Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.10.2015 Weiterbildungschancen von Frauen Seit 1974 wurde das Bayerische Erwachsenenbildungsgesetz (EbFöG) nicht novelliert. Gerade in Sachen Gleichstellungspolitik hat sich jedoch in den vergangenen Jahren viel bewegt. Qualifizierungsmaßnahmen sind besonders für diskontinuierlich erwerbstätige junge Frauen geeignet, wenn sie individuell angepasst und zielgerichtet durchgeführt werden. Eine Vielzahl von Weiterbildungsangeboten ist kostenintensiv und kann von vielen Frauen, die geringes Einkommen haben, nicht wahrgenommen werden. Für sie besteht auch das Problem der mangelnden Anpassung an ihre berufliche Vorstellung, an Veranstaltungstermine oder -orte und ihre familiären Verpflichtungen. Dennoch wissen wir, dass gerade die Altersarmut von Frauen in direktem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Situation ist. Auch der Landessozialbericht stellt Defizite im Erwachsenenbildungsbereich fest. Der Innovationskreis Weiterbildung der Bundesregierung fordert, dass die Weiterbildungsbeteiligung bis 2015 von 41 Prozent auf 50 Prozent und die Beteiligung der Geringqualifizierten von 23 Prozent auf 40 Prozent steigen soll. Laut Landessozialbericht ist in Bayern eine soziale Selektivität in der Weiterbildungsförderung festzustellen: Ältere und geringer Qualifizierte nehmen seltener als Beschäftigte mittleren Alters und höher Qualifizierte an Weiterbildungsmaßnahmen teil. Die soziale Selektivität ist dabei in Bayern höher als in Westdeutschland insgesamt. Die Erwachsenenbildung ist mit Art. 139 in der Bayerischen Verfassung verankert und es gibt auch ein Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung , allerdings bedarf dieses einer Anpassung an die heutigen Erfordernisse eines lebenslangen Lernens. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Bildungsträger und -trägerinnen werden derzeit aus den Mitteln des Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes finanziert und welche erhalten eine institutionelle Förderung als sogenannte „Besondere Einrichtung der Erwachsenenbildung“ (bitte aufschlüsseln nach Träger, Weiterbildungsorte und Mittelzuweisung )? 2. Wie sieht die Teilnehmer/-innenzusammensetzung der jeweiligen Veranstaltungen aus, die durch das EbFöG finanziert werden (bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht , Herkunft und Regierungsbezirk)? a) welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung hierüber vor und wann wird in diesem Zusammenhang der nächste Bericht zur Erwachsenenbildung in Bayern vorgelegt? 3. Welche Maßnahmen welcher Bildungsträgerinnen und -träger aus Frage 1 zielen konkret auf die Weiterqualifizierung von Frauen (bitte auflisten)? 4. In welchen Einrichtungen der Bildungsträger, die nach dem EbFöG gefördert werden, gibt es die Möglichkeit zur Kinderbetreuung während der Fortbildungsmaßnahmen ? 5. Sieht die Staatsregierung die Vereinbarkeit von Weiterbildungsmaßnahmen und Familie bei den Bildungsträgern , die nach dem EbFöG gefördert sind, gewährleistet ? 6. Wie kann aus Sicht der Staatsregierung eine soziale Selektion, die bereits im Landessozialbericht festgestellt wurde, in der Weiterbildungsförderung künftig verhindert werden? 7. Gibt es vonseiten der Staatsregierung für Menschen, die aufgrund von Pflege- und/oder Familienzeiten nur diskontinuierlich beschäftigt waren, spezielle, niedrigschwellige Angebote zum Wiedereinstieg? Wenn ja, welche sind das konkret? 8. Welche Mittel ergreift die Staatsregierung, um Menschen zu ermuntern, sich weiterzubilden; insbesondere im Hinblick auf diskontinuierlich Beschäftigte, Ältere und gering Qualifizierte? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 02.12.2015 Die o. g. Schriftliche Anfrage beantworte unter Einbeziehung von Beiträgen des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales , Familie und Integration (StMAS) ich wie folgt: 1. Welche Bildungsträger und -trägerinnen werden derzeit aus den Mitteln des Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes finanziert und welche erhalten eine institutionelle Förderung als sogenannte „Besondere Einrichtung der Erwachsenenbildung“ (bitte aufschlüsseln nach Träger, Weiterbildungsorte und Mittelzuweisung)? Derzeit erhalten folgende Bildungsträger einen Zuschuss nach Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a des Gesetzes zur Förderung Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.01.2016 17/9364 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9364 der Erwachsenenbildung (EbFöG) zum Betrieb ihrer Einrichtungen : a) Bayerischer Volkshochschulverband (bvv) und seine Mitgliedsorganisationen 11.914.800,- Euro b) Katholische Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Bayern e.V. (KEB Bayern) und ihre Mitgliedsorganisationen 4.364.000,- Euro c) Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern (AEEB) und ihre Mitgliedsorganisationen 1.668.300,- Euro d) Bildungswerk des Bayerischen Bauernverbandes (BW-BBV) 247.800,- Euro Mitglieder des Bayerischen Volkshochschulverbandes sind 216 Volkshochschulen (VHS) in ganz Bayern sowie fünf sogenannte VHS Akademien. Die KEB Bayern bildet den Zusammenschluss folgender Bildungsträger in katholischer Trägerschaft: Katholische Akademie in Bayern, sieben Bildungswerke auf Landesebene, 5 Bildungswerke von Verbänden auf Landesebene, 29 Bildungswerke von Verbänden auf Diözesan ebene, 11 Bildungshäuser und 70 Stadt- und Kreisbildungswerke 5 katholische Landvolkshochschulen sind zwar Mitglied der KEB Bayern, werden jedoch nicht nach dem EbFöG gefördert . Der Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern gehören 81 Mitgliedsorganisationen an. Neben zentralen Einrichtungen auf Landesebene sowie verschiedenen evangelischen Bildungs- und Tagungszentren im ländlichen Raum handelt es sich dabei überwiegend um Bildungswerke auf Dekanatsebene. Als sogenannte „Besondere Einrichtungen der Erwachsenenbildung “ werden folgende Träger finanziell unterstützt: a) Bayerischer Volksbildungsverband, München 97.300,- Euro b) Verein Fabi – Paritätische Familienbildungsstätte , München 64.200,- Euro c) Zentrum für Umwelt und Kultur Benediktbeuern 62.000,- Euro d) Landesarbeitsgemeinschaft Erwachsenenbildung der Arbeiterwohlfahrt Bayern, Nürnberg 62.600,- Euro e) Verein Bayerische Einigung, München 21.100,- Euro f) Bayerische Akademie für Erwachsenenbildung im Sport, München 50.000,- Euro g) Zentrum für Familie, Umwelt und Kultur, Kloster Roggenburg 104.900,- Euro h) Stiftung Kultur und Begegnungszentrum Abtei Waldsassen 56.200,- Euro i) Bayerische Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise e.V., Pfaffenhofen 35.100,- Euro Die Förderung des Vereins Bayerische Einigung wird als Projektförderung gewährt. Seit 01.01.2015 werden auch das Bildungswerk der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Bayern e.V. und das Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (dgb-bw) als besondere Einrichtungen der Erwachsenenbildung finanziell unterstützt. 2. Wie sieht die Teilnehmer/-innenzusammensetzung der jeweiligen Veranstaltungen aus, die durch das EbFöG finanziert werden (bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Herkunft und Regierungsbezirk )? a) Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung hierüber vor und wann wird in diesem Zusammenhang der nächste Bericht zur Erwachsenenbildung in Bayern vorgelegt? Das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst verfügt über keine Zahlen und damit auch über keine Erkenntnisse zu Alter, Geschlecht, Herkunft und Wohnort der Teilnehmer an Bildungsveranstaltungen der nach dem EbFöG geförderten Träger. Das Staatsministerium hat dem Bayerischen Landtag auf entsprechende Beschlüsse (siehe Drs. 17/5052, 17/2721, 17/2433 und 15/9954) über die Situation und Entwicklung der staatlich geförderten Erwachsenenbildung , zuletzt mit Schreiben vom am 26. November 2015 abschließend in der Sitzung des Bildungsausschusses berichtet. Termine für weitere Berichte sind derzeit nicht angesetzt . 