Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 16.01.2014 Verbotsverfahren gegen das „Freie Netz Süd“ In Form eines einstimmigen Landtagsbeschlusses wurde die Staatsregierung am 26. April 2012 aufgefordert, „alle Möglichkeiten des Vereinsrechts auszuschöpfen, um die neonazistische Organisation „Freies Netz Süd“ (FNS) zu verbieten. Weiterhin soll ein mögliches Verbot der zahlreichen Mitgliedsorganisationen des FNS geprüft und wenn möglich eingeleitet werden. Die Tarnorganisation des FNS „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BSF) ist ebenfalls zu verbieten (Drs. 16/12403). Auch als Konsequenz daraus kam es am 10. Juli des vergangenen Jahres zu einer Durchsuchung zahlreicher Wohnungen und Arbeitsstätten von führenden Rechtsextremisten in Bayern. In der darauffolgenden Pressekonferenz erklärte Innenminister Joachim Herrmann, dass die breit angelegte Aktion verdeutliche, „welche bayernweite Bedeutung das „Freie Netz Süd“ mittlerweile in der Neonazi-Szene erlangt hat“. Herrmann sprach in diesem Zusammenhang von einem Mobilisierungspotenzial des FNS von rund 300 Personen. Zudem gab der Innenminister an, dass es ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme gebe, „dass das ‚Freie Netz Süd‘ eine Ersatzorganisation der […] Anfang 2004 verbotenen ‚Fränkischen Aktionsfront‘ ist“. Auch für feste Organisationsstrukturen gebe es nach Auskunft des Innenministers „ausreichende Anhaltspunkte“. Während der Durchsuchungsaktion sei „umfangreiches Beweismaterial“ beschlagnahmt worden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Ist die Auswertung der beschlagnahmten Asservate bereits abgeschlossen bzw. bis wann ist mit der vollständigen Auswertung der beschlagnahmten Asservate zu rechnen? 2. Welche Erkenntnisse konnten aus der breit angelegten Durchsuchung, Beschlagnahmung und Auswertung im Hinblick auf das angestrebte Vereinsverbot des „Freien Netzes Süd“ (FNS) und der FNS-Tarnorganisation „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BSF) bisher gewonnen werden? a) Welche Erkenntnisse konnten jeweils über die, dem FNS angegliederten Organisationen gewonnen werden ? b) Welche Rolle spielen diese Organisationen jeweils im Rahmen der vereinsrechtlichen Bestrebungen gegen das FNS? 3. Innerhalb welches zeitlichen Rahmens plant die Staatsregierung, das Verbotsverfahren gegen das FNS bzw. gegen dessen Tarnorganisationen abzuschließen ? 4. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Gruppierungen mit personellen oder sonstigen Verbindungen zum FNS, die planen, mit eigenen Listen an den bayerischen Kommunalwahlen im März 2014 teilzunehmen? a) In welchen Kommunen planen entsprechende Gruppierungen an den Kommunalwahlen teilzunehmen? b) Welche Rolle spielen diese Gruppierungen jeweils im Rahmen der vereinsrechtlichen Bestrebungen gegen das FNS? 5. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Aktivitäten der rechtsextremistischen Partei „DER DRITTE WEG“ in Bayern? a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über personelle und sonstige Verflechtungen der rechtsextremistischen Partei „DER DRITTE WEG“ zum FNS bzw. zu dessen Tarnorganisationen oder zu sonstigen rechtsextremistischen Gruppierungen in Bayern? b) Handelt es sich bei der Partei „DER DRITTE WEG“ um ein Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? 