Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Lotte SPD vom 24.08.2015 Maßnahmen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum durch nicht gewerblich, aber regelmäßig betriebene Vermietung von Wohneinheiten an Touristen In den letzten Jahren bieten immer mehr Internetportale die Vermittlung privater Wohneinheiten – auch Mietwohnungen – zum Zwecke kurzfristiger Vermietung v. a. an Touristen an. Marktführer sind hier airbnb und wimdu, die alleine in München über 1.500 Wohnungen in ihrem Angebot haben. Bei allen Internetportalen zusammengenommen ist die Zahl dieser zweckentfremdeten Wohneinheiten inzwischen auf über 2.000 hochgeschnellt. In dieser Zahl ist die Vermietung von maximal der Hälfte der Wohnung und die nur vorübergehende Vermietung der Wohnung als Ferienwohnung nicht mitgerechnet, da diese keine Zweckentfremdung darstellen. Die Landeshauptstadt München bewertet die über das bayerische Zweckentfremdungsgesetz gegebenen Möglichkeiten als nicht ausreichend, um der Zweckentfremdung von Mietwohnraum durch nicht gewerblich, aber regelmäßig betriebene Vermietung an Touristen wirksam zu begegnen , und verweist auf das von der Freien und Hansestadt Hamburg vor zwei Jahren erlassene Wohnraumschutzgesetz , aufgrund dessen – würden dessen Bestimmungen in Bayern gelten – innerhalb eines überschaubaren Zeitraums über 2.000 illegal vermietete Wohnungen für den Münchner Wohnungsmarkt zurückgewonnen und der Verlust weiterer Tausender Wohnungen verhindert werden könnten. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Stimmt die Staatsregierung mit der Meinung des Antragstellers dahingehend überein, dass in der Landeshauptstadt München bezogen auf Wohneinheiten im unteren und mittleren Preissegment eine Situation herrscht, die man als akute Wohnungsnot bezeichnen könnte? b) Wenn ja, glaubt sie, dass sich diese Notstandssituation bis zum 30. Juni 2017 beenden lassen wird? 2. a) Bewertet die Staatsregierung die über das bayerische Zweckentfremdungsgesetz gegebenen Möglichkeiten als hinlänglich ausreichend, um der Zweckentfremdung von Mietwohnraum durch eine wie im Vorspruch beschriebene, nicht gewerblich, aber regelmäßig betriebene Vermietung an Touristen wirksam zu begegnen ? b) Wenn ja, welche Möglichkeit/en gäbe es nach Meinung der Staatsregierung darüber hinaus, den kommunalen Mietwohnraum v. a. in urbanen Verdichtungsräumen vor dieser Art von Zweckentfremdung im Rahmen der in Bayern gültigen gesetzlichen Regelungen besser zu schützen? c) Wenn nein, welche Möglichkeit/en gäbe es nach Meinung der Staatsregierung, die kommunalerseits empfundenen Regelungslücken zu schließen und das Instrumentarium zur Verhinderung dieser Form der Zweckentfremdung zu optimieren? 3. Wie bewertet die Staatsregierung die im Hamburger Wohnraumschutzgesetz getroffenen Regelungen – insbesondere die Möglichkeit, die Betreiber von Internetportalen bereits für das Angebot an nicht erlaubten Vermietungen mit hohen Geldbußen zu belegen und zu umfassenden Auskünften über die Vermietung zwingen zu können – hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit zur Verhinderung von Wohnraumzweckentfremdungen wie den im Vorspruch oben beschriebenen? 4. a) Hält die Staatsregierung eine Einführung von gegen die illegale Vermietung von Wohneinheiten an Touristen gerichteten Regelungen wie im Hamburger Wohnraumschutzgesetz bzw. von Teilen davon auch in Bayern für zielführend? b) Wenn ja, welche Regelungen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 25.09.2015 1. a) Stimmt die Staatsregierung mit der Meinung des Antragstellers dahingehend überein, dass in der Landeshauptstadt München bezogen auf Wohneinheiten im unteren und mittleren Preissegment eine Situation herrscht, die man als akute Wohnungsnot bezeichnen könnte? Nein. In der Landeshauptstadt München gab es zum Stichtag 31. Dezember 2014 insgesamt 754.642 Wohnungen. So schwierig es im Einzelfall sein mag, eine angemessene Wohnung zu für den jeweiligen Privathaushalt bezahlbaren Kosten zu bekommen und so drückend die Wohnraumversorgungsengpässe in der Landeshauptstadt München und deren Umland empfunden werden, von der unerreicht bitteren Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg sind wir weit entfernt. Die Staatsregierung setzt alles daran, den bestehenden Engpässen bei der Wohnraumversorgung in München und auch anderen Städten