Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 30.07.2015 Status der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Augsburg Nachdem sich die Planungen für die Errichtung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber vom Airpark in Augsburg auf die Berliner Allee verlagerten, wurde versprochen , dieses Vorhaben werde nunmehr vorrangig vorangetrieben . Mir liegen Informationen vor, nach denen nicht mit den Bauarbeiten begonnen werden kann, da es anscheinend haushaltsrechtliche Probleme gibt. Aus diesem Grund frage ich die Staatsregierung: 1.1 Welche Probleme (ob haushaltsrechtlich oder anderweitig ) führen zu Verzögerungen bei den Bauarbeiten? 1.2 Wie will die Staatsregierung in Zusammenarbeit mit der Regierung von Schwaben diese Probleme lösen? 1.3 Wann werden die Bauarbeiten der neuen Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände des Stützpunktes Augsburg der ehemaligen Straßenmeisterei Gersthofen beginnen und voraussichtlich abgeschlossen sein? 2.1 Mit welchen Kosten für Errichtung, Betrieb, Investitionen und Gesamtkosten kalkuliert die Staatsregierung jeweils bei diesem Projekt? 2.2 Mit welcher Belegungskapazität wird diese Einrichtung geplant? 2.3 Welches Belegungskonzept hat die Staatsregierung erarbeitet, um sicherzustellen, dass zukünftig eine harmonische , würdevolle und humanitäre Unterbringung gewährleistet wird? 3.1 Wie viel Personal wird jeweils vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Landesregierung, des Landkreises und sonstiger Träger für dieses Projekt berufen bzw. bestellt? 3.2 Mit welchen Personalkosten wird jeweils beim örtlichen Jugendamt, Sozialamt, Gesundheitsamt, bei der Immobilienverwaltung oder sonstigen weiteren betroffenen Behörden und Ämtern kalkuliert? 4.1 Wie schätzt die Staatsregierung die Entwicklung der Asylbewerberzahlen in der Stadt Augsburg und in den Landkreisen Augsburg und Aiachach-Friedberg derzeit und Ende 2015 und Ende 2016 ein (bitte jeweils einzeln tabellarisch aufzählen)? 4.2 Wie will die Staatsregierung die genannten Landkreise und die Stadt Augsburg bei der Unterbringung dieser Menschen unterstützen? 4.3 Anhand welcher Konzepte möchte die Staatsregierung sicherstellen, dass der prognostizierte Bedarf an Wohnraum und Beratungsstellen für Asylbewerber/ -innen und das zur Verfügung stehende Angebot in einem angemessenen Gleichgewicht stehen? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 09.11.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: In Augsburg entsteht eine reguläre modulare Aufnahmeeinrichtung (AE), das heißt, eine Aufnahmeeinrichtung verteilt auf mehrere Örtlichkeiten. Die Liegenschaft Berliner Allee 143, die Gegenstand dieser Landtagsanfrage ist, ist ein Standort davon. Das Gelände wird bereits teilweise als Übergangsaufnahmeeinrichtung (Ü-AE) für die Unterbringung von Asylbewerbern genutzt. 1.1 Welche Probleme (ob haushaltsrechtlich oder anderweitig ) führen zu Verzögerungen bei den Bauarbeiten ? Bei den Bauarbeiten gibt es derzeit keine Probleme, die zu Verzögerungen führen. Das Staatliche Bauamt Augsburg arbeitet gemeinsam mit der Regierung von Schwaben mit Hochdruck daran, verschiedene Gebäude zu ertüchtigen. Auf dem Gelände der Berliner Allee befinden sich drei Gebäude der ehemaligen Straßenmeisterei mit Büroräumen , Sanitärräumen, Lagerräumen und Garagen. In diesen Gebäuden sind derzeit die Verwaltungsmitarbeiter und die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes untergebracht. Zudem finden in diesen Räumlichkeiten die ärztlichen Untersuchungen sowie die Essensausgabe statt. Eine Lagerhalle (100 Plätze) wurde für die Unterbringung von Flüchtlingen provisorisch ertüchtigt (Einbau einer Heizungsanlage , Ertüchtigung der elektrischen Anlagen, Bodenbeläge ). Weiter wurde auf dem Gelände befristet ein beheizbares Zelt angemietet (ca. 200 Plätze), in dem ebenfalls Asylbewerber untergebracht werden. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.12.2015 17/8945 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8945 1.2 Wie will die Staatsregierung in Zusammenarbeit mit der Regierung von Schwaben diese Probleme lösen? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1.1 verwiesen. 1.3 Wann werden die Bauarbeiten der neuen Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände des Stützpunktes Augsburg der ehemaligen Straßenmeisterei Gersthofen beginnen und voraussichtlich abgeschlossen sein? An diesem Standort ist geplant, das Zelt durch zwei Wohncontaineranlagen (insgesamt ca. 350 Plätze) zu ersetzen. Aufgrund der Lieferzeit werden diese Anlagen voraussichtlich bis April 2016 bezugsfertig sein. 2.1 Mit welchen Kosten für Errichtung, Betrieb, Investitionen und Gesamtkosten kalkuliert die Staatsregierung jeweils bei diesem Projekt? Eine konkrete Bezifferung ist derzeit nicht möglich, die Planungen für die Berliner Allee 143 erfolgen situationsabhängig . Zum jetzigen Zeitpunkt steht noch nicht fest, ob weitere Unterkunftsgebäude in die Planungen einbezogen werden können. Die geplanten Containeranlagen werden auf Mietbasis zur Verfügung gestellt. 2.2 Mit welcher Belegungskapazität wird diese Einrichtung geplant? Am Standort Berliner Allee sollen Unterbringungskapazitäten für ca. 450 Personen geschaffen werden. 2.3 Welches Belegungskonzept hat die Staatsregierung erarbeitet, um sicherzustellen, dass zukünftig eine harmonische, würdevolle und humanitäre Unterbringung gewährleistet wird? Die Staatsregierung gewährleistet in allen Unterbringungseinrichtungen eine humanitäre Unterbringung. Um dies trotz des enormen Zugangs an Asylbegehrenden weiterhin sicherzustellen , hat der Freistaat die Haushaltsmittel für die Förderung der Asylsozialberatung, um nur ein Beispiel zu nennen, seit Beginn des Ausbaus im Jahr 2012 um mehr als das Vierzehnfache und den Fördersatz zuletzt von 70 % auf 80 % erhöht sowie als erstes Bundesland Deutschkurse für Asylbewerber eingeführt und ausgebaut. Zudem hat der Bayerische Ministerrat am 22. September 2014 für den Ausbau der Betreuung in Erstaufnahmeeinrichtungen einen Betreuungsschlüssel in Höhe von 1:100 beschlossen. Ein medizinisches Erstscreening unmittelbar nach Ankunft der Asylbewerber in einer AE in Bayern stellt sicher, dass Personen mit akut abklärungsbedürftigen Erkrankungen oder Verletzungen umgehend einer entsprechenden medizinischen Versorgung zugeführt werden. Bei den geplanten neuen AEs wird ein guter Mix aus größeren und kleineren Wohneinheiten (2- bis 4-Personen- Zimmer) geplant, sodass den Bedürfnissen sowohl von alleinstehenden Frauen, Familien als auch Anforderungen in kultureller und ethnischer Hinsicht noch besser Rechnung getragen werden kann. Die Unterbringungsbehörden sind von der Staatsregierung angewiesen, die Bewohner nach Geschlechtern – insbesondere alleinreisende Männer und Frauen – getrennt unterzubringen bzw. auf Familien besonders Rücksicht zu nehmen. Auch die Landkreise sind über die Regierungen angehalten, diese Rahmenbedingungen soweit wie möglich einzuhalten. Da sich Konflikte zwischen den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen nie ganz vermeiden lassen, ist in allen AEs rund um die Uhr ein Wachdienst vor Ort, um den Schutz der Asylbewerber zu gewährleisten . Eine enge Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei ist ebenfalls sichergestellt. Die Betreuung durch Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen im Rahmen der Asylsozialarbeit wird in den AEs durch ein niedrigschwelliges psychologisches Angebot im Rahmen der kurativen Versorgung ergänzt. 3.1 Wie viel Personal wird jeweils vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Landesregierung, des Landkreises und sonstiger Träger für dieses Projekt berufen bzw. bestellt? Die Personalplanung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Staatsregierung . Der Ministerrat hat in seiner Sitzung am 28.04.2015 beschlossen , dass eine Privatisierung von Tätigkeiten, die für einen AE-Betrieb erforderlich sind, soweit möglich und sinnvoll ausgeweitet werden sollen. Die Bezirksregierungen haben in Absprache mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) in der Vergangenheit bereits verstärkt externe Dienstleister einbezogen und den Betrieb von Einrichtungen teilweise privatisiert, sofern es sich nicht um hoheitliche Aufgaben handelt. Dieses Instrument hat sich bewährt, um schnelles und flexibles (Schichtdienst, Einsatz am Wochenende) Handeln zu ermöglichen und soll auch bei der Unterbringung Berliner Allee zum Tragen kommen. Insoweit ist kein staatliches Personal erforderlich. Es ist angestrebt, so viel als möglich nicht hoheitliche Verwaltungstätigkeiten an externe Dienstleistungsunternehmen zu vergeben. 3.2 Mit welchen Personalkosten wird jeweils beim örtlichen Jugendamt, Sozialamt, Gesundheitsamt, bei der Immobilienverwaltung oder sonstigen weiteren betroffenen Behörden und Ämtern kalkuliert? Hier kann nur die betroffene Kommune Auskunft geben. 4.1 Wie schätzt die Staatsregierung die Entwicklung der Asylbewerberzahlen in der Stadt Augsburg und in den Landkreisen Augsburg und Aiachach- Friedberg derzeit und Ende 2015 und Ende 2016 ein (bitte jeweils einzeln tabellarisch aufzählen)? Die Unterbringungssituation in der Stadt Augsburg und den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg stellt sich zum Stand 15.09.2015 wie folgt dar: Ort Plätze in Ü-EAE Plätze in Gemeinschafts - unterkünften Plätze in dezentralen Unterkünften unbegleitete Minderjährige Augsburg Stadt 600 981 700 250 Landkreis Augsburg - 323 1.305 142 Landkreis Aichach- Friedberg - 123 954 57 Die weitere Entwicklung ist nicht bekannt. Die letzte Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 21.08.2015 geht für Deutschland 2015 von 800.000 Asylbewerbern, die insgesamt in der Bundesrepublik ankommen , aus. Das bedeutet für Bayern rund 120.000 Asyl- Drucksache 17/8945 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 bewerber. Eine neuere Prognose liegt noch nicht vor. Nach der in der Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes , des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Aufnahmegesetzes (DVAsyl) hat der Regierungsbezirk Schwaben von allen in Bayern unterzubringenden Asylbewerbern 14,5 % aufzunehmen. Von dieser Quote für Schwaben hat die Stadt Augsburg 16,3 %, der Landkreis Augsburg 13,1 % und der Landkreis Aichach-Friedberg 6,9 % aufzunehmen. Entsprechend dieser Zahlen ist ein sukzessiver Ausbau an weiteren Unterbringungskapazitäten vorgesehen. 