Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Schindler SPD vom 21.10.2013 Scheinwerkverträge mit dem Freistaat Bayern Ausweislich der Antwort der Staatsregierung vom 09.08.2013 auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Annette Karl vom 17.05.2013 (DrS. 16/17726) sind im Jahr 2012 im Zuständigkeitsbereich der Staatsregierung insgesamt 3.794 Werkverträge abgeschlossen worden, davon allein 3.051 im Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, 341 im Staatsministerium der Finanzen und 340 im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die hohe Zahl der Werkverträge im Bereich des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst soll durch die Häufung von Drittmittelprojekten bedingt sein. Auf die Klage eines Auftragnehmers, der für den Freistaat mit Unterbrechungen bereits seit 2005 auf der Grundlage von zehn als Werkvertrag bezeichneten Verträgen zur Nachqualifizierung und Revision der bayerischen Denkmalliste tätig geworden ist, hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.09.2013 seine bisherige Rechtsprechung und die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und entschieden , dass der Einsatz des Klägers in der Gesamtschau als Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit zu werten sei und er deshalb Arbeitnehmer und kein selbstständiger Werkvertrags -Unternehmer sei. Die Revision des Freistaats Bayern gegen gleichlautende Entscheidungen der Vorinstanzen ist zurückgewiesen worden. Da aus Sicht der Bayerischen Staatsregierung Versuche, unter dem Deckmantel von Werkverträgen den Arbeitnehmerstatus der beauftragten (scheinselbstständigen) Person zu umgehen, entschieden abzulehnen sind (Antwort der Staatsregierung vom 20.08.2012 auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Unterländer vom 19.06.2012, Drs. 16/13449) und der missbräuchliche Einsatz von Werkverträgen weitreichende Folgen für den Besteller hat, frage ich die Staatsregierung: 1. Ist der Staatsregierung die Rechtsprechung der Arbeits - und Sozialgerichte zur Abgrenzung von tatsächlich selbstständig erbrachten Werkleistungen zu abhängigen Beschäftigungsverhältnissen bekannt und wie viele Werkverträge haben die einzelnen Ministerien derzeit (Stichtag 30.09.2013) mit wie vielen „Unternehmern“ zu welchem Zweck und mit welchem zeitlichen und finanziellen Volumen abgeschlossen? 2. In wie vielen dieser Fälle ist bei Zugrundelegung des von der Rechtsprechung entwickelten Kriterienkatalogs und im Lichte der Entscheidung des BAG vom 25.09.2013 davon auszugehen, dass es sich um missbräuchliche Scheinwerkverträge zur Vorenthaltung von Arbeitnehmerrechten und sozialer Absicherung der Betroffenen handelt? 3. In wie vielen dieser Fälle besteht zwischen Werkvertrags -„Unternehmern“ und dem jeweiligen Ministerium bzw. der nachgeordneten Behörde Streit über den Status der Erwerbstätigkeit und liegen a) Anträge auf Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 7 a SGB IV und/oder b) Klagen der Betroffenen zu den Arbeitsgerichten vor und c) in wie vielen dieser Fälle ist der Freistaat unterlegen und hat er Rechtsmittel eingelegt? 4. Wie wird die Staatsregierung die eingangs zitierte Entscheidung des BAG vom 25.09.2013 im Falle des Klägers im Einzelnen umsetzen, welche Kosten werden hierbei entstehen und welche Konsequenzen wird sie im Hinblick auf die vergleichbaren, aber noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Fälle ziehen? 5. Wie viele Stellen müssten in den Ministerien bzw. bei den nachgeordneten Behörden geschaffen werden, um die Arbeiten, die bisher mittels Werkverträgen erledigt worden sind, von Angestellten ausführen zu lassen ? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 25.02.2014 Die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Franz Schindler vom 21. Oktober 2013 betreffend Scheinwerkverträge mit dem Freistaat Bayern wird unter Beteiligung der Staatskanzlei und der Ressorts wie folgt beantwortet: 1. Ist der Staatsregierung die Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte zur Abgrenzung von tatsächlich selbstständig erbrachten Werkleistungen zu abhängigen Beschäftigungsverhältnissen bekannt und wie viele Werkverträge haben die einzelnen Ministerien derzeit (Stichtag 30.09.2013) mit wie vielen „Unternehmern“ zu welchem Zweck und mit welchem zeitlichen und finanziellen Volumen abgeschlossen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.04.2014 17/913 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/913 