und Gemeinden Bayerns abzuhelfen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.11.2015 17/8227 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8227 So wurde beispielsweise die staatliche Wohnraumförderung in diesem Jahr um 50 Mio. Euro auf 270 Mio. Euro aufgestockt . Nach dem Regierungsentwurf für den Nachtragshaushalt 2016 sollen die Mittel für die Wohnraumförderung sogar auf 320 Mio. Euro ansteigen. Bereits in den Jahren 2013 und 2014 hat die Staatsregierung mit ihren Initiativen zur Wohnungspolitik wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnraumsituation getroffen . Dazu gehören unter anderem die Aufstockung der Mittel für die staatliche Wohnraumförderung einschließlich Studentenwohnraumförderung im Doppelhaushalt 2013/2014 und im Nachtragshaushalt 2014 auf insgesamt 370 Mio. Euro (davon sind für Maßnahmen in der Landeshauptstadt München 132,8 Mio. Euro Förderdarlehen bewilligt worden), die Einführung eines Genehmigungsvorbehalts bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen sowie die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) bis zum 30. Juni 2017. Selbst bei größtmöglicher Anspannung aller Kräfte des Staates und der hier ebenfalls verantwortlichen Landeshauptstadt wird sich die Wohnungsmangellage in München gleichwohl nicht innerhalb eines Zwei-Jahres-Zeitraums auflösen . b) Wenn ja, glaubt sie, dass sich diese Notstandssituation bis zum 30. Juni 2017 beenden lassen wird? Antwort erübrigt sich, da Frage 1 a mit Nein beantwortet wird. 2. a) Bewertet die Staatsregierung die über das bayerische Zweckentfremdungsgesetz gegebenen Möglichkeiten als hinlänglich ausreichend, um der Zweckentfremdung von Mietwohnraum durch eine wie im Vorspruch beschriebene, nicht gewerblich, aber regelmäßig betriebene Vermietung an Touristen wirksam zu begegnen? Ja. Art. 2 Satz 1 ZwEWG gibt den bayerischen Gemeinden mit Wohnraummangel die Befugnis, durch Satzung zu bestimmen , dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf (Zweckentfremdung). In Art. 2 Satz 2 nennt das Gesetz fünf typische Fälle, in denen eine Zweckentfremdung vorliegt, unter anderem die nicht nur vorübergehend gewerblich oder gewerblich veranlasste Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung. Aus der Formulierung in Art. 2 Satz 2 ZwEWG „Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn …“ folgt, dass die Gemeinde in ihrer Satzung über die im Gesetz genannten Beispiele hinaus weitere Fallgruppen, auch einer Fremdenbeherbergung, als Zweckentfremdung regeln kann. Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine Zweckentfremdung im Sinne des Gesetzes handeln muss, der Wohnraum also durch die Maßnahme dem Wohnungsmarkt entzogen wird. Das ist nicht der Fall, wenn beispielsweise ein Ehepaar, das seine Wohnung in München in der Nähe der Theresienwiese hat, bereits seit fünf Jahren jedes Mal zur Wiesn-Zeit verreist und für diese rund zwei Wochen seine Wohnung an Touristen vermietet. Das Gleiche gilt, wenn eine Studentin regelmäßig zweimal im Jahr in den Semesterferien zwei Wochen bei den Eltern verbringt und die Wohnung währenddessen von Dritten genutzt wird. Diese nicht gewerblich, aber regelmäßig betriebenen Vermietungen sind keine Zweckentfremdung im Sinne des Gesetzes, weil der Wohnraum durch die anderweitige Nutzung nicht für eine dauerhafte Vermietung verloren geht. b) Wenn ja, welche Möglichkeit/en gäbe es nach Meinung der Staatsregierung darüber hinaus, den kommunalen Mietwohnraum v. a. in urbanen Verdichtungsräumen vor dieser Art von Zweckentfremdung im Rahmen der in Bayern gültigen gesetzlichen Regelungen besser zu schützen? Auch ohne ausdrückliche Nennung als Beispielsfall können die Gemeinden gegen „nicht gewerblich, aber regelmäßig betriebene Vermietungen“ vorgehen, wenn diese eine Zweckentfremdung darstellen, also der Wohnraum überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt wird. Grundlage für das Vorgehen gegen Zweckentfremdungen ist die jeweilige kommunale Satzung, nicht unmittelbar das Gesetz. Für einen besseren Schutz des Mietwohnraums sollten die Gemeinden die Spielräume, die ihnen das Gesetz bei der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Satzung und bei der Umsetzung des Zweckentfremdungsrechts gibt, auch ausschöpfen und sich nicht selbst durch eigene interne Verwaltungsvorgaben und Vollzugshinweise einengen. c) Wenn