Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Benno Zierer FREIE WÄHLER vom 12.10.2015 Einsatz defekter Spurendetektoren am Flughafen München Durch einen Bericht des „Münchner Merkur“ wurde bekannt, dass bei Sicherheitskontrollen am Münchner Flughafen durch die Sicherheitsgesellschaft SGM, einer Gesellschaft des Freistaates Bayern, defekte Sprengstoffdetektoren zum Einsatz kamen, die giftige Dämpfe freisetzten. Zahlreiche Mitarbeiter der Sicherheitsgesellschaft klagten daraufhin über gesundheitliche Beschwerden und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Dazu frage ich die Staatsregierung : 1. a) Wie viele Beschäftigte der SGM klagten nach dem Einsatz der neuen Spurendetektoren der Typen „Quantum Sniffer QS-B220“ und „Itemiser 4DX“ ab dem 24. August 2015 über gesundheitliche Beschwerden? b) Wie viele Mitarbeiter wurden in Krankenhäuser eingeliefert ? c) Wie viele Mitarbeiter waren krankgeschrieben? 2. a) Was unternahm das für die Überwachung der Sicherheitskontrollen am Flughafen München zuständige Luftamt Südbayern nach dem erstmaligen Bekanntwerden von gesundheitlichen Problemen bei Mitarbeitern der SGM? b) Wann, wo und mit welchen Ergebnissen wurden die Geräte des Typs „Quantum Sniffer QS-B220“ auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen überprüft? c) Aus welchen Gründen wurden die Geräte des Typs „Quantum Sniffer QS-B220“ wieder in Betrieb genommen , nachdem deren Verwendung zunächst eingestellt worden war? 3. a) Wann und bei welcher Stelle wurden die Geräte des Typs „Itemiser“ erstmals auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen überprüft? b) Zu welchem Ergebnis kam diese Überprüfung? c) Bei wie vielen der angemieteten Geräte vom Typ „Itemiser “ wurden die Schäden durch Hitzeentwicklung festgestellt, aufgrund derer die Verwendung am 29. September eingestellt wurde? 4. a) Wo wurden die verwendeten Spurendetektoren von der SGM angemietet? b) Wie viele Geräte wurden zu welchem Preis angemietet ? c) Auf welcher Grundlage fiel die Entscheidung für die beiden verwendeten Gerätetypen „Quantum Sniffer QS-B220“ und „Itemiser 4DX“. 5. a) Welche Erkenntnisse liegen mittlerweile darüber vor, welche Ursachen die Mängel an den beiden Gerätetypen haben? b) Welche Konsequenzen haben die gesundheitsgefährdenden Mängel an den Geräten für den Hersteller beziehungsweise den Vermieter? 6. a) Welche Spurendetektoren kommen mittlerweile am Flughafen München bei der Kontrolle von Flugpassagieren und Gepäck zum Einsatz? b) Wurden diese Geräte vor ihrer Inbetriebnahme einer gesonderten Überprüfung im Auftrag der SGM oder des Luftamtes Südbayern unterzogen? c) Gab es seit dem Bekanntwerden der Krankheitsfälle weitere Fälle von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei SGM-Mitarbeitern? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 16.11.2015 Vorbemerkung Vorab ist festzustellen, dass die Ursachen der Erkrankungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München (SGM) weiterhin Gegenstand von Untersuchungen der Luftsicherheitsbehörden und der Staatsanwaltschaft Landshut sind. Am 2. November 2015 fanden daher weitere Messungen durch ein von der Staatsanwaltschaft beauftragtes Prüflabor statt. Mit Ergebnissen kann erfahrungsgemäß frühestens in etwa drei Wochen gerechnet werden. Die Gerätehersteller der Sprengstoffdetektionsgeräte (ETD-Geräte) bestreiten weiterhin jeden Verursachungsbeitrag . 