Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE vom 27.10.2015 Potenziale von Migrantinnen- und Migrantenorganisationen in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Potenziale zur Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten sieht die Staatsregierung und welche Rolle kommt dabei aus ihrer Sicht dem Engagement und der Arbeit der Migrantinnen - und Migrantenorganisationen in Bayern zu? 2. Welche Kooperationen zwischen Migrantinnen- und Migrantenorganisationen und der Staatsregierung bestehen in Bayern und wie erfolgreich werden diese bewertet ? 3. Welche Kooperationen auf kommunaler Ebene sind der Staatsregierung bekannt und wie werden diese bewertet? 4. Welche Möglichkeiten und welche Herausforderungen sieht die Staatsregierung im Hinblick auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Migrantinnen- und Migrantenorganisationen sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene? 5. Welche Informationen liegen der Staatsregierung über die vorgehaltenen Angebote im Bereich der Partizipation und der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen - und Migrantenorganisationen in Bayern vor? 6. Welchen Vernetzungsgrad haben die Migrantinnenund Migrantenorganisationen in Bayern und inwieweit sind öffentliche Stellen – sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene – an solchen Netzwerken beteiligt ? 7. Wie beurteilt die Staatsregierung das Erfordernis einer weiteren Vernetzung und wie plant sie, einen solchen Prozess zu unterstützen? 8. Welche Rolle können Migrantinnen- und Migrantenorganisationen in Bayern aus Sicht der Staatsregierung, insbesondere bei der Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Migrantinnen und Migranten, spielen? 8.1 Bestehen zwischen der Staatsregierung und der Migrantinnen - und Migrantenorganisationen Kooperationen , um den Zugang zum Arbeitsmarkt für Migrantinnen und Migranten zu ermöglichen? 8.2 Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 27.11.2015 1. Welche Potenziale zur Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten sieht die Staatsregierung und welche Rolle kommt dabei aus ihrer Sicht dem Engagement und der Arbeit der Migrantinnen- und Migrantenorganisationen in Bayern zu? Die Staatsregierung steht in einem regelmäßigen Dialog mit Migranten, mit Vertretern der Zivilgesellschaft, mit Wissenschaftlern und vielen anderen Akteuren im Bereich der Integrationspolitik . Damit Integration gelingt, sind neben der Akzeptanz der Werte der Sprache, der Bildung, der Arbeit und der Teilhabe ganz besondere Bedeutung beizumessen. Integrationspolitik ist nicht nur eine staatliche Aufgabe, sondern auf die aktive Mitarbeit der Organisationen der Zivilgesellschaft angewiesen. Zusätzlich kommt es auf jede einzelne Person mit Migrationshintergrund an. Dabei helfen die kommunalen, staatlichen und durch den Bund etablierten Angebote zur Integration. Insbesondere dem Beherrschen der deutschen Sprache kommt als Schlüssel zur gelingenden Integration eine große Bedeutung zu. Hier haben sich auch die Migrantenselbstorganisationen bzw. Migrantenorganisationen (MO) entsprechend zu positionieren und das Ziel zu unterstützen. Je nach Größe und Professionalisierungsgrad funktioniert diese Unterstützung der Integration durch die MO weitgehend gut. Der Begriff „Migrantenselbstorganisation“ ist ein Synonym für vielfältigste Gruppierungen, Interessenvertretungen, Initiativen und Vereine. Dies hat zur Folge, dass MO äußerst heterogen sind in der Zusammensetzung, aber auch in der Arbeit, der sie sich annehmen. So gibt es MO, die ausschließlich im kulturellen Bereich angesiedelt sind, oder aber MO, die auch den Bereich bürgerschaftliches Engagement und Integration als Hauptziel verfolgen. Wieder andere dienen lediglich als Ort der Zusammenkunft von Personen identischer Herkunft und/oder Kultur. Daneben ist zu bemerken , dass unter der Vielzahl von MO auch unterschiedlichste Professionalisierungsgrade existieren. Von kleinen und Kleinstgruppierungen, die sich zu Kultur-Religions- oder Gemeinschaftszwecken zusammenfinden, bis hin zu großen Dachorganisationen, die für bestimmte Teile (z.B. Kulturen, Ethnien, Religionen) von Menschen mit Migrationshintergrund als Sprachrohr und Interessenvertretung dienen. Immer wieder wird versucht, die Zahl der MO in Deutschland zu erfassen, was bislang aufgrund der beschriebenen Heterogenität nur näherungsweise gelang (2011 ging die Bundesregierung von 20.000 MO in Deutschland aus). Um eine abgestimmte Vorgehensweise in Deutschland zu erreichen, hat die Integrationsministerkonferenz u.a. auf Vorschlag Bayerns einen einstimmigen Beschluss gefasst. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.01.2016 17/9351 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9351 Inhaltlich zusammengefasst wird im genannten Beschluss ausgesagt, dass landesweit organisierte und herkunftsheterogene Migrantenorganisationen geeignete Kooperationspartner darstellen, wobei diese entsprechend ihrer jeweiligen fachpolitischen Bedeutung und im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorgaben als Zuwendungsempfänger verstärkt einbezogen werden können. Eine besondere Heraushebung oder Bevorzugung von MO in diesem Bereich ist freilich schon aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht möglich. 2. Welche Kooperationen zwischen Migrantinnenund Migrantenorganisationen und der Staatsregierung bestehen in Bayern und wie erfolgreich werden diese bewertet? Kooperationen zwischen der Staatsregierung und MO bestehen dergestalt, dass Förderprojekte durch entsprechende MO im Bereich der Integrationsförderung durchgeführt werden, so z. B. die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns e.V. (AGABY) oder diverse als Vereine organisierte Initiativgruppen. Diese haben eine gute „Reichweite “ und dienen insbesondere hinsichtlich der Integrationsarbeit vor Ort als Beispiele gelingender Integration und Einbringung in den Prozess als MO. Hinsichtlich des Erfolgs kann darauf verwiesen werden, dass im Bereich der finanziellen Förderungen stets Sachberichte zu Projekt-Outputs abgegeben werden müssen. Diese werden im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfungen gesichtet und bewertet. Bislang gab es seitens der Bewilligungsbehörde keine Beanstandungen . 3. Welche Kooperationen auf kommunaler Ebene sind der Staatsregierung bekannt und wie werden diese bewertet? Aufgrund der Heterogenität (vgl. Antwort zu Frage 1) und der Anzahl der MO hat die Staatsregierung keinen detaillierten Überblick über Kooperationen oder sonstige Arten der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. 4. Welche Möglichkeiten und welche Herausforderungen sieht die Staatsregierung im Hinblick auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Migrantinnen - und Migrantenorganisationen sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene? Integrationspolitik ist nicht nur eine staatliche Aufgabe, sondern auf die Mitarbeit der Organisationen der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen angewiesen. Unter der Einbeziehung der Antwort zu Frage 2 ist aus Sicht der Staatsregierung eine Zusammenarbeit auf Landesebene nur möglich, wenn die MO eine entsprechende Größe und einen entsprechenden Professionalisierungsgrad erreicht haben. Die Zusammenarbeit mit Kleinst-MO auf Landesebene ist wenig zielführend, da auf ministerieller Ebene zwar die Integration vor Ort unterstützt wird, jedoch konkrete Kontakte nur auf strategischer, bayernweiter Ebene sinnvoll sind. Insoweit steht die Zusammenarbeit der MO vor Ort in und mit den Kommunen im Vordergrund. Auf kommunaler Ebene ist es in Übereinstimmung mit dem von der Staatsregierung unterstützten Gedanken, dass Integration vor Ort beginnt, wichtig, dass Kontakte zu MO aufgebaut werden und im Rahmen eines gemeinsamen Diskurses auf lokaler Ebene Möglichkeiten erkannt und umgesetzt sowie Synergieeffekte genutzt werden. Zusätzlich hierzu plant das Sozialministerium, im Frühjahr 2016 zu einer „Trägerkonferenz “ einzuladen, in der es um die Information, Professionalisierung und Ausblicke im Rahmen der Integrationsförderung gehen wird. Hierbei werden auch die MO entsprechend berücksichtigt. 5. Welche Informationen liegen der Staatsregierung über die vorgehaltenen Angebote im Bereich der Partizipation und der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen- und Migrantenorganisationen in Bayern vor? In der Vergangenheit wurden von der Staatsregierung Projekte von MO unterstützt, die dieses Thema analysierten. So zum Beispiel das von AGABY durchgeführte Projekt ,,Empowerment & Partizipation“. Daneben wird die Staatsregierung von einigen MO entsprechend auf Angebote hingewiesen und informiert. 