Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 07.10.2015 Rechtsextreme Tendenzen in bayerischen Burschenschaften In den vergangenen Monaten und Jahren sind die Verbindungen zwischen bayerischen Burschenschaften und der rechtsextremen Szene immer wieder deutlich geworden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang insbesondere an die rechte Messe „Zwischentag“, die Anfang Juli 2015 in den Räumlichkeiten der Erlanger Burschenschaft Frankonia stattgefunden hat. Im Ausstellungsprogramm waren u. a. die Macher der Zeitschrift „Umwelt & Aktiv“ vertreten, die vom in Landshut ansässigen Verein „Midgard“ herausgegeben wird. Über diesen Verein schreibt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz im Verfassungsschutzbericht 2014: „Dem Vorstand des Vereins gehören überwiegend Rechtsextremisten an, die zum Teil in der NPD aktiv waren oder sind.“ Auch der Verein „Gedächtnisstätte“, den der thüringische Verfassungsschutz als rechtsextremistisch einstuft, beteiligte sich an der Veranstaltung im Erlanger Burschenschaftshaus. Zu den Besuchern der Messe zählten u. a. der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Axel Michaelis sowie Karl-Heinz Hoffmann, der Gründer der nach ihm benannten und 1980 verbotenen rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann. In München sorgten Ende Juli 2015 rechtsextreme Umtriebe von Münchner Burschenschaften im Hofbräukeller für Schlagzeilen. Friedrich Steinberg, der Wirt des Hofbräukellers , äußerte sich dazu wie folgt: „Mitte Juni berichteten mir meine Mitarbeiter, dass während einer Verbindungsfeier die erste Strophe des Deutschlandlieds gesungen wurde. Da hat es mir gereicht.“ (http://www.spiegel.de/panorama/ gesellschaft/muenchen-hofbraeukeller-wirt-wirft-burschenschaften -raus-a-1045265.html). Ein weiteres Beispiel sind die Verbindungen der Bayreuther Burschenschaft Thessalia zur neonazistischen und rechtsterroristischen Szene. So wohnte Mario B., ein enger Verbündeter des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), jahrelang im Haus der Verbindung (http://www.spiegel .de/unispiegel/studium/burschenschaft-thessalia-in-bayreuth -will-volkstrauertag-kapern-a-998156.html). Trotz der vielen Hinweise auf enge Verbindungen zwischen bayerischen Burschenschaften und der rechtsextremen Szene findet sich im aktuellen Verfassungsschutzbericht lediglich die Aktivitas der Burschenschaft Danubia München. Dabei ist neben der Aktivitas auch der Altherrenverband der Danubia im vergangenen Jahr durch eine (später wieder zurückgezogene ) Vortragseinladung an den rechtsextremen Publizisten Martin Pfeiffer negativ aufgefallen (http://www. sueddeutsche.de/muenchen/rechtsextremismus-danubiazieht -die-notbremse-1.2002688). Und erst kürzlich hetzte ein Danubia-Mitglied in der rechtsextremen Zeitschrift „Die Aula“ in unerträglicher Weise gegen KZ-Überlebende (http:// www.sueddeutsche.de/muenchen/burschenschaft-danubiahetze -gegen-kz-ueberlebende-1.2678451). Zudem zeigte sich insbesondere durch die gemeinsame Ausrichtung und Bewerbung des Münchner Burschenschafterballs 2014, dass die vom Verfassungsschutz beobachtete Danubia in der Münchner Burschenschaftsszene alles andere als isoliert ist (http:// www.sueddeutsche.de/muenchen/burschenschafterball -in-muenchen-kuenstlerhaus-wehrt-sich- gegenrechte -1.1942318). Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über rechtsextreme Tendenzen innerhalb von bayerischen Burschenschaften bzw. über Verbindungen einzelner Burschenschaften zur rechtsextremen Szene vor? 1.1 Sind der Staatsregierung Mitglieder von bayerischen Burschenschaften bekannt, die Mitglieder in rechtsextremen Organisationen jedweder Art waren oder sind? 2. Welche bayerischen Burschenschaften sind derzeit Beobachtungsobjekte des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? 2.1 In welchen bayerischen Burschenschaften sind einzelne Mitglieder organisiert, die vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden ? 3. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über rechtsextreme Aktivitäten der Erlanger Burschenschaft Frankonia bzw. über deren Verbindungen zur rechtsextremen Szene vor? 3.1 Inwiefern steht die Erlanger Burschenschaft Frankonia unter der Beobachtung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? 3.2 Aus welchen Gründen wurden die Burschenschaft Frankonia bzw. deren rechtsextreme Aktivitäten (siehe Vorbemerkung) nicht im Verfassungsschutzbericht 2014 erwähnt? 4. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über rechtsextreme Aktivitäten der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth bzw. über deren Verbindungen zur rechtsextremen Szene vor? 4.1 Inwiefern steht die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth unter der Beobachtung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? 