse sich, nachdem der Zeuge verstorben sei, nicht mehr beweissicher nachvollziehen. – Geständnis Ulvi K. Aus Überprüfungen der Kriminalpolizeiinspektion Bayreuth ergibt sich, dass sich Ulvi K. zum Mord an Peggy Kn. im Juli 2002 mehrfach in polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen sowie bei einer Bild-Ton-Aufzeichnung im Zuge der Tatrekonstruktion mit Beschuldigtenvernehmung geäußert hat. Eine strukturierte Vernehmung nach „REID“ oder einer abgewandelten Methode wurde nach Aktenlage nicht durchgeführt . Erstmalig hat Ulvi K. den Mord am 2. Juli 2002 nach Abschluss einer Beschuldigtenvernehmung in den Diensträumen der damaligen Polizeidirektion Bayreuth gestanden. Hierüber wurde ein Gedächtnisprotokoll der anwesenden Polizeibeamten erstellt. Eine Tonbandaufzeichnung gibt es nicht. Bei diesem ersten Geständnis war kein Verteidiger anwesend . Die Staatsanwaltschaft Bayreuth hat hierzu berichtet, dass nicht davon auszugehen sei, dass der Beschuldigte am 2. Juli 2002 über seine Rechte, insbesondere die Möglichkeit , einen Anwalt beizuziehen, im Unklaren gewesen wäre. Nach Aktenlage habe es sich vielmehr um die zwölfte Beschuldigtenvernehmung gehandelt, der kurz zuvor zwei äußerst umfangreiche Vernehmungen am 24. und 25. Juni 2002 in Anwesenheit des Verteidigers und mit ausführlichen Belehrungen über die Rechte als Beschuldigter vorausgegangen waren. Die Besichtigung des vermeintlichen Leichenablageortes am 2. Juli 2002 in einem Waldstück bei Schwarzenstein und die noch am gleichen Tag durchgeführte Tatrekonstruktion am Burgberg in Lichtenberg wurden im Beisein eines Vertreters der Staatsanwaltschaft Hof in Form einer Bild-Ton-Aufzeichnung dokumentiert. Im Rahmen dieser Tatrekonstruktion wiederholte der Beschuldigte sein Geständnis, erläuterte u.a. die Tötungshandlung und bezeichnete hierbei auch den genauen Ort der Tötung und die Örtlichkeit der vorläufigen Ablage (Burgmauer) des Leichnams. Ulvi K. wiederholte bzw. konkretisierte in der Folgezeit – auch im Beisein seines Verteidigers – mehrfach sein Geständnis . Es ergaben sich bei den weiteren Vernehmungen keine Hinweise auf das bewusste Unterlassen von Tonbandaufzeichnungen des Geständnisses, die nach der Strafprozessordnung im Übrigen nicht vorgeschrieben sind. Der Ablauf der Vernehmung vom 2. Juli 2002, also auch der Umstand, dass das Aufnahmegerät defekt gewesen sein könnte, wurde bereits von der erkennenden Schwurgerichtskammer im Rahmen der Beweiswürdigung beurteilt. – Druckausübung auf den Beschuldigten Die Staatsanwaltschaft Bayreuth hat keine Erkenntnisse, dass Ulvi K. bei den Vernehmungen angeschrien oder ihm Angst vor dem Gefängnis gemacht oder er sonst unter Druck gesetzt worden sei. – Tathergangshypothese Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg hat hierzu berichtet , dass sich das polizeiliche „Konzept für die Vernehmung des Ulvi K.“ mit der darin enthaltenen (äußerst knappen) Tat hergangshypothese bei den Akten befand und daher von der Kammer zur Kenntnis genommen werden konnte. – Kontakt zu Peggys Mutter Der Betreuung von Opfern eines Kapitaldelikts wie auch deren Angehörigen wird im Rahmen der Polizeiarbeit per se ein sehr hoher Stellenwert beigemessen. Regelungen finden sich hierfür auch in entsprechenden polizeilichen Dienstanweisungen. Frau Kn. wurde als Mutter der Vermissten im Rahmen der in einem solchen Fall zwingend notwendigen Opferbe- Drucksache 17/809 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 treuung gerade in der Anfangsphase der Ermittlungen durch Mitglieder der Verhandlungsgruppe Oberfranken betreut. Dass die Mutter des vermissten Kindes neben der Tatsache, dass von ihr die wichtigsten Informationen und fortlaufend weitere Einzelheiten für die Bearbeitung des Falles zu erfragen waren, von den Ermittlern mehrfach auch über den aktuellen Stand der Ermittlungen über den Verbleib ihres Kindes informiert worden sein dürfte, versteht sich von selbst. Die Staatsanwaltschaft Bayreuth sieht keine Anhaltspunkte für eine strafbare Verletzung des Dienstgeheimnisses i. S. d. § 353 b StGB durch Ermittlungspersonen . – Zeugenbeeinflussung/Missachtung einer brisanten Aussage Polizeibeamte sind gesetzlich verpflichtet, strafbare Handlungen zu verfolgen und aufzuklären. Sie sind dabei an die Gesetze gebunden. Ihre Rechte und Pflichten sind insoweit in der Strafprozessordnung genau festgelegt. Darüber hinaus treffen verschiedene Dienstvorschriften der Bayerischen Polizei weitere Regelungen. Alle polizeilichen Ermittlungen – und somit auch die im Ermittlungsfall „Peggy“ – unterliegen der Prüfung durch die gegenüber der Polizei weisungsbefugte Staatsanwaltschaft und auch der Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts. Eine „brisante Zeugenaussage über die Verstrickung einzelner damaliger Ermittler“ ist der Staatsanwaltschaft Bayreuth nicht bekannt. Dass Zeugen, die über ein Jahr nach ihrer ersten Vernehmung durch die Polizei nunmehr bei erneuten Vernehmungen sich überhaupt nicht mehr oder nicht mehr genau an damals noch präsent gewesene Einzelheiten erinnern und dadurch von den Erstvernehmungen abweichende Aussagen zustande kommen, ist den individuellen Leistungen des menschlichen Gedächtnisses geschuldet . Hieraus ergibt sich kein Hinweis darauf, dass Zeugen durch Beamte der SoKo II zur Änderung ihrer Aussagen beeinflusst worden wären. Die aufgeworfenen Fragen werden im Übrigen auch im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens geprüft. b) Werden ggf. nochmals staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen? Bereits Mitte 2012 nahm die Staatsanwaltschaft Bayreuth unabhängig von dem später gestellten Wiederaufnahmeantrag des Verteidigers erneut Ermittlungen in verschiedene Richtungen auf. Diese werden mit großem Nachdruck weitergeführt . Dabei werden sowohl relevante alte Ermittlungsergebnisse überprüft als auch neue Spuren abgeklärt. 2. Weshalb hat der damalige Innenminister Günther Beckstein die damalige SoKo I abberufen und die SoKo II eingesetzt? Die Einsetzung der SoKo „Peggy II“ erfolgte auf Vorschlag des Polizeipräsidiums Oberfranken. Zweck dieser Maßnahme war es, offene Spuren weiter zu verfolgen und bereits abgeschlossene Spurenkomplexe unter allen Gesichtspunkten nochmals aufzubereiten. Vor diesem Hintergrund wurden erfahrene Kriminalbeamte aus ganz Bayern in der SoKo „Peggy II“ zusammengezogen. 3. Wurden zwischenzeitlich die für die Polizei gel- tenden Dienstvorschriften zu den Grundsätzen der Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten um gesonderte Anweisungen für den Umgang mit geistig behinderten Menschen ergänzt? Falls nein, weshalb nicht? Neben den gesetzlichen Regelungen sind Grundsätze der Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten durch die Polizei in entsprechenden Dienstvorschriften geregelt, die allerdings keine gesonderten Anweisungen für den Umgang mit geistig behinderten Menschen enthalten. Aufgrund der Vielfalt geistiger Behinderungen ist der Umgang mit einer Person mit geistiger Behinderung immer einzelfallabhängig, je nach dem Grad der Behinderung bzw. der gegenwärtigen Verfassung der Person. Im Ermittlungsverfahren sind sowohl be- als auch entlastende Beweise zu erheben. Die Ermittlungen erschöpfen sich dabei nicht in der Sachverhaltsfeststellung , sondern zielen auch darauf ab, Anhaltspunkte für den Grad von sittlicher und geistiger Reife sowie der Glaubwürdigkeit zu gewinnen und somit eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit sowohl von Tatverdächtigen als auch von Zeugen zu ermöglichen. Im Bedarfsfall werden die polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen mit der sachleitenden Staatsanwaltschaft abgestimmt. 