Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 29.07.2015 Vermeintliche Konkurrenz zwischen Fernbussen und SPNV II Der innerdeutsche Fernlinienbusverkehr ist seit 1. Januar 2013 liberalisiert. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass Schienenverkehrsunternehmen durchaus Fahrgäste an den Fernbus verlieren. Der Umfang dieses Verlusts ist jedoch nicht klar. Derzeit existieren keine robusten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Intensität des Wettbewerbs zwischen Fernbussen und Eisenbahn. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. Inwieweit arbeitet die BEG daran, belastbare Zahlen hinsichtlich des durch den Fernlinienbusverkehr beim Schienenpersonennahverkehr verursachten Fahrgast- bzw. Erlösverlustes zu erarbeiten bzw. erarbeiten zu lassen? 2. Inwieweit beeinflusst das Fernlinienbusangebot die derzeitige und künftige Ausschreibungspraxis der BEG? 3. Wie wird seitens der Genehmigungsbehörden in der Praxis sichergestellt, dass die Beförderung von Personen im Fernlinienbus zwischen zwei Haltestellen mit einem Abstand von weniger als 50 km unterbleibt? 4. Inwieweit ist ein freies WLAN-Angebot in den Zügen Bestandteil der aktuellen bzw. der zukünftigen SPNV-Ausschreibungen der BEG, nachdem der kostenfreie Internetzugang in Fernbussen üblich ist und für Fahrgäste ein wichtiges Qualitätsmerkmal darstellt? 5. Inwieweit ist die BEG bereit, bei bestehenden Verträgen über einen kostenfreien Internetzugang nachzuverhandeln , und welche Kosten wären damit verbunden? 6. Auf welchen Liniennetzen fahren derzeit Züge, in denen keine Steckdosen am Sitzplatz vorhanden sind, wie lange laufen die einzelnen Verträge und inwieweit denkt die BEG über eine Nachverhandlung zur Nachrüstung nach? 7. Inwieweit kann aus Sicht der BEG der BAYERN-TAKT auch in Reaktion auf die Konkurrenz durch den Fernlinienbus beispielsweise durch mehr Direktverbindungen oder Expresszüge mit weniger Halten weiterentwickelt werden? 8. Inwieweit denkt die BEG daüber nach, eine Mitfahrer-App zu entwickeln, die es ermöglicht, kostengünstige Mitfahrten auf dem BAYERN-TICKET zu organisieren? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 02.10.2015 1. Inwieweit arbeitet die BEG daran, belastbare Zahlen hinsichtlich des durch den Fernlinienbusverkehr beim Schienenpersonennahverkehr verursachten Fahrgast- bzw. Erlösverlustes zu erarbeiten bzw. erarbeiten zu lassen? Die im Auftrag der Bayerischen Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen sind vertraglich verpflichtet, aktuelle Reisendenzahlen bereitzustellen . Ungeachtet des seit dem Beginn der Regionalisierung festzustellenden stetigen Aufwärtstrends unterliegen die Zahlen bezogen auf die einzelnen Strecken gewissen Schwankungen. Inwieweit diese durch neu entstehende Fernbusangebote oder andere Einflüsse wie z. B. Betriebseinschränkungen aufgrund von Streiks oder der großen Bautätigkeit verursacht sind, kann nicht eindeutig beurteilt werden. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen weisen aber auf durch den Fernbuslinienverkehr verursachte Erlöseinbußen hin. Aufgrund der zu ungenauen Datenlage ist es jedoch nicht möglich, die Einbußen konkret zu quantifizieren. 2. Inwieweit beeinflusst das Fernlinienbusangebot die derzeitige und künftige Ausschreibungspraxis der BEG? Als Konsequenz aus neuen Fernbuslinien gab es bislang lediglich in einem Fall eine Planungsanpassung. Es handelt sich um die bis vor einigen Jahren bestehende umsteigefreie Direktverbindung als Fernverkehrsersatz von Nürnberg nach Prag, die aufgrund erheblicher Nachfragerückgänge nach Einführung des Fernbusses eingestellt und durch eine Umsteigeverbindung ersetzt wurde. Diese Umstellung fließt jetzt auch in die laufende Ausschreibung IR 25-Übergang ein. Weitere Anpassungen von Ausschreibungsplanungen sind derzeit nicht vorgesehen, jedoch für die Zukunft nicht auszuschließen. 