1. a) Wie viele Beschäftigte der SGM klagten nach dem Einsatz der neuen Spurendetektoren der Typen „Quantum Sniffer QS-B220“ und „Itemiser 4DX“ ab dem 24. August 2015 über gesundheitliche Beschwerden ? b) Wie viele Mitarbeiter wurden in Krankenhäuser eingeliefert? c) Wie viele Mitarbeiter waren krankgeschrieben? Mit Stand 21. Oktober 2015 haben sich 139 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SGM krankgemeldet. Zum 2. November 2015 betrug die Zahl der Krankmeldungen 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Obwohl die Sprengstoffdetektionsgeräte seit 8. September 2015 (Gerät Typ Quantum Sniffer; Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.12.2015 17/9097 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9097 Stand 17 Unfallanzeigen) bzw. 29. September 2015 (Gerät Typ Itemiser 4DX; Stand 50 Unfallanzeigen) vollständig außer Betrieb genommen und isoliert gelagert wurden, meldeten sich in der Folgezeit und auch noch fortlaufend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Rückbeziehung auf die Einsatzzeit der Geräte krank. Die Erkrankungsmeldungen dienen u. a. der Anspruchssicherstellung. Bisher sind 71 Fälle bekannt, bei denen Beschäftigte angegeben hatten, das Krankenhaus aufgesucht zu haben. Eine Unterscheidung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung kann mit den vorliegenden Unterlagen nicht getroffen werden. 2. a) Was unternahm das für die Überwachung der Sicherheitskontrollen am Flughafen München zuständige Luftamt Südbayern nach dem erstmaligen Bekanntwerden von gesundheitlichen Problemen bei Mitarbeitern der SGM? b) Wann, wo und mit welchen Ergebnissen wurden die Geräte des Typs „Quantum Sniffer QS-B220“ auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen überprüft ? c) Aus welchen Gründen wurden die Geräte des Typs „Quantum Sniffer QS-B220“ wieder in Betrieb genommen , nachdem deren Verwendung zunächst eingestellt worden war? Die genaue Ermittlung der Erkrankungsursachen ist weiterhin in Aufklärung. Von Auslaufgeräten abgesehen, gibt es derzeit nur vier für den Einsatz zugelassene Gerätetypen. Sämtliche Geräte (auch die am Flughafen München verwendeten) wurden sowohl von der europäischen Luftsicherheitsorganisation ECAC (European Civil Aviation Conference) für den europäischen Bereich zugelassen, wie auch von der Forschungsund Erprobungsstelle der Bundespolizei für den Einsatz in der Bundesrepublik zertifiziert. Daneben verfügen die Geräte über die bei Elektrogeräten üblichen Prüfplaketten (z. B. CE-Zeichen). Beide am Flughafen München eingesetzten Gerätetypen wurden vor der Gesamtanschaffung in Einzelstücken (3 Geräte des Typs Sniffer, 1 Gerät des Typs Itemiser 4DX) zu Erprobungs- und Testzwecken beschafft und erprobt, ohne dass es zu Gesundheitsbeschwerden bei den Beschäftigten gekommen wäre. Die ersten vier Geräte des Typs Sniffer für den Echteinsatz zum 1. September wurden am 24. August 2015 angeliefert und am gleichen Tag um 14 Uhr ans Stromnetz angeschlossen (ohne Betrieb). Bei einem Gerät traten am gleichen Tag um 15.30 Uhr erste Beschwerden über Geruchsbelästigungen auf. Es folgte bis zum Betriebsschluss auf dieser Kontrollstelle um 18.30 Uhr (auch in Abstimmung mit der anwesenden Fachkraft für Arbeitssicherheit) als Reaktionen durch das Luftamt Südbayern eine Durchlüftung dieses Bereiches, ein Austausch des eingesetzten Personals sowie eine Untersuchung des Gerätes durch einen Repräsentanten des Geräteherstellers (Deutschland-Vertreter ). Ein Ausgasen gefährlicher Stoffe wurde von ihm definitiv ausgeschlossen. Wenn überhaupt, dann handele es sich bei einem eventuellen Geruch um sog. „Neugeruch“. Nachdem dieses Gerät am Folgetag nach Betriebsaufnahme abermals geruchsauffällig war, wurde es um 7 Uhr außer Betrieb und in der Folgezeit an Kontrollstellen nicht wieder in Betrieb genommen. Nach der Erstüberprüfung des auffälligen Geräts durch den deutschen Vertriebspartner wurde zusätzlich der amerikanische Hersteller aufgefordert, mit eigenem