Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Reinhold Bocklet CSU vom 12.10.2015 Bewertung der Arbeit des Deutschen Herzzentrums München (DHM) Das Deutsche Herzzentrum München (DHM) wurde 1974 als „Ein-Organ-Klinik“ gegründet und gehört seit 1995 zum Geschäftsbereich des heutigen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, dem es direkt unterstellt ist. Der Bayerische Landtag hat sich im Zuge der geplanten strukturellen und organisatorischen Änderungen der Universitätskliniken in München mit Beschluss vom 11. Dezember 2007 für eine eigenständige und unabhängige Rechtsform des DHM ausgesprochen. Der Ministerrat hat am 7. März 2012 beschlossen, das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst solle den Prozess zur Umsetzung des 2009 geschlossenen neuen dreiseitigen Kooperationsvertrags zwischen DHM, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (MRI) und der Technischen Universität München TUM weiter begleiten . In seinem Jahresbericht 2015 hat sich der ORH mit der Entwicklung des DHM befasst und das Wissenschaftsministerium aufgefordert, die Kooperation des DHM und des MRI voranzutreiben. In seiner Antwort auf eine Schriftliche Anfrage vom 14. Juli 2015 Drs. 17/7751 stellt das Wissenschaftsministerium fest, dass es keine Strukturänderung für notwendig erachte. Weiter heißt es, auch „die in Jahrzehnten etablierte Marke der Einrichtung“ bleibe in jedem Fall erhalten. Ebenso wäre die Beteiligung des Standorts München am Deutschen Zentrum für Herz-, Kreislaufforschung (DZHK) ohne die enge und gute Kooperation der drei Institutionen nicht möglich gewesen. Die Staatsregierung vertritt in der erwähnten Antwort vom 14. Juli 2015 die Auffassung, dass das DHM eine „herausragende Stellung und Bedeutung in der Versorgung von Herz-Kreislauf-Patienten“ habe, „die überregional, sogar weit über die Grenzen Bayerns hinaus und auch international anerkannt“ sei. Nun ist dem Klinikführer 2015, den der Münchner Merkur in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (TK) in Bayern veröffentlicht hat und der „Fallzahlen und Qualitätsdaten Münchner und oberbayerischer Kliniken laienverständlich“ aus dem Jahr 2013 vorstellt, zu entnehmen, dass das DHM 1. bei der Untersuchung und Behandlung der Herzkranzgefäße trotz sehr hoher Fallzahlen mit mangelhaft bewertet wird und 2. bei den Qualitätsergebnissen in allen Leistungsbereichen in der Kategorie Kliniken mit 6 oder 5 Leistungsbereichen nur einmal mit sehr gut, einmal mit gut und einmal mit mangelhaft sowie in der Rubrik zu wenige Fälle mit 2 bewertet wird, wobei es nur einmal (von allen Bereichen) die Note sehr gut erhält. Ich frage in diesem Zusammenhang die Staatsregierung: 1. Wie beurteilt sie die im Klinikführer 2015 enthaltenen wenig erfreulichen Ergebnisse des in der Verantwortung des Staates stehenden DHM? 2. In welchen Leistungsbereichen schneidet das DHM nicht mit sehr gut ab? 3. Warum wird das DHM in der Rubrik zu wenige Fälle mit der Note 2 bewertet? 4. Was gedenkt die Staatsregierung zu unternehmen, um die Qualitätsdaten des DHM zu verbessern? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 16.11.2015 Die Schriftliche Anfrage wird aufgrund der Stellungnahme des DHM wie folgt beantwortet: 1. Wie beurteilt sie die im Klinikführer 2015 enthaltenen wenig erfreulichen Ergebnisse des in der Verantwortung des Staates stehenden DHM? a) Hintergrund des Berichts Im Rahmen der im Münchner Merkur publizierten Serie Klinikreport 2015 wurde am 10.08.2015 in einem ganzseitigen Artikel über „Teil 5: Herzkranzgefäße“ berichtet. Dieser Klinikreport ist ein Kooperationsprojekt des Münchner Merkur und der Techniker Krankenkasse in Bayern. Quelle für die im Bericht verwendeten Zahlen sind die Qualitätssicherungszahlen der Kliniken aus dem Jahr 2013. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) definierten Leistungsbereiche müssen dazu entsprechend der Richtlinie gemäß § 137 SGB V verbindlich von den medizinischen Einrichtungen dokumentiert werden. Die Qualitätsdaten werden von externen Stellen (Landesgeschäftsstellen für Qualitätssicherung sowie das AQUA-Institut) nach vorgegebenen Kriterien ausgewertet. Die identifizierten rechnerischen Auffälligkeiten werden dann einer Prüfung durch Expertengruppen unterzogen. Dazu wird der „Strukturierte Dialog“ jeweils im Mai/Juni des auf die Datenerfassung folgenden Jahres eröffnet. Die Ergebnisse werden abschließend bewertet und sind von den Krankenhäusern in ihren Qualitätsberichten darzustellen. Die bloße Durchführung eines strukturierten Dialogs für sich bedeutet also noch keine Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.01.2016 17/9103 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9103 Qualitätsmängel, sondern wird aufgrund einer Abweichung von Durchschnittsdaten eingeleitet, deren Ursachen in den konkreten Fällen genauer überprüft werden. Erst das Ergebnis des Dialogs zeigt, ob tatsächlich ein Qualitätsproblem vorhanden ist oder ob die Umstände der Einzelfälle die Auffälligkeit erklären. b) Systematik der Bewertung im Klinikbericht Basis des Qualitätsreports 2013 bezüglich Herz-Koronarangiographie und perkutaner Koronarintervention sind 22 Qualitätsindikatoren. Hiervon wurden von der Zeitung 14 Indikatoren herausgegriffen und für den vorliegenden Artikel ausgewertet. Die Einstufung des DHM durch den Artikel als „mangelhaft“ ergibt sich aus einem zahlenmäßig auffälligen Indikator (von 14 herausgegriffenen bzw. von 22 aus dem Qualitätsbericht vorliegenden), der im vorliegenden Artikel nicht spezifisch genannt wird. Es handelt sich um hohe Werte bezüglich Einzeitig -PCI (PCI: Perkutane koronare Intervention) mit einer Kontrastmittelmenge über 250 ml. Problematisch ist dabei das Herausgreifen eines Qualitätsindikators (von 22) und dessen eindimensionale Umsetzung in Schulnoten, was der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes nicht gerecht wird. Denn die Durchleuchtungsdauer und der Kontrastmittelverbrauch bei Koronarinterventionen sind abhängig von der Art und Komplexität des durchgeführten Eingriffs. Beim DHM als Tertiärzentrum mit vielen Zuweisungen externer Kliniken zeichnet sich ein großer Teil der Patienten durch eine besonders schwer ausgeprägte koronare Herzerkrankung aus. Die durchgeführten Eingriffe umfassen daher überproportional häufig komplexe Interventionen und Rekanalisationen chronischer Verschlüsse, also Prozeduren, die mit einer langen Dauer, hohem Kontrastmittelverbrauch und hoher Strahlendosis einhergehen. Aktuell wird der Schwierigkeitsgrad der durchgeführten PCI jedoch nicht durch Qualitätsindikatoren erfasst. Insgesamt ist festzuhalten, dass das DHM bei Herz-Koronarangiographie und perkutaner Koronarintervention bei den 22 von der TK aufgeführten Qualitätsindikatoren 12 x grün (unauffällig), 6 x grau (sonstiges), 3 x gelb (erneute Prüfung nötig) und 1 x rot (auffällig) erhalten hat (vgl. Auszug von der Homepage des TK-Klinikführeres in Anlage). Dabei schneidet das DHM bezüglich der acht Sterblichkeitsindikatoren (von denen lediglich 2 im Merkur-Klinikreport aufgenommen sind) regelmäßig deutlich besser als der Durchschnitt ab. Also lässt sich für das DHM aus den TK-Qualitätsindikatoren eine Kombination aus hoher Komplexität der Koronarintervention (die durchaus zu höheren Kontrastmittel- und Strahlenexpositionen führt) und einer im bundesweiten Vergleich niedrigen Krankenhausmortalität feststellen. Dies impliziert eine hohe Effizienz der Patientenversorgung, verknüpft mit einer überdurchschnittlichen Patientensicherheit. 