Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer FREIE WÄHLER vom 10.01.2014 Entwicklung der Greifvogelpopulation in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Greifvogelarten leben in Bayern und welche davon stehen seit wann auf der „Roten Liste Bayern“? 2. Wie hat sich die Population der verschiedenen Greifvogelarten seit deren Eintrag in die „Rote Liste Bayern“ verändert und gibt es bei einzelnen Greifvogelarten einen deutlichen Zuwachs oder sogar eine Überpopulation in Bayern? 3. Ist die Population von Singvögeln, Hasen und Rebhühnern in Bayern zurückgegangen und inwieweit hat hierzu eine möglicherweise erhöhte Greifvogelpopulation beigetragen? 4. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, die auf vermehrte Angriffe von Greifvögeln auf Brieftauben während ihres Fluges hinweisen, und gibt es dafür Zahlen bzw. seriöse Schätzungen? 5. Ist der Staatsregierung bekannt, dass Brieftaubenzüchtern Schäden dadurch entstehen, dass deren Brieftauben durch Greifvögel verletzt oder getötet werden , wie umfangreich sind diese Verluste bzw. Schäden und was gedenkt die Regierung dagegen zu tun? 6. Sind der Staatsregierung in den letzten drei Jahren vermehrt Beschwerden von Bürgern bekannt, die sich wegen des Verlustes von (Haus-)Tieren – aufgrund der Übergriffe von Greifvögeln – an die Behörden oder Ämter gewandt haben? 7. Wurden von Bürgern bereits Anträge auf Erteilung einer Abschuss- bzw. Fangerlaubnis für Greifvögel in Bayern gestellt, und wenn ja, wie viele, und wurde diesen Anträgen entsprochen? a) Wenn Frage 7 mit Nein beantwortet wird, dann bitte die Gründe darlegen. Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 13.02.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt beantwortet: 1. Welche Greifvogelarten leben in Bayern und welche davon stehen seit wann auf der „Roten Liste Bayern“? In der folgenden Tabelle sind alle in Bayern regelmäßig auftretenden Greifvogelarten aufgelistet. Davon treten 14 Arten in Bayern als regelmäßige Brutvögel auf, 4 weitere kommen nur als Durchzügler und Wintergäste vor. Der Schreiadler war bis in das 19. Jahrhundert bayerischer Brutvogel, tritt gegenwärtig aber nur noch als seltener Ausnahmegast in Erscheinung. Auch die Kornweihe brütet nur noch sehr unregelmäßig in Bayern, ist aber weiterhin ein mäßig häufiger Wintergast. Deutscher Name Wissenschaftl . Name Status in BY Brutbestand BY 2012 (in BP) RL 1996 RL 2003 Seeadler Haliaetus albicilla Brutvogel, ganzjährig 6–7 Fischadler Pandion haliaetus Brutvogel, nicht Winter 5 2 Steinadler Aquila chrysaetos Brutvogel, ganzjährig 42–47 2 2 Schreiadler Aquila pomarina als Brutvogel ausgestorben , sehr seltener Gast 0 0 Rotmilan Milvus milvus Brutvogel, selten im Winter 750–900 3 2 Schwarzmilan Milvus migrans Brutvogel, nicht Winter 500–650 3 3 Rohrweihe Circus aeruginosus Brutvogel, nicht Winter 500–650 2 3 Kornweihe Circus cyaneus unregelmäßiger Brutvogel, Wintergast 0 0 1 Wiesenweihe Circus pygargus Brutvogel, nicht Winter 173 1 1 Raufußbussard Buteo lagopus Wintergast 0 Mäusebussard Buteo buteo Brutvogel, ganzjährig 12.000– 19.500 Wespenbussard Pernis apivorus Brutvogel, nicht Winter 750–950 2 3 Sperber Accipiter nisus Brutvogel, ganzjährig 4.100– 