Personal das Problemgerät zu überprüfen. Diese Überprüfung fand am 27. August 2015 statt. Es wurden dabei keine Schäden oder Fehlfunktionen festgestellt. Auch nach dem Öffnen des Geräts bemerkte niemand der anwesenden Personen einen unangenehmen Geruch. Hersteller und Vertriebsfirma bestätigten noch einmal, dass die Geräte keine Schadstoffe ausgasen könnten. Formaldehyd finde bei der Produktion keine Verwendung. Eine sichere Zuordnung der mitgeteilten Geruchsentwicklung war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, umso weniger als die anderen Geräte weiterhin unbeanstandet im Einsatz waren. Am 28. und 29. August 2015 wurden weitere 31 Geräte des Typs Sniffer angeliefert und für den Einsatz vorbereitet. Dabei kam es am 30. August 2015 zu weiteren Beschwerden über „stinkende Gerüche“, vor allem im Bereich des Terminals 2. Obwohl zu diesem Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für technische Defekte gegeben waren, wurde am 31. August 2015 durch die dafür ausgerüstete Flughafenfeuerwehr das ursprünglich am 24. August 2015 bemakelte Gerät des Typs Sniffer in einem Büro der SGM auf Polytest und Formaldehyd gemessen, wie auch eine künstlich herbeigeführte Gerätekonzentration von neun Geräten in einem Lagerraum auf diese Stoffe hin untersucht. Die Messungen blieben ohne Befund. Da sich jedoch die Beschwerden der Beschäftigten am 1. September 2015 fortsetzten, wurde das bemakelte Gerät vom 24. August 2015 und ein weiteres geruchsauffälliges Gerät aus Terminal 2 bereits am Folgetag, dem 2. September 2015, zur Prüfung an die Firma DEKRA übermittelt. Durch das Institut DEKRA wurden die beiden Geräte des Typs Sniffer Messungen in einer Prüfkammer unterzogen und zeigten hohe Messwerte bei sogenannten flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), insbesondere des Stoffes Cyclohexanon, sowie Ausgasungen des Stoffes Formaldehyd . Die Herstellerfirma bzw. der Vertreiber des Produktes in Deutschland zweifeln die Kompetenz des Prüfinstitutes, die Ordnungsmäßigkeit der Messung und die Richtigkeit der Interpretation der Ergebnisse an und haben eigene Untersuchungsergebnisse zu anderen Geräten dieses Typs vorgelegt . Seit dem Vorliegen des Überprüfungsergebnisses am 8. September 2015 sind alle Geräte des Typs Sniffer außer Betrieb und isoliert eingelagert. Zugriff haben derzeit nur die Polizei und die Staatsanwaltschaft Landshut. 3. a) Wann und bei welcher Stelle wurden die Geräte des Typs „Itemiser“ erstmals auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen überprüft? b) Zu welchem Ergebnis kam diese Überprüfung? c) Bei wie vielen der angemieteten Geräte vom Typ „Itemiser“ wurden die Schäden durch Hitzeentwicklung festgestellt, aufgrund derer die Verwendung am 29. September eingestellt wurde? Die Geräte des Typs Itemiser für den Echteinsatz ab 1. September 2015 wurden am 18. August 2015 angeliefert. Mit den Geräten des Typs Itemiser erfolgte nach Außerbetriebnahme der Geräte des Typs Sniffer am 8. September 2015 der (verstärkte) Einsatz. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Geräte des Typs Itemiser beschwerdemäßig unauffällig. Sicherheitshalber wurde jedoch ein Gerät dieses Typs am 11. September 2015 ebenfalls zur Begutachtung an die DEKRA gegeben. Mit Datum 21. September 2015 wurde von der DEKRA die Unbedenklichkeit des Einsatzes als Ergebnis Drucksache 17/9097 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 der Überprüfung mitgeteilt. Es häuften sich jedoch in der Folgezeit die Mitarbeiterbeschwerden auch über diesen Gerätetyp . Nachdem am 29. September 2015 an dem Desorberbauteil aller Geräte bräunliche Farbveränderungen und auch eine leichte Wellung des Materials festgestellt wurden, wurden auch diese Geräte – vorsorglich – ebenfalls sämtlich außer Betrieb genommen und kontrollstellenfern eingelagert . Der Hersteller gab an, dass die Verformungen der Desorbereinheiten übliche Gebrauchsspuren aufwiesen und ungefährlich seien. Weder die Desorber noch die Geräte selbst könnten gefährliche Gase ausdünsten. Eine Hitzeentwicklung am und im Gerät sei notwendig, um einwandfreie Analysen durchführen zu können. Das Gerät sei für extreme Temperaturen (482°C) ausgelegt. Am 1. Oktober 2015 führte die Firma DEKRA nochmals vor Ort Raumluftmessungen sowie eine Gerätemessung (mit freiwilligem Bedienpersonal der SGM und des Luftamtes Südbayern) eines Itemisergerätes auf einer menschenleeren Kontrollstelle im Terminal 2 durch. Die Messergebnisse liegen seit 2. November 2015 vor und liefern keine Anhaltspunkte für schädliche Ausgasungen dieses Gerätes. 4. a) Wo wurden die verwendeten Spurendetektoren von der SGM angemietet? b) Wie viele Geräte wurden zu welchem Preis angemietet ? c) Auf welcher Grundlage fiel die Entscheidung für die beiden verwendeten Gerätetypen „Quantum Sniffer QS-B220“ und „Itemiser 4DX“. Beide Gerätetypen (36 Sniffer, 33 Itemiser) wurden vom Luftamt Südbayern gemietet bzw. geleast. Die Preise können aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht bekannt gegeben werden. Die Entscheidung des Luftamtes Südbayern fiel nach (teils mehrmonatiger) Erprobung unter Einbeziehung der SGM im Verhandlungsverfahren. 5. a) Welche Erkenntnisse liegen mittlerweile darüber vor, welche Ursachen die Mängel an den beiden Gerätetypen haben? b) Welche Konsequenzen haben die gesundheitsgefährdenden Mängel an den Geräten für den Hersteller beziehungsweise den Vermieter? Es liegt aktuell – wie ausgeführt – ein belastendes DEKRA- Gutachten zu 2 Geräten des Typs Sniffer vor. Darin wird wegen der Messergebnisse von einem Weiterbetrieb dringend abgeraten. Woher im Gerät die maßgeblichen Ausgasungen stammten, konnte nicht festgestellt werden. Zum Itemiser 4DX liegen zwei DEKRA-Gutachten vor. Demnach sind beim Betrieb dieses Geräts keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten. Die Hersteller des Quantum Sniffer und des Itemisers 4DX wurden jeweils mit den Vorwürfen konfrontiert. Der Mietvertrag betreffend die Geräte des Typs Sniffer wurde außerordentlich gekündigt. Auf die eingangs erwähnte erneute Messung beider Gerätetypen am 2. November 2015 im Auftrag der Staatsanwaltschaft darf nochmals hingewiesen werden. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten. 6. a) Welche Spurendetektoren kommen mittlerweile am Flughafen München bei der Kontrolle von Flugpassagieren und Gepäck zum Einsatz? b) Wurden diese Geräte vor ihrer Inbetriebnahme einer gesonderten Überprüfung im Auftrag der SGM oder des Luftamtes Südbayern unterzogen? c) Gab es seit dem Bekanntwerden der Krankheitsfälle weitere Fälle von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei SGM-Mitarbeitern? Aktuell kommen am Flughafen München Sprengstoffspürgeräte EGIS III der Firma Thermo Fischer zum Einsatz. Diese Geräte sind schon seit Inbetriebnahme des neuen Münchener Flughafens im Einsatz. Sie wurden ebenfalls von der Forschungs- und Erprobungsstelle der Bundespolizei überprüft und sind national zugelassen. Diese Geräte waren und sind im Betrieb problemlos, weisen jedoch längere Analysezeiten auf. Bislang liegen zu diesen Geräten keine Fälle von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei SGM-Mitarbeitern vor. In Kürze wird nach sechswöchiger Lieferzeit ein weiterer Gerätetyp in München (zum Vorab- Ausgasungstest) eintreffen und je nach weiterer Entwicklung der Angelegenheit dann auch in größerer Zahl zum Einsatz gelangen.