4.2 Wie will die Staatsregierung die genannten Landkreise und die Stadt Augsburg bei der Unterbringung dieser Menschen unterstützen? Die Staatsregierung unterstützt alle mit der Unterbringung von Asylbewerbern beschäftigten Behörden in Bayern durch vielfältige Maßnahmen: Zur Unterstützung der Kreisverwaltungsbehörden bei der Unterbringung von Asylbewerbern wird der Ausbau von Kapazitäten in Gemeinschaftsunterkünften, die durch die Bezirksregierungen errichtet und betrieben werden, weiter gefördert . Staatliche Baumaßnahmen sollen verstärkt werden. Zusätzlich soll zur leichteren Anmietung von Unterkünften für die Asylbewerberunterbringung die aufwendige Prüfung der Wirtschaftlichkeit, wie sie in der Bayerischen Haushaltsordnung vorgesehen ist, vereinfacht werden. Außerdem hat die Staatregierung beschlossen, dass den staatlichen Landratsämtern und kreisfreien Gemeinden als Träger des Verwaltungsaufwands für die Betreuung der dezentralen Unterkünfte eine Pauschale für Hausverwalter (sog. „Kümmerer“) je 75 in den dezentralen Unterkünften lebenden Asylbewerbern erstattet wird. Der Freistaat Bayern erstattet den Kreisverwaltungsbehörden die notwendigen Unterbringungskosten zu 100 %. Ab dem Zeitpunkt, in dem die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz endet, besteht für die untergebrachten Personen grundsätzlich keine Berechtigung zum Verbleib in den dezentralen Unterkünften. Damit diese Personen nicht mangels geeigneter Wohnalternativen von den örtlichen Behörden in Obdachlosenunterkünften untergebracht werden müssen, wird vonseiten des StMAS akzeptiert, dass diese Personen für einen Übergangszeitraum in den staatlichen Unterkünften bleiben dürfen. 4.3 Anhand welcher Konzepte möchte die Staatsregierung sicherstellen, dass der prognostizierte Bedarf an Wohnraum und Beratungsstellen für Asylbewerber/ -innen und das zur Verfügung stehende Angebot in einem angemessenen Gleichgewicht stehen? Der Freistaat Bayern hat bereits in den letzten Jahren die Plätze sowohl in der Erstaufnahme als auch in der Anschlussunterbringung massiv ausgebaut. Angesichts des anhaltenden Zustroms wird dieser Ausbau derzeit mit aller Kraft weiter betrieben, sodass für alle Asylbewerber ausreichend Unterbringungsmöglichkeit besteht und auch zukünftig zur Verfügung stehen wird. Um auch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass auch nach Anerkennung als Asylberechtigter Bedarf an Wohnraum besteht, hat die Staatsregierung in den vergangenen Monaten eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, mit denen sie auf die Versorgung aller Bewohner Bayerns – bleibeberechtigte Flüchtlinge und bereits ansässige Wohnungssuchende – mit angemessenem Wohnraum hinwirkt. Bereits im Frühjahr 2015 hat die Staatsregierung ergänzend zum Haushaltsansatz für die Wohnraum- inklusive Studentenwohnraumförderung von 242,5 Mio. Euro weitere Mittel der BayernLabo in Höhe von 50 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2016 werden es sogar 100 Mio. Euro sein, die zusätzlich bereitstehen. Hierzu wird auf den Bericht aus der Kabinettssitzung vom 19. Mai 2015 verwiesen . Um nicht nur den geförderten Wohnungsbau, sondern allgemein den privaten Wohnungsbau auszuweiten, bedarf es dringend der flächendeckenden Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für den Mietwohnungsneubau. Dieses Ziel wird die Staatsregierung gegenüber dem Bund mit Nachdruck weiterverfolgen. Der Bedarf an Asylsozialberatung wird am Bestand und Zugang der Asylbewerber ausgerichtet. Die Mittel wurden in den vergangenen Jahren immer wieder aufgestockt. Im Jahr 2011 betrug die Förderung der Asylsozialberatung 1,44 Mio. Euro. 2012 wurde die Förderung auf 2,64 Mio. Euro nahezu verdoppelt sowie 2013 auf 3,39 Mio. Euro erhöht. Im Jahr 2014 standen für die Asylsozialberatung 5,14 Mio. Euro zur Verfügung und im Jahr 2015 nunmehr 21,39 Mio. Euro. Die Mittel wurden seit Beginn des Ausbaus der Asylsozialberatung im Jahr 2012 durch den Freistaat um mehr als das Vierzehnfache erhöht.