Die Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte zur Abgrenzung von tatsächlich selbstständig erbrachten Werkleistungen zu abhängigen Beschäftigungsverhältnissen ist der Staatsregierung bekannt und wird beachtet. Die Anzahl der Werkverträge in der Staatskanzlei, den Staatsministerien und den jeweiligen nachgeordneten Bereichen , das zeitliche und finanzielle Volumen ist in der Anlage dargestellt. Zum Stichtag (30. September 2013) waren insgesamt 1.485 Werkverträge geschlossen. Nicht enthalten sind in der Zusammenstellung, da die entsprechenden Daten nicht vorliegen, – die Werkverträge für die Wartung von Gebäuden und Einbauten, – im Rahmen des üblichen Vergabeverfahrens an Unternehmen (z. B. Baufirmen) und freiberuflich Tätige (z. B. Architektur- und Ingenieurbüros) vergebene Aufträge , – Evaluationsverträge und – Verträge mit Übersetzern im Bereich Rechtshilfe und Vollstreckungshilfe. Die Gründe für den Abschluss von Werkverträgen sind sehr unterschiedlich und stellen sich insbesondere wie folgt dar: Bayerische Staatskanzlei: Hilfestellung bei der Erstellung eines werktäglichen Pressespiegels , Erstellung einer Software für mobile Endgeräte, Betrieb der Datenbank BAYERN-RECHT, Herausgabe des Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblattes. Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr /Oberste Baubehörde: Redaktionelle Mitarbeit bei der Zeitschrift brandwacht, Abgleich Leistungskatalog des Bayerischen Behördenwegweisers . Bayerisches Staatsministerium der Justiz: Grafische Gestaltung von Broschüren bzw. Plakaten, Druck von Broschüren, Fotografie, grafische Gestaltung des Justiz- intranets. Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst: Seitens des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst können die Fragen „Anzahl der Unternehmen , Zweck der Werkverträge, Zeitdauer sowie finanzielles Volumen“ nicht beantwortet werden. Die Inhalte der jeweiligen Werkverträge werden nicht maschinell gespeichert bzw. hinterlegt. Für die Beantwortung der Fragen hätte daher jeder einzelne Vertrag geprüft werden müssen. Dies war wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes nicht leistbar. Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Schließdienst, Forstbetriebsgutachten, Forsteinrichtung, Forstbetriebskarten, Forstwirtschaftsplan, Bergwaldentwicklungsplan , Natura-2000-Managementplan Vogelschutzgebiete , IT-Dienstleistungen, Waldinventur, Erstellung von Informationsbroschüren, Populationserfassung Mopsfledermaus , Schutzwaldsanierung, Coachingleistungen im Rahmen eines Projektes, Untersuchungen im Rahmen der Forschungstätigkeit . Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz : Forschungsprojekte, Programmierung einer Homepage, Layout von Broschüren, Aufbau eines Zuchtstammes von Kleininsekten. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration: Erstellung einer druckfertigen Vorlage einer Publikation, Bearbeitung fachlich spezieller Fragestellungen. Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat: Übersetzungen, Lektorat, Restaurierung von Kunstgegenständen , Gartenarbeiten. 2. In wie vielen dieser Fälle ist bei Zugrundelegung des von der Rechtsprechung entwickelten Kriterienkatalogs und im Lichte der Entscheidung des BAG vom 25.09.2013 davon auszugehen, dass es sich um missbräuchliche Scheinwerkverträge zur Vorenthaltung von Arbeitnehmerrechten und sozialer Absicherung der Betroffenen handelt? Werkverträge werden beim Freistaat Bayern nicht als „verkappte “ Arbeitsverhältnisse zur Vorenthaltung von Arbeitnehmerrechten und sozialer Absicherung der Betroffenen genutzt. Unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 25. September 2013 wurden die vorhandenen Werkverträge kritisch geprüft. Ein grundsätzlicher Umstellungsbedarf auf Arbeitsverhältnisse hat sich dabei nicht ergeben. Die Bayerische Staatsregierung behandelt dieses Thema mit großer Sorgfalt und Sensibilität. 3. In wie vielen dieser Fälle besteht zwischen Werkvertrags -„Unternehmern“ und dem jeweiligen Ministerium bzw. der nachgeordneten Behörde Streit über den Status der Erwerbstätigkeit und liegen a) Anträge auf Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 7 a SGB IV und/oder b) Klagen der Betroffenen zu den Arbeitsgerichten vor und c) in wie vielen dieser Fälle ist der Freistaat unterle- gen und hat er Rechtsmittel eingelegt? Streitigkeiten über den Status der Erwerbstätigkeit bestehen nicht. Mit Ausnahme des vom Bundesarbeitsgericht am 25. September 2013 entschiedenen Falles gab es kein Verfahren vor den Arbeitsgerichten. 