Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 24.08.2015 Ermittlungsverfahren gegen Asylbewerber und Flüchtlinge wegen illegaler Einreise bzw. illegalen Aufenthalts Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist es zutreffend, dass gegen Asylbewerber und Flüchtlinge , die nicht in Besitz eines Visums sind, routinemäßig Ermittlungsverfahren wegen illegaler Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nach ihrem Grenzübertritt nach Bayern bzw. illegalen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden (wenn ja, bitte Mitteilung der genauen Strafvorschriften nach dem Aufenthaltsgesetz – AufenthG)? 2. Wie viele Ermittlungsverfahren nach Frage 1 wurden bis zum Stichtag 31.08.2015 geführt? 3. Von welchen Staatsanwaltschaften in Bayern werden die Ermittlungsverfahren nach Frage 1 geführt? 4. Werden die Ermittlungsverfahren nach Frage 1 gegen die Asylbewerber und Flüchtlinge später eingestellt (bitte Mitteilung der zutreffenden Bestimmung gemäß der Strafprozessordnung – StPO)? 5. Welche Ermittlungsverfahren gegen Asylbewerber und Flüchtlinge werden nicht eingestellt? 5.1 Was ist der Grund dafür, dass Ermittlungsverfahren nicht eingestellt werden? 6. Sind nach dem Dafürhalten der Staatsregierung die für die Ermittlungsverfahren gegen Asylbewerber und Flüchtlinge wegen illegaler Einreise/illegalen Aufenthalts zuständigen Staatsanwaltschaften in Bayern angesichts der steigenden Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen mit Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und Servicekräften in den Geschäftsstellen personell zu verstärken? 7. Im Fall des Bejahens der Frage 6, mit welchem zusätzlichen Personalbedarf rechnet die Staatsregierung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Servicekräfte in den Geschäftsstellen der Staatsanwaltschaften? 8. Mit welchem zusätzlichen Personalbedarf rechnet die Staatsregierung bei der Bundespolizei und Landespolizei zur Bearbeitung der Ermittlungsverfahren nach Frage 1 wegen illegaler Einreise/illegalen Aufenthalts von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Bayern angesichts der steigenden Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen ? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 28.09.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Ist es zutreffend, dass gegen Asylbewerber und Flüchtlinge, die nicht in Besitz eines Visums sind, routinemäßig Ermittlungsverfahren wegen illegaler Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nach ihrem Grenzübertritt nach Bayern bzw. illegalen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden (wenn ja, bitte Mitteilung der genauen Strafvorschriften nach dem Aufenthaltsgesetz – AufenthG)? Gegen ausländische Nicht-EU-Bürger, die ohne ein nötiges Personaldokument bzw. Visum in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und/oder sich unrechtmäßig im Inland aufhalten, besteht regelmäßig der Anfangsverdacht der Begehung einer Straftat nach § 95 Abs. 1 Nrn. 1, 2 oder 3 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG). Zur Einleitung und Durchführung von entsprechenden Ermittlungsverfahren sind die Strafverfolgungsbehörden bei einem Anfangsverdacht nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet (§ 152 Abs. 2 Strafprozessordnung – StPO). Die Strafvorschriften nach dem Aufenthaltsgesetz lauten auszugsweise wie folgt: § 95 Strafvorschriften (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält, 2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn a) er vollziehbar ausreisepflichtig ist, b) ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und c) dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist, 3. entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist, 4. … Ergänzend sind folgende Normen zu nennen: § 3 Passpflicht (1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2). (2) … Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.11.2015 17/8112 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8112 § 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels (1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder aufgrund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als 1. Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3, 2. Aufenthaltserlaubnis (§ 7), 2 a Blaue Karte EU (§ 19 a), 3. Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder 4. Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9 a). Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist. (2) … § 14 Unerlaubte Einreise; Ausnahme-Visum (1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er 1. einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt, 2. den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt, 2 a … 2. Wie viele Ermittlungsverfahren nach Frage 1 wurden bis zum Stichtag 31.08.2015 geführt? Zahlen zu der Anzahl der polizeilichen und justiziellen Ermittlungsverfahren in Bayern lassen sich sowohl der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) als auch der Justizgeschäftsstatistik entnehmen. Die PKS folgt bundesweit einheitlichen Erfassungskriterien und dient unter anderem der Beobachtung der Gesamtkriminalität und einzelner Deliktsarten sowie dem Erkenntnisgewinn für die präventive und repressive Verbrechensbekämpfung . Aktuell liegen hierzu die konsolidierten Zahlen für das Berichtsjahr 2014 vor. Als sog. „Auslaufstatistik“ weist die PKS Verfahren aus, die seitens der Polizei abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft abverfügt wurden. Aussagen zu derzeit laufenden Ermittlungsverfahren und zum justiziellen Verfahrensausgang können demnach hieraus nicht getroffen werden. Für das Jahr 2015 wurde das erste Halbjahr (1. Januar bis 30. Juni 2015) ausgewertet. Durch laufende Verfahren und nachträgliche Klärungen können sich die Zahlen im Laufe des Jahres noch ändern. Sie dienen somit nicht der Vergleichbarkeit, sondern lediglich als Anhalt zur Darstellung der aktuellen Entwicklung. Nachfolgende Tabelle, die auf einer Auswertung der Daten der PKS beruht, führt die Obergruppe der durch Asylbewerber in Bayern begangenen „Straftaten gegen das Aufenthalts-, das Asylverfahrens- und das Freizügigkeitsgesetz /EU“ (Summenschlüssel 725000) sowie die zugehörigen Untergruppen auf. Eine Trennung der Begrifflichkeiten „Flüchtlinge“ und „Asylbewerber“ ist aufgrund einer systemseitig nicht gegebenen Differenzierung nicht möglich. Eine Vergleichbarkeit zwischen den jeweiligen Jahreswerten ist nur in der Obergruppe gegeben, da ab dem Jahr 2014 eine Feindifferenzierung vorgenommen wurde. Hierbei wurden die Deliktsschlüssel 725711 und 725712 ergänzt. Schlüssel der Tat Straftat Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Jan–Jun 2015 725000 Straftaten gegen das Aufenthalts-, das Asylverfahrens - und das Freizügigkeitsgesetz/EU 2.177 2.209 1.289 2.372 5.740 5.650 725100 Unerlaubte Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 1a Aufenthaltsgesetz 380 387 309 721 1.730 2.101 725110 Unerlaubte Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz 355 360 280 683 1.672 2.059 725120 Unerlaubte Wiedereinreise nach Ausweisung/ Abschiebung gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1a Aufenthaltsgesetz 25 27 29 38 58 42 725200 Einschleusen von Ausländern gemäß § 96 Aufenthaltsgesetz 12 9 15 10 38 23 725210 Einschleusen von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 und 4 Aufenthaltsgesetz 11 8 14 9 31 21 725220 Einschleusen von Ausländern gemäß § 96 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz 1 1 1 1 7 2 725300 Erschleichen eines Aufenthaltstitels (gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz) durch unrichtige oder unvollständige Angaben oder Gebrauch eines so beschafften Aufenthaltstitels zur Täuschung im