6. Teilt die Staatsregierung die Einschätzung, dass mit der rechtsextremistischen Partei „DER DRITTE WEG“ in Bayern eine Ersatzorganisation für den Fall eines Verbots des FNS geschaffen wurde? a) Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus dieser Erkenntnis im Hinblick auf ein mögliches Verbotsverfahren ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 28.02.2014 Vorbemerkung Fragen 1, 2, 3, 4 b und 6 betreffen Einzelheiten eines auf das Vereinsgesetz des Bundes gestützten laufenden Ermittlungsverfahrens des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr gegen das neonazistische Netzwerk „Freies Netz Süd“ (FNS). Das FNS ist seit seinem ersten Auftreten Ende 2008 Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz und war zunächst Gegenstand eines verdeckten vereinsrechtlichen Vorermittlungsverfahrens. Im Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.04.2014 17/937 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/937 April 2013 leitete das Staatsministerium des Innern gegen das FNS ein förmliches vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren ein, da tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass das FNS die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der 2004 verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ an deren Stelle fortführt. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens ließ das Staatsministerium des Innern am 10. Juli 2013 insgesamt 73 Wohnungen, Arbeitsstätten und Postfächer von führenden Aktivisten des FNS und der diesem zurechenbaren Kameradschaften durchsuchen. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt. Während eines laufenden vereinsrechtlichen Ermittlungs- und/oder Verbotsverfahrens ist eine offene Berichterstattung über Einzelheiten des Verfahrens aus grundsätzlichen Überlegungen ausgeschlossen, da sie den Erfolg des Ermittlungs - bzw. Verbotsverfahrens gefährden könnte. Der Staatsregierung liegen Erkenntnisse aus Exekutivmaßnahmen insbesondere gegen rechtsextremistische Gruppierungen vor, wonach auch veröffentlichte Stellungnahmen an den Bayerischen Landtag von betroffenen Personen und Gruppierungen ausgewertet werden. Auskünfte über den Stand der behördlichen Auswertung beschlagnahmter Asservate , über durch eine Exekutivmaßnahme gewonnene Erkenntnisse und deren vereinsrechtliche Bewertung sowie über mögliche Folgemaßnahmen einschließlich eines Zeitplanes können während eines laufenden vereinsrechtlichen Verfahrens daher nur vertraulich im Parlamentarischen Kont- rollgremium erfolgen. 1. Ist die Auswertung der beschlagnahmten Asserva- te bereits abgeschlossen bzw. bis wann ist mit der vollständigen Auswertung der beschlagnahmten Asservate zu rechnen? 2. Welche Erkenntnisse konnten aus der breit angelegten Durchsuchung, Beschlagnahmung und Auswertung im Hinblick auf das angestrebte Vereinsverbot des „Freien Netzes Süd“ (FNS) und der FNS-Tarnorganisation „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BSF) bisher gewonnen werden? a) Welche Erkenntnisse konnten jeweils über die, dem FNS angegliederten Organisationen gewonnen werden? b) Welche Rolle spielen diese Organisationen jeweils im Rahmen der vereinsrechtlichen Bestrebungen gegen das FNS? 3. Innerhalb welches zeitlichen Rahmens plant die Staatsregierung, das Verbotsverfahren gegen das FNS bzw. gegen dessen Tarnorganisationen abzuschließen ? Zu den Fragen 1 bis 3 wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 4. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Gruppierungen mit personellen oder sonstigen Verbindungen zum FNS, die planen, mit eigenen Listen an den bayerischen Kommunalwahlen im März 2014 teilzunehmen? a) In welchen Kommunen planen entsprechende Gruppierungen an den Kommunalwahlen teilzunehmen ? Nach Erkenntnis des Landesamtes für Verfassungsschutz beabsichtigten vier rechtsextremistische Gruppierungen mit – unterschiedlich starken – Bezügen zum FNS bei den Kommunalwahlen in Bayern am 16. März 2014 mit eigenen Listen anzutreten: – Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) München in München – Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) Nürnberg in Nürnberg – Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) Augsburg in Augsburg – Bürgerinitiative Soziales Fürth (BiSF) in Fürth Von diesen wurden allerdings nur die BIA München und die BIA Nürnberg zur Kommunalwahl zugelassen. Diese BIAs sind bereits im