4. a) Wird die umstrittene Reid-Methode in bayerischen Strafverfolgungsbehörden angewandt bzw. eine daran angelehnte oder abgewandelte Methode z. B. das sog. „Verhaltens-Analyse-Interview“? In den Seminaren des Fortbildungsinstituts der Bayerischen Polizei in Ainring wird ein strukturiertes Vernehmungsgespräch nach vorheriger rechtlicher Belehrung gem. StPO unterrichtet. Hierbei werden auch Fragen zu den persönlichen Verhältnissen thematisiert, die die Lebensumstände, das Vorleben, Beziehungen zu anderen Personen, die Persönlichkeit des zu Vernehmenden, seine Einstellungen und gegebenenfalls mögliche Motive betreffen. Ferner wird dabei versucht, in Anlehnung an die im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Juli 1999 (Az. 1 StR 618/98; BGHSt 45, 164) thematisierten Realkennzeichen nach Steller & Köhnken die Aussagen und das Verhalten des Befragten einzuschätzen. Eine Kopie der REID-Vernehmungstechnik wird nicht unterrichtet. Die bayerischen Generalstaatsanwälte haben berichtet, dass die sogenannte REID-Methode oder eine daran angelehnte Vernehmungsmethode bei staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen nicht zur Anwendung kommt. Solche Befragungen werden durch die Staatsanwaltschaften in Bayern auch nicht angeordnet. b) Wie viele Beamte sind ggf. in der Reid-Methode bzw. daran angelehnten Verhörmethode geschult, wie ist der konkrete Ablauf und wie oft, seit wann und unter welchen Voraussetzungen wird diese Methode in Bayern angewandt? In den Jahren 2001 und 2002 wurden jeweils drei Seminare mit 56 bzw. 60 Teilnehmern im Rahmen des Fortbildungsprogramms der Bayerischen Polizei von der Fa. REID Inc. in der REID-Vernehmungstechnik, abgestimmt auf deutsches Recht, durchgeführt. Dabei wurde die von der Firma REID Inc. entwickelte und urheberrechtlich geschützte Methode unterrichtet. In den Jahren 2003, 2004 und 2005 wurden wiederum je drei Seminare geplant, konnten jedoch nicht durchgeführt werden, da die Firma REID Inc. nicht in der Lage war, einen deutschsprachigen Trainer zur Verfügung zu stellen. Eine Lizenz der Fa. REID Inc. zur Durchführung der Trainings, abgestimmt auf deutsches Recht, konnte nicht erworben werden. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/809 Neben dieser Entwicklung war festzustellen, dass in der Literatur und verschiedenen Veröffentlichungen in Bezug auf Vernehmungstechniken seitens der Sozialwissenschaften und der Psychologie neuere Erkenntnisse vorhanden waren und die REID-Methode eher kritisch gesehen wurde. Aus Sicht des Fortbildungsinstituts der Bayerischen Polizei war es daher erforderlich, die Beamten der Bayerischen Polizei hinsichtlich Vernehmungen weiterzuqualifizieren, allerdings ohne die Fa. REID Inc. Im Jahr 2005 wurde für die Bayer. Polizei das Seminar „Vernehmungspraxis“ konzipiert, das seit 2006 im Fortbildungsprogramm vorhanden ist. Dieses Seminar ist nicht an die REID-Vernehmungstechnik angelehnt. Der Inhalt basiert auf den aktuellen rechtlichen Bestimmungen und Aspekten, den frei verfügbaren Informationen zum Thema Vernehmung, psychologischen Erkenntnissen und dem Erfahrungswissen von Vernehmungspraktikern . Bayerische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wurden und werden nicht in der REID-Methode geschult. c) Gibt es hierzu Anweisungen und wird die Anwendung