Rechtsverkehr 32 53 39 33 39 34 725310 Erschleichen eines Aufenthaltstitels durch Scheinehe gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz 32 53 39 33 39 34 725311 Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Visum) durch Scheinehe § 95 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz 2 8 3 1 3 3 725312 Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Visum) durch sonstigen Modus Operandi § 95 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz 30 45 36 32 36 31 725320 Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungsbefugnis) 0 0 0 0 0 0 Drucksache 17/8112 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Die Zahlen der PKS für den Zeitraum 1. Juli 2015 bis 31. August 2015 werden nachgereicht werden. In der Justizgeschäftsstatistik werden Verfahren nach Frage 1 nicht gesondert ausgewiesen, sondern unter dem Sachgebietsschlüssel 56 – Sonstige Straftaten nach dem Aufenthalts-, dem Asylverfahrensgesetz und dem Freizügigkeitsgesetz /EU – erfasst. Hierunter werden alle Verfahren nach § 95 AufenthG erfasst, auch solche, die sich nicht gegen Asylbewerber und Flüchtlinge richten, sowie Verstöße gegen Meldepflichten, vollziehbare Ordnungsverfügungen oder gegen die räumliche Beschränkung. Nicht umfasst sind aber die Tatbestände des Einschleusens von Ausländern nach den §§ 96 f. AufenthG, die unter einem anderen Sachgebietsschlüssel erfasst werden. Für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2015 sind in der Justizgeschäftsstatistik zum Sachgebietsschlüssel 56 folgende Verfahrenszahlen , bezogen auf Neuzugänge von Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften, verzeichnet: 2010 2011 2012 2013 2014 2015 (1. HJ) Neuzugänge 17.725 18.045 19.983 26.576 43.753 38.464 Die Zahlen der Justizgeschäftsstatistik für den Zeitraum 1. Juli 2015 bis 31. August 2015 werden nach deren Vorliegen nachgereicht werden. 3. Von welchen Staatsanwaltschaften in Bayern werden die Ermittlungsverfahren nach Frage 1 geführt ? Verfahren nach Frage 1 werden bei allen bayerischen Staatsanwaltschaften geführt. Entsprechende Ermittlungsverfahren werden regelmäßig zunächst von der Staatsanwaltschaft geführt, in deren Zuständigkeitsbereich der Flüchtling nach seinem Grenzübertritt aufgegriffen wurde. Soweit die Ermittlungsverfahren bei diesen Staatsanwaltschaften nicht sofort eingestellt werden (können) und den Ermittlungsverfahren nur ein Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz, das Asylverfahrensgesetz oder Erschleichen von Leistungen zugrunde liegen, werden diese in der Regel entsprechend der Zuständigkeitsvereinbarung der Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte (Stand: Mai 2011) an die für den zugewiesenen oder gewählten Wohnsitz des Beschuldigten zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben. 4. Werden die Ermittlungsverfahren nach Frage 1 gegen die Asylbewerber und Flüchtlinge später eingestellt (bitte Mitteilung der zutreffenden Bestimmung gemäß der Strafprozessordnung – StPO)? Der Abschluss des Ermittlungsverfahrens ist von den Umständen des Einzelfalls (z. B. Dauer des unerlaubten Aufenthalts , bereits erfolgtes Verlassen des Bundesgebietes bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens) abhängig. Schlüssel der Tat Straftat Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Jan–Jun 2015 725321 Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungsbefugnis ) durch Scheinehe § 95 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz 0 0 0 0 0 0 725322 Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungsbefugnis ) durch sonstigen Modus Operandi § 95 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz 0 0 0 0 0 0 725400 Einschleusen mit Todesfolge – gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern gemäß § 97 Aufenthaltsgesetz 7 2 1 2 1 1 725410 Einschleusen mit Todesfolge gemäß § 97 