3. Wie wird seitens der Genehmigungsbehörden in der Praxis sichergestellt, dass die Beförderung von Personen im Fernlinienbus zwischen zwei Haltestellen mit einem Abstand von weniger als 50 km unterbleibt? Die für den Personenfernverkehr nach § 42 a PBefG zuständige Genehmigungsbehörde ist die Bezirksregierung, in deren Bezirk die Personenfernverkehrslinie ihren Ausgangspunkt hat. Im Rahmen des durchzuführenden Genehmigungsverfahrens sind von der Behörde grundsätzlich Bedienverbote für beantragte Verbindungen auszusprechen, die unter die Schutzklausel des § 42 a Satz 2 PBefG fallen. Soweit die Behörden Hinweise auf einen möglichen Verstoß erhalten, kann durch eine Analyse des Internetangebots des Genehmigungsinhabers geprüft werden, ob Buchungen nur für Verbindungen angeboten werden, für die auch eine GeDrucksachen , Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.11.2015 17/8253 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8253 nehmigung erteilt wurde. Sollten allerdings Fahrgäste Fahrscheine für einen genehmigten Zielort erwerben, jedoch schon vorher an einem „unerlaubten“ Zielort aussteigen, kann dies durch die Genehmigungsbehörden nicht verhindert werden. Die Missachtung von Bedienverboten erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit, deren Ahndung den Bezirksregierungen obliegt. Die Einhaltung von Bedienverboten wird durch die Bayerische Polizei in Abhängigkeit von der aktuellen Lage und den Schwerpunktsetzungen überwacht. Bei Kontrollen finden Befragungen der Fahrgäste zum Einstiegsort sowie des Erwerbes, des Erhalts und der Kosten der Fahrscheine statt. Anhand der Angaben kann ein Abgleich mit der genehmigten Streckenführung erfolgen. Etwaige Zuwiderhandlungen konnten in diesem Zusammenhang bislang nicht festgestellt werden. 4. Inwieweit ist ein freies WLAN-Angebot in den Zügen Bestandteil der aktuellen bzw. der zukünftigen SPNV-Ausschreibungen der BEG, nachdem der kostenfreie Internetzugang in Fernbussen üblich ist und für Fahrgäste ein wichtiges Qualitätsmerkmal darstellt? In den Ausschreibungen der BEG ist derzeit noch keine entsprechende Anforderung enthalten. Für eine entsprechende Entscheidung muss geklärt werden, – ob die vorhandene Netzabdeckung entlang der Eisenbahninfrastruktur überhaupt eine entsprechende Versorgung ermöglichen würde, – welcher technische Ansatz gewählt werden soll (WLAN oder Repeater; beide Varianten haben Vor- und Nachteile ) und – welche Kosten entstehen würden und wer die Kosten trägt. 5. Inwieweit ist die BEG bereit, bei bestehenden Verträgen über einen kostenfreien Internetzugang nachzuverhandeln, und welche Kosten wären damit verbunden? Sofern die erforderliche Netzabdeckung entlang der Eisenbahninfrastruktur vorhanden und eine Entscheidung zur technischen Machbarkeit gefallen ist, können grundsätzlich Nachverhandlungen bei bestehenden Verträgen geführt werden. Die Finanzierung ist bislang allerdings nicht geklärt. Nach ersten Schätzungen der BEG kostet alleine die Nachrüstung der gesamten Flotte mindestens 75 Mio. €. Die laufenden Betriebskosten wurden dabei noch nicht betrachtet. Es ist aber davon auszugehen, dass diese für die gesamte Flotte je nach technischem Ansatz pro Jahr ebenfalls im Millionenbereich liegen werden. Die verfügbaren Regionalisierungsmittel reichen hierfür nicht aus. 6. Auf welchen Liniennetzen fahren derzeit Züge, in denen keine Steckdosen am Sitzplatz vorhanden sind, wie lange laufen die einzelnen Verträge und inwieweit denkt die BEG über eine Nachverhandlung zur Nachrüstung nach? Grundsätzlich ist die Ausrüstung von Schienenfahrzeugen mit Steckdosen am Platz im Kontext zwischen Aufwand und Nutzen zu sehen. Was auf langen Strecken mit einer Reisedauer von deutlich über einer