Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 07.09.2015 Eindämmung der Engerlingpopulation von Maikäfern Der Pilz Beauveria kann dazu beitragen, um die Engerlingpopulation von Maikäfern in Schach zu halten. Bei einem Ortstermin in Röllbach (Lkrs. Miltenberg) wurde dieses Verfahren am 3. September 2014 als Lösungsvorschlag präsentiert und ein Antrag auf „Notzulassung“ vorgeschlagen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Was war der Inhalt des Schreibens der Bayer. Landesanstalt beim Bundesamt für Verbraucherschutz vom 12.11.14? 2. Warum wurde zunächst keine Erlaubnis erteilt und warum musste am 03.12.2014, am 17.04.2015 und am 17.04.2015 bzw. am 06.05.2015 (die genannten Daten sind aus einem Protokoll des Landwirtschaftsausschusses entnommen) nochmals nachgefragt werden, ob die Zulassung durch das Bundesamt erfolge? 3. Wann genau erfolgte die Zulassung dieses Pilzes und warum kann er nur bis zum 20.10. eingesetzt werden und nicht noch länger? 4. Besteht nicht die Gefahr, dass die Zulassung zu spät erfolgte , um die Probleme durch die Maikäfer in den Griff zu bekommen? 5. Müssen die betroffenen Obstbauern im nächsten Jahr wieder aufs Neue – wenn die Notwendigkeit besteht – einen entsprechenden Antrag stellen und wie lange wird es dann dauern, bis die Genehmigung erfolgt? 6. Welche anderen Möglichkeiten gibt es, um die Maikäferpopulation einzudämmen? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 27.10.2015 1. Was war der Inhalt des Schreibens der Bayer. Landesanstalt beim Bundesamt für Verbraucherschutz vom 12.11.14? Mit Schreiben vom 12.11.2014 beantragte das Institut für Pflanzenschutz (IPS) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Zulassung für eine Notfallsituation des Pflanzenschutzmittels „Engerlingpilz “, mit dem natürlichen Wirkstoff Beauveria brongniartii, gemäß Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in Verbindung mit § 29 des Pflanzenschutzgesetzes gegen Maikäferengerlinge in Erdbeeren ab dem 01.04.2015 für 120 Tage zur Pflanzvorbereitung und in Kern- und Steinobst ab dem 01.09.2015 ebenfalls für 120 Tage zur Pflanzvorbereitung. 2. Warum wurde zunächst keine Erlaubnis erteilt und warum mussten am 3.12.2014, am 17.4.2015 und am 17.4.2015 bzw. am 6.5.2015 (die genannten Daten sind aus einem Protokoll des Landwirtschaftsausschusses entnommen) nochmals nachgefragt werden, ob die Zulassung durch das Bundesamt erfolge? Der aktuelle Verfahrensstand wurde mehrmals abgefragt. Mit Bescheid des BVL vom 07.05.2015 wurde der Antrag des IPS der LfL vom 12.11.2014 abgelehnt, da der Antrag nicht begründet sei. So wurde u. a. angeführt: „Die Voraussetzungen des Artikels 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EVVG des Rates (ABI. L 309 vom 24. November 2009, S. 1) sind nicht erfüllt. Bei der genannten Vorschrift handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand. Regelmäßig ist für das Inverkehrbringen und die Anwendung eines Pflanzenschutzmittels das erfolgreiche Durchlaufen eines regulären Zulassungsverfahrens erforderlich, in welchem die Auswirkungen und die Wirksamkeit des Mittels umfassend geprüft und bewertet wurden. Ein Verzicht auf dieses reguläre Zulassungsverfahren kommt nach dem Willen des Gesetzgebers nur in begrenzten Ausnahmen in Betracht. So ist nach Artikel 53 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eine solche Ausnahme zum Inverkehrbringen für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung nur zuzulassen, sofern sich eine solche Maßnahme angesichts einer anders nicht abzuwendenden Gefahr als notwendig erweist. Das heißt hier konkret, dass der Schadorganismus mit anderen Mitteln nicht eingedämmt werden kann. Aus dieser strikten Subsidiarität folgt, dass eine Notfallzulassung nicht in Betracht kommt, wenn die fragliche Gefahr mit regulär zugelassenen Pflanzenschutzmitteln oder sonstigen Alternativen wirksam Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.11.2015 17/8781 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8781 bekämpft werden kann. Ebenso scheidet eine Notfallzulassung aus, wenn mittels der gesetzlichen Regelverfahren ein geeignetes Mittel verfügbar gemacht werden kann. Darüber hinaus ist Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eine Ermessensnorm. Das heißt, dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kein Anspruch auf Erteilung einer Zulassung besteht, sondern ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Ausübung dieses Ermessens führt hier zur Versagung der Zulassung. Im Rahmen des Ermessens ist zu prüfen, ob die Freigabe dieses Mittels zur Anwendung vertretbar erscheint. Das heißt, dass der bei der Anwendung gegebene Nutzen den Auswirkungen des Mitteleinsatzes, vor allem im Gesundheits - und Umweltbereich gegenüberzustellen ist. Vorliegend überwiegen die Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Mitteleinsatzes den Nutzen der Anwendung. Vergleichbare Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Beauveria brongniartii sind nicht zugelassen . Da der