Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.10.2015 Entwicklung der Bestände besonders geschützter Vogelarten in Schwaben Im Zusammenhang mit der Intensivierung der Landwirtschaft , der unverminderten Inanspruchnahme von Flächen für neue Gewerbegebiete, dem Bau neuer Windkraftanlagen und dem Bau weiterer Straßen ist die Gefährdung einiger Vogelarten stärker in die öffentliche Diskussion gekommen. Aus diesem Grund frage ich die Staatsregierung: 1. Wie hoch waren die Brutbestände laut Kenntnis der Staatsregierung in den Jahren 1980, 2000 und 2014 der Tierarten: Baumfalke, Kiebitz, Mäusebussard, Rotmilan , Schwarzmilan, Schwarzstorch, Uhu, Wespenbussard und Wiesenweihe? 2. Welche Ursache haben positive oder negative Bestandstrends bei den oben angeführten Arten (bitte einzeln aufführen)? 3. Für welche der oben genannten Arten existieren seit wann Artenhilfsprogramme? 4. Welche Artenhilfsmaßnahmen wurden für die einzelnen Arten umgesetzt? 5.1 Welche messbaren Effekte auf die Bestandsentwicklung hatten die Artenhilfsprogramme für die einzelnen Arten? 5.2 Von welchen Einrichtungen bzw. Personen sind diese Bestände erfasst worden? 5.3 Gibt es eine wissenschaftliche Qualitätsprüfung dieser Ergebnisse? 6. In welchen zeitlichen Abständen werden jeweils durch welche staatliche Institution in Bayern bayernweite Bestandsaufnahmen gefährdeter Brutvögel durchgeführt ? 7. Was ist die Ursache für das Aussterben der nachfolgenden Brutvögel am Lech, nachdem dort in den letzten 100 Jahren Birkhuhn, Sumpfohreule, Ziegenmelker , Rotschenkel, Lachmöwe, Lachseeschwalbe und der Triel ausgestorben sein sollen und in den letzten 30 Jahren auch noch der Raubwürger, Fischadler und die Flussseeschwalbe? 8. Was hat die Höhere Naturschutzbehörde in der Regierung von Schwaben getan, um diese genannten Arten zu schützen oder wieder am Lech heimisch zu machen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 24.11.2015 1. Wie hoch waren die Brutbestände laut Kenntnis der Staatsregierung in den Jahren 1980, 2000 und 2014 der Tierarten: Baumfalke, Kiebitz, Mäusebussard , Rotmilan, Schwarzmilan, Schwarzstorch, Uhu, Wespenbussard und Wiesenweihe? Für den gesamten Bezirk stehen Daten aus den bayerischen Brutvogelatlanten 1987, 2005 und 2012 zur Verfügung (jeweilige Kartierungszeiträume 1983–87, 1996–99, 2005–09). Die ersten beiden Atlanten stellen die Verbreitung in Bayern dar, genaue Bestandszahlen wurden nicht erhoben. Als Maß für die Häufigkeit kann die Zahl der besetzten Kartenraster gelten. Der Atlas 2012 enthält erstmals auch konkrete Angaben zur Bestandsgröße. In der nachfolgenden Tabelle sind sowohl die Zahl der besetzten Rasterflächen für die drei Zeiträume und die daraus abgeleiteten Bestandstrends als auch die konkrete Bestandsschätzung (Anzahl der Brutpaare) für den Zeitraum 2005–2009 dargestellt. Art/ Kartierung 1983–87 1996–99 2005–09 Trend Bestand 2005–09 Baumfalke 36 79 72 + 266–515 Kiebitz 95 76 67 - 890–2.286 Mäusebussard 101 106 92 +/- 2.424–6.638 Rotmilan 47 63 76 + 310–664 Schwarzmilan 36 46 70 + 229–443 Schwarzstorch 0 4 12 + 14–16 Uhu 11 22 35 + 93–176 Wespenbussard 26 38 37 +/- 78–119 Wiesenweihe 3 3 4 + 14–29 2. Welche Ursache haben positive oder negative Bestandstrends bei den oben angeführten Arten (bitte einzeln aufführen)? Für die Arten mit erkennbaren Trends liegen folgende Ursachen zugrunde: Baumfalke – stabil bis leicht zunehmender Bestand, geringe Rasterfrequenz bei der ersten Atlaskartierung teilweise wohl auf Erfassungslücken zurückzuführen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.01.2016 17/9209 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9209 Kiebitz – negativer Bestandstrend v. a. aufgrund von Lebensraumverlust , intensiver Landnutzung, ungünstige Bewirtschaftungszeiträume und Störungen. Rot- und Schwarzmilan – positiver Bestandstrend, welcher v. a. auf eine Arealerweiterung im Alpenvorland zurückzuführen ist. Schwarzstorch – positiver Bestandstrend, der wie im restlichen Bayern und Deutschland auf der überregionalen Bestandserholung und damit einhergehender Wiederbesiedelung seines früheren Areals beruht. Uhu – positiver Bestandstrend aufgrund der Einstellung von Verfolgung sowie der Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen des Artenhilfsprogramms; zudem Behebung von Erfassungsdefiziten . Wiesenweihe – positiver Bestandstrend, welcher hauptsächlich auf die Maßnahmen des Artenhilfsprogramms zurückzuführen ist. Dabei spielt auch der Wechsel des bevorzugten Bruthabitats von Grünland hin zu Ackerland eine wichtige Rolle. 3. Für welche der oben genannten Arten existieren seit wann Artenhilfsprogramme? Artenhilfsprogramme (AHP) existieren in Bayern seit 2001 für den Uhu (AHP Felsbrüter), seit 1999 für die Wiesenweihe und seit 2014 für den Kiebitz (AHP Wiesenbrüter). 