4.2 Aus welchen Gründen wurden die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth bzw. deren rechtsextreme Aktivitäten (siehe Vorbemerkung) nicht im Verfassungsschutzbericht 2014 erwähnt? 5. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über rechtsextreme Aktivitäten des Altherrenverbands der Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.01.2016 17/9235 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9235 Burschenschaft Danubia München bzw. über dessen Verbindungen zur rechtsextremen Szene vor? 5.1 Inwiefern steht der Altherrenverband der Burschenschaft Danubia München unter der Beobachtung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? 5.2 Aus welchen Gründen wurden der Altherrenverband der Burschenschaft Danubia München bzw. dessen rechtsextreme Aktivitäten (siehe Vorbemerkung) nicht im Verfassungsschutzbericht 2014 erwähnt? 6. Welche Mitglieder der Staatsregierung waren bzw. sind derzeit noch Mitglieder in Burschenschaften (bitte einzelne Mitgliedschaften auflisten)? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 23.11.2015 1. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über rechtsextreme Tendenzen innerhalb von bayerischen Burschenschaften bzw. über Verbindungen einzelner Burschenschaften zur rechtsextremen Szene vor? 1.1 Sind der Staatsregierung Mitglieder von bayerischen Burschenschaften bekannt, die Mitglieder in rechtsextremen Organisationen jedweder Art waren oder sind? Allgemeine Auskünfte der Staatsregierung zu bayerischen Burschenschaften sind in den Landtagsdrucksachen 16/13441, 17/4728 (Seite 4–Seite 8) und 17/4799 veröffentlicht . Im Übrigen verweisen wir auf die Antworten zu den nachfolgenden Fragen. 2. Welche bayerischen Burschenschaften sind derzeit Beobachtungsobjekte des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? 2.1 In welchen bayerischen Burschenschaften sind einzelne Mitglieder organisiert, die vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden? Bei Burschenschaften handelt es sich um eine tradierte Form von Studentenverbindungen, die sich mit politischen Themen auseinandersetzen. Die ganz überwiegende Zahl der Burschenschaften unterhält keinerlei Kontakte zu Rechtsextremisten. Vielmehr haben zahlreiche Mitglieder von Burschenschaften wesentliche Beiträge zur demokratischen Entwicklung Deutschlands in den letzten 200 Jahren geliefert. Die Aktivitas der Münchener Burschenschaft Danubia und die Aktivitas der Erlanger Burschenschaft Frankonia sind dagegen seit dem Jahr 2015 Beobachtungsobjekte des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV). Zur Bayreuther Burschenschaft Thessalia zu Prag wird auf die Antwort zu den Fragen 4., 4.1 und 4.2 verwiesen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Landtagsdrucksache 17/4728 (Seite 4–Seite 8) Bezug genommen. 3. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über rechtsextreme Aktivitäten der Erlanger Burschenschaft Frankonia bzw. über deren Verbindungen zur rechtsextremen Szene vor? Veranstaltungen bei der Erlanger Burschenschaft Frankonia wurden in der Vergangenheit von Rechtsextremisten beworben und besucht. Am 04.07.2015 stellte die Burschenschaft ihr Verbindungshaus in Erlangen für die Messe „Zwischentag “ zur Verfügung. Einzelne Messeaussteller sind als rechtsextremistische Organisationen bekannt geworden, beispielsweise die Publikation Umwelt & Aktiv des Vereins Midgard e.V. Aus dem rechtsextremistischen Spektrum waren am Messetag der ehemalige Leiter der verbotenen Wehrsportgruppe Karl-Heinz Hoffmann und der stellvertretende bayerische NPD-Landesvorsitzende Axel Michaelis vor Ort. Zu den Besuchern gehörte auch der bayerische Landesvorsitzende der Partei Die Freiheit, Michael Stürzenberger. Die Burschenschaft Frankonia stellt in Aussicht, dass die Messe im Jahr 2016 wieder in ihrem Verbindungshaus stattfinden kann. 3.1 Inwiefern steht die Erlanger Burschenschaft Frankonia unter der Beobachtung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 3.2 Aus welchen Gründen wurden die Burschenschaft Frankonia bzw. deren rechtsextreme Aktivitäten (siehe Vorbemerkung) nicht im Verfassungsschutzbericht 2014 erwähnt? Mit dem jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht informiert das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr die Öffentlichkeit gem. Art. 15 BayVSG über tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten. Die Berichterstattung orientiert sich dabei – unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – insbesondere an den aktuell bedeutsamen extremistischen Organisationen und stellt keine abschließende Aufzählung sämtlicher, dem Beobachtungsauftrag unterliegender, extremistischer Gruppierungen und ihrer Aktivitäten dar. Außerdem gibt der Verfassungsschutzbericht einen Überblick über Tätigkeitsschwerpunkte des Verfassungsschutzes im jeweiligen Berichtsjahr und hebt bedeutsame Ereignisse des Berichtszeitraums, insbesondere extremistisch motivierte Straftaten, besonders hervor, bei denen ein entsprechend hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Die Erlanger Burschenschaft Frankonia war im Jahr 2014 (Berichtszeitraum des Verfassungsschutzberichts 2014) kein Beobachtungsobjekt des BayLfV. Drucksache 17/9235 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über rechtsextreme Aktivitäten der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth bzw. über deren Verbindungen zur rechtsextremen Szene vor? 4.1 Inwiefern steht die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth unter der Beobachtung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? 