jeweiligen Stadtrat vertreten und benötigten zum Wahlantritt keine Unterstützerunterschriften. Demgegenüber konnten die BIA Augsburg und die BiSF die jeweils erforderliche Anzahl an Unterstützungsunterschriften nicht beibringen. Die Bezüge zum FNS sind bei den genannten Gruppierungen unterschiedlich stark ausgeprägt. Während sich die BiSF nahezu ausschließlich aus sog. freien Kräften und Aktivisten des FNS rekrutiert und bei der BIA Nürnberg der führende FNS-Aktivist Sebastian Schmaus in einer maßgeblichen Rolle fungiert, sind Bezüge der BIA München und BIA Augsburg zum FNS weniger stark ausgeprägt, aber gleichwohl vorhanden. Alle genannten BIAs sind Beobachtungsobjekte des Landesamtes für Verfassungsschutz. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat in den jährlichen Verfassungsschutzberichten regelmäßig über sie berichtet, zuletzt im Verfassungsschutzbericht 2012 (siehe S. 89 ff.). Ausgenommen ist die BIA Augsburg, die erst seit Ende 2013 wieder Aktivitäten zeigt und die daher erst im Verfassungsschutzbericht 2013 wieder genannt werden wird. Auch die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) informiert über die rechtsextremistischen Bezüge der genannten BIAs. Im Einzelnen: Bürgerinitiative Ausländerstopp München Die BIA München ist seit 2008 durch Karl Richter im Stadtrat der Landeshauptstadt München vertreten. An seiner Person zeigt sich exemplarisch die Verflechtung von NPD und BIA München: Richter ist seit September 2007 Vorsitzender der BIA München, seit 2008 auch Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes München, seit November 2012 zudem Landesvorsitzender der NPD in Bayern und seit April 2013 schließlich auch stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD. Bis Dezember 2013 arbeitete er als Chefredakteur der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“. Als Chefredakteur der Coburger Monatszeitschrift „Nation & Europa“ bemühte er sich publizistisch um eine „Intellektualisierung“ des Rechtsextremismus . Er ist Autor mehrerer Bücher und veröffentlicht seit Jahren Beiträge in rechtsextremistischen Publikationen wie „Opposition“ oder „Hier & Jetzt“. Seinen Weg zur NPD fand er ab 2004, als er einige Jahre im Landtag des Freistaates Sachsen als Leiter des parlamentarischen Beraterstabes der NPD-Fraktion arbeitete. Richter wurde am 2. Juli 2009 vom Landgericht München wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86 a StGB zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen von je 20 Euro rechtskräftig verurteilt. Er hatte bei der Vereidigung der gewählten Stadträte im Mai 2008 den sog. „Hitlergruß“ gezeigt. Stellvertretende Vorsitzende der BIA München sind Roland Wuttke und Vanessa Becker. Wuttke war bis Anfang Drucksache 17/937 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 2012 auch Vorsitzender des NPD-Bezirksverbandes Oberbayern . Becker ist langjährige Aktivistin der rechtsextremistischen Szene im Raum München. Sie beteiligte sich an zahlreichen Kameradschaftstreffen im Raum Erding und später in München. Darüber hinaus wirkte sie an der Organisation von Demonstrationen mit. Nach der Inhaftierung des damaligen informellen Führers der Kameradschaft „Freie Nationalisten München“, Philipp Hasselbach, im Juni 2010 organisierte Becker den wiederholt im November in München stattfindenden sog. Heldengedenkmarsch. Zusammen mit weiteren Rechtsextremisten gründete sie eine Wohngemeinschaft in München-Obermenzing. Die BIA München arbeitet eng mit der Neonazi-Szene im Raum München zusammen. Die Zusammenarbeit beider Lager hat sich in der BIA-Vorstandschaft institutionalisiert, die sich aus NPD-Funktionären und Neonazis aus der Kameradschaftsszene in München zusammensetzt. Die „Kameradschaft München“ wiederum ist dem FNS zuordenbar. Gemeinsam wurden in der Vergangenheit verschiedene Veranstaltungen und Kundgebungen