6. Welchen Vernetzungsgrad haben die Migrantinnen - und Migrantenorganisationen in Bayern und inwieweit sind öffentliche Stellen – sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene – an solchen Netzwerken beteiligt? Größere, meist Dachorganisationen, nehmen an Netzwerken auf Landesebene, Veranstaltungen und öffentlichen Tagungen der Staatsregierung (wie z. B. der Integrationskonferenz im Jahr 2014) teil. Im Rahmen von Projekten ist die Staatsregierung teils als Netzwerkpartner eingebunden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 7. Wie beurteilt die Staatsregierung das Erfordernis einer weiteren Vernetzung und wie plant sie, einen solchen Prozess zu unterstützen? Das Erfordernis der Vernetzung, welches – dem Leitgedanken der Integration vor Ort folgend – auf kommunaler Ebene umgesetzt werden sollte, ist abhängig von der jewei ligen Situation in der Kommune. Zu der auch unter Frage 1 beschriebenen Heterogenität, Vielschichtigkeit und den unterschiedlichen Professionalisierungsgraden der MO tritt zusätzlich auch das regionale Vorhandensein von MO, Zielgruppe und Vernetzungsbedarfen in den Vordergrund. Prozesse der Vernetzung können durch die Staatsregierung bei Bedarf unterstützt werden, wenn es sich dabei um ernsthafte Vernetzung und konstruktive Einbringung handelt. Dabei ist jedoch stets zu bedenken, dass aufgrund der erforderlichen Gleichbehandlung keine MO bevorzugt behandelt werden kann. 8. Welche Rolle können Migrantinnen- und Migrantenorganisationen in Bayern aus Sicht der Staatsregierung , insbesondere bei der Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Migrantinnen und Migranten, spielen? 8.1 Bestehen zwischen der Staatsregierung und den Migrantinnen- und Migrantenorganisationen Kooperationen um den Zugang zum Arbeitsmarkt für Migrantinnen und Migranten zu ermöglichen? 8.2 Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Bewältigung des enormen Flüchtlingszugangs stellt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor die derzeit größten Herausforderungen seit der Wiedervereinigung. Dabei ist ein rascher Zugang zu Arbeit und Ausbildung eine tragende Säule für eine gelingende Integration. Deshalb gilt es, die Integration von ausbildungs- bzw. arbeitswilligen und -fähigen Flüchtlingen in die Arbeitswelt mittels entsprechender Drucksache 17/9351 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gesetzlicher Rahmenbedingungen und sonstiger flankierender Maßnahmen zu unterstützen. Es wird begrüßt, dass die Agenturen für Arbeit eng vernetzt mit den zuständigen Stellen in den aufnehmenden Kommunen, insbesondere der Asylsozialberatung, den Migrationsfachdiensten , den Anerkennungsstellen sowie den Jobcentern zusammenarbeiten sollen. Die Staatsregierung sieht die Notwendigkeit, die Bereiche Ausbildung und Arbeit weiter zu stärken, und hat am 13. Oktober 2015 zusammen mit den Spitzenorga nisationen der bayerischen Wirtschaft und der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit die Vereinbarung „Integration durch Ausbildung und Arbeit“ unterzeichnet. Die genannte Vereinbarung sieht wichtige Maßnahmen zur besseren Integ ration von anerkannten Asylbewerbern und Geduldeten mit guter Bleibeperspektive in Ausbildung und Arbeit vor. Hierzu zählen etwa die Sprachförderung, die Kompetenzfeststellung und Anerkennung von Qualifikationen, die Berufsorientierung sowie passgenaue Maßnahmen zur Integration durch Ausbildung für Auszubildende bis 21 und Erwachsene über 21 Jahre. Gemeinsames Ziel der Vereinbarungspartner ist es, insgesamt 20.000 Flüchtlingen bis zum Jahr 2016 ein Praktikum, eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle anzubieten, sowie 60.000 Arbeitsmarktintegrationen bis Ende 2019 zu erreichen. MO spielen auch im Bereich Arbeitsmarkt eine Rolle: Sie sollten als Vorbild dienen und auf die Maßnahmen der Staatsregierung hinweisen, sowie Kontakte zu den entsprechenden Stellen aufbauen, sodass ratsuchende Menschen mit Migrationshintergrund bereits durch die MO auf Angebote und Anlaufstellen hingewiesen werden können. Im Übrigen wird auf Frage 2 verwiesen.