2. In welchen Leistungsbereichen schneidet das DHM nicht mit sehr gut ab? Der 12. Teil der im Münchner Merkur publizierten Serie Klinikreport 2015 fasst die Qualitätsergebnisse der Kliniken in den einzelnen Leistungsbereichen zusammen. Das DHM schneidet wie folgt ab: • sehr gut: Herzschrittmacher • gut: Versorgung von Frühgeborenen • mangelhaft: Herzkranzgefäße (zur Bewertung s. o. Antwort zu Frage 1) • zu wenige Fälle: Halsschlagader; Lungenentzündung (s. u., Antwort zu Frage 3) 3. Warum wird das DHM in der Rubrik zu wenige Fälle mit der Note 2 bewertet? Das DHM ist als Ein-Organ-Klinik hoch spezialisiert auf die Behandlung von Patienten mit spezifischen Herzerkrankungen . Somit fallen viele Rubriken, die im Klinikführer beurteilt wurden, für das DHM nicht ins Gewicht. Das DHM hat seinen Schwerpunkt in der Behandlung von strukturellen Herzerkrankungen bei Kindern und Erwachsenen. Die Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie spielt naturgemäß am DHM eine nachgeordnete Rolle. Ähnlich ist die Situation bezüglich der Anzahl der Behandlungen der Halsschlagader. Für diese zwei im Klinikreport genannten Indikationen „Halsschlagader “ und „Lungenentzündung“ wurde im Klinikführer für das DHM keine Bewertung vergeben, da die Fallzahlen am DHM zu niedrig liegen. Es handelt sich folglich nicht um die „Note 2“, sondern um ein Fehlen der Bewertung aufgrund zu geringer Fallzahlen in zwei Leistungsbereichen. 4. Was gedenkt die Staatsregierung zu unternehmen, um die Qualitätsdaten des DHM zu verbessern? Die Qualitätsdaten des DHM sind großenteils hervorragend (so bspw. bei Herzschrittmachern, dort erreicht das DHM im Merkur-Klinikreport „sehr gut“ und bei 44 von 48 Qualitätsindikatoren der TK grün „unauffällig“ und bei 4 grau „sonstiges “) und – wie in der Antwort zu Frage 1 dargelegt – auch im Bereich der Herz-Koronarangiographie und perkutanen Koronarintervention nicht mangelhaft oder kritisch. Wesentlich ist auch hier die gegenüber dem Bundesdurchschnitt signifikant niedrigere Sterblichkeit. Zu hinterfragen ist die größere Kontrastmittelmenge und höhere Strahlenexposition , die jedoch wie dargestellt bei vielen dieser Patienten dadurch zu erklären ist, dass das DHM aus ganz Bayern aber auch aus anderen Bundesländern und dem Ausland Patienten zugewiesen bekommt, die andernorts als unbehandelbar gelten und deren interventionelle Therapie zwangsläufig zum Einsatz von mehr Kontrastmittel und höherer Strahlenexposition führt. Drucksache 17/9103 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 TK-Klinikführer > Deutsches Herzzentrum München > Behandlungsqualität > Herz – Koronarangiographie und perkutane Koronarintervention Leistungsbereich: Herz - Koronarangiographie und perkutane Koronarintervention Auf diesen Seiten erhalten Sie Informationen über die Behandlungsergebnisse der Klinik Deutsches Herzzentrum München. Der TK-Klinikführer stellt die Qualitätsindikatoren dar, die verpflichtend veröffentlicht werden müssen oder die zur Veröffentlichung empfohlen worden sind. Für etwa 1700 der rund 2000 Krankenhäuser liegen solche Daten zu medizinischen und pflegerischen Ergebnissen vor. Name des Qualitätsindikators Ergebnis Referenz - bereich Bundesdurch - schnitt Bewertung Sterblichkeit während des Krankenhausaufenthalts bei Patienten mit durchgeführter Aufdehnung der Herzkranzgefäße (sog. PCI) - unter Berücksichtigung der Schwere aller Krankheitsfälle im Vergleich zum Bundesdurchschnitt . 0,39 <= 2,19 1,04 Strahlenbelastung bei einer Herzkatheteruntersuchung (Flächendosisprodukt über 3.500 cGy*cm²) 33,3% <= 47,2% 23,9% Strahlenbelastung bei einer Aufdehnung der Herzkranzgefäße (sog. PCI mit Flächendosisprodukt über 6.000 cGy*cm²). 