6.000 3 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.03.2014 17/879 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/879 Deutscher Name Wissenschaftl . Name Status in BY Brutbestand BY 2012 (in BP) RL 1996 RL 2003 Habicht Accipiter gentilis Brutvogel, ganzjährig 2.100– 2.800 4R 3 Turmfalke Falco tinnunculus Brutvogel, ganzjährig 9.000– 14.500 Rotfußfalke Falco vespertinus ehemaliger Brutgast, Durchzügler 0 I Baumfalke Falco subbuteo Brutvogel, nicht Winter 1.100– 1.300 2 V Wanderfalke Falco peregrinus Brutvogel, ganzjährig 210–230 2 3 Merlin Falco columbarius Wintergast 0 Tab. 1: Regelmäßig in Bayern vorkommende Greifvogelarten, „fett“ regelmäßige Brutvogelarten, Bestandszahlen nach RÖDL, RUDULPH, GEIERSBERGER, WEIXLER & GÖRGEN (2012); BP = Brutpaare, RL 1996 = Rote-Liste-Status nach StMLU 1996, RL 2003 = RoteListe -Status nach LFU (2003). Von den 14 regelmäßig in Bayern brütenden Greifvogelarten standen 1996 10 auf der Bayerischen Roten Liste, 2003 waren es 9 Arten (+ eine auf der Vorwarnliste). Diese Einstufungen spiegeln den insgesamt hohen Gefährdungsgrad der Greifvögel als Bestandteil der bayerischen Brutvogelfauna wider. Für Arten, die nur als Durchzügler oder Wintergäste auftreten , gibt es in Bayern keine Rote Liste. 2. Wie hat sich die Population der verschiedenen Greifvogelarten seit deren Eintrag in die „Rote Liste Bayern“ verändert und gibt es bei einzelnen Greifvogelarten einen deutlichen Zuwachs oder sogar eine Überpopulation in Bayern? Die folgende Tabelle bewertet die Bestandsentwicklung der in Bayern brütenden Greifvogelarten zwischen 1979 und 2012. Eine Analyse weiter zurückliegender Bestandsdaten gestaltet sich schwierig, da vor diesem Zeitraum keine bayernweiten Bestandserfassungen durchgeführt wurden. Deutscher Name Wissenschaftl . Name Bestandsentwicklung 1979–2005 Bestandsentwicklung 2005–2012 Gesamttrend Seeadler Haliaetus albicilla + + + Fischadler Pandion haliaetus + + + Schwarzmilan Milvus migrans + + + Rohrweihe Circus aeruginosus + + + Wiesenweihe Circus pygargus + + + Wanderfalke Falco peregrinus + + + Sperber Accipiter nisus =/+ =/+ =/+ Baumfalke Falco subbuteo = =/+ =/+ Steinadler Aquila chrysaetos =/+ =/- = Mäusebussard Buteo buteo = = = Rotmilan Milvus milvus - =/+ = Deutscher Name Wissenschaftl . Name Bestandsentwicklung 1979–2005 Bestandsentwicklung 2005–2012 Gesamttrend Wespenbussard Pernis apivorus =/- = = Habicht Accipiter gentilis - = =/- Turmfalke Falco tinnunculus = =/- =/- Kornweihe Circus cyaneus - - - Tab. 2: Bestandsentwicklung der in Bayern brütenden Greifvogelarten . Bestandsentwicklung nach NIETSCHE, G. & PLACHTER, H. (1987), BEZZEL, E., GEIERSBERGER, I., LOSSOW, G. v. & PFEIFFER , R. (2005) sowie RÖDL, T., RUDOLPH, B.-U., GEIERSBERGER , I., WEIXLER, K. & GÖRGEN, A. (2012). Von den in Bayern brütenden Greifvogelarten haben in den letzten drei Jahrzehnten 6 Arten deutlich zugenommen, 2 Arten zeigen über den ganzen Zeitraum eine leichte Zunahme , 2 Arten gelten als stabil, 4 Arten zeigen insgesamt rückläufige Tendenz und eine Art tritt nur noch sehr unregelmäßig als Brutgast auf. Gerade bei den selteneren Arten haben sich die Bestände in den letzten Jahrzehnten überwiegend positiv entwickelt. Dies