Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 08.10.2015 Umsetzung des fischbasierten Bewertungssystems (fIBS) laut Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) Ich frage die Staatsregierung: 1. An welchen Gewässern wurde der ökologische Zustand anhand von mehr als einer Monitoring-Messstelle ermittelt? 2. An welchen Gewässern wurde der ökologische Zustand anhand von nur einer Monitoring-Messstelle ermittelt ? 3. Aufgrund welcher Kriterien wurden Monitoring-Messstellen ausgewählt? 4. a) Von wem wurden die Monitoring-Messstellen jeweils festgelegt? b) Hatten die Fischereiberechtigten Gelegenheit, an der Auswahl der Monitoring-Messstellen mitzuwirken, wenn nein, weshalb nicht? 5. Wurden zur Erstellung der Referenz-Fischzönose nach fIBS auch Informationsquellen wie z. B. historische Faunen-Beschreibungen und Daten aus rezenten Fischbestandsaufnahmen genutzt, wenn ja, woher stammen diese Daten? 6. Wurden die Fischereiberechtigten zur Abgabe entsprechender Daten aufgefordert, wenn nein, weshalb nicht? 7. a) Auf welche Weise wurden regionale Verbreitungsmuster zur Referenzerstellung berücksichtigt? b) Auf welche Weise berücksichtigt fiBS rückläufige Abundanz , die nach dem Fischzustandsbericht massiv sind? 8. Auf welche Weise berührt der Rückgang der Abundanz der Fischfauna das Verschlechterungsverbot nach WRRL? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 09.11.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Anfrage gemäß des Betreffs ausschließlich auf die für Fließgewässer entwickelte fischbasierte Bewertung mit fIBS gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bezieht. 1. An welchen Gewässern wurde der ökologische Zustand anhand von mehr als einer Monitoring- Messstelle ermittelt? Die Fließgewässer werden nach WRRL in sogenannte Flusswasserkörper (FWK; „Fließgewässerabschnitte“) eingeteilt . Diese unterteilen in der Regel größere Fließgewässer in mehrere Flusswasserkörper. Daraus ergeben sich in größeren Fließgewässern in der Regel mehrere Bewertungen anhand der entsprechenden Probestellen. Kleinere Gewässer bilden entweder einen eigenen FWK oder es werden mehrere kleine Gewässer in einem FWK zusammengefasst . Bei der Bewertung wird in Bayern grundsätzlich eine repräsentative Monitoring-Messstelle je FWK untersucht. Eine Untersuchung weiterer Messstellen erfolgt nur in begründeten Einzelfällen, z. B. bei einer Überprüfung der Repräsentativität der Probestrecke, zur Erfolgskontrolle bei Renaturierungsmaßnahmen oder falls andere Umweltrichtlinien (z. B. FFH-Richtlinie) dies erfordern. Bedingt durch einen gemäß WRRL in 2013 vorgenommenen Neuzuschnitt der Flusswasserkörper kamen teilweise mehrere Messstellen in einem FWK zu liegen. In der zurückliegenden Untersuchungsperiode zum zweiten WRRL-Bewirtschaftungsplan wurde in 593 FWK die Fischfauna untersucht. Von diesen 593 untersuchten FWK basiert die Bewertung des fischökologischen Zustandes bei 19 FWK auf den Ergebnissen mehrerer Messstellen. 2. An welchen Gewässern wurde der ökologische Zustand anhand von nur einer Monitoring-Messstelle ermittelt? Bei den übrigen 574 FWK. 3. Aufgrund welcher Kriterien wurden Monitoring- Messstellen ausgewählt? Die Auswahl der repräsentativen Messstelle innerhalb eines FWK erfolgt nach den etwaige Belastungen der Gewässer widerspiegelnden Kriterien. Für die Bewertung der Biokomponente Fische sind hier insbesondere die Hydromorphologie (Gewässerstruktur, Abfluss) und die biologische Durchgängigkeit von Bedeutung. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.12.2015 17/8961 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8961 4. a) Von wem wurden die Monitoring-Messstellen jeweils festgelegt? Zunächst erfolgte eine Festlegung von Messstellen für die wirbellosen Wassertiere (Makrozoobenthos), die Algen und Wasserpflanzen durch die Wasserwirtschaftsverwaltung. In Abstimmungsgesprächen zwischen dem Landesamt für Umwelt, dem Institut für Fischerei, der Fischereifachberatungen der Bezirke, der Wasserwirtschafts- und der Naturschutzverwaltung sowie zum Teil der Bezirksfischereiverbände wurde die Eignung als Probestelle für die Fischfauna geprüft. Insbesondere die Beurteilung der biologischen Gewässerdurchgängigkeit macht für die Fische regelmäßig eine gegenüber den anderen biologischen Qualitätskomponenten abweichende Lage der Probestelle nötig. b) Hatten die Fischereiberechtigten Gelegenheit, an der Auswahl der Monitoring-Messstellen mitzuwirken , wenn nein, weshalb nicht? Grundsätzlich nein. Die Auswahl der Messstellen erfolgt nach den unter 4 a genannten fachlichen Kriterien durch die Fachbehörden. Eine Einbeziehung der meist zahlreichen einzelnen Fischereiberechtigten an einem Gewässer wäre bei der Auswahl der Messstellen nicht durchführbar gewesen . Allerdings ist der Landesfischereiverband Bayern e. V. an der Durchführung des Fischmonitorings in Bayern (Gesamtvorhaben „Erhebung und Bewertung der Fischbestände Bayerns und Schaffung einer gemeinsamen Datenbank“ der Staatsministerien für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF), der Fischereifachberatungen der Bezirke und des Landesfischereiverbandes Bayern e. V; Beginn 2007) aktiv beteiligt. Des Weiteren erfolgt vor jeder Befischung eine Absprache mit dem jeweiligen Fischereirechtsinhaber an der repräsentativen Probestelle, sodass auch auf diesem Weg im Einzelfall ggf. Anregungen oder Hinweise in Bezug auf die Monitoring-Messstellen Berücksichtigung finden können. 5. Wurden zur Erstellung der Referenz-Fischzönose nach fiBS auch Informationsquellen wie z. B. historische Faunen-Beschreibungen und Daten aus rezenten Fischbestandsaufnahmen genutzt, wenn ja, woher stammen diese Daten? Ja. Die Erstellung der Referenz-Fischzönosen erfolgte auf Basis folgender Daten: • Daten der Umweltverwaltung (z. B. Zuschnitte der Flusswasserkörper , Fließgewässertypologie Bayerns nach der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA) • Literaturquellen über historische Fischartenvorkommen • Aktuelle Fischdaten (Artenkartierungen, Daten aus dem o. g. Monitoring, weitere Daten über Fischbestände, erhoben von Institut für Fischerei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Fachberatungen für Fischerei, Landesamt für Umwelt, Angaben von Fischereiberechtigten : siehe 6.) 6. Wurden die Fischereiberechtigten zur Abgabe entsprechender Daten aufgefordert, wenn nein, weshalb nicht? Ja. Zunächst wurde zu Beginn der Umsetzung der WRRL in einem Praxistest das bekannte Fischarteninventar an ausgewählten Probestrecken bei den jeweiligen Fischereiberechtigten abgefragt. Bei den Absprachen mit den Fischereirechtsinhabern zu den jeweiligen Untersuchungsterminen werden jeweils aktuelle Informationen z. B. zum Fischbestand und über evtl. Besatzmaßnahmen eingeholt. 