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz 0 0 0 0 0 0 725420 Gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern gemäß § 97 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz 7 2 1 2 1 1 725500 Straftaten gegen §§ 84, 85 Asylverfahrensgesetz 838 576 494 914 1.351 316 725510 Straftaten gegen § 84 Asylverfahrensgesetz 10 7 8 18 29 6 725520 Straftaten gegen § 85 Asylverfahrensgesetz 828 569 486 896 1.322 310 725600 Gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung § 84 a Asylverfahrensgesetz 0 0 0 0 0 0 725700 Illegaler Aufenthalt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1, 2 und Abs. 2 Nr. 1 b Aufenthaltsgesetz 790 1.080 368 615 2.497 3.147 725710 Illegaler Aufenthalt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Aufenthaltsgesetz 789 1.070 351 592 2.462 3.129 725711 Illegaler Aufenthalt nach erlaubter Einreise / / / / 21 9 725712 Illegaler Aufenthalt nach unerlaubter/ungeklärter Einreise / / / / 2.441 3.120 725720 Illegaler Aufenthalt nach Ausweisung/Abschiebung gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 b Aufenthaltsgesetz 1 10 17 23 35 18 725800 Einreise oder Aufenthalt trotz Versagung des Freizügigkeitsrechts gemäß § 9 Freizügigkeitsgesetz/EU 0 0 0 0 0 0 725900 Sonstige Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz 118 102 63 77 84 28 Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8112 Die eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt gegen Ausländer, die hier zeitnah Asylantrag stellen, werden bei einem erstmaligen Verstoß gegen das AufenthG in der Regel gemäß § 153 Abs. 1 StPO bzw. § 45 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz – JGG (sanktionslos) eingestellt, weil die Schuld gering erscheint und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Mit Stellung eines Asylantrags erhält der Ausländer – auch bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat – eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG), weshalb bei zeitnaher Asylantragstellung der unerlaubte Aufenthalt nur von kurzer Dauer war. Je nach Lage des Einzelfalls kommt auch eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (mangels hinreichenden Tatverdachts oder aus Rechtsgründen) oder ein Absehen von der Strafverfolgung nach weiteren Opportunitätsgrundsätzen in Betracht, insbesondere gemäß § 153 a StPO nach Erfüllung von Auflagen, nach §§ 154 oder 154 a StPO, wenn die Tat oder Teile davon neben einer rechtskräftig verhängten oder zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung wegen einer anderen Tat nicht beträchtlich ins Gewicht fallen, nach § 154 b StPO, wenn der Beschuldigte ausgewiesen oder abgeschoben wird, sowie nach § 154 f StPO, wenn der Beschuldigte unbekannten Aufenthalts ist. Die Justizgeschäftsstatistik weist für Ermittlungsverfahren nach dem Sachgebietsschlüssel 56 – Sonstige Straftaten nach dem Aufenthalts-, dem Asylverfahrensgesetz und dem Freizügigkeitsgesetz/EU – unter anderem Verfahrenseinstellungen nach § 153 Abs. 1 StPO, § 153 a StPO, § 153 b Abs. 1 StPO, § 153 c StPO, § 154 Abs. 1 StPO, § 154 b Abs. 1 bis 3 StPO, § 154 d StPO, § 154 f StPO, § 45 JGG, § 31 a Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und § 170 Abs. 2 StPO aus. Hierbei ist jedoch – wie in der Antwort zu Frage 2 dargestellt – zu beachten, dass neben den Verfahren nach § 95 AufenthG unter dem Sachgebietsschlüssel 56 auch Verstöße gegen Meldepflichten, vollziehbare Ordnungsverfügungen oder gegen die räumliche Beschränkung erfasst werden. Konkret weist die Justizgeschäftsstatistik für Ermittlungsverfahren nach dem Sachgebietsschlüssel 56 für die Jahre 2010 bis 2015 (1. Halbjahr) folgende Zahlen aus: Art der Einstellung 2010 2011 2012 2013 2014 1. Halbjahr 2015 Einstellung mit Auflage nach § 153 a StPO 936 1.045 1.296 1.228 960 355 Einstellung nach § 45 JGG 432 505 593 777 1.985 3.659 Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 Abs. 1 StPO) 5.879 6.175 6.680 10.497 22.747 26.137 Einstellung nach § 153 b Abs. 1 StPO, da die Voraussetzungen für ein Absehen von Strafe vorliegen 3 4 2 1 1 4 Einstellung bei Auslandstat (§ 153 c StPO) 0 1 2 4 2 1 Art der Einstellung 2010 2011 2012 2013 2014 1. Halbjahr 2015 Einstellung bei unwesentlicher Nebenstraftat (§ 154 Abs. 1 StPO) 504 465 469 548 803 331 Einstellung bei Auslieferung oder Ausweisung des Beschuldigten (§ 154 b Abs. 1 bis 3 StPO) 1.306 1.449 1.402 1.821 1.655 615 Fristbestimmung zur oder Einstellung wegen Klärung einer Vorfrage (§ 154 d StPO) 100 164 128 213 255 22 Einstellung wegen Abwesenheit des Beschuldigten oder wegen eines anderen in seiner Person liegenden Hindernisses (§ 154 f StPO) nicht erhoben 119 224 385 669 489 Einstellung nach § 31 a Abs. 1 BtMG 0 0 1 2 4 1 Einstellung wegen Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) 10 5 5 5 4 1 Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO 2.411 2.239 1.940 2.602 2.368 852 Sonstige (vorläufige ) Einstellung 358 216 77 40 14 3 5. Welche Ermittlungsverfahren gegen Asylbewerber und Flüchtlinge werden nicht eingestellt? 5.1 Was ist der Grund dafür, dass Ermittlungsverfahren nicht eingestellt werden? Ob eine Verfahrenseinstellung erfolgen muss (§ 170 Abs. 2 StPO) oder nach Opportunitätsgesichtspunkten (§§ 153 ff. StPO) erfolgen kann, ist grundsätzlich in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Kommt eine Verfahrenseinstellung nicht in Betracht, wird Anklage erhoben bzw. Strafbefehl beantragt (vgl. § 170 Abs. 1 StPO, § 407 StPO). Die Generalstaatsanwaltschaften haben Folgendes berichtet : Ermittlungsverfahren werden auch im Falle der zeitnahen Asylantragstellung regelmäßig dann nicht (nach § 153 StPO oder § 153 a StPO) eingestellt, wenn entweder dem Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz ein erhöhtes Gewicht zukommt oder der Verstoß mit weiteren Strafbarkeiten aus anderen Vorschriften verbunden ist. Ein erhöhtes Gewicht des Verstoßes wird zum Beispiel dann angenommen, wenn eine Wiedereinreise, vor allem nach erfolgter Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung (vgl. § 11 Abs. 1 AufenthG) vorliegt. Der Beschuldigte ist in diesem Fall kein Ersttäter. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich eine Strafbarkeit aus § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b AufenthG vorstellbar. Ein erhöhtes Gewicht wird beispielsweise ferner auch dann angenommen, wenn Eurodac-Treffer – einem EU-weiten System zum Abgleich von Fingerabdrücken von u. a. Asylbewerbern – vorliegen, insbesondere bei anderweitiger Ablehnung des Beschuldigten . Der Missbrauch des Asylrechts liegt in diesen Fällen Drucksache 17/8112 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 nahe. In der Regel werden die Betroffenen auch dann verfolgt , wenn sie sich nicht regulär dem Asylverfahren stellen, sondern nach der Einreise oder zeitnah zur Einreise untertauchen . Die Einstellung kommt regelmäßig beim Hinzutreten von Begleitdelikten nicht in Betracht, insbesondere bei Urkundenfälschungen durch Verwenden falscher Ausweispapiere. 6. Sind nach dem Dafürhalten der Staatsregierung die für die Ermittlungsverfahren gegen Asylbewerber und Flüchtlinge wegen illegaler Einreise/illegalen Aufenthalts zuständigen Staatsanwaltschaften in Bayern angesichts der steigenden Asylbewerber - und Flüchtlingszahlen mit Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und Servicekräften in den Geschäftsstellen personell zu verstärken? Durch die Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Schleuser und aufgrund der Ermittlungsverfahren gegen Flüchtlinge wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz ist eine Mehrbelastung der Staatsanwaltschaften Bayerns zu verzeichnen, die sich vor allem auf den Bezirk Traunstein und noch stärker auf den