Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Christian Magerl, Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28.10.2015 Gewässersituation an Kürnach und Pleichach Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) In welchem ökologischen und chemischen Zustand befinden sich die Kürnach und Pleichach derzeit und wann wird der gute Zustand nach Wasserrahmenrichtlinie erreicht? b) Warum ist derzeit der gute Zustand in den beiden Bächern noch nicht erreicht? 2. a) Von wem wurde die Gewässergüte im Hinblick auf das Ziel eines guten ökologischen wie chemischen Zustands regelmäßig kontrolliert? b) Wird dabei auch ein Saprobienindex erstellt? c) Wie hat sich die Qualität in den letzten Jahren seit dem ersten Fischsterben am 21.09.2011 bis heute entwickelt ? 3. a) Warum kam es am 21.09.2011, am 11.05.2012 und am 30.04.2013 in der Kürnach und jüngst am 23.07.2015 in der Pleichach zu einem Fischsterben (bitte konkret die Ursache(n) und die Wirkung auf das Gewässer mit Datum benennen)? b) Welchen Einfluss hatten in diesem Zusammenhang Abwassereinleitungen aus Entwässerungsbauwerken ? c) Welche Maßnahmen wurden und werden unternommen , um ein weiteres Fischsterben zu verhindern (bitte die Maßnahmen nach Vorhaben, Effekt, