Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote und Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 13.08.2015 Absturz US-Kampfjet in Bayern Am 11. August 2015 ist ein US-Kampfjet vom Typ F-16 während eines Übungflugs im Grenzgebiet zwischen Oberfranken und der Oberpfalz abgestürzt. In diesem Zusammenhang fragen wir die Staatsregierung: 1.1 Auf welcher rechtlichen Grundlage finden Übungsflüge des amerikanischen Militärs über zivilem Gelände in Bayern statt? 1.2 Wie viele derartige Flüge finden jährlich über Bayern statt und wie, wann und durch wen werden die jeweiligen Behörden in den betroffenen Regionen darüber informiert? 1.3 Inwiefern sind für vergleichbare Übungsflüge Genehmigungen erforderlich, und wenn ja, wer ist für deren Erteilung zuständig und nach welchen Kriterien wird die Erlaubnis für Flüge erteilt oder versagt? 2.1 Welche scharfe Munition, Übungsmunition und Treibstoff hatte die Maschine geladen und auf welchem Weg wurde die Staatsregierung vorab darüber informiert ? 2.2 Enthielten scharfe Munition, Übungsmunition und Treibstoff der F-16-Maschine Bestandteile, die gegebenenfalls gesundheitsgefährdend für Bevölkerung und/oder Helferinnen und Helfer sein können (bitte um Auflistung)? 2.3 Welche Maßnahmen wurden und werden von wem ergriffen, um eine fachgerechte Dekontamination der Absturzstelle und des Rettungspersonals sicherzustellen ? 3.1 Wieso werden die Ermittlungen durch das US-Militär geleitet und wie wird sichergestellt, dass diese auch mit der gebotenen Transparenz durchgeführt werden? 3.2 Welche Erkenntnise haben sich aus den bisherigen Ermittlungen über Absturzursache und Konsequenzen für Mensch und Umwelt im Sperrgebiet ergeben? 3.3 Welches militärische Ziel hatten die Übungsflüge am 11. August? 4.1 Welche Konsequenzen wird die Staatsregierung aus dem Absturz ziehen und wie will sie den Schutz der bayerischen Bevölkerung sicherstellen? 4.2 Wie bewertet die Staatsregierung das Gefährdungspotenzial derartiger Übungsflüge? 4.3 Welche Kenntnis hat die Staatsregierung über Übungsflüge anderer ausländischer Militärs über Bayern? 5. Wie erfolgen Abstimmung und Informationsaustausch zwischen der Bundesregierung und der Staatsregierung im Bezug auf Übungsflüge ausländischer Militärs auf deutschem bzw. bayerischem Boden? Antwort des Leiters der Staatskanzlei Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben vom 19.10.2015 1.1 Auf welcher rechtlichen Grundlage finden Übungsflüge des amerikanischen Militärs über zivilem Gelände in Bayern statt? Das Luftverkehrsgesetz bildet die rechtliche Grundlage für den gesamten Flugbetrieb im deutschen Luftraum. In diesem Zusammenhang regelt das Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959, dass Truppen und ihre Angehörigen berechtigt sind, mit Luftfahrzeugen in die Bundesrepublik einzureisen oder sich in und über dem Bundesgebiet zu bewegen. Im militärischen Luftfahrthandbuch der Bundesrepublik Deutschland sind darüber hinaus weitere Regelungen für den militärischen Flugbetrieb festgelegt, die für alle militärischen Luftfahrzeuge gelten. 1.2 Wie viele derartige Flüge finden jährlich über Bayern statt und wie, wann und durch wen werden die jeweiligen Behörden in den betroffenen Regionen darüber informiert? United States Air Force in Europe führte bislang in 2015 266 vergleichbare Übungsflüge mit Übungsmunition auf dem Luft-Boden-Schießplatz Grafenwöhr durch (Stand: August 2015). Im Jahr 2014 waren es 90 Flüge. Der große Unterschied zwischen 2014 und 2015 ist in der Verlegung von Teilen des US-Geschwaders aus Spangdahlem in 2014 begründet . Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.11.2015 17/8523 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8523 Über Flugbetrieb im Zusammenhang mit besonderen Übungsvorhaben werden die staatlichen Behörden im Vorfeld durch die Bundeswehr informiert. 