dieser Verhörmethode in den Vernehmungsprotokollen kenntlich gemacht oder anderweitig in den Ermittlungsakten dokumentiert? Wenn nein, weshalb nicht? Mit Beginn der Vernehmung werden durch die Polizei nach der rechtlichen Belehrung gem. StPO alle Fragen des Vernehmenden und die Antworten des Befragten schriftlich im Einzelnen bzw. zusammengefasst dokumentiert. Nach Beendigung wird das Vernehmungsprotokoll dem Befragten zur Durchsicht, Korrektur und Unterschrift vorgelegt. Um eine möglichst wortgetreue Wiedergabe der Fragen und Antworten sicherzustellen, soll gerade in wichtigen Abschnitten der Vernehmung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, die Fragen des Vernehmenden und die Antworten des Befragten wörtlich zu protokollieren. Hinsichtlich der bayerischen Staatsanwaltschaften wird auf die Antworten zu Fragen 4 a und 4 b Bezug genommen. d) Werden im Rahmen dieser Methode erdrückende Beweise vorgespiegelt oder gar ausdrücklich Beweislagen erfunden? Bei den früheren REID-Seminaren der Bayerischen Polizei in den Jahren 2001 und 2002 wurde eine deutliche Abgrenzung zu verbotenen Vernehmungsmethoden aufgezeigt. Die REID-Vernehmungsmethode wird seit dem Jahr 2003 nicht mehr gelehrt. Die Vorspiegelung von erdrückenden oder erfundenen Beweisen wurde in den genannten Seminaren immer schon als verbotene Vernehmungsmethode dargestellt. Das Vorspiegeln oder Erfinden erdrückender Beweise wäre eine verbotene Vernehmungsmethode im Sinne von § 136a StPO. Ein solches Vorgehen wird bei Befragungen von Beschuldigten durch oder im Beisein von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten nicht angewandt. e) Wie wird ggf. die Anwendung der Reid-Methode bzw. eine daran angelehnte/abgewandelte Form dieser Methode vor dem Hintergrund des § 136 a StPO bewertet, der das bewusste Täuschen des Beschuldigten sowie eine Beeinträchtigung der freien Willensentschließung und das bewusste Ausnutzen von Ermüdung oder Drohungen gegenüber dem Beschuldigten verbietet? Grundsätzlich ist ein internationaler Erfahrungs- und Wissensaustausch bei der Kriminalitätsbekämpfung von gro ßer Bedeutung. Findet eine Orientierung oder Anlehnung an ausländische Konzepte statt, so steht dies immer unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem deutschen Recht. In den Seminaren des Fortbildungsinstituts der Bayerischen Polizei in Ainring wird eine klare Abgrenzung zwischen erlaubten und verbotenen Vernehmungsmethoden thematisiert. Bewusstes Täuschen, bewusstes Ausnutzen von Ermüdung, die Drohung mit einer nach den Vorschriften des Strafverfahrensrechts unzulässigen Maßnahme oder andere unzulässige Beeinträchtigungen der Willensentschließung und -betätigung sind verbotene Vernehmungsmethoden gemäß § 136 a StPO und werden dementsprechend als nicht zulässig herausgestellt. Bei Vernehmungen durch Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bzw. in deren Beisein wird strikt darauf geachtet, dass die Grenzen von § 136 a StPO eingehalten werden und verbotene Vernehmungsmethoden nicht zur Anwendung kommen. f) Sind die Beamten, die Ulvi K. verhört haben, in der Reid-Methode und/oder in einer daran angelehnten /abgewandelten Methode geschult? Wurde die Reid-Methode oder eine daran angelehnte Verhörmethode an Ulvi K. angewendet? Aus den Unterlagen des Polizeipräsidiums Oberfranken ergibt sich, dass seitens der Vernehmungsbeamten weder eine strukturierte Vernehmung nach „REID“ erfolgte noch eine daran angelehnte Verhörmethode an Ulvi K. angewendet wurde und die Beamten in diesen Methoden auch nicht geschult waren. Ergänzend wird – soweit die Staatsanwaltschaft betroffen ist – auf die Antwort zu Frage 4 a Bezug genommen.