71,4% <= 57,3% 28,0% Entscheidung zur Aufdehnung der Herzkranzgefäße (sog. PCI) ohne Beschwerden oder ohne messbare Durchblutungsstörungen . 1,5% <= 10,0% 3,7% Erfolgreiche Aufdehnung der Herzkranzgefäße bei akutem Herzinfarkt innerhalb von 24 Stunden nach Diagnose (sog. PCI). 95,8% >= 85,0% 94,6% Erfolgreiche Aufdehnung der Herzkranzgefäße in Bezug auf alle durchgeführten Aufdehnungen (sog. PCI). 97,2% >= 85,0% 94,4% Dauer der Durchleuchtung (Zentralwert) mit Röntgenstrahlen bei Aufdehnung der Herzkranzgefäße (sog. PCI). 14,0 min <= 12,0 min 9,3 min Entscheidung zur Herzkatheteruntersuchung aufgrund von Beschwerden oder messbaren Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße. 94,5% >= 80,0% 92,9% Sterblichkeit während des Krankenhausaufenthalts bei alleiniger Herzkatheteruntersuchung. 0,7% Nicht definiert 1,2% Sterblichkeit während des Krankenhausaufenthalts bei Patienten mit durchgeführter Aufdehnung der Herzkranzgefäße (sog. PCI). 0,9% Nicht definiert 2,8% Dauer der Durchleuchtung (Zentralwert) mit Röntgenstrahlen bei einer Herzkatheteruntersuchung. 3,0 min <= 5,0 min 3,0 min Strahlenbelastung bei Untersuchung und Aufdehnung der Herzkranzgefäße (sog. Einzeitig-PCI mit Flächendosisprodukt über 8.000 cGy*cm²). 44,4% <= 46,1% 22,0% Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9103 Sterblichkeit während des Krankenhausaufenthalts bei alleiniger Herzkatheteruntersuchung - unter Berücksichtigung der Schwere aller Krankheitsfälle im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. 0,86 <= 2,35 1,05 Herzkatheteruntersuchung mit mehr als 150 ml Kontrastmittel . 24,8% <= 19,7% 8,0% Aufdehnung der Herzkranzgefäße (sog. PCI) mit mehr als 200 ml Kontrastmittel. 57,1% <= 50,7% 21,2% Untersuchung und Aufdehnung der Herzkranzgefäße (sog. Einzeitig-PCI) mit mehr als 250 ml Kontrastmittel. 67,1% <= 35,7% 15,7% Sterblichkeit während des Krankenhausaufenthalts - unter Berücksichtigung der Schwere aller Krankheitsfälle im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. 0,26 <= 1,56 0,93 Verwendung der linksseitigen Brustwandarterie als Umgehungsgefäß (sog. Bypass) 94,5% >= 90,0% 94,2% Sterblichkeit während des Krankenhausaufenthalts. 1,2% Nicht definiert 3,0% Sterblichkeit während des Krankenhausaufenthalts – ohne Notfalloperation. keine Angabe Nicht definiert 1,9% Sterblichkeit 30 Tage nach Operation. 1,2% Nicht definiert 3,1% Vorliegen von Informationen 30 Tage nach der Operation darüber, ob der Patient verstorben ist oder lebt. 98,8% Nicht definiert 79,2% Legende: auffällig erneute Prüfung nötig unauffällig sonstiges Erläuterungen zum "Strukturierten Dialog" Im Strukturierten Dialog wird überprüft, ob ein rechnerisch auffälliges Ergebnis zu einem Qualitätsindikator auch als "qualitativ auffällig" zu werten ist. Für den Fall, dass Qualitätsdefizite festgestellt werden, unterstützen die Experten und die jeweils zuständigen Stellen die Einrichtungen beratend bei der Behebung der Mängel und der Einleitung von Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung. Dies kann entweder im Rahmen eines Kollegialen Gesprächs (Besprechung) oder einer Vor-Ort-Begehung stattfinden. Es werden gemeinsam Qualitätspotenziale identifiziert und ggf. Empfehlungen für Qualitätsverbesserungen ausgesprochen. Der Strukturierte Dialog unterstützt damit Einrichtungen bei der kontinuierlichen Verbesserung der Qualität auf Prozess- und Ergebnisebene. (Quelle: AQUA-Institut) Quelle: https://www.tk.de/tk/Muenchen/Deutsches_Herzzentrum_Muenchen/Behandlungsqualitaet/H erz_- _Koronarangiographie_und_perkutane_Koronarintervention/K1330N8B10/114732?resetAppl ication=true&view=renderKlinikfuehrerDetailseite