3. Welche Maßnahmen welcher Bildungsträgerinnen und -träger aus Frage 1 zielen konkret auf die Weiterqualifizierung von Frauen (bitte auflisten)? Eine Auflistung konkreter Maßnahmen einzelner Bildungsträgerinnen und -träger, die auf die Weiterqualifizierung von Frauen abzielen, ist dem Staatsministerium angesichts der großen Zahl von jährlich rund 270.000 nach dem EbFöG zu berücksichtigenden Veranstaltungen und mehr als 400 Bildungsträgern nicht möglich. Außerdem wird darauf hingewiesen , dass nach Art. 10 Abs. 3 EbFöG Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder deren Veranstaltungen, die ganz oder überwiegend der beruflichen Fortbildung oder Umschulung dienen, nicht nach dem EbFöG gefördert werden können. 4. In welchen Einrichtungen der Bildungsträger, die nach dem EbFöG gefördert werden, gibt es die Möglichkeit zur Kinderbetreuung während der Fortbildungsmaßnahmen? Dem Staatsministerium ist nicht bekannt, welche Einrichtungen von Bildungsträgern die Möglichkeit zu einer Kinderbetreuung während der Fortbildungsmaßnahmen anbieten. Von einer entsprechenden Abfrage bei den Bildungsträgern wurde abgesehen, um diese nicht mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand zu belasten. 5. Sieht die Staatsregierung die Vereinbarkeit von Weiterbildungsmaßnahmen und Familie bei den Bildungsträgern, die nach dem EbFöG gefördert sind, gewährleistet? Bei den vom StMAS geförderten Maßnahmen zur Unterstützung der Berufsrückkehr von Frauen und Männern nach einer Familienphase ist die Vereinbarkeit von Bildungsmaßnahmen und Familienaufgaben für die Teilnahme Voraussetzung und somit Inhalt der Projektkonzeption (z. B. Projektteilnahme in Teilzeit). Es wird darauf hingewiesen, dass hier die Projektträger nicht ausschließlich Bildungsträger sind, die nach dem EbFöG gefördert werden. 6. Wie kann aus Sicht der Staatsregierung eine soziale Selektion, die bereits im Landessozialbericht festgestellt wurde, in der Weiterbildungsförderung künftig verhindert werden? Aus Sicht der Staatsregierung leistet das WeGebAU-Programm der Bundesagentur für Arbeit hier einen gezielten Beitrag. Im Rahmen dessen werden beispielsweise Weiterbildungsmaßnahmen für Geringqualifizierte gefördert, wenn Drucksache 17/9364 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 – diese in einem Arbeitsverhältnis stehen, – bislang über keinen Berufsabschluss verfügen oder zwar einen Berufsabschluss erworben haben, allerdings seit mindestens vier Jahren eine an- oder ungelernte Tätigkeit verrichten und ihre erlernte Tätigkeit nicht mehr ausüben können, – die Maßnahmen zu einem anerkannten Berufsabschluss oder zu einer berufsanschlussfähigen Teilqualifikation führen und – unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts durchgeführt werden . Darüber hinaus leisten zahlreiche andere Förderprogramme (mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds oder auch dem Bayerischen Arbeitsmarktfonds) einen wichtigen Beitrag , wenn es darum geht, Frauen, die zur Wahrnehmung von Familienaufgaben zeitweise auf eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit verzichten mussten, gering qualifizierte Arbeitslose und Beschäftigte entsprechend zu unterstützen und für berufliche Weiterbildung und Qualifizierung zu gewinnen . Wichtig ist allerdings nicht nur das Angebot von Weiterbildungsförderungen , sondern insbesondere auch, dass sich die jeweiligen Gruppen entsprechend zur Weiterbildung aktivieren lassen. Das Bewusstsein dafür muss auf Arbeitgeber - und Arbeitnehmerseite ebenso wie bei Arbeitslosen und jungen Menschen an der „Ersten“ (Übergang Schule – Ausbildung) und „Zweiten Schwelle“ (Übergang Ausbildung – Beruf) weiter gestärkt werden. 