Wirkstoff in der Datenbank des BVL nicht geführt wird, ist davon auszugehen, dass noch nie eine Zulassung bestanden hat. Es handelt sich um einen Wirkstoff der 4. Stufe der EU-Altwirkstoffprüfung. Bericht erstattender Mitgliedstaat war Deutschland. Eine Bewertung des Antrages seitens der zuständigen Behörden hat aufgrund von Mängeln in der Vorprüfung (Turbo-Check 2007) nie stattgefunden . Mit der Kommissionsentscheidung vom 30. September 2008 ist der Wirkstoff aufgrund einer fehlenden Verteidigung seitens des Notifizierers nicht in den Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aufgenommen worden und gilt daher nicht als genehmigt. Zum Mittel bzw. Wirkstoff liegen keine ausreichenden Unterlagen vor. Daher kann ein unvertretbares Risiko auf den Naturhaushalt pauschal nicht ausgeschlossen werden. Aus der Literatur ist bekannt, dass es sich bei diesem entomopathogenen Pilz um einen im Boden natürlich vorkommenden Antagonisten der Maikäfer-Arten handelt. Unter Berücksichtigung der Sachlage in der EU-Wirkstoffprüfung und der mangels Datengrundlage fehlenden Risikobewertung kann im Hinblick auf den Schutz des Naturhaushalts eine Genehmigung nicht befürwortet werden. Darüber hinaus liegen zum Mittel und Wirkstoff keine ausreichenden Unterlagen vor, die eine Bewertung zur Gesundheit ermöglichen. Ein unvertretbares Risiko auf die Gesundheit von Mensch und Tier kann daher pauschal nicht ausgeschlossen werden. Somit bestehen diesbezüglich auch Bedenken in diesem Bereich gegen eine Zulassung der beantragten Anwendungen. Hiervon ausgehend erscheint eine Notfallzulassung für das Mittel Engerlingpilz nicht vertretbar.“ 3. Wann genau erfolgte die Zulassung dieses Pilzes und warum kann er nur bis zum 20.10. eingesetzt werden und nicht noch länger? Gemäß Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 kann eine Zulassung für eine Notfallsituation im Pflanzenschutz für eine Dauer von höchstens 120 Tagen erteilt werden. Nach erfolgtem Widerspruch der LfL vom 02.06.2015 wurde der Antrag am 23.06.2015 vom BVL positiv beschieden . Die Zulassung wurde, abweichend vom Antrag der LfL, für 120 Tage vom 23.06.2015 bis 20.10.2015 erteilt. Damit wurde der maximal mögliche Zeitraum für die Zulassung ausgeschöpft. Eine Aufteilung in frühe Anwendungen in Erdbeeren und spätere Anwendungen in Kern- und Steinobst – wie von der LfL vorgesehen – wurde im Rahmen der Zulassung nicht vorgenommen. 4. Besteht nicht die Gefahr, dass die Zulassung zu spät erfolgte, um die Probleme durch die Maikäfer in den Griff zu bekommen? Mit der verspäteten Zulassung konnte im Grunde kein Einsatz mehr in Erdbeeren erfolgen, da eine gewisse Vorlaufzeit zur Bereitstellung des Mittels „Engerlingpilz“ notwendig gewesen wäre. Für die Anwendung in Kern- und Steinobst erfolgte die Zulassung zwar noch rechtzeitig, ein längerer Anwendungszeitraum bis Ende November wäre aber zielführender gewesen. 5. Müssen die betroffenen Obstbauern im nächsten Jahr wieder aufs Neue – wenn die Notwendigkeit besteht – einen entsprechenden Antrag stellen und wie lange wird es dann dauern, bis die Genehmigung erfolgt ? Da die Zulassung gemäß Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 auf eine Dauer von höchstens 120 Tagen zu befristen ist und keine automatische Verlängerung erfolgt, muss der Antrag wieder neu gestellt werden. Eine Pflanzenschutzmittelfirma hat bereits ihr Interesse bekundet, für nächstes Jahr einen entsprechenden Antrag zu stellen. Zur Verfahrensdauer kann keine Prognose abgegeben werden. 6. Welche anderen Möglichkeiten gibt es, um die Maikäferpopulation einzudämmen? Zurzeit kann nur eine mechanische Bekämpfung in Kombination mit einer Netzabdeckung der betroffenen Flächen empfohlen werden. Bei einer sehr intensiven Bodenbearbeitung durch mehrmaliges Fräsen des Grünlandes können bis zu 98 % der Larven abgetötet werden. Die Monate April und Mai im Jahr nach dem Flug sind dafür eine günstige Zeit, da sich die Larven dann noch in den oberen Bodenschichten befinden. Das nachfolgende Einnetzen im Flugjahr ist die sicherste Bekämpfungsmaßnahme, allerdings ist sie sehr arbeits- und kostenintensiv. – Bei Populationen, die nach dem Schlupf ausschwärmen und die Anlage verlassen (Reifungsfraß außerhalb der Anlage), soll das Netz erst zum Rückflug der begatteten Weibchen ausgelegt werden, um die Eiablage der Rückflieger im Boden zu verhindern (ausfliegen aber nicht mehr rückfliegen lassen). – Bei Populationen, die nach dem Schlupf nicht ausschwärmen und in der Anlage verbleiben (Reifungsfraß in der Anlage), soll das Netz zum Ausflug ausgelegt werden. Unter dem Netz entkräften sich die Tiere durch ihren Ausschwärmdrang , verbrauchen dabei sehr viel Energie und verhungern zum Teil. In klein strukturierten Gebieten, wie z. B. in Unterfranken, ist allerdings auch der generelle Zuflug von außen in die Anlagen gegeben und die Entwicklungszyklen können sich überlagern, deshalb sind hier Netze zum Zeitpunkt jeder möglichen Eiablage sinnvoll. Die Kosten dafür sind allerdings erheblich.