Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28.09.2015 Zunehmende Gewalttätigkeit der rechtsextremen Szene : Rassistischer Überfall in Ebersberg Am 25. September ereignete sich in Ebersberg (Oberbayern ) ein äußerst gewalttätiger und rassistisch motivierter Angriff auf einen Imbiss, bei dem zwei Personen verletzt wurden . Bereits eine Stunde vor dem Angriff verständigte einer der Geschädigten die Polizei, nachdem er, laut Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, beobachtet hatte, „wie zwei der später am Landfriedensbruch beteiligten Männer nach der Ankunft einer S-Bahn offensichtlich gezielt auf Ausländer und Farbige zugingen, diese beschimpften und beleidigten“. (http://www.polizei.bayern.de/oberbayern _nord/news/presse/aktuell/index.html/228404). Als die Polizei – nach etwa 20 Minuten – am Bahnhof ankam, waren sowohl Opfer als auch Täter bereits weg. Auch als die beiden Männer am gleichen Abend mit Verstärkung zurückkehren , um den Imbiss zu überfallen, verständigt der Geschädigte die Polizei. Doch dauert es nach seinen Angaben erneut „rund 20 Minuten (…), bis die Einsatzkräfte am Tatort erschienen seien“. (http://www.tz.de/muenchen/region/ neo-nazi-ueberfall-ebersberg-nichts-mehr-war-tz-5567191. html). Der Angriff zeigt, dass die rechte Szene in Bayern zunehmend gewalttätiger auftritt. Dieser beunruhigende Trend ging bereits aus der Antwort des Innenministeriums auf meine Schriftliche Anfrage vom 2. Juli 2015 hervor. Demnach wurden allein im ersten Halbjahr 2015 60 Personen durch rechtextrem motivierte Gewalttaten verletzt. Im gesamten Vorjahr hatte es 86 Verletzte gegeben. Nicht zuletzt angesichts dieser Entwicklung sind auch die jüngsten Onlineaktivitäten der rechten Szene höchst alarmierend . So werden u. a. über die rechtsextreme Facebook- Gruppe „Gegen Linksradikalismus – München“ Personen, die sich für Flüchtlinge bzw. gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, namentlich (und mit Foto) genannt, diffamiert, eingeschüchtert und – in den Kommentarspalten – zum Teil mit dem Tode bedroht. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Wie bewertet die Staatsregierung aktuell die Bedrohungslage für Menschen mit Migrationshintergrund, für Flüchtlinge und für Personen, die sich für Flüchtlinge bzw. gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren? 1.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über organisierte Kampagnen der rechtsextremen Szene, die zur Einschüchterung von Menschen mit Migrationshintergrund , von Flüchtlingen und von Personen, die sich für Flüchtlinge bzw. gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, dienen sollen bzw. die zur Gewalt gegen diese Personen aufrufen? 1.2 Inwiefern wurden bzw. werden die einzelnen bayerischen Polizeidienststellen angesichts der bestehenden Bedrohungslage sensibilisiert und welche konkreten Maßnahmen und Notfallpläne werden zum Schutz der genannten Personengruppen ergriffen bzw. bereitgestellt ? 2. Welche konkreten Kenntnisse hat die Staatsregierung über den Polizeieinsatz in Ebersberg (siehe Vorbemerkung )? 2.1 Welche polizeilichen Maßnahmen wurden angesichts der rassistischen Beleidigungen am Ebersberger Bahnhof, die dem Angriff auf den Imbiss vorausgingen, ergriffen und welches Ergebnis hatten sie? 2.2 Wie ist zu erklären, dass trotz des vorangehenden rassistischen Vorfalls am Ebersberger Bahnhof 20 Minuten vergingen (siehe Schilderung in der Vorbemerkung ), bis die Einsatzkräfte nach der Verständigung durch den Geschädigten den Tatort des Überfalls erreichten ? 3. Welche Aussagen kann die Staatsregierung über den aktuellen Stand der Ermittlungen machen? 4. Wie viele der acht Tatverdächtigen sind in der Vergangenheit bereits durch rechtsextrem motivierte Straf-/ Gewalttaten aufgefallen (einzelne Straf-/Gewalttaten bitte detailliert auflisten)? 4.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen der Tatverdächtigen zur rechtsextremen Szene? 