7. Gibt es vonseiten der Staatsregierung für Menschen , die aufgrund von Pflege- und/oder Familienzeiten nur diskontinuierlich beschäftigt waren, spezielle, niedrigschwellige Angebote zum Wiedereinstieg ? Wenn ja, welche sind das konkret? – Servicestellen in allen Regierungsbezirken Bayerns Eine ganzheitliche Unterstützung von Frauen im Erwerbsleben erfolgt durch Servicestellen in allen Regierungsbezirken Bayerns. Sie werden aus Europäischer Sozialfonds (ESF)-Mitteln in Höhe von 15 Mio. € (ESF 2014–2020) gefördert und bieten Coaching, Beratung und Qualifizierung für Frauen an. Die Förderung richtet sich primär an Frauen, die in der Phase der Berufsorientierung bzw. -rückkehr, zur Verbesserung ihrer aktuellen Beschäftigungssituation oder der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit Unterstützung benötigen. Die Maßnahme fördert weiter die Erwerbsbeteiligung der Frauen durch Unterstützung und Coaching für eine existenzsichernde Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit . – Orientierungsseminare NEUER START Die Orientierungsseminare NEUER START unterstützen Frauen und auch Männer in ihrer Berufs- und Lebensplanung nach einer Familienphase. Sie helfen ihnen dabei , sich neu zu orientieren, zu motivieren und die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Teilnehmenden werden individuell auf den beruflichen Wiedereinstieg vorbereitet und können neue Netzwerke knüpfen. Die Orientierungsseminare werden von verschiedenen Bildungsträgern und Fraueninitiativen in Bayern angeboten, die Teilnahmegebühr ist durch die Förderung aus Mitteln des Freistaates Bayern reduziert. Im Jahr 2015 wurden 10 Seminare mit rd. 50 Tsd. € gefördert. – Projekte zur beruflichen Wiedereingliederung von Frauen in den ersten Arbeitsmarkt Frauen und Männer, die bereits die Entscheidung getroffen haben, nach einer familienbedingten Berufsunterbrechung wieder ins Erwerbsleben zurückzukehren, können in arbeitsmarktlichen Schwerpunktregionen Bayerns an Projekten zur beruflichen Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt teilnehmen. In den Projekten werden die Qualifikationen den veränderten Bedingungen der Arbeitswelt angepasst, Qualifikationsdefizite ausgeglichen und neue Einsatzfelder für die Berufsrückkehrer/-innen erschlossen. Die Teilnahme ist in der Regel kostenfrei, da die Projekte aus dem ehemaligen Arbeitsmarktfonds gefördert werden. Derzeit werden zehn Projekte mit einem Fördervolumen von 2,1 Mio. € unterstützt. 8. Welche Mittel ergreift die Staatsregierung, um Menschen zu ermuntern, sich weiterzubilden; insbesondere im Hinblick auf diskontinuierlich Beschäftigte , Ältere und gering Qualifizierte? Die Staatsregierung ergreift viele verschiedene Maßnahmen , um Menschen zu ermuntern, sich weiterzubilden. Beispielhaft seien hier folgende Punkte genannt: finanzielle Unterstützung von Maßnahmen und Projekten mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds oder aus Mitteln des Bayerischen Arbeitsmarktfonds, „Weiterbildungstage Bayern 2010“ mit Veranstaltungen in Ingolstadt, Deggendorf, Würzburg, Fürth und Augsburg, „Weiterbildung/Lebenslanges Lernen“ als eine der drei tragenden Säulen der Initiative „Ältere und Arbeitswelt“ mit „Woche der Weiterbildung“ im Jahr 2010. Die Staatsregierung schafft nicht nur für spezifische Gruppen separate Fördermöglichkeiten, sondern sorgt auch dafür , dass die Bereitschaft, eine Qualifizierungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahme zu besuchen bzw. hinreichend (durch Arbeitsfreistellung oder Kostenübernahme vonseiten des Arbeitgebers) zu unterstützen, allgemein wächst. Es ist unerlässlich , das Verständnis für die Effekte beruflicher Weiterbildung /Qualifizierung zu vermitteln. Hierfür wird die Staatsregierung – wie in der Vergangenheit auch – Maßnahmen im Rahmen der Möglichkeiten ergreifen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9364