durchgeführt, u. a. ein Aktionstag am 28. Dezember 2013 mit mehreren Kurzkundgebungen im Stadtgebiet München. Die insgesamt sechs Veranstaltungen standen unter dem Motto „Gegen Asylmissbrauch und Ausländerkriminalität – tut endlich was“. Insgesamt beteiligten sich zwölf Rechtsextremisten – darunter Karl Richter und Vanessa Becker – an der Veranstaltung. Ziel der Kooperation von BIA München und neonazistischen Kräften ist es, bei der Kommunalwahl am 16. März 2014 den Stadtratssitz von Karl Richter zu behaupten und darüber hinaus weitere Sitze zu erhalten. Im Januar 2014 nominierte die BIA München Karl Richter, Vanessa Becker, Björn Christopher Balbin und Renate Werlberger als Kandidaten für die Wahl des Stadtrates. Richter bewirbt sich zudem als Kandidat der BIA München für das Amt des Oberbürgermeisters . Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) Nürnberg Die BIA Nürnberg ermöglichte in den Jahren 2002 und 2008 Mitgliedern und Sympathisanten der NPD sowie Aktivisten der rechtsextremistischen Szene in Nürnberg, unter einem unverfänglichen Namen bei den Kommunalwahlen anzutreten . Neben Ralf Ollert wurde für die BIA Nürnberg im Jahr 2008 auch Sebastian Schmaus in den Stadtrat gewählt. Ralf Ollert ist seit über 20 Jahren Mitglied der NPD und Vorsitzender des Bezirksverbandes Mittelfranken. Beim Landesparteitag der NPD im November 2012 wurde er in seinem Amt als NPD-Landesvorsitzender von Karl Richter abgelöst. Sebastian Schmaus begann seine rechtsextremistischen Aktivitäten in der subkulturellen Skinhead-Szene und war Anhänger der „Fränkischen Aktionsfront“. Er ist ein führender Aktivist des FNS und trat als Anmelder und Leiter neonazistischer Veranstaltungen auf. So nahm Schmaus am 24. Juli 2010 beim „2. Ungarisch-slowakischen Freundschaftstreffen “ in der ungarischen Stadt Györ teil. Dort beschwor er in seiner Rede den „Geist der alten Waffenbrüderschaft“. Schmaus trat Mitte 2012 mit weiteren führenden nordbayerischen Funktionären aufgrund politischer Differenzen über den Kurs des neuen Bundesvorsitzenden Holger Apfel aus der NPD aus. Die von Apfel vertretene „seriöse Radikalität “ zielt auf eine größere Distanzierung zu den neonazistisch geprägten sog. freien Kräften. Die sich noch im Jahr 2011 abzeichnende Annäherung zwischen Teilen der baye- rischen Neonazi-Szene und der NPD wurde damit gestoppt. Das Stadtratsmandat für die BIA Nürnberg nahm Schmaus jedoch weiter wahr. Bei der Kommunalwahl 2014 kandidiert Schmaus allerdings nicht mehr für die BIA Nürnberg. Schmaus wurde vom Landgericht Nürnberg am 13. Januar 2010 wegen eines Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz und unter Einbeziehung einer Bewährungsstrafe wegen Trunkenheit am Steuer zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Die BIA Nürnberg ist ausländer- und islamfeindlich ausgerichtet . Dies bringt sie insbesondere in Publikationen und entsprechenden Anträgen und Anfragen im Stadtrat zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund steigender Asylbewerberzahlen und der damit verbundenen Unterbringungsproblematik versucht die BIA Nürnberg, Angst vor „Überfremdung“ und steigender Kriminalität zu schüren und sich als einzige politische Kraft darzustellen, die die Sorgen „der Deutschen “ noch ernst nimmt. Ollert hofft, mit ausländerfeindlicher Agitation den Wiedereinzug in den Nürnberger Stadtrat in Fraktionsstärke zu schaffen. So wurde beispielsweise im Mai 2013 auf der Homepage der BIA Nürnberg ein Flugblatt eingestellt, in dem mit fremdenfeindlichen Stereotypen gegen die Einrichtung eines Asylbewerberheims im Nürnberger Stadtteil Hasenbuck agitiert wird. Im November 2013 erklärte Ollert, dass die NPD die „Zirndorfer und Oberasbacher Anwohner der Zentralen Aufnahmeeinrichtung (ZAE) für Asylbewerber bei ihrem Protest gegen die Erweiterung der Sammeleinrichtung unterstützen“ werde. Auch mit seiner „überparteilichen Bürgerinitiative Ausländerstopp“ wolle Ollert „den Protest der Bürger unterstützen“. Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) Augsburg Die BIA Augsburg wird von dem NPD-Funktionär Roland Wuttke geleitet. Zum Führungskreis zählen weiter Manfred Waldukat und Stefan Friedmann. Nachdem die Organisation mehrere Jahre nicht mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen in Erscheinung getreten war, wurde sie am 17. November 2013 im Rahmen einer Versammlung in Augsburg reaktiviert, um die Teilnahme an der Kommunalwahl am 16. März 2014 vorzubereiten. Als Kandidaten für den Augsburger Stadtrat wurden sowohl Vertreter der NPD als auch der neonazistischen Szene nominiert, die Verbindungen zum FNS haben. Roland Wuttke ist ein langjähriger Funktionär der rechtsextremistischen Szene. Von April 2005 bis April 2012 war er Vorsitzender des NPD-Bezirksverbands Oberbayern, von Mai 2006 bis November 2008 zudem stellvertretender Vorsitzender des NPD-Landesverbands Bayern. Anschließend wurde er als Beisitzer in den NPD-Landesvorstand gewählt. Zudem war er von 2007 bis 2010 Pressesprecher des NPDLandesverbands . Während seiner Tätigkeit als NPD-Kreisvorsitzender in München arbeitete er eng mit seinem damaligen Stellvertreter, dem Kameradschaftsführer Norman Bordin, zusammen. Beide öffneten die NPD für Neonazis und rechtsextremistische Skinheads. Wuttke tritt landesweit als Redner bei rechtsextremistischen Veranstaltungen auf. Er beschäftigt sich ferner mit der Organisation lokaler rechtsextremistischer Gruppen. So beteiligte er sich 2001 an der Gründung des „Augsburger Bündnisses – Nationale Opposition e.V“. Neben seiner Aktivität für die BIA Augsburg nahm Wuttke auch bei der Gründung der BIA München im September 2007 eine bedeutende Rolle ein. Er ist nach wie vor stellvertretender Vorsitzender der BIA München. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/937 Manfred Waldukat ist seit März 2012 Vorsitzender des NPDKreisverbandes Augsburg. Zudem ist er seit November 2012 gewählter Beisitzer im Landesverband der NPD. Seit Jahren zeichnet er presserechtlich für die Homepage des Kreisverbandes verantwortlich. Im September 2012 wurde er als Direktkandidat der BIA Augsburg für die Bezirkstags- und für die Landtagswahl 2013 in Augsburg aufgestellt. Stefan Friedmann war bis Ende 2008 mehrere Jahre NPD-Funktionär. In dieser Zeit war er u. a. Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Augsburg und Leiter des dortigen Stützpunktes der „Jungen Nationaldemokraten“. Zudem war er stellvertretender Vorsitzender des NPD-Bezirksverbandes Schwaben. Im Rahmen seiner Parteiaktivitäten beteiligte er sich an zahlreichen Veranstaltungen der NPD. Er gehört zu dem Kreis von Neonazis, die nach dem Eklat um die Wahl des Landesvorsitzenden auf dem NPD-Landesparteitag im November 2008 aus der NPD austraten. Daraufhin verlagerte er seine Aktivitäten in die freie Kameradschaftsszene. Mittlerweile ist er einer der führenden Aktivisten der neonazistischen Szene im Raum Schwaben mit Bezügen zum FNS. Ende 2010 ging sein Internetversandhandel „Tradition & Moderne Vertrieb“ online. Das Portal soll „der nationalen Bewegung die Möglichkeit geben, ihre eigenen autarken Strukturen weiter auszubauen“. Weiter werden über diese Plattform einschlägige Aufkleber, Fahnen, Faltblätter, Flugblätter , Plakate und Transparente vertrieben. Inhaltlich will die BIA Augsburg an die BIAs in München und Nürnberg anknüpfen. Dazu agitiert sie gegen eine „Verausländerung “ und den Bau von Moscheen. Eine behauptete negative Einflussnahme von Migranten auf die Bildungs-, Sozial-, Arbeits-, Sicherheits- und Haushaltspolitik der Stadt Augsburg will die BIA Augsburg mit der Rückführung von Ausländern in deren Herkunftsländer lösen. Migrantinnen und Migranten werden als Eindringlinge aus dem Orient, aus Asien, Afrika