dürfte insbesondere auf den Rückgang bestimmter Umweltgifte (DDT, Blei etc.), nachlassende Verfolgung und intensive Schutzmaßnahmen (insbesondere Fisch- und Seeadler, Wiesenweihe, Wanderfalke) zurückzuführen sein. Die Bestände häufigerer Arten zeigen dagegen überwiegend rückläufige Trends (insbesondere Habicht und Turmfalke). Beim Habicht haben detaillierte Bestandsuntersuchungen gezeigt, dass der Anteil älterer Weibchen am Brutbestand deutlich zurückgegangen ist. Dies deutet auf einen hohen Verfolgungsdruck hin. Entsprechende Maßnahmen erfolgen offensichtlich illegal, da in Bayern derzeit nur sehr wenige Entnahmen genehmigt werden (siehe Antwort zu Frage 7). Die Bestandssituation ist deshalb trotz noch relativ weiter Verbreitung in Bayern als ungünstig einzustufen . Der Brutbestand des Rotmilans hat sich nach stärkerem Rückgang zuletzt wohl stabilisiert. In Südbayern hat er in den letzten Jahren sogar sein Brutareal ausgeweitet, in den früheren Verbreitungszentren in Unterfranken zeigte sich zuletzt dagegen eine weitere Ausdünnung des Bestands. Der Mäusebussard und der durch Artenhilfsmaßnahmen gestützte Steinadler zeigen stabile Bestandstrends. 3. Ist die Population von Singvögeln, Hasen und Rebhühnern in Bayern zurückgegangen und inwieweit hat hierzu eine möglicherweise erhöhte Greifvogelpopulation beigetragen? Ein wichtiger Weiser für das Populationsgeschehen von Wildarten sind die von den Revierinhabern zu meldenden Streckenergebnisse. Diese sind in den vergangenen Jahren bei Feldhase und Rebhuhn mit jährlichen Schwankungen deutlich zurückgegangen. Bei der Interpretation dieser Daten ist allerdings zu beachten, dass die Revierinhaber i. d. R. eine Bejagung dieser Arten nur vorsehen, wenn nach ihren örtlichen Erfahrungen die Bejagung den Bestand nicht gefährdet und somit nachhaltig erfolgt. Anhand der Auswertung der Streckendaten über längere Zeiträume sowie unter Berücksichtigung allgemeiner Einschätzungen von Revierinhabern und Fachleuten ist bei Feldhase und bei Rebhühnern noch mehr von einem deutlichen Bestandsrückgang in den letzten Jahrzehnten auszugehen. Ähnliches gilt auch Drucksache 17/879 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 für acker- und wiesenbewohnende Vogelarten (z. B. Feldlerche , Grauammer, Kiebitz). Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Die zentrale Rolle für die Bestandsentwicklung spielt der Lebensraum mit seiner für die jeweilige Art mehr oder weniger geeigneten Habitatausstattung. Nationale wie internationale Forschungsergebnisse belegen insbesondere bei den genannten Wildarten einen engen Zusammenhang zwischen Bestandsentwicklung und Lebensraumqualität. Beispielsweise können Agrarumweltmaßnahmen wie das KULAP die Lebensraumqualität deutlich verbessern und überaus positive Wirkungen für eine Vielzahl von Wildtieren, Vögeln und Insekten entfalten. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft zu mehrjährigen Blühflächen belegen dies. Es konnten bis zu 1.000 Arten in solchen Blühflächen und deren Umgriff nachgewiesen werden. Darüber hinaus wirken langfristig das Klima sowie kurzfristig die jahreszeitlichen Wetterbedingungen auf das Populationsgeschehen z. T. erheblich ein. Daneben besteht innerhalb des Tierartenspektrums eines Lebensraums bekanntermaßen ein Räuber-Beute-Verhältnis , welches in Abhängigkeit der o. g. Rahmenbedingungen mehr oder weniger Einfluss auf die Populationen ausübt. Europaweit weisen die Vogelarten der offenen Kulturlandschaft fast alle negative Bestandstrends auf. Dieser Trend ist durch viele nationale wie internationale Studien belegt. Der Einfluss von Beutegreifern ist vor diesem Hintergrund kein entscheidender Faktor, zumal von dem Rückgang gleichermaßen auch Greifvogelarten betroffen sind, die das Offenland oder Übergangsstrukturen zwischen Wald und Offenland zur Nahrungssuche nutzen (insbesondere Rotmilan , Habicht, Turmfalke). Angesichts der in Fragen 1 und 2 dargestellten Bestandsgefährdung der meisten in Bayern vorkommenden Greifvogelarten und aus populationsbiologischer Sicht ist nicht davon auszugehen, dass in Bayern erhöhte Greifvogelpopulationen (auch nicht einzelner Arten) existieren. 4. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, die auf vermehrte Angriffe von Greifvögeln auf Brieftauben während ihres Fluges hinweisen, und gibt es dafür Zahlen bzw. seriöse Schätzungen? Hierzu liegen keine konkreten Erkenntnisse vor. Lediglich in Einzelfällen wurde vorgetragen, dass Hobbygeflügelhalter Verluste von Tauben durch Habichte erleiden. 5. Ist der Staatsregierung bekannt, dass Brieftaubenzüchtern Schäden dadurch entstehen, dass deren Brieftauben durch Greifvögel verletzt oder getötet werden, wie umfangreich sind diese Verluste bzw. Schäden und was gedenkt die Regierung dagegen zu tun? Aktuell liegen keine konkreten Hinweise zu Verlusten bzw. Schäden bei Brieftaubenzüchtern durch Greifvögel vor. Greifvögel unterliegen dem Jagdrecht. Sie sind jedoch ganzjährig geschont. Die Jagdgesetze sehen nur beschränkte Ausnahmetatbestände vor. Die Anwendung dieser Ausnahmetatbestände muss zudem den strengen Vorgaben der Richtlinie 2009/147/EG (sog. Vogelschutzrichtlinie ) genügen. An die Erteilung von Ausnahmen sind deshalb sehr hohe Anforderungen zu stellen. Jagdrechtliche Ausnahmegenehmigungen für die Erlegung oder den Fang von Greifvögeln zum Schutz von Hobbybrieftaubenzüchtern scheiden aus, denn sie erfüllen grundsätzlich nicht die strengen Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung. 6. Sind der Staatsregierung in den letzten drei Jahren vermehrt Beschwerden von Bürgern bekannt, die sich wegen des Verlustes von (Haus-)Tieren – aufgrund der Übergriffe von Greifvögeln – an die Behörden oder Ämter gewandt haben? In letzter Zeit sind lediglich einzelne Fälle vorgetragen worden , in denen Bürger den Verlust von Hausgeflügel durch Greifvögel (Mäusebussard, Habicht) geltend gemacht haben . 7. Wurden von Bürgern bereits Anträge auf Erteilung einer Abschuss- bzw. Fangerlaubnis für Greifvögel in Bayern gestellt, und wenn ja, wie viele, und wurde diesen Anträgen entsprochen? In den vergangenen drei Jagdjahren wurden aufgrund erteilter Abschuss- bzw. Fangerlaubnisse Mäusebussard und Habicht in folgendem Umfang erlegt (Flughafen München ausgenommen): Jagdjahr (01.04.–31.03.) 2010/11 2011/12 2012/13 Habichte 4 2 2 Mäusebussarde 0 2 1 a) Wenn Frage 7 mit Nein beantwortet wird, dann bitte die Gründe darlegen. Entfällt.