Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 07.10.2015 Bleibelastung auf dem Nachbargrundstück Im Oktober 2013 wurden auf dem Nachbargrundstück der Schießanlage Mainbullau Bodenproben sowohl durch ein vom Bayerischen Jagdverband e. V. (BJV) beauftragtes Fachbüro als auch durch das Wasserwirtschaftsamt (WWA) Aschaffenburg genommen. Die Untersuchungsergebnisse liegen den Behörden seit Dezember 2013 vor. Die gemessenen Werte wiesen extrem hohe Werte für Blei, Arsen und Antimon aus, die alle mehrfach über den zulässigen Grenzwerten liegen, bei Blei bis zum 180-Fachen. Auf erste Nachfragen wurde mitgeteilt, dass im Frühjahr 2014 eine orientierende Untersuchung stattfinden sollte und die Entscheidung, wie mit dem belasteten Boden umgegangen werden soll, im Sommer, spätestens im Herbst 2014 fallen soll. Bisher gibt es keinerlei Informationen darüber, wie die Behörden mit dem massiv mit Blei und anderen Giften belasteten Waldboden verfahren wollen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Warum ist bis heute noch keine Entscheidung gefallen, wie mit dem massiv belasteten Boden verfahren werden soll, und warum wird der Sachverhalt als komplex angesehen ? 2. Wird erwogen, diesen massiv belasteten Boden im Wald zu belassen? 3. Wie wird sichergestellt, dass Waldtiere, deren Fleisch später von den Jägern zum Verzehr angeboten wird, das auf der Oberfläche offen aufliegende Bleischrot nicht aufnehmen ? 4. Wie wird sichergestellt, dass die Gifte der Schrotmunition nicht in das Grundwasser gelangen können, insbesondere nicht in den Trinkwassereinzugsbereich von Rüdenau und Miltenberg, nachdem das WWA festgestellt hat, dass der Boden im Depositionsbereich der Bleischrote stark zerklüftet ist? 5. Hat Staatssekretär Gerhard Eck in dieser Angelegenheit mit der Regierung von Unterfranken und/oder dem Landratsamt (LRA) Miltenberg Gespräche geführt? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis? 6. Nachdem die Aufschüttung eine bauliche Maßnahme im Außenbereich ist und hierfür eine Privilegierung (§ 35 des Bundesbaugetzes (BBauG)) erforderlich ist, die für einen anderen Bauantrag des BJV zur Schießanlage vor Kurzem verneint wurde, frage ich die Staatsregierung, mit welcher Begründung die Privilegierung jetzt als gegeben angesehen wird? 7. Da einem privilegierten Vorhaben im Außenbereich keine öffentlichen Belange entgegenstehen dürfen (§ 35 Abs. 1 BBauG) bzw. öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden dürfen (§ 35 Abs. 2 BBauG), das Vorhaben aber weder im Flächennutzungsplan noch im Landschaftsplan vorgesehen ist, frage ich die Staatsregierung, mit welcher Begründung davon ausgegangen wird, dass die 11.000 t umfassende Aufschüttung keine öffentlichen Belange beeinträchtigt ? 8. Nachdem aufgrund von § 6 der Verordnung über den Naturpark Bayerischer Odenwald Baumaßnahmen im Naturpark grundsätzlich verboten sind und Befreiungen nur gemäß § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) erteilt werden können, wenn diese aus überwiegend öffentlichem Interesse geboten sind, frage ich die Staatsregierung, worin die Aufsichtsbehörden das überwiegende öffentliche Interesse im Fall der Genehmigung der Aufschüttung sehen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 09.11.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit den Staatsministerien für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten sowie des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet : 1. Warum ist bis heute noch keine Entscheidung gefallen , wie mit dem massiv belasteten Boden verfahren werden soll, und warum wird der Sachverhalt als komplex angesehen? Um den Verdacht auf das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung und damit einer Gefährdung ausräumen oder bestätigen zu können, sind Untersuchungen im Rahmen einer orientierenden Untersuchung (OU) nach der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung erforderlich. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.12.2015 17/8963 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/8963 Für das angesprochene Gelände im Umfeld der Schießanlage Mainbullau liegt noch keine abschließende Gefährdungsbeurteilung vor. Laut Auskunft des Wasserwirtschaftsamts Aschaffenburg (WWA AB) wurde in dessen Auftrag für die OU ein Konzept erarbeitet, das im Dezember 2014 vorgelegt und anschließend vom WWA AB mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) fachlich diskutiert wurde. Das Gelände der Wurfscheibenschießanlage liegt auf einem Hochplateau, die Tiefenlage des Grundwasserspiegels ist derzeit nicht abschließend bewertbar. Die geringmächtigen Deckschichten und der klüftige Buntsandstein haben nach Einschätzung des WWA generell ein geringes Schadstoffrückhaltepotenzial . Im Rahmen der OU ist durch hinreichende Untersuchungen und Bewertungen abzuklären, ob das Grundwasser durch belastetes Sickerwasser verunreinigt werden kann. Bei der Beurteilung, welche Untersuchungen (u. a. Untersuchungen des oberflächennahen Bodens, Aufschlussbohrungen/Sondierungen tieferer Schichten) im Zuge der OU angezeigt sind, ist neben fachlichen Gesichtspunkten auch die Frage der Priorisierung des Einsatzes staatlicher Mittel zu würdigen. Deshalb war nach Prüfung durch WWA und LfU das im Dezember 2014 vorgelegte Konzept zu überarbeiten. Dabei sollen auch die Maßgaben eines neu erlassenen Regelwerks (DIN 19740-2:2015-04; Titel: Bodenbeschaffenheit – Umweltrelevante Anforderungen an den Bau und Betrieb von zivilen Schießstätten – Teil 2: Untersuchungen; Ausgabedatum : April 2015) berücksichtigt werden. Nach Auskunft des WWA AB wurde das überarbeitete Untersuchungskonzept für die durchzuführende OU am 24.09.2015 vorgelegt; zwischenzeitlich wurde es zwischen WWA und LfU fachlich abgestimmt. Die Durchführung einer OU muss ausgeschrieben werden; sie ist an nach § 18 Bundes -Bodenschutzgesetz zugelassene Sachverständige und Untersuchungsstellen zu vergeben. Laut WWA AB ist vorgesehen , mit der Durchführung der OU noch im Jahr 2015 zu beginnen. 2. Wird erwogen, diesen massiv belasteten Boden im Wald zu belassen? Falls sich als Ergebnis der OU und der sich ggf. anschließenden Detailuntersuchung eine schädliche Bodenveränderung bestätigt, sind geeignete Maßnahmen durchzuführen. Über die Art der Maßnahmen (Dekontaminations- und/oder Sicherungsmaßnahmen) ist aufgrund der Untersuchungsergebnisse zu entscheiden. 3. Wie wird sichergestellt, dass Waldtiere, deren Fleisch später von den Jägern zum Verzehr angeboten wird, das auf der Oberfläche offen aufliegende Bleischrot nicht aufnehmen? Das Landratsamt Miltenberg hatte zu der Frage, ob über die Nahrungskette durch von Wildtieren aufgenommene Bleischrote eine Gefährdung ausgehen könnte, bereits im Januar 2014 das fachlich zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt gehört. Eine solche Gefährdung wird vom AELF Karlstadt in seiner Stellungnahme vom 26.02.2014 verneint. Diesbezüglich sind somit keine Maßnahmen veranlasst. 4. Wie wird sichergestellt, dass die Gifte der Schrotmunition nicht in das Grundwasser gelangen können, insbesondere nicht in den Trinkwassereinzugsbereich von Rüdenau und Miltenberg, nachdem das WWA festgestellt hat, dass der Boden im Depositionsbereich der Bleischrote stark zerklüftet ist? Die Wurfscheibenschießanlage Mainbullau befindet sich außerhalb des Wasserschutzgebiets für die Wasserversorgungsanlage der Energieversorgung Miltenberg-Bürgstadt (EMB) für die Gemeinden Rüdenau, Kleinheubach und Miltenberg . Darüber hinaus liegen aus hydrogeologischer Sicht derzeit auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anlage im Einzugsgebiet einer Wasserversorgung liegt und somit schießplatzrelevante Metalle die Trinkwasserqualität beeinflussen könnten. Ob eine Gefährdung für den Wirkungspfad Boden – Grundwasser besteht, werden die Untersuchungen zeigen (vgl. Antwort zu Frage 1). 5. Hat Staatssekretär Gerhard Eck in dieser Angelegenheit mit der Regierung von Unterfranken und/oder dem Landratsamt (LRA) Miltenberg Gespräche geführt ? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis? Am 30.01.2015 fand bei der Regierung von Unterfranken ein Grundlagengespräch mit allen Beteiligten (Regierung, Landratsamt , WWA AB, Bayerischer Jagdschutzverein Miltenberg e.V.) statt. Beratungsgegenstand waren nachträgliche Stabilisierungsmaßnahmen eines Schrotfangwalls auf dem Gelände. Ergebnis der Besprechung war das Erfordernis eines neuen Genehmigungsverfahrens nach dem Bundes- Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Wegen abweichender Auffassung des BJV hinsichtlich des Umfangs der Antragsunterlagen zog sich die Antragsstellung hin, sodass sich Herr Staatssekretär Gerhard Eck am 11.06.2015 bereit erklärte, als Mediator an einem Runden Tisch im Landratsamt Miltenberg teilzunehmen. 