und Osteuropa bezeichnet, die ausschließlich an den hohen Sozialleistungen der BRD interessiert seien. Bürgerinitiative Soziales Fürth (BiSF) Hinter der BiSF steht der Neonazi-Kreis um Matthias Fischer , der sich aus sog. freien Kräften rekrutiert und dem FNS zuzurechnen ist. Kandidaten der BiSF für die Kommunalwahl 2014 in Fürth waren die FNS-Aktivisten Matthias Fischer und Stella Ruff. Die BiSF wurde aber wegen einer zu geringen Anzahl an Unterstützerunterschriften nicht zur Wahl zugelassen. Matthias Fischer begann seine rechtsextremistischen Aktivitäten Mitte der 90er-Jahre in der Skinhead-Szene im Raum Nürnberg, wo er zu einer Führungsperson wurde. So war Fischer informeller Führer verschiedener Skinheadgruppierungen , wie den „Nationalisten Nürnberg“, und Herausgeber des ehemaligen Fanzine LANDSER. 2001 wurde Fischer informeller Führer der „Fränkischen Aktionsfront“, die bis zu ihrem Verbot im Jahr 2004 die bedeutendste rechtsextremistische Gruppierung im nordbayerischen Raum war. Nach deren Verbot betätigte sich Fischer bis Ende 2008 überwiegend in der NPD und deren Jugendorganisation, den „Jungen Nationaldemokraten“. In der NPD übernahm er sowohl den Vorsitz des Bezirksverbandes Mittelfranken als auch des Kreisverbandes Fürth/Neustadt a. d. Aisch. Im bayerischen Landesvorstand der NPD übte er die Funktion des Abteilungsleiters für sog. freie Kameradschaften aus und war somit die Schnittstelle der NPD zu sog. freien Nationalisten . Nach dem NPD-Landesparteitag im November 2008 trat Fischer aus der NPD aus und legte auch sein Amt als Landesvorsitzender der „Jungen Nationaldemokraten“ nieder. Seitdem ist er wieder als informeller Führer der sog. freien Kräfte im Raum Nürnberg aktiv und einer der Initiatoren und Hauptakteure des FNS. Fischer trat am 1. Februar 2010 eine dreimonatige Haftstrafe wegen Volksverhetzung an. Die Haftzeit verlängerte sich bis Ende September 2011, da eine Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wurde. Bereits kurz nach seiner Haftentlassung kündigte Fischer an, sich wieder „ungebrochen und mit vollem Einsatz im Nationalen Widerstand“ zu engagieren. Seitdem ist eine Steigerung der öffentlichkeitswirksamen Aktionen festzustellen. Stella Ruff ist Vorsitzende der BiSF und ebenfalls langjährig in der rechtsextremistischen Szene im Raum Fürth verhaftet. Ruff gehörte dem Sympathisantenkreis der „Fränkischen Aktionsfront“ an. Seit Ende 2005 leitete sie Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene, nahm an derlei Veranstaltungen teil und trat dort auch als Rednerin auf. Im August 2004 wurde sie Mitglied im NPD-Kreisverband Nürnberg Stadt. Ruff veröffentlichte wiederholt „offene Briefe“ im Namen der BiSF. Sie nimmt regelmäßig an den Veranstaltungen des Neonazikreises um Matthias Fischer teil und hat bayernweit Kontakte zu verschiedenen Kameradschaftsführern . Seitdem die BiSF im Mai 2009 erstmals an die Öffentlichkeit trat, versucht die Gruppierung mit Flugblattaktionen, Aufklebern und einer eigenen Internetpräsenz auf lokaler Ebene einen hohen Bekanntheitsgrad zu erlangen. Die BiSF agitiert insbesondere gegen Migrantinnen und Migranten und warnt beispielsweise vor angeblicher „Überfremdung “ und Ausländergewalt. Seit 2012 polemisiert sie im Internet und durch öffentlichkeitswirksame Aktionen gegen die Finanzierung des Jüdischen Museums in Fürth. So verteilten Aktivisten im Juli 2012 in Fürth Flugblätter, in denen unter dem Titel „650.000 EURO pro Jahr für das Jüdische Museum“ staatliche Subventionen des Museums als „Verschwendung von Steuermitteln“ angeprangert wurden. Am 9. Februar 2013 wurden Flugblätter der BiSF mit dem Titel „Volksgemeinschaft statt Multikulti“ im Klinikum Fürth ausgelegt . Auf der Webseite der BiSF wird u. a. auf die Internetseite der Zeitschrift „ZUERST“ des rechtsextremistischen „ARNDT-Buchdienst/Nation-Europa“ verwiesen. Auch im Vorfeld der Kommunalwahlen 2014 betrieb die BiSF eine offensive Öffentlichkeitsarbeit mit einer optisch unverfänglich gestalteten Internetseite, einem Facebook-Auftritt sowie Flugblättern und Aufklebern. b) Welche Rolle spielen diese Gruppierungen jeweils im Rahmen der vereinsrechtlichen Bestrebungen gegen das FNS? Hierzu wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 5. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Aktivitäten der rechtsextremistischen Partei „DER DRITTE WEG“ in Bayern? „Der III. Weg“ ist eine Gruppierung, die einen strikten Rechtsextremismus vertritt, der stark neonazistisch geprägt ist. Das an nationalrevolutionäre Ideologieelemente anknüpfende Programm fordert u. a. die Erhaltung und Entwicklung der „biologischen Substanz des Volkes“ und die Schaffung eines „Deutschen Sozialismus“. Es greift dabei auf Elemente des 25-Punkte-Programms der NSDAP zurück. Nach dem Selbstverständnis versteht sich „Der III. Weg“, wie auch die rechtsextremistische Partei „Die Rechte“, als Alternative zur NPD. Drucksache 17/937 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 „Der III. Weg“ beansprucht für sich den Status einer Partei und gliedert sich in die Gebietsverbände Süd, West, Nord und Mitte, wobei der Gebietsverband Süd den Freistaat Bayern und Baden-Württemberg umfasst. Nach eigenen Angaben erfolgte die Gründung von „Der III. Weg“ am 28. September 2013 in Heidelberg unter dem Vorsitz des früheren rheinland-pfälzischen NPD-Funktionärs Klaus Armstroff. Dieser rief in einem Internetvideo zur Teilnahme am sog. „Heldengedenken“ der rechtsextremistischen Szene am 16. November 2013 in Wunsiedel und zu einer rechtsextremistischen Veranstaltung am 23. November 2013 in Remagen (Rheinland-Pfalz) auf. Im Rahmen des sog. „Heldengedenkens “ am 16. November 2013 in Wunsiedel trat „Der III. Weg“ in Bayern erstmals in Erscheinung. Weitere öffentlichkeitswirksame Aktionen fanden in Bayern bisher nicht statt. Allerdings sind führende Aktivisten des FNS der Gruppierung „Der III. Weg“ beigetreten und beteiligten sich bereits an Aktionen in anderen Bundesländern: so traten bei der Veranstaltung in Remagen Karl-Heinz Statzberger und bei einer Versammlung in Ludwigshafen Tony Gentsch als Redner auf. Bei der letztgenannten Veranstaltung fungierte zudem Norman Kempken als Anmelder und Ordner. Das FNS sowie die ihm zuordenbaren Portale „Infoportal Schwaben“ und „Infoportal Niederbayern“ verlinken auf ihren Internetseiten auf die Homepage von „Der III. Weg“ und berichteten über Jahresabschlussfeiern in diesen Regierungsbezirken, bei denen über „Der III. Weg“ referiert wurde und entsprechendes Informationsmaterial auslag. Zudem finden sich auf der Internetseite des FNS Hinweise zu Veranstaltungen von „Der III. Weg“, beispielsweise zu einem angekündigten „Trauermarsch“ in Karlsbad (Tschechien) unter dem Motto „Ein Licht für Dresden“. Über dem Artikel ist ein Flyer zur Veranstaltung abgebildet, der den Schriftzug „Der III. Weg“ trägt. Derselbe Veranstaltungshinweis ist auf der Homepage von „Der III. Weg“ eingestellt. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über personelle und sonstige Verflechtungen der rechtsextremistischen Partei „DER DRITTE WEG“ zum FNS bzw. zu dessen Tarnorganisationen oder zu sonstigen rechtsextremistischen Gruppierungen in Bayern? Hierzu wird auf die Antwort auf Frage 5 verwiesen. b) Handelt es sich bei der Partei „DER DRITTE WEG“ um ein Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz? Ja. 6. Teilt die Staatsregierung die Einschätzung, dass mit der rechtsextremistischen Partei „DER DRITTE WEG“ in Bayern eine Ersatzorganisation für den Fall eines Verbots des FNS geschaffen wurde? a) Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus dieser Erkenntnis im Hinblick auf ein mögliches Verbotsverfahren? Hierzu wird auf die Vorbemerkung verwiesen.