4.2 Standen bzw. stehen einzelne Tatverdächtige unter der Beobachtung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? 5. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über organisierte Onlinekampagnen der rechtsextremen Szene zur Einschüchterung und Bedrohung von Personen , die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren? 5.1 Wie bewertet die Staatsregierung beispielsweise die konkreten Aktivitäten der rechtsextremen Facebook- Gruppe „Gegen Linksradikalismus – München“? 5.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu den Initiatoren der Facebook-Gruppe „Gegen Linksradikalismus – München“ und zu deren Verbindungen zur rechtsextremen Szene? 6. Inwiefern wird den einschüchternden und bedrohenden Kommentaren, die im Kontext der Facebook- Gruppe „Gegen Linksradikalismus – München“ er- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.12.2015 17/9164 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9164 scheinen, von den bayerischen Sicherheitsbehörden nachgegangen (Zahl und Stand der Ermittlungen bitte detailliert auflisten)? 7. Welche speziellen Schutz- bzw. Unterstützungsmaßnahmen bietet die Staatsregierung für Personen an, die sich aufgrund entsprechender Kampagnen von Rechtsextremen eingeschüchtert und bedroht fühlen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 18.11.2015 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet, wobei im Einzelnen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind und daher eine abschließende Bewertung der Sachverhalte noch nicht möglich ist: 1. Wie bewertet die Staatsregierung aktuell die Bedrohungslage für Menschen mit Migrationshintergrund , für Flüchtlinge und für Personen, die sich für Flüchtlinge bzw. gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren? 1.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über organisierte Kampagnen der rechtsextremen Szene , die zur Einschüchterung von Menschen mit Migrationshintergrund, von Flüchtlingen und von Personen, die sich für Flüchtlinge bzw. gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, dienen sollen bzw. die zur Gewalt gegen diese Personen aufrufen? Die Fragen 1 und 1.1 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Rechtsextremisten haben parteiübergreifend ihren Themenschwerpunkt auf die Agitation gegen Flüchtlinge und Asylbewerber gelegt. Das bei Rechtsextremisten vorhandene rassistisch-biologische Weltbild, ein überzogener Nationalismus und die Angst vor kultureller Überfremdung machen Asylsuchende zu einem klassischen Feindbild. Mit Veranstaltungen wie Infoständen, Demonstrationen, Versammlungen sowie Flugblattverteilungen und Kampagnen im Internet wollen die Rechtsextremisten Ängste in der Bevölkerung vor einer angeblichen Überfremdung oder Bedrohung durch Ausländerkriminalität schüren und sich selbst als die einzige politische Kraft darstellen, die diese Sorgen ernst nimmt. Eine zentrale Steuerung der fremdenfeindlichen Übergriffe durch rechtsextremistische Organisationen ist bislang nicht erkennbar. Die aggressive Agitation gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte ist aber Konsens im ansonsten heterogenen rechtsextremistischen Spektrum. Bereits in der Planungsphase von Unterkünften baut die Szene eine Drohkulisse auf. Dies gilt insbesondere für die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) sowie die rechtsextremistischen Parteien DIE RECHTE und Der Dritte Weg (III. Weg). Neben bekannten rechtsextremistischen Gruppierungen und Parteien agitieren zunehmend auch lokale Gruppen in sozialen Netzwerken im Internet gegen bestehende und geplante Unterkünfte für Asylbewerber. An diesen Gruppen beteiligen sich immer wieder Rechtsextremisten mit Beiträgen und versuchen so Einfluss auf den Diskussionsverlauf zu nehmen. In diesem Zusammenhang werden durch einzelne Nutzer in Beiträgen und Kommentaren auch strafbare Aussagen