1.3 Inwiefern sind für vergleichbare Übungsflüge Genehmigungen erforderlich, und wenn ja, wer ist für deren Erteilung zuständig und nach welchen Kriterien wird die Erlaubnis für Flüge erteilt oder versagt? Genehmigungen für Flüge ausländischer Streitkräfte in Deutschland werden durch das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) im Rahmen des „Military Diplomatic Clearance“-Prozesses erteilt. Während dieses Genehmigungsprozesses wird die Einhaltung geltender Regelungen und Vorschriften überprüft. 2.1 Welche scharfe Munition, Übungsmunition und Treibstoff hatte die Maschine geladen und auf welchem Weg wurde die Staatsregierung vorab darüber informiert? Die hierzu vorliegenden Informationen des Polizeipräsidiums Oberpfalz beruhen auf den Angaben des Piloten, der zeitnah zum Absturz des Flugzeuges befragt wurde. Demnach befanden sich an Bord des Flugzeugs sechs Übungsbomben aus Zement, deren Rauchkörper eine geringe Menge Phosphor aufweisen. Weitere Bewaffnung wurde nach Angaben des Piloten nicht mitgeführt und wurde von der Polizei am Absturzort auch nicht festgestellt. Auf die Ausführungen unter Ziffer 3.1 wird verwiesen. Als Treibstoff befanden sich ca. 3.000 Liter Kerosin und ein Behälter mit ca. drei bis vier Litern Hydrazin an Bord. 2.2 Enthielten scharfe Munition, Übungsmunition und Treibstoff der F-16-Maschine Bestandteile, die gegebenenfalls gesundheitsgefährdend für Bevölkerung und/oder Helferinnen und Helfer sein können (bitte um Auflistung)? • Phosphor der Übungsmunition: Über die Art des verwendeten Phosphors und dessen Toxizität liegen keine Informationen vor. • Kerosin • Hydrazin Hydrazin wird als Brennstoff für das Notenergieaggregat mitgeführt und ist eine klare, farblose Flüssigkeit mit einem ammoniakähnlichen Geruch. Über sonstige Bestandteile des Flugzeuges liegen keine Informationen vor. 2.3 Welche Maßnahmen wurden und werden von wem ergriffen, um eine fachgerechte Dekontamination der Absturzstelle und des Rettungspersonals sicherzustellen ? Die Dekontamination der Einsatzkräfte wurde durch die Feuerwehren und die US-Streitkräfte sichergestellt. Zusätzlich war auch eine SEG GSG (Schnelleinsatzgruppe Gefährliche Stoffe Güter) für die Dekontamination von Personen vor Ort. Grundlage für die Dekontaminationsmaßnahmen ist bei den deutschen Einsatzkräften die Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV) 500 „Einheiten im ABC-Einsatz“. Die vor Ort eingesetzten Kräfte wurden zeitnah von der Integrierten Leitstelle Bayreuth/Kulmbach alarmiert und waren ausreichend dimensioniert. Nach Angabe des Landratsamtes Neustadt an der Waldnaab wurden an den Absturzstellen der Zusatztanks im Wald und auf einem Maisfeld bereits Dekontaminierungsarbeiten in Form von Erdaushub vorgenommen. Ob und in welchem Ausmaß Bäume und Mais durch ausgetretenes Kerosin geschädigt wurden, steht noch nicht fest. An der Absturzstelle des Düsenflugzeuges wird laut Information des Landratsamtes Neustadt an der Waldnaab derzeit noch gearbeitet. Die Auffindestellen der Zusatztanks wurden bereits abgebaggert. Das Material befindet sich derzeit auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr und wird von einem vom Landesamt Neustadt an der Waldnaab beauftragten Gutachter untersucht und anschließend – je nach Ergebnis – entsorgt. Gutachter ist die Fa. Piewak & Partner aus Bayreuth , bewusst wurde kein US-Partner oder eine sonstige bereits auf dem Truppenübungsplatz tätige Firma gewählt. Der Materialaushub erfolgte am 14.08.2015 nach Freigabe der Örtlichkeit durch das Militär. Feuerwehr, Wasserwirtschaftsamt und Technisches Hilfswerk waren nach dem Absturz vor Ort und bargen die Tanks der verunglückten Maschine. Die Munition an Bord war Übungsmunition, enthielt nur Zement. Ausgelaufenes Kerosin wurde mittels Bodenaushub beseitigt, der Treibstoffsatz aus dem Fallschirm wurde ebenfalls entsorgt. Da von einer vollständigen Bergung der Wrackteile auszugehen ist, ist auch mittelfristig von einer Gefährdung von Boden und Grundwasser nicht auszugehen. 