Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Linus Förster SPD vom 04.09.2015 Aktionsplan gegen Homophobie Bayern ist das einzige Bundesland ohne Aktionsplan gegen Homophobie oder eine vergleichbare Initiative, die sich um mehr Sichtbarkeit, Toleranz und Akzeptanz für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle kümmert. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Gibt es vonseiten der Staatsregierung Pläne, einen Aktionsplan gegen Homophobie einzuführen? b) Wenn ja, wie sieht der weitere Zeitplan für die Einführung des Aktionsplans aus? c) Welche Gruppen werden vonseiten der Staatsregierung an der Erstellung beteiligt? 2. Wenn nein, mit welcher Begründung lehnt die Staatsregierung die Einführung eines Aktionsplanes gegen Homophobie ab? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 16.10.2015 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI), dem Staatsministerium der Justiz (StMJ), dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMUK) und dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) wie folgt beantwortet: Zu 1. a)–c): Es bestehen keine Pläne, einen Aktionsplan gegen Homophobie einzuführen. Zu 2.: Die Staatsregierung arbeitet bereits auf allen fachlichen Ebenen Homophobie entgegen und kümmert sich um die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen. Eine Diskriminierung dieser Bürgerinnen und Bürger ist nicht hinnehmbar. Die Staatsregierung setzt sich dafür ein, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, ihr Leben selbstbestimmt und unabhängig von vorhandenen Rollenbildern und Erwartungen der Gesellschaft entsprechend ihren individuellen Wünschen zu gestalten. Die Leitstelle für die Gleichstellung von Männern und Frauen im Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) bearbeitet allgemeine Anfragen aus dem Bereich LSBTI (Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle). Sie tritt dafür ein, dass Rollenstereotype und genderspezifische Vorurteile aufgelöst werden. Sie ist auch als Ansprechpartnerin bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) genannt. Die ADS berät auch im Bereich LSBTI und Fragen bei Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Sie unterstützt bundesweit auf unabhängige Weise Personen, die Benachteiligungen erfahren haben, die aufgrund ihrer sexuellen Identität erfolgt sind. In Fällen, in denen eine Beratungsstelle in Wohnortnähe gewünscht wird, hat die ADS eine Umkreissuche eingerichtet, anhand derer Betroffene schnell und unbürokratisch Kontakt zu der gewünschten Stelle aufnehmen können. Für Bayern wird auf sieben Beratungsstellen verwiesen: • Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen , Landeshauptstadt München • Sub – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum München e.V. • LeTRa Beratungsstelle des Vereins Lesbentelefon e.V. • LSVD Landesverband Bayern e.V. • Der Beauftragte für Diskriminierungsfragen beim Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg • Toleranz Fabrik e.V. • VelsPol Bayern e.V. Die Bayerische Polizei und die bayerische Justiz treten Übergriffen, denen eine homophobe Motivation zugrunde liegt, mit Nachdruck entgegen. Die bayerischen Staatsanwaltschaften verfolgen etwaige Straftaten (z. B. Tötungs-, Körperverletzungs- und Beleidigungsdelikte , Volksverhetzung) mit homophober Tatmotivation konsequent auf der Grundlage der geltenden, umfassenden Strafbestimmungen. Hervorzuheben ist, dass das Strafgesetzbuch in seiner Regelung zu den Grundsätzen der Strafzumessung (§ 46 StGB) seit dem 1. August 2015 ausdrücklich herausstellt, dass für die Strafbemessung besonders auch menschenverachtende Beweggründe und Ziele des Täters zu berücksichtigen sind. Damit wird klargestellt , dass es einen Strafschärfungsgrund darstellt, wenn sich das Handeln des Täters gegen grundlegende Werte, wie die sexuelle Selbstbestimmung, richtet. Auch der bayerische Justizvollzug toleriert keine Diskriminierungen , egal aus welchem Grund. Homosexuelle Gefangene werden in den bayerischen Justizvollzugsanstalten selbstverständlich wie alle anderen Gefangenen behandelt. Eine Differenzierung oder gar Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung findet nicht statt. Sofern andere Gefangene aufgrund ihres Verhaltens, insbesondere aufgrund mangelnder Toleranz und Respekt gegenüber der sexuellen Orientierung anderer, das geordnete Zusammenleben in der Anstalt stören, wird dies unterschiedslos geahndet. Wenn es in Einzelfällen zu Übergriffen kommen sollte, wird dagegen konsequent mit den rechtlich zulässigen Mitteln vorgegangen und alles Erforderliche zum Schutz der Betroffenen getan. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.11.2015 17/8462 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8462 Die Bayerische Polizei wirkt Homophobie unter anderem mit folgenden Maßnahmen entgegen: Wissen zum Thema Homophobie wird in der Aus- und Fortbildung der Polizisten und Polizistinnen vermittelt. So wird dort auch der Themenkreis „Prävention von Gewalt gegen Lesben, Schwule und transidente Menschen“ behandelt . Dazu werden auch Referenten, z. B. Angehörige des Vereins lesbischer und homosexueller Polizeibediensteter in Bayern e. V. (VelsPol), eingebunden. Grundsätzlich gilt, dass in der Aus- und Fortbildung den Beamtinnen und Beamten der Bayerischen Polizei selbstverständlich der diskriminierungsfreie Umgang mit Minderheiten und der Schutz Schwächerer in der Gesellschaft vermittelt werden. Dabei werden die Beamtinnen und Beamten nicht nur rechtlich geschult und mit entsprechendem Hintergrundwissen ausgestattet, sondern durch sog. persönlichkeitsbildende Unterrichtsfächer sensibilisiert. Um im Bereich LSBTI mit den Opfern von Gewalterfahrungen professionell umzugehen und diese über geeignete Hilfsangebote (Beauftragte der Polizei für Frauen und Kinder, Opfer- bzw. Hilfeeinrichtungen, behördliche Institutionen etc.) zu informieren, wurden entsprechende Informationsmaterialien zum Themenbereich „Prävention homophober Gewalt“ entwickelt. Die Präventionsansätze der Bayerischen Polizei greifen zielgruppen- und/oder phänomenübergreifend. Zahlreiche Informationen und Broschüren zur verhaltensorientierten polizeilichen Kriminalprävention sind bspw. im Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) im Intranet der Bayerischen Polizei sowie über das Portal des BLKA abrufbar. In den Präsidien der Bayerischen Polizei wird durch die „Beauftragte der Polizei für Frauen und Kinder (BPFK)“ auch zu den Bereichen Gewalt im sozialen Nahraum/häusliche (familiäre) Gewalt und sexuelle Gewalttaten sowie Stalking aktive Opferhilfe geleistet. Dieses Beratungsangebot richtet sich geschlechtsunabhängig an alle Betroffenen. Neben der Opferbetreuung liegt ein Schwerpunkt der Tätigkeit der BPFK auch in der Durchführung vertrauensbildender Maßnahmen und der damit verbundenen Öffentlichkeitsarbeit . Auch im Unterricht an den bayerischen Schulen wird die Akzeptanz von Vielfalt und unterschiedlicher sexueller Orientierung gefördert und jegliche Art von Diskriminierung und Ausgrenzung unterbunden. Im Rahmen der schulischen Familien - und Sexualerziehung wird auch das Thema Homosexualität seit Jahren in den einschlägigen Fächern besprochen . Bei der Überarbeitung der „Richtlinien für die Familien und Sexualerziehung an den bayerischen Schulen“, die diesen Themenbereich konkret beschreiben, wird auf den Bereich „Queere Lebensformen, sexuelle Orientierung“ ein besonderer Schwerpunkt gelegt. Die Entwurfsfassung dieser Richtlinien wird am 19. Oktober 2015 im Landesschulbeirat behandelt werden. Der darauf folgenden Bekanntmachung der neuen Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung an den bayerischen Schulen wird eine umfangreiche Fortbildungswelle sowohl in Form einer Online-Fortbildung als auch durch Fortbildungsveranstaltungen vor Ort folgen. Darüber hinaus werden entsprechende Begleitmaterialien erarbeitet. Unabhängig davon gehört zur staatlichen Lehrerfortbildung seit Jahren die Werteerziehung, in deren Rahmen auch Themen wie Diversity, Antidiskriminierung, Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt als Fortbildungsinhalte angeboten werden. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe kommen die Träger der Jugendhilfe in Bayern ohne Ansehen sexueller Wertvorstellungen oder geschlechtlichen Erscheinungsform dem Förderanspruch infolge des gesetzlichen Grundsatzes, wonach jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat (§ 1 Abs. 1 SGB VIII), nach. Im Bereich der frühkindlichen Bildung arbeiten auf der Grundlage des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans (BayBEP) und dem Paradigma der Inklusion staatlich geförderte Kindertageseinrichtungen im Sinne einer vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung. Diese zielt auf eine Lebenswelt ohne Ausgrenzung und begreift Diversität und Heterogenität als Normalfall, Bereicherung und Bildungschance . Von nachhaltigem Wert sind in diesem Zusammenhang Fortbildungsangebote für pädagogisches Personal zur Weiterentwicklung von Kompetenzen für eine vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung. Auch die Bereitstellung von Supervision und Coaching kann dazu beitragen, die pädagogische Alltagspraxis kontinuierlich auf Vorurteile und deren Auswirkungen hin professionell zu reflektieren und so die Optimierung der pädagogischen Prozesse in der Einrichtung voranzubringen. Die Förderung von Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensformen ist seit Langem integraler Bestandteil aller Maßnahmen zur HIV-/AIDS-Prävention. Durch kontinuierliche , zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit in allen Altersklassen und Bevölkerungsgruppen unterstützt das StMGP die Bedingungen für ein vorurteilsfreies, soziales Klima, in dem Menschen mit HIV, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, weder Ausgrenzung noch Stigmatisierung befürchten müssen. In diesem Sinne führen die zehn psychosozialen AIDS-Beratungsstellen, die AIDS-Hilfen und die 76 bayerischen Gesundheitsämter zahlreiche HIV-lnformations - und Präventionsprojekte durch und stellen flächendeckend Angebote zur Beratung und Hilfe zur Verfügung. Die Staatsregierung tritt daher Homophobie auf allen Ebenen entgegen. Die Notwendigkeit eines Aktionsplans wird nicht gesehen.