veröffentlicht. Dabei geraten nicht nur Asylbewerber und Unterkünfte für Flüchtlinge, sondern auch Personen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, in den Fokus von Rechtsextremisten. Die Summe der einschlägigen Aktionen und Veröffentlichungen sowie die Art der polemischen Darstellung können ausländerfeindliche Stimmungslagen erzeugen oder verstärken. Vor dem Hintergrund steigender Asylbewerberzahlen muss davon ausgegangen werden, dass Rechtsextremisten ihre Asylkritik weiterhin polarisierend aufbereiten und sie für ihre Ideologie, Aktionen und Veranstaltungen instrumentalisieren . Diese rechtsextremistischen Kampagnen können eine impulsgebende Wirkung auf radikalisierte und gewaltorientierte Einzelpersonen und auch auf solche Personen haben, die bislang nicht strukturell in der rechtsextremistischen Szene verankert waren. Zudem ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass mit steigenden Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen sowie mit dem damit einhergehenden Bau entsprechender Unterkünfte auch die Zahl potenzieller Tatgelegenheiten bzw. Tatobjekte wächst. 1.2 Inwiefern wurden bzw. werden die einzelnen bayerischen Polizeidienststellen angesichts der bestehenden Bedrohungslage sensibilisiert und welche konkreten Maßnahmen und Notfallpläne werden zum Schutz der genannten Personengruppen ergriffen bzw. bereitgestellt? Die bayerischen Polizeidienststellen wissen um die aus der Flüchtlingsthematik erwachsenen Gefahrenmomente und beobachten die entsprechenden regionalen Entwicklungen genau. Im Bereich der einzelnen Polizeipräsidien findet eine Sensibilisierung der nachgeordneten Polizeidienststellen durch die tägliche Lagearbeit, regelmäßige Dienststellenleiterbesprechungen und den ständig stattfindenden Informationsaustausch wie z. B. über die ortsabhängige Gefährdungseinschätzung statt. Letztere beruht neben den polizeilich registrierten Vorfällen im jeweiligen Schutzbereich vor allem auf den Erkenntnissen der Staatsschutzkommissariate und der örtlich zuständigen Schutzpolizeidienststellen. Die bayerischen Polizeidienststellen treffen ausgehend von den jeweils bestehenden Gefährdungseinschätzungen lageangepasst die erforderlichen Schutzmaßnahmen. Hierunter fallen insbesondere Objektschutzmaßnahmen an Asylbewerberunterkünften, anlassbezogen intensivierte Aufklärungsmaßnahmen sowie eine verstärkte Polizeipräsenz in den relevanten Bereichen. Straftaten zum Nachteil Drucksache 17/9164 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 von Asylbewerberheimen oder deren Bewohnern werden konsequent unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten verfolgt , um Täter schnellst möglich ermitteln und ggf. mit weiteren Maßnahmen belegen zu können. Darüber hinaus stehen die bayerischen Polizeipräsidien in engem Kontakt mit den Betreibern entsprechender Einrichtungen , deren Sicherheitsdiensten und den örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden. Für die Erstellung von Notfallplänen für einzelne Unterkünfte sind die Betreiber zuständig. Die Polizei wird hier bei Bedarf beratend tätig. Darüber hinaus bestehen bei der Bayerischen Polizei allgemeine Einsatzkonzepte, die lageabhängig Anwendung finden. 2. Welche konkreten Kenntnisse hat die Staatsregierung über den Polizeieinsatz in Ebersberg (siehe Vorbemerkung)? 