4. Welche Artenhilfsmaßnahmen wurden für die einzelnen Arten umgesetzt? In den AHP für die o. g. Arten werden u. a. folgende Maßnahmen umgesetzt: Uhu: Schutz der Brutplätze durch Störungsreduzierung, u. a. durch Erstellung von Kletterkonzepten und Umsetzung des Steinbruchpakts mit dem Gesteinsabbau, Erhöhung der Strukturvielfalt in den Nahrungshabitaten. Wiesenweihe: Schutz der Getreidebruten mithilfe von ehrenamtlich tätigen Vogelkundlern; Ausgleichszahlungen für stehen gelassene Getreiderestflächen an Landwirte, um Jungvogelverluste zu minimieren. Kiebitz: Das AHP „Wiesenbrüter“ ist gerade im Aufbau. Geplant und zum Teil auch schon umgesetzt sind kiebitzfördernde Maßnahmen wie z. B. angepasste Nutzung um Brutplätze, Anlage von Mulden und Seigen, Besucherlenkung in Schwerpunktgebieten sowie Förderung der für den Kiebitz relevanten Maßnahmen im Rahmen des Vertragsnaturschutzprogramms . Außerhalb des AHP werden derartige Maßnahmen z. B. bereits von der Arge Donaumoos im schwäbischen Donaumoos umgesetzt. 5.1 Welche messbaren Effekte auf die Bestandsentwicklung hatten die Artenhilfsprogramme für die einzelnen Arten? Für den Uhu und die Wiesenweihe können positive Bestandsentwicklungen festgestellt werden (siehe Antwort zu Frage 1); beim Kiebitz konnte im Donaumoos durch Artenhilfsmaßnahmen bereits der Bruterfolg gesteigert werden. 5.2 Von welchen Einrichtungen bzw. Personen sind diese Bestände erfasst worden? Im Rahmen der bestehenden AHP werden die Bestände regelmäßig von ehrenamtlichen Mitarbeitern unter der Koordination des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) erfasst. Im Donaumoos kartiert die Arge Donaumoos den Kiebitzbestand. 5.3 Gibt es eine wissenschaftliche Qualitätsprüfung dieser Ergebnisse? Die Daten werden durch das LfU (Vogelschutzwarte) geprüft und in Fachkreisen regelmäßig diskutiert. 6. In welchen zeitlichen Abständen werden jeweils durch welche staatliche Institution in Bayern bayernweite Bestandsaufnahmen gefährdeter Brutvögel durchgeführt? Bayernweite Bestandserfassungen der gesamten Brutvogelwelt , die in Verbreitungsatlanten münden, erfolgen in größeren Zeitabständen unter der Koordination des LfU (siehe Antwort 1). Kartierungen von gefährdeten Brutvögeln im Rahmen von Artenhilfsprogrammen werden zum Teil durch Auftragskartierer, zum Teil durch ehrenamtliche Kartierer durchgeführt. 7. Was ist die Ursache für das Aussterben der nachfolgenden Brutvögel am Lech, nachdem dort in den letzten 100 Jahren Birkhuhn, Sumpfohreule, Ziegenmelker, Rotschenkel, Lachmöwe, Lachseeschwalbe und der Triel ausgestorben sein sollen und in den letzten 30 Jahren auch noch der Raubwürger , Fischadler und die Flussseeschwalbe? Die genannten Arten sind am Lech in den letzten 100 Jahren als Brutvögel ausgestorben. Sie kommen aber entlang des Lechs teilweise noch als Durchzügler und Wintergäste vor. Folgende Ursachen sind im Wesentlichen für die o. g. Artenverluste maßgeblich: – Verlust an Lebensraum, insbesondere die Umwandlung des frei fließenden Lechs in eine Stauhaltungskette mit dem Verlust jeglicher Umlagerungsdynamik. – Kiesbänke entstehen nur mehr im Kleinformat im Wurzelbereich der Staustufen, wachsen dort aber rasch zu. Die Kiesbänke in der Ausleitungsstrecke Gersthofen – Meitingen (innerhalb des schmalen Flussbetts) reichen als Brutlebensraum für anspruchsvolle Arten nicht mehr aus, hier kommt aber noch der Flussregenpfeifer vor. – Das völlige Verschwinden der einstmals sehr breiten, offenen , aufgefächerten, schwer zugänglichen (und damit störungsarmen) Flussaue. – Ferner das Verschwinden von flussbegleitenden Sumpfund Moorgebieten. 8. Was hat die Höhere Naturschutzbehörde in der Regierung von Schwaben getan, um diese genannten Arten zu schützen oder wieder am Lech heimisch zu machen? Flussseeschwalbe: In jüngster Zeit wurde am Stau 21 eine Insel neu als Brutplatz hergerichtet, zu einer Wiederansiedlung ist es aber noch nicht gekommen. Licca liber: Dieses vom Naturschutz maßgeblich unterstützte Vorhaben der Wasserwirtschaft könnte die Lebensraumsituation wieder so weit verbessern, dass sich z. B. Lachmöwe und Flußseeschwalbe wieder als Brutvogel ansiedeln könnten. Evtl. wird sich dann auch der Raubwürger wieder als regelmäßiger Wintergast etablieren. Bei den übrigen Arten stehen die Chancen auf eine Wiederansiedlung als Brutvögel derzeit schlecht, weil für sie geeignete Lebensräume und die notwendigen Standortfaktoren nicht mehr in ausreichendem Umfang vorhanden sind und weil diese aufgrund der massiven Lebensraumveränderungen , der Siedlungsstruktur und der gewachsenen Infrastruktur auch nicht wiederherstellbar sind. Einige der genannten Arten sind zwischenzeitlich bereits großräumig ausgestorben (insbesondere Lachseeschwalbe und Triel).