nein, welche Möglichkeit/en gäbe es nach Meinung der Staatsregierung, die kommunalerseits empfundenen Regelungslücken zu schließen und das Instrumentarium zur Verhinderung dieser Form der Zweckentfremdung zu optimieren? Antwort erübrigt sich, weil Frage 2 a mit Ja beantwortet wird. 3. Wie bewertet die Staatsregierung die im Hamburger Wohnraumschutzgesetz getroffenen Regelungen – insbesondere die Möglichkeit, die Betreiber von Internetportalen bereits für das Angebot an nicht erlaubten Vermietungen mit hohen Geldbußen zu belegen und zu umfassenden Auskünften über die Vermietung zwingen zu können – hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit zur Verhinderung von Wohnraumzweckentfremdungen wie den im Vorspruch oben beschriebenen? 4. a) Hält die Staatsregierung eine Einführung von gegen die illegale Vermietung von Wohneinheiten an Touristen gerichteten Regelungen wie im Hamburger Wohnraumschutzgesetz bzw. von Teilen davon auch in Bayern für zielführend? b) Wenn ja, welche Regelungen? Die Fragen 3, 4 a und 4 b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Auch nach den Regelungen des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes (HmbWoSchG) muss sich die Entscheidung , ob eine „regelmäßige Vermietung“ eine genehmigungspflichtige Zweckentfremdung darstellt oder nicht, daran orientieren, ob dem Wohnungsmarkt durch die Vermietung Wohnraum entzogen wird. Nach § 9 Abs. 2 Satz 5 HmbWoSchG und nach der Fachanweisung zur Durchführung des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes liegt eine Zweckentfremdung nicht vor, wenn die Wohnung bezogen auf ein Jahr mehr als sechs Monate als selbstgenutzte Hauptwohnung genutzt wird. Fälle , in denen der Wohnraum während einer kurzzeitigen Abwesenheit (z. B. Urlaub) Dritten vorübergehend entgeltlich oder unentgeltlich überlassen wird, sollen nicht als Zweckentfremdung behandelt werden. Danach darf in Hamburg eine selbstbewohnte Hauptwohnung für insgesamt knapp Drucksache 17/8227 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 unter sechs Monate im Jahr an Touristen vermietet werden, ohne dass eine Zweckentfremdungsgenehmigung beantragt werden muss. Demgegenüber liegt nach Nr. 4.3 der Arbeitshilfe zum Vollzug des bayerischen Zweckentfremdungsgesetzes eine Zweckentfremdung nicht vor, wenn Wohnraum bis zu insgesamt sechs Wochen im Kalenderjahr z. B. während des Urlaubs als Ferienwohnung vermietet wird oder ein Wohnungstausch während der Ferien stattfindet. Der Zeitraum, für den Vermietungen nicht als Zweckentfremdung angesehen werden, ist damit in Bayern deutlich kürzer als in Hamburg , die bayerischen Vorschriften sind insoweit strenger als die in der Hansestadt. Die Geltungsdauer des bayerischen Zweckentfremdungsgesetzes ist bis zum 30. Juni 2017 befristet. Voraussichtlich Mitte 2016 wird mit der Prüfung begonnen, ob die Geltungsdauer (unbefristet oder wieder befristet) verlängert wird und ob inhaltliche Änderungen vorgenommen werden müssen. Damit bei der Prüfung auch die praktischen Erfahrungen beim Vollzug einfließen können, erfolgt dazu – wie auch schon bei der letzten Änderung des Zweckentfremdungsgesetzes – eine Abstimmung mit der Landeshauptstadt München. Herr Oberbürgermeister Reiter wurde bereits mit Schreiben vom 8. August 2014 gebeten, bis zum 30. Juni 2016 über die Erfahrungen seiner Verwaltung insbesondere mit den Regelungen zur Fremdenbeherbergung sowie über dazu ergangene Gerichtsentscheidungen zu berichten. Des Weiteren wird dann auch geprüft, ob, und wenn ja, welche, Regelungen anderer Länder (unter anderem Hamburg und Berlin) zum Zweckentfremdungsrecht in das bayerische Zweckentfremdungsgesetz übernommen werden. Hierzu besteht zwischen dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und beispielsweise der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg bereits ein fachlicher Austausch. Die Regelungen in § 13 Abs. 1 HmbWoSchG (Auskunftspflicht der Internetportale) und § 15 Abs. 2 HmbWoSchG (ordnungswidriges Handeln der Internetportale) sind erst seit 1. Juni 2013 in Kraft. Die bisherigen Erfahrungen bei der Umsetzung sind noch zu wenig belastbar und aussagekräftig . Vor einer Entscheidung, ob, und wenn ja, welche, Regelungen aus dem Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz übernommen werden, sollen erst noch weitere Erfahrungen beim dortigen Vollzug abgewartet werden.