2.1 Welche polizeilichen Maßnahmen wurden angesichts der rassistischen Beleidigungen am Ebersberger Bahnhof, die dem Angriff auf den Imbiss vorausgingen, ergriffen und welches Ergebnis hatten sie? Die Fragen 2 und 2.1 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nach den bisher durchgeführten Ermittlungen stellt sich der Sachverhalt nach Darstellung des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord sowie der Staatsanwaltschaft München II derzeit wie folgt dar: Am 25.09.2015 pöbelten zwei angetrunkene Beschuldigte gegen 20:30 Uhr am S-Bahnhof Ebersberg ausländische Personen an und riefen ausländerfeindliche Parolen. Von den Pöbeleien der beiden Beschuldigten waren auch der Betreiber des Döner-Imbissstandes am S-Bahnhof Ebersberg, einer seiner Mitarbeiter sowie zwei weitere im Imbissstand anwesende Zeugen betroffen. Im weiteren Verlauf kam es hierbei zunächst zu einer kurzen körperlichen Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Beschuldigten einerseits und dem Mitarbeiter sowie einem der beiden anwesenden Zeugen andererseits. Der Sachverhalt einer Beleidigung zum Nachteil von ausländischen Personen wurde um 20:45 Uhr durch einen Mitarbeiter des Döner-Imbiss per Notruf der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord mitgeteilt. Ein weiterer inhaltsgleicher Notruf wurde um 20:47 Uhr durch einen Passanten abgesetzt. Von der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Oberbayern wurden drei Streifenbesatzungen zum Einsatzort beordert. Die erste Streife der PI Ebersberg traf nach 7 Minuten ein. Nachdem sich die Lage bereits beruhigt hatte, war für die weiteren disponierten Streifen keine Anfahrt erforderlich. Die beiden Beschuldigten hatten sich noch vor Eintreffen der Polizei vom Tatort entfernt, konnten jedoch im Zuge der Fahndung in der näheren Umgebung angetroffen werden. Die anwesenden Einsatzkräfte nahmen eine Beleidigung zum Nachteil von fünf ausländischen Staatsbürgern auf. Die vor Ort durchgeführten Alkoholüberprüfungen ergaben bei den Beschuldigten erhebliche Alkoholisierungen. Nach Identitätsfeststellung und Beruhigung der Lage rückten die Einsatzkräfte zunächst ab, da Einsätze in Grafing und Kirchseeon zu übernehmen waren. Nachdem sich die beiden Beschuldigten zunächst entfernt hatten, kehrten sie nach einer Stunde in Begleitung mindestens weiterer sechs Personen zurück. Die beiden Beschuldigten sowie zwei weitere Personen aus dieser Gruppe drangen, bewaffnet mit Holzlatten, Hämmern und einem Messer, in den Geschäftsraum eines Döner -Imbiss in Ebersberg ein und zerschlugen einen Teil des Mobiliars. Der verursachte Sachschaden beläuft sich nach erster Schätzung auf rund 5.000 Euro. Ein anwesender 31-jähriger afghanischer Staatsangehöriger wurde mit einer Holzlatte auf den Hinterkopf geschlagen und erlitt hierbei Platzwunden und Hämatome. Ein ebenfalls anwesender 20-jähriger Afghane erlitt mittels eines Messers eine Schnittverletzung an der Hand, die ambulant im Krankenhaus behandelt werden musste. Während der Tathandlungen gaben die Beschuldigten Beleidigungen und Bedrohungen von sich. Der ganze Vorfall dauerte nach Angaben der Geschädigten max. zwei Minuten. Der o. g. Angriff wurde um 21:44 Uhr zeitgleich durch eine Anwohnerin und einen afghanischen Staatsbürger per Notruf der Einsatzzentrale des PP Oberbayern Nord mitgeteilt. Von dort wurden fünf Streifenbesatzungen zum Einsatzort beordert, von denen der erste nach 9 Minuten eintraf. Zu diesem Zeitpunkt waren die Täter bereits nicht mehr vor Ort. Nach Aufnahme des Sachverhalts wurde im Rahmen der sofort eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen auch die Wohnadresse eines der zuvor festgestellten Beschuldigten der Beleidigung zum Nachteil von fünf ausländischen Staatsbürgern überprüft. Dort konnten mehrere Personen deutscher Staatsangehörigkeit im Alter von 19 bis 34 Jahren angetroffen werden. Nach Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft erfolgte keine Festnahme, da aufgrund der unklaren Sachlage (ungeklärt war insbesondere, welcher der Anwesenden überhaupt an dem Angriff auf den Döner-Imbiss beteiligt war und wem ggf. welcher Tatbeitrag zugeordnet werden kann) ein für eine Festnahme erforderlicher „dringender Tatverdacht“ nicht begründet werden konnte. Es wurden Lichtbilder gefertigt und die Identität der Anwesenden festgestellt . Eine sofortige Vernehmung der Personen war im Hinblick auf den Grad der Alkoholisierung nicht möglich. Die weiteren Ermittlungen zum Tatgeschehen führt das Staatsschutzkommissariat der KPI Erding. 