3.1 Wieso werden die Ermittlungen durch das US-Militär geleitet und wie wird sichergestellt, dass diese auch mit der gebotenen Transparenz durchgeführt werden? Für Fälle, die überwiegend militärische Belange berühren, wird zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Bundesministerium der Verteidigung eine geeignete Regelung getroffen (§ 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Untersuchung von Unfällen und Störungen bei dem Betrieb ziviler Luftfahrzeuge). In einer Ressortvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Verkehr und dem Bundesministerium der Verteidigung wurde demgemäß geregelt, dass das Luftfahrtamt der Bundeswehr für alle militärischen Luftfahrzeuge, unabhängig davon, ob sie in der Bundesrepublik Deutschland, einem NATO-Partnerland oder einem anderen Staat registriert sind, zuständig ist. Bei alleiniger Beteiligung eines Flugzeuges eines NATOMitgliedstaates erfolgt die Untersuchung aufgrund entsprechender Vereinbarungen durch den betroffenen Entsendestaat unter Beteiligung des Luftfahrtamtes der Bundeswehr. Die Feldjäger der Bundeswehr dürfen grundsätzlich jede Absturzstelle eines deutschen, verbündeten oder nichtverbündeten militärischen Luftfahrzeugs sperren und zum militärischen Sicherheitsbereich erklären sowie eine wirksame Absicherung zugunsten der Verbündeten oder Dritter gemäß § 2 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw) durchführen. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bundeswehr ergibt sich aus dem Ministererlass vom 16.09.1957 und der daraus erlassenen Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 16.09.1957, Az.: IC1-2531/34-30, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 05.10.1966 (MABl S. 533) „Polizei und Bundeswehr“. Demnach gilt der Grundsatz, dass alle Behörden sich um eine verständnisvolle Zusammenarbeit zu bemühen und sich im Rahmen ihrer Drucksache 17/8523 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 sachlichen Zuständigkeit soweit wie möglich zu unterstützen haben. Die örtlich zuständige Kriminalpolizeiinspektion sowie die Staatsanwaltschaft sind demgemäß in die Ermittlungen eingebunden. 3.2 Welche Erkenntnise haben sich aus den bisherigen Ermittlungen über Absturzursache und Konsequenzen für Mensch und Umwelt im Sperrgebiet ergeben? Erkenntnisse über die Absturzursache liegen nicht vor. Die Konsequenzen für Mensch und Umwelt im Sperrgebiet beschränken sich derzeit auf durchgeführte oder noch vorzunehmende Erdaushubarbeiten sowie noch ausstehende Entscheidungen über den Umgang und Verbleib möglicherweise belasteter Bäume und Maispflanzen. 3.3 Welches militärische Ziel hatten die Übungsflüge am 11. August? Das Luftfahrzeug flog ungefähr zwei Minuten vor dem Unfall in das Gebiet mit Flugbeschränkungen (militärischer Übungsluftraum) ED-R136 (Grafenwöhr) mit dem Ziel Truppenübungsplatz Grafenwöhr ein. 4.1 Welche Konsequenzen wird die Staatsregierung aus dem Absturz ziehen und wie will sie den Schutz der bayerischen Bevölkerung sicherstellen? Konsequenzen seitens der Staatsregierung sind nach derzeitigen Erkenntnissen nicht erforderlich. 4.2 Wie bewertet die Staatsregierung das Gefährdungspotenzial derartiger Übungsflüge? Derartige militärische Übungsflüge beinhalten, wie auch die zivile Luftfahrt, ein bekanntes Maß abstrakter Gefährdung. 4.3 Welche Kenntnis hat die Staatsregierung über Übungsflüge anderer ausländischer Militärs über Bayern? Siehe Antwort zu Frage 5. 5. Wie erfolgen Abstimmung und Informationsaustausch zwischen der Bundesregierung und der Staatsregierung im Bezug auf Übungsflüge ausländischer Militärs auf deutschem bzw. bayerischem Boden? Die Zuständigkeit für militärische Flugbewegungen liegt allein beim Bund (Luftfahrtamt der Bundeswehr). Eine Abstimmung erfolgt ausschließlich im Zusammenhang mit der Anmeldung von Manövern von Bodentruppen.