Bezirk Passau konzentriert. Nach Mitteilung des Behördenleiters bei der Staatsanwaltschaft Traunstein kann die Situation für den Bereich des staatsanwaltlichen Dienstes zumindest bis Jahresende noch mit dem vorhandenen Personal bewältigt werden. Die Staatsanwaltschaft Passau wurde im staatsanwaltlichen Bereich durch vorübergehende Abordnungen und Stellenverlagerungen verstärkt. Derzeit werden noch weitere Maßnahmen, insbesondere weitere vorübergehende Abordnungen von Staatsanwälten aus anderen Bezirken geprüft. Die Situation wird weiterhin engmaschig beobachtet. Im Bereich der Servicekräfte ergibt sich bei den Geschäftsstellen der Staatsanwaltschaften durch das massive Ansteigen entsprechender Verfahren ein erheblicher Personalmehrbedarf . Dieser kann aufgrund der vorhandenen begrenzten Ressourcen im Servicebereich nicht vollständig durch interne Personalverschiebungen aufgefangen werden , zumal sich durch die stark angestiegenen Flüchtlingszahlen auch im Bereich der Gerichte, hier insbesondere bei den Familiengerichten, ein spürbarer personeller Mehrbedarf im Servicebereich ergeben hat. Vgl. auch Antwort zu Frage 7. 7. Im Fall des Bejahens der Frage 6, mit welchem zusätzlichen Personalbedarf rechnet die Staatsregierung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Servicekräfte in den Geschäftsstellen der Staatsanwaltschaften ? Aufgrund der derzeit nicht vorhersehbaren weiteren Entwicklung des Zustroms von Flüchtlingen ist ein möglicher zusätzlicher Personalbedarf im staatsanwaltlichen Bereich und ein Personalmehrbedarf bei den Servicekräften in den Geschäftsstellen nicht exakt prognostizierbar. Für den Bereich der Servicekräfte sollen bereits im Rahmen des Nachtragshaushalts 2016 für die Gerichte und Staatsanwaltschaften insgesamt 100 Stellen zweckgebunden zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms neu ausgebracht werden. Es ist beabsichtigt, 65 neue Planstellen der Besoldungsgruppe A 6 (Justizsekretär, Justizsekretärin) zu schaffen und zudem zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen, mit denen insgesamt 35 Mittelstellen in der Entgeltgruppe 6 finanziert werden können. Damit sollen die im Servicebereich unabweisbar notwendigen Personalressourcen für die Bewältigung des starken Flüchtlingszustroms und der damit verbundenen Verfahren bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften geschaffen werden. Im Übrigen beobachten wir die Situation genau und setzen uns für weitere personelle Verstärkungen ein. Im Übrigen bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. 8. Mit welchem zusätzlichen Personalbedarf rechnet die Staatsregierung bei der Bundespolizei und Landespolizei zur Bearbeitung der Ermittlungsverfahren nach Frage 1 wegen illegaler Einreise/ illegalen Aufenthalts von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Bayern angesichts der steigenden Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen? Zu einer verfahrensbezogenen Personalkalkulation der Bundespolizei liegen dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr keine Erkenntnisse vor. In Bezug auf die Landespolizei können die besagten Ermittlungsverfahren nicht isoliert von den polizeilichen Herausforderungen betrachtet werden, die durch die äußerst dynamische Entwicklung der Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen insgesamt entstehen. Das Spektrum beinhaltet Aufgaben , die von einer erhöhten Streifenpräsenz zum Schutz von Aufnahmeeinrichtungen über Maßnahmen in Zusammenhang mit Abschiebungen bis zur verstärkten Fahndung zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität reichen. Die Staatsregierung hat in ihrem Entwurf für den Nachtragshaushalt 2016 bereits einen entsprechenden Schwerpunkt gesetzt und für die Bayerische Polizei die Ausbringung von 200 zusätzlichen Ausbildungsstellen in Zusammenhang mit der Asylthematik vorgesehen.