4. Wie wird die Staatsregierung die eingangs zitierte Entscheidung des BAG vom 25.09.2013 im Falle des Klägers im Einzelnen umsetzen, welche Kosten werden hierbei entstehen und welche Konsequenzen wird sie im Hinblick auf die vergleichbaren, aber noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Fälle ziehen? Beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege wurde durch das bekannte Urteil vom 25. September 2013 bestätigt , dass zwischen dem Kläger und dem Freistaat Bayern (Landesamt für Denkmalpflege) ein Arbeitsverhältnis besteht . Insgesamt waren im Projekt „Nachqualifizierung der bayerischen Denkmalliste“ 42 Werkvertragsunternehmer be- Drucksache 17/913 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 schäftigt. Im Projekt Baudenkmäler handelt es sich um 26 Werkverträge, bei der Prüfung der Bodendenkmäler um 16. Die Prüfung der Bodendenkmäler wurde zum 31. Dezember 2013 abgeschlossen. Das Arbeitsverhältnis wurde daher fristgemäß zum 31. Dezember 2013 betriebsbedingt gekündigt. Die fachlichen Voraussetzungen für ein unbefristetes hauptberufliches bzw. hauptamtliches Beschäftigungsverhältnis beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege lagen leider nicht vor. Auch im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst hat sich keine Verwendungsmöglichkeit ergeben. Die Prüfung der Baudenkmäler umfasst die Besichtigung aller Baudenkmäler von außen. Dabei wird der Erhaltungszustand geprüft, eine digitale Kartierung angefertigt und die Beschreibung aktualisiert. Die Prüfung der Baudenkmäler wird zum 30. November 2014 abgeschlossen sein. Nach Projektende besteht kein Bedarf an einer weiteren Bearbeitung der Denkmalliste im Rahmen der Nachqualifizierung . Die weiteren, laufenden Aufgaben, die sich im Zu- sammenhang mit der Führung der Denkmalliste ergeben, werden dann ausschließlich von dem beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege fest angestellten Listenreferenten erledigt. 5. Wie viele Stellen müssten in den Ministerien bzw. bei den nachgeordneten Behörden geschaffen werden, um die Arbeiten, die bisher mittels Werkverträgen erledigt worden sind, von Angestellten ausführen zu lassen? Werkverträge werden nicht dazu genutzt, um fehlende Stellen zu ersetzen, sondern um Werke ausführen zu lassen. Es handelt sich hierbei nicht um Aufgaben, die typischerweise im Rahmen von Arbeitsverhältnissen erbracht werden. Zusätzliche Stellen sind daher nicht erforderlich. Selbst beim Landesamt für Denkmalpflege wären keine zusätzlichen Stellen erforderlich, da das Projekt „Nachqualifizierung der bayerischen Denkmalliste“ mit Ablauf des 30. November 2014 endgültig abgeschlossen sein wird. Übersicht über die Anzahl der Werkverträge, der Unternehmen, mit denen Werkverträge geschlossen waren, Zeitdauer der Verträge, finanzielles Volumen zum 30. September 2013 Staatskanzlei/Staatsministerien Anzahl der Werkverträge Anzahl der Unternehmen , mit denen Werkverträge geschlossen waren Zeitdauer der Werkverträge in Monaten Finanzielles Volumen Bayer. Staatskanzlei 4 4 55/6/Ende 2015/unbefristet mit jährlichem Kündigungsrecht 5.000 bis zu 10.000 €: 1 Vertrag > 10.000 €: 3 Verträge Bayer. Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr/Oberste Baubehörde 2 2 3/24 > 10.000 €: 2 Verträge Bayer. Staatsministerium der Justiz 5 5 1 bis 10 1.000 bis 5.000 €: 1 Vertrag 5.000 bis 10.000 €: 4 Verträge Bayer. Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst 1.061 ---- ---- ---- Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie ---- ---- ---- ---- Bayer. Staatsministerium für Ernährung , Landwirtschaft und Forsten 247 166 2 bis 60 bis zu 1.000 €: 29 Verträge 1.000 bis 5.000 €: 61 Verträge 5.000 bis 10.000 €: 88 Verträge > 10.000 €: 69 Verträge Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz 105 88 2 bis 60 bis zu 1.000 €: 4 Verträge 1.000 bis 5.000 €: 32 Verträge 5.000 bis 10.000 €: 22 Verträge > 10.000 €: 30 Verträge Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration 5 5 3 1.000 bis 5.000 €: 4 Verträge 5.000 bis 10.000 €: 1 Vertrag Bayer. Staatsministerium für Gesundheit und Pflege ---- ---- ---- ---- Bayer. Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat 55 54 2 bis 36 bis zu 1.000 €: 7 Verträge 1.000 bis 5.000 €: 20 Verträge 5.000 bis 10.000 €: 13 Verträge > 10.000 €: 15 Verträge Bayer. Oberster Rechnungshof ---- ---- ---- ----