Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Joachim Unterländer, Kerstin Schreyer -Stäblein CSU vom 03.08.2015 Ehe-, Familien- und Paartherapie im Freistaat Bayern Paar- und Familientherapie sind für Familien, Paare, Kinder und Jugendliche häufig eine wirksame Hilfe und Unterstützung , unabhängig von den Systemen der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Familienhilfe. Aufgrund zunehmender Nachfragen, Finanzierungsfragestellungen und Sicherstellung der Therapievielfalt fragen wir die Staatsregierung: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung die systemische Paarund Familientherapie im Gesamtsystem der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Familienhilfe und der Angebote aus dem Leistungskatalog der Krankenversicherung? 2. Welchen Stellenwert sollte diese Therapieform im Gesamtkonzept der Unterstützung von Betroffenen einnehmen ? 3. Wie erfolgt die Finanzierung dieser Therapieform? 4. Sieht die Staatsregierung Möglichkeiten, in den Bereichen des SGB V (Krankenversicherung) und SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) für eine Sicherstellung einer bedarfsgerechten Finanzierung zu sorgen? 5. Ist die Staatsregierung bezüglich der Anerkennung von systemischer Therapie bereits auf Bundesebene tätig geworden ? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 30.09.2015 Die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Joachim Unterländer und Kerstin Schreyer-Stäblein wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Aufgrund fachlicher, rechtlicher sowie berufspolitischer Unterschiede ist grundsätzlich zwischen Beratung und Therapie zu trennen. Beratung umfasst insbesondere Leistungen, die auf das soziale Gefüge und Konflikte in Beziehungen abzielen, während für eine Therapie psychische Störungen mit Krankheitswert vorliegen. Hinsichtlich des Beratungsbereichs wird im Folgenden auf die relevanten staatlich geförderten Einrichtungen Bezug genommen: Erziehungs- sowie Ehe- und Familienberatungsstellen . In den Erziehungsberatungsstellen beraten multidisziplinäre Teams bei innerfamiliären Problemen, Trennung, Scheidung, Umgang, Erziehungs- und Entwicklungsfragen Eltern und junge Menschen. Ehe- und Familienberatungsstellen haben die Aufgabe, Paaren in Entwicklungs-, Beziehungs - und Entscheidungskonflikten zu helfen und sie auf Partnerschaft und Ehe vorzubereiten. 1. Wie beurteilt die Staatsregierung die systemische Paar- und Familientherapie im Gesamtsystem der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Familienhilfe und der Angebote aus dem Leistungskatalog der Krankenversicherung ? Von der Kinder- und Jugendhilfe werden im Rahmen von Erziehungsberatung gem. § 28 SGB VIII pädagogische und damit verbundene therapeutische Leistungen erbracht, deren Art und Umfang sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall richten. Dabei wirken Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen zusammen, die mit unterschiedlichen Methoden vertraut sind. Der Schwerpunkt der Leistungen liegt auf der Beratung. Die Leistungen werden von Trägern der freien und der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Über die Aufgabenerfüllung und Zielerreichung gem. § 28 SGB VIII angewandten Verfahren und Methoden entscheiden die zuständigen Kommunen in eigener Verantwortung. Die Verpflichtungen anderer, insbes. der Träger anderer Sozialleistungen , werden durch Leistungen des SGB VIII nicht berührt. Die Verantwortung für die in den Ehe- und Familienberatungsstellen (nicht Teil der Kinder- und Jugendhilfe) zum Einsatz gebrachten Verfahren und Methoden obliegt dem Träger der Einrichtung bzw. dem jeweiligen Spitzenverband. Generell ist anzumerken, dass Therapiekosten von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur übernommen werden, wenn eine psychische Störung mit Krankheitswert vorliegt. Leistungen, die auf das soziale Gefüge und Konflikte in Beziehungen abzielen, sind daher vom Grundsatz her nicht dem Aufgabenbereich der GKV zuzuordnen. Die systemische Therapie ist daher derzeit, unabhängig davon, ob es sich um eine wissenschaftlich abgesicherte Methode handelt, nicht im Leistungskatalog der GKV enthalten , der über den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse hinaus stets die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots voraussetzt (§ 2 Abs. 1 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland ,hat aber mit Beschluss vom 21.08.2014 das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einer Recherche über den aktuellen mediDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.11.2015 17/8181 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8181 zinischen Wissenstand zur „Systemischen Therapie bei Erwachsenen als Psychotherapie-Verfahren“ beauftragt. Eine Aufnahme weiterer Therapieformen in den Leistungskatalog der GKV kann dann erfolgen, wenn die Qualität und die Wirtschaftlichkeit einer Behandlungsmethode hinreichend belegt sind. 2. Welchen Stellenwert sollte diese Therapieform im Gesamtkonzept der Unterstützung von Betroffenen einnehmen? Die Auswahl und der Einsatz der Beratungsmethoden und -ansätze liegen jeweils im Verantwortungsbereich der zuständigen Kommune bzw. des Trägers. Darüber hinaus ist für eine Beurteilung des Stellenwerts der Therapieform die Entscheidung über eine Aufnahme der Systemischen Paar- und Familientherapie in den Leistungskatalog der GKV abzuwarten (vgl. Antwort zu Frage 5). 3. Wie erfolgt die Finanzierung dieser Therapieform? Angebote der Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII werden von den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (Landkreise und kreisfreie Städte) finanziert. Die staatliche Förderung der Ehe- und Familienberatungsstellen ist durch eine Rahmenvereinbarung mit den Trägern (Katholische Kirche, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Arbeiterwohlfahrt) im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel geregelt. Neben der Finanzierung durch die Träger und die öffentliche Hand wird von den Klienten eine sozialverträgliche Kostenbeteiligung erhoben. Nachdem es sich derzeit um keine Leistung der GKV handelt, kann deren Finanzierung auch nicht aus Mitteln der GKV erfolgen. 4. Sieht die Staatsregierung Möglichkeiten, in den Bereichen des SGB V (Krankenversicherung) und SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) für eine Sicherstellung einer bedarfsgerechten Finanzierung zu sorgen? Die Erziehungsberatung ist dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zuzurechnen, die von den Landkreisen und kreisfreien Städten in Bayern als kommunale Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis wahrgenommen und finanziert wird. Hierbei unterstützt der Freistaat mit freiwilligen Leistungen die Jugendhilfepraxis durch Förderprogramme. So werden flächendeckend rd. 180 Erziehungsberatungsstellen (EBs) mit rd. 7,5 Mio. Euro/Jahr gefördert. Über die im Rahmen der Erziehungsberatung zur Aufgabenerfüllung und Zielerreichung gem. § 28 SGB VIII angewandten Verfahren und Methoden und somit auch über den Einsatz der zur Verfügung stehenden Finanzmittel entscheiden die zuständigen Kommunen in eigener Verantwortung. Die Ehe- und Familienberatung ist nicht der Kinder- und Jugendhilfe zuzurechnen. Sie stellt vielmehr einen wichtigen Beitrag zum besonderen staatlichen Schutz von Ehe und Familie dar (Art. 124 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV), Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). In Bayern bieten rd. 127 räumlich gut erreichbare Ehe- und Familienberatungsstellen ein hoch qualifiziertes Beratungsangebot an. Für die staatliche Förderung werden nach Maßgabe des Haushalts jährlich 1,34 Mio. Euro bereitgestellt. Ehe- und Familienberatung beschränkt sich auf Fragen der Ehe, Familie und Partnerschaft. Sollte die Therapieform durch den G-BA zukünftig in den Leistungsumfang der GKV aufgenommen werden (vgl. Antwort zu Frage 1), so wäre die Vereinbarung einer adäquaten Vergütung zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Finanzierung Aufgabe der Gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte (einschl. Psychotherapeuten) und Krankenkassen im Rahmen der nach dem SGB V jährlich auf Bundes- wie auf Landesebene durchzuführenden Honorarverhandlungen und einer inhaltlichen Einflussnahme durch die Staatsregierung entzogen. 5. Ist die Staatsregierung bezüglich der Anerkennung von systemischer Therapie bereits auf Bundesebene tätig geworden? Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie hat die systemische Therapie in einem Gutachten vom 14.12.2008 als Verfahren für die vertiefte Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) empfohlen und damit die wissenschaftliche Anerkennung des Therapieverfahrens im Sinne von § 11 PsychThG ausgesprochen. Ein Tätigwerden der Staatsregierung auf Bundesebene ist insoweit nicht erforderlich. Eine wissenschaftliche Anerkennung des Therapieverfahrens führt allerdings nicht dazu, dass die Kosten einer solchen Therapie auch automatisch von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Dies setzt zusätzlich eine Aufnahme in den Leistungskatalog der GKV durch den hierfür zuständigen G-BA voraus (s. a. Antwort auf Frage 1). Der entscheidungsbefugte G-BA steht unter der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat keine Einflussmöglichkeit auf die Verfahrensabläufe und Entscheidungen des G-BA und ist insofern hinsichtlich der krankenversicherungsrechtlichen Anerkennung der systemischen Therapie auf Bundesebene nicht tätig geworden. Allerdings haben die Koalitionspartner auf Bundesebene im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung in der GKV den G-BA innerhalb einer gesetzlich definierten Frist zur Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinie zu beauftragen. Diese Vereinbarung wurde in dem zum 23.07.2015 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz unter Zustimmung Bayerns im Bundesratsverfahren umgesetzt. Der G-BA soll die gewünschte Überarbeitung nun bis 30.06.2016 abschließen und dadurch insbesondere zu einer Flexibilisierung des Therapieangebotes beitragen. Ob und mit welchem Ergebnis in diesem Zusammenhang auch über eine Aufnahme der systemischen Paar- und Familientherapie in den Leistungskatalog der GKV entschieden wird, bleibt abzuwarten. So wünschenswert eine Verbesserung und Flexibilisierung des psychotherapeutischen Therapieangebots ist, so werden diese Ziele im Bereich der GKV absehbar auf medizinisch erforderliche Behandlungen fokussieren (§ 12 Abs. 1 SGB V).