2.2 Wie ist zu erklären, dass trotz des vorangehenden rassistischen Vorfalls am Ebersberger Bahnhof 20 Minuten vergingen (siehe Schilderung in der Vorbemerkung), bis die Einsatzkräfte nach der Verständigung durch den Geschädigten den Tatort des Überfalls erreichten? Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord wurde der Sachverhalt um 21:44 Uhr per Notruf der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums gemeldet. Von den zum Einsatzort beorderten fünf Streifen traf die erste Streifenbesatzung der PI Ebersberg laut Dokumentation im Einsatzleitsystem um 21:53 Uhr am Einsatzort ein. Die Annahme, dass nach Absenden des Notrufs 20 Minuten bis zum Eintreffen der Polizeibeamten vergangen sind, ist somit nach Auswertung des Einsatzleitsystems nicht nachvollziehbar. 3. Welche Aussagen kann die Staatsregierung über den aktuellen Stand der Ermittlungen machen? Zwischenzeitlich erfolgten bei vier Personen, die nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis bei dem Angriff auf den Dönerstand beteiligt gewesen sein sollen, Wohnungsdurchsuchungen . Diese Personen wurden zwischenzeitlich wegen des Tatvorwurfs der gefährlichen Körperverletzung als Be- Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9164 schuldigte vernommen und erkennungsdienstlich behandelt. Gegen vier weitere Personen wird unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Die Ermittlungen in Form von noch durchzuführenden Zeugenund Beschuldigtenvernehmungen sowie der Auswertung von Datenträgern dauern an. 4. Wie viele der acht Tatverdächtigen sind in der Vergangenheit bereits durch rechtsextrem motivierte Straf-/Gewalttaten aufgefallen (einzelne Straf-/Gewalttaten bitte detailliert auflisten)? Die Mehrzahl der Beschuldigten ist in der Vergangenheit wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Registriert wurden schwerpunktmäßig Verstöße nach dem Betäubungsmittelgesetz , Sachbeschädigungen und Körperverletzungen . Den hier vorliegenden polizeilichen Erkenntnissen zufolge steht einer der Beschuldigten in Zusammenhang mit den folgenden zwei rechtsmotivierten Straftaten. a) Im April 2007 ereignete sich in Grafing eine rechtsmotivierte Streitigkeit, in deren Verlauf ein junger Mann aus einer 5-köpfigen Gruppe um den damals 15-Jährigen dem genannten Beschuldigten heraus mit ausländerfeindlichen Ausdrücken beleidigt und geschlagen wurde. Der Geschädigte zog sich hierbei leichte Verletzungen zu. b) Etwa einen Monat später im Jahr 2007 gerieten in Ebersberg Punker mit mehreren Personen aus der rechten Szene aneinander. Am selben Abend, knapp drei Stunden später, trafen einige der dort beteiligten Personen auf dem Nachhauseweg in Grafing erneut aufeinander. Bei der folgenden tätlichen Auseinandersetzung wurden zwei der Punker aus der 5-köpfigen rechtsmotivierten Gruppe um den genannten Beschuldigten heraus geschlagen und dabei leicht verletzt. 4.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen der Tatverdächtigen zur rechtsextremen Szene? 4.2 Standen bzw. stehen einzelne Tatverdächtige unter der Beobachtung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? Die Fragen 4.1 und 4.2 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Polizei und dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz war vor der Straftat in Ebersberg am 25.09.2015 keiner der Tatverdächtigen als Mitglied einer rechtsextremistischen Gruppierung bekannt. Vorbehaltlich der noch nicht abgeschlossenen Auswertung der sichergestellten Datenträger konnten bei den durchgeführten Durchsuchungen keine Gegenstände sichergestellt werden, welche die Zugehörigkeit der Beschuldigten zu einer organisierten rechtsextremistischen Szene beweisen würden. Da derzeit die Ermittlungen andauern, ist auch diesbezüglich eine abschließende Bewertung noch nicht möglich. 5. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über organisierte Onlinekampagnen der rechtsextremen Szene zur Einschüchterung und Bedrohung von Personen, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren? Es wird auf die Beantwortung der Frage 1.1 verwiesen. 5.1 Wie bewertet die Staatsregierung beispielsweise die konkreten Aktivitäten der rechtsextremen Facebook-Gruppe „Gegen Linksradikalismus – München“? 5.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu den Initiatoren der Facebook-Gruppe „Gegen Linksradikalismus – München“ und zu deren Verbindungen zur rechtsextremen Szene? Die Fragen 5.1 und 5.2 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Facebook-Gruppe „Gegen Linksradikalismus – München “, zu deren Initiatoren dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz gegenwärtig keine Informationen vorliegen , ist seit dem 21.09.2015 im sozialen Netzwerk Facebook aktiv. Ziel der Facebook-Gruppe ist auch das Outing von Personen, die von dem oder den Betreiber(n) des Facebook -Profils der linksextremistischen Szene zugerechnet werden. Die Agitation und Aktionen gegen den jeweiligen politischen Gegner sind fester Bestandteil politischer extremistischer Spektren und zielen letztlich auf die Verunsicherung und Einschüchterung des jeweiligen Gegenübers. Dieses soll dazu bewogen werden, seine politische Tätigkeit einzustellen . Die Aktionen reichen von Outings im Internet wie auch der realen Welt mit Flyern und Plakaten bis hin zu Sachbeschädigungen an Häusern oder Autos und andere Arten der Einschüchterung. 6. Inwiefern wird den einschüchternden und bedrohenden Kommentaren, die im Kontext der Facebook-Gruppe „Gegen Linksradikalismus – München“ erscheinen, von den bayerischen Sicherheitsbehörden nachgegangen (Zahl und Stand der Ermittlungen bitte detailliert auflisten)? Erlangt die Polizei Kenntnis von Straftaten, wird sie im Rahmen des Legalitätsprinzips tätig und ergreift die notwendigen Maßnahmen. Bei der Fachdienststelle des Polizeipräsidiums München sind mit Stand 27.10.2015 sechs Ermittlungsvorgänge in Zusammenhang mit der Facebook-Seite „Gegen Linksradikalismus – München“ in Bearbeitung. Diesen sechs Ermittlungsvorgängen liegen folgende Tatvorwürfe zugrunde: a) ein Vergehen der Sachbeschädigung, b) ein Vergehen der Verleumdung sowie ein Vergehen nach dem Kunsturheberrechtsgesetz, c) ein Vergehen nach dem Kunsturheberrechtsgesetz sowie d) in drei Vorgängen jeweils ein Vergehen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten. Zu allen Fällen sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen . 7. Welche speziellen Schutz- bzw. Unterstützungsmaßnahmen bietet die Staatsregierung für Personen an, die sich aufgrund entsprechender Kampag nen von Rechtsextremen eingeschüchtert und bedroht fühlen? Bei Kenntnis derartiger Bedrohungssituationen aufgrund entsprechender Kampagnen von Rechtsextremen werden die jeweiligen Sachverhalte zunächst auf strafrechtliche Relevanz geprüft und gegebenenfalls alle notwendigen strafprozessualen Maßnahmen zur Täterermittlung und -ergreifung getroffen. Eine konsequente Ausschöpfung aller repressiven Befugnisse dient neben der Gewährleistung einer Drucksache 17/9164 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 beweissicheren Strafverfolgung zugleich auch der Gefahrenabwehr und erhöht das Sicherheitsniveau für potenziell bedrohte oder gefährdete Personen. Gleichzeitig werden entsprechende spezifische präventive Schutzmaßnahmen geprüft und anlassbezogen bzw. lageangepasst durchgeführt. Überdies besteht für Personen, welche sich eingeschüchtert oder bedroht fühlen, grundsätzlich auch jederzeit die Möglichkeit eines individuellen Beratungsgesprächs unter Einbeziehung der Präventionsdienststelle . Im Rahmen eines solchen Beratungsgesprächs können sowohl verhaltensorientierte als auch technische Präventionshinweise, wie beispielsweise Schwachstellenanalysen und Sicherungskonzepte für Wohnungen, vermittelt werden.