6. Nachdem die Aufschüttung eine bauliche Maßnahme im Außenbereich ist und hierfür eine Privilegierung (§ 35 des Bundesbaugetzes (BBauG)) erforderlich ist, die für einen anderen Bauantrag des BJV zur Schießanlage vor Kurzem verneint wurde, frage ich die Staatsregierung, mit welcher Begründung die Privilegierung jetzt als gegeben angesehen wird? Nach Auskunft der Regierung von Unterfranken wurde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für den Schrotfangwall berücksichtigt, dass es sich um eine bestehende Schießanlage handelt, die Bestandsschutz genießt. Dies gilt insbesondere auch für die Wurftauben-Schießanlage, für die der Wall errichtet wurde. Es wurde bereits bei der Genehmigung für den Umbau der Schießanlage im Jahr 2008 (siehe Antwort zu Frage 8) als deutliche Verbesserung der Situation gesehen, wenn das Schrot an den Hängen des Walls aufgefangen wird, von wo es leichter einzusammeln und zu entsorgen ist als vom gewachsenen Waldboden . Nach Auskunft der Regierung von Unterfranken wurde eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange (z. B. des Landschaftsbilds ) als vernachlässigbar eingestuft, da der Wall nur von der Schießanlage aus zu sehen ist und nicht über die umgebenden Bäume hinausragt. Der zu erwartende positive Effekt der Maßnahme wurde höher bewertet als die möglichen Nachteile. 7. Da einem privilegierten Vorhaben im Außenbereich keine öffentlichen Belange entgegenstehen dürfen (§ 35 Abs. 1 BBauG) bzw. öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden dürfen (§ 35 Abs. 2 BBauG), Drucksache 17/8963 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 das Vorhaben aber weder im Flächennutzungsplan noch im Landschaftsplan vorgesehen ist, frage ich die Staatsregierung, mit welcher Begründung davon ausgegangen wird, dass die 11.000 t umfassende Aufschüttung keine öffentlichen Belange beeinträchtigt ? Siehe Antwort zu Frage 6. 8. Nachdem aufgrund von § 6 der Verordnung über den Naturpark Bayerischer Odenwald Baumaßnahmen im Naturpark grundsätzlich verboten sind und Befreiungen nur gemäß § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) erteilt werden können, wenn diese aus überwiegend öffentlichem Interesse geboten sind, frage ich die Staatsregierung, worin die Aufsichtsbehörden das überwiegende öffentliche Interesse im Fall der Genehmigung der Aufschüttung sehen? In der ehemaligen Schutzzone des Naturparks Bayerischer Odenwald unterliegen bestimmte Handlungen nach der Verordnung einer Erlaubnispflicht. Die Erlaubnis wird durch eine nach anderen Vorschriften erforderliche behördliche Gestattung grundsätzlich ersetzt. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt eine Erlaubnis nach der Naturparkverordnung mit ein. Sie darf nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der nach der Schutzverordnung erforderlichen Gestattung vorliegen oder die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 BNatSchG für die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung gegeben sind. Eine Befreiung kommt in Betracht, wenn a. sie aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses , einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder b. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Nach den vorliegenden Unterlagen wurde im Jahr 2008 der Schießplatz umgebaut und ein Schrotfangwall errichtet. Das Vorhaben dient dem Schutz vor Schadstoffeinträgen und trägt damit dazu bei, einen umweltverträglichen Betrieb der Anlage zu ermöglichen. Im Verfahren kamen die zuständigen Behörden zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben deshalb aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig war. Auch waren Überlegungen, wonach die Durchführung der Naturparkverordnung zu einer unzumutbaren Belastung für die Antragsteller führen würde, entscheidungserheblich . Im Verfahren waren die Naturschutzbehörden beteiligt. Für bislang nicht genehmigte Erweiterungen des bestehenden Schrotfangwalls, die nach den vorliegenden Informationen aus statischen Gründen notwendig waren, wird derzeit ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt. Darin sind Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen. Dem Ausgang des Verfahrens kann nicht vorgegriffen werden.