7. a) Auf welche Weise wurden regionale Verbreitungsmuster zur Referenzerstellung berücksichtigt? Zur Referenzerstellung wurde zunächst die zoogeografische Zuordnung eines Gewässers bzw. Gewässerabschnitts berücksichtigt . Diese ergibt sich bereits aus der Zugehörigkeit zu den Flusseinzugsgebieten (z. B. Donau, Rhein). Diese sind als Fischsiedlungsräume grundlegend eigenständig und beherbergen jeweils Fischarten, die in dem jeweils anderen Stromsystem natürlicherweise fehlen. Darüber hinaus besitzen auch die Teileinzugsgebiete der Stromsysteme eine gewisse Eigenständigkeit in Bezug auf ihre Fischfauna (z. B. Huchen vorwiegend südlich der Donau, Bachneunauge überwiegend nördlich der Donau). Ferner fanden die natürlichen Verbreitungsmuster der Fischarten Berücksichtigung: Innerhalb ihrer zoogeografischen Verbreitungsareale kommen verschiedene Fischarten natürlicherweise nicht in allen für sie potenziell geeigneten Lebensräumen vor. Vielmehr zeigen bestimmte Arten (z. B. Bachneunauge oder Schneider) regionale Verbreitungsschwerpunkte, während sie andernorts seltener vorkommen oder völlig fehlen können. Informationen über diese Verbreitungsmuster wurden historischen Quellen, aber auch Fischbestandsaufnahmen aus neuerer Zeit entnommen. Ein ebenfalls wesentlicher Aspekt, der zur Referenzerstellung berücksichtigt wurde, ist die längszonale Einordnung des Gewässers bzw. Gewässerabschnitts. Zur detaillierten Erarbeitung der Referenz-Fischarteninventare wurden unter Berücksichtigung der genannten Aspekte alle verfügbaren historischen Daten aus dem Zeitraum zwischen 1783 und ca. 1920 ausgewertet. b) Auf welche Weise berücksichtigt fiBS rückläufige Abundanz, die nach dem Fischzustandsbericht massiv sind? Bei der fischbasierten Bewertung des ökologischen Gewässerzustands mit fIBS gemäß WRRL ist primär nicht die absolute nachgewiesene Fischmenge bzw. Biomasse entscheidend, sondern die Anzahl und die relativen Abundanzen vorhandener Fischarten und deren ökologische Gilden (z. B. Kieslaicher). Die Bewertung nach EG-Wasserrahmenrichtlinie zielt dabei nicht auf die Bewertung der Fischbestände selbst, sondern auf die Bewertung der Funktionalität der Gewässer als Lebensraum. Bewertungsrelevant ist beispielsweise der Nachweis der natürlichen Vermehrung strömungsliebender, kieslaichender Arten. Vom Bewertungsverfahren wird jedoch ein Richtwert für die zur Bewertung erforderliche Gesamt-Mindestfischzahl vorgegeben . Eine Unterschreitung dieser Mindestindividuenzahl und die hierfür verantwortlichen Ursachen werden bei der Plausibilisierung der Bewertungsergebnisse berücksichtigt. In natürlicherweise artenarmen Gewässern (in der Regel Oberläufe) kann nach fIBS mittels Experteneinschätzung eine zu geringe Gesamt-Individuendichte zu einer Abwertung auf „mäßig“ führen. Die Fischdichte wird zudem auch durch Faktoren beeinflusst , die von außerhalb der Gewässer auf die Fischbestände einwirken (wie etwa durch den Kormoran). Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gewässer als Lebensraum im Sinn der WRRL beeinträchtigt ist. Drucksache 17/8961 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 8. Auf welche Weise berührt der Rückgang der Abundanz der Fischfauna das Verschlechterungsverbot nach WRRL? Am 01.07.2015 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum Verschlechterungsverbot u. a. folgende Kernaussage getroffen: Eine Verschlechterung liegt vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinn des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse verschlechtert , auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinn von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers dar. In der Regel führt ein Rückgang der Abundanz zu keiner ungünstigeren Bewertung durch fIBS, soweit es nicht zu einer wie unter 7 b beschriebenen Abwertung kommt. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8961