Stunde durchaus sinnvoll erscheint, verkehrt sich bei kurzen Reiseweiten und kurzen Verweildauern im Zug im klassischen Pendlerverkehr ins Gegenteil. Steckdosen werden kaum genutzt, verursachen erheblichen Aufwand bei Installation, Wartung und Instandhaltung und erhöhen zudem durch zusätzliche Konverter und Peripheriegeräte die Massen und den Energieverbrauch der Fahrzeuge in nennenswertem Umfang. Im Rahmen von Ausschreibungen gibt die BEG grundsätzlich die Ausrüstung eines Teils der Sitzplätze mit Steckdosen als Mindestanforderung vor. Von dieser Anforderung weicht die BEG in Netzen mit sehr kurzen Reiseweiten und im Ballungsraumverkehr (S-Bahnen) mit sehr kurzen Verweilzeiten in den Zügen ab. Sämtliche älteren Doppelstockwagen und Triebzüge weisen allenfalls in der 1. Klasse einzelne Steckdosen am Platz auf. Bei Dieseltriebzügen älterer Baumuster erlaubt oftmals die Leistung der Bordelektrik keinen Einbau einer zusätzlichen 230-V-Spannungsebene. Eine Nachrüstung älterer Fahrzeuge ist wegen hoher Kosten wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Ausrüstung von Schienenfahrzeugen im bayerischen SPNV mit Steckdosen am Platz wird sich aus finanziellen Erwägungen auch künftig an den Erfordernissen und am Verhältnis zwischen Aufwand und tatsächlichem Nutzen orientieren müssen. Dies bedeutet, dass die Fahrzeuge auf lang laufenden Linien mit überdurchschnittlicher Verweildauer im Zug, die auch in direkter Konkurrenz zum Fernbus stehen, zunehmend mit Steckdosen am Platz ausgerüstet sein werden, dagegen in den S-Bahnen und im Kurzstreckenverkehr auf Steckdosen eher verzichtet werden muss. 7. Inwieweit kann aus Sicht der BEG der BAYERNTAKT auch in Reaktion auf die Konkurrenz durch den Fernlinienbus beispielsweise durch mehr Direktverbindungen oder Expresszüge mit weniger Halten weiterentwickelt werden? Die Schaffung umsteigefreier Direktverbindungen ist auch unabhängig von der Fernbuskonkurrenz ein wichtiges Planungsziel der BEG. So wurden in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche neue Direktverbindungen geschaffen, häufig mit Flügelungskonzepten. Als Beispiele sind Würzburg – Bad Kissingen, Nürnberg – Oberstdorf/ Lindau, Bayreuth – Bad Rodach, Nürnberg – Jena, München – Kufstein und München – Kochel zu nennen. In Prüfung befindet sich aktuell die Relation von Würzburg und Ansbach nach München . Zu berücksichtigen bei entsprechenden Planungen ist jedoch , dass länger laufende und geflügelte Linien in einigen Fällen zu höherer Unpünktlichkeit neigen, da im Verspätungsfall auf die einzelnen Zugteile gewartet werden muss. Im Interesse eines sparsamen Mitteleinsatzes muss darüber hinaus beachtet werden, dass sich ein wirtschaftlich zu betreibender Zuschnitt des Liniennetzes ergibt. Mehr Expresszüge mit weniger Halten wären auf einigen Linien durchaus wünschenswert. Hierbei gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: – Streichung von Halten bei bestehenden Zügen: wegen der Verschlechterung der Bedienung der wegfallenden Halte ist dies grundsätzlich keine geeignete Vorgehensweise . – Einsatz zusätzlicher Züge: Dies ist derzeit aufgrund der noch offenen Revision der Regionalisierungsmittel bei gleichzeitig überproportional steigenden Infrastrukturbenutzungsgebühren nicht finanzierbar. Drucksache 17/8253 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 8. Inwieweit denkt die BEG daüber nach, eine Mitfahrer -App zu entwickeln, die es ermöglicht, kostengünstige Mitfahrten auf dem BAYERN-TICKET zu organisieren? Die DB entwickelt aktuell eine App als Medium zur Gruppenbildung für das Bayern-Ticket. Der Fahrscheinkauf soll dabei erst erfolgen, wenn sich die Gruppe gebildet hat. Die BEG beabsichtigt nicht, ein eigenes Angebot zu entwickeln, da der Vertrieb in die Zuständigkeit der Eisenbahnverkehrsunternehmen fällt.