4.2 Aus welchen Gründen wurden die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth bzw. deren rechtsextreme Aktivitäten (siehe Vorbemerkung) nicht im Verfassungsschutzbericht 2014 erwähnt? Auskünfte der Staatsregierung zur Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth sind in den Landtagsdrucksachen 17/4728 (Seite 4–Seite 8) und 17/4799 veröffentlicht. Es ergaben sich seitdem keine Änderungen bei der Erkenntnislage und der Bewertung der Burschenschaft. Dem BayLfV wurden im Rahmen der Beobachtung der rechtsextremistischen Szene wenige Erkenntnisse über Beziehungen von einzelnen Aktiven der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth zu rechtsextremistischen Organisationen bekannt. Soweit einzelne Mitglieder der Verbindung sich in der rechtsextremistischen Szene bewegen, unterliegen diese dem Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes . Dem BayLfV liegen jedoch gegenwärtig keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte vor, dass die Aktivitas der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth durch Betätigungen selbst in zurechenbarer, politisch zieIund zweckgerichteter Weise Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen oder außer Geltung setzen wolle. Der Verbindung zurechenbare Betätigungen von Einzelpersonen im rechtsextremistischen Bereich konnten bisher nicht nachgewiesen werden. In diesem Zusammenhang wird vom Verfassungsschutz intensiv geprüft, ob von solchen Personen – der Verbindung zurechenbare – Aktivitäten (z. B. die Organisation extremistisch geprägter Vortragsreihen) ausgehen und dadurch Anhaltspunkte für ein insgesamt extremistisches Gepräge der studentischen Verbindung erkennbar werden. 5. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über rechtsextreme Aktivitäten des Altherrenverbands der Burschenschaft Danubia München bzw. über dessen Verbindungen zur rechtsextremen Szene vor? 5.1 Inwiefern steht der Altherrenverband der Burschenschaft Danubia München unter der Beobachtung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz ? 5.2 Aus welchen Gründen wurden der Altherrenverband der Burschenschaft Danubia München bzw. dessen rechtsextreme Aktivitäten (siehe Vorbemerkung ) nicht im Verfassungsschutzbericht 2014 erwähnt? Auskünfte der Staatsregierung zur Münchener Burschenschaft Danubia sind in den Landtagsdrucksachen 16/13441 und 17/4799 veröffentlicht. Über die Münchener Burschenschaft Danubia informiert der jährliche Verfassungsschutzbericht . Veranstaltungen der Münchener Burschenschaft Danubia werden nach eigener Darstellung von „unseren jungen Bundesbrüdern in eigener Regie“ organisiert. Die sogenannten „Alten Herren“ stehen dabei unterstützend zur Seite, außerdem gewähren die „Alten Herren“ Hilfe und Unterstützung während des Studiums. Soweit sich Personen in der rechtsextremistischen Szene bewegen, die zugleich als „Alte Herren“ einer studentischen Verbindung angehören, unterliegen diese bereits dem Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes. In diesem Zusammenhang wird intensiv geprüft, ob von solchen Personen Aktivitäten ausgehen, die der studentischen Verbindung zugerechnet werden können und dadurch Anhaltspunkte für ein insgesamt extremistisches Gepräge der studentischen Verbindung auch in Bezug auf die „Alten Herren“ erkennbar werden. So wurde dem BayLfV der „Alte Herr“ der Münchener Burschenschaft , Fred Duswald, mit antisemitischen Aussagen bekannt. Aussagen von Fred Duswald genügen jedoch nicht für die Beobachtung der Gesamtheit der „Alten Herren“ der Münchener Burschenschaft Danubia. Fred Duswald war am 03.08.2013 als Gastredner der pennalen Burschenschaft Saxonia-Czernowitz eingeladen. Die pennale Burschenschaft Saxonia-Czernowitz hat wie die Münchener Burschenschaft Danubia ihren Sitz in der Möhlstraße 21 in München. Das BayLfV prüft, ob von der pennalen Burschenschaft Saxonia-Czernowitz Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. 6. Welche Mitglieder der Staatsregierung waren bzw. sind derzeit noch Mitglieder in Burschenschaften (bitte einzelne Mitgliedschaften auflisten)? Eine Abfrage bei den Mitgliedern der Staatsregierung hat ergeben, dass Herr Staatsminister Dr. Markus Söder Mitglied der Burschenschaft Teutonia Nürnberg im Schwarzburgbund (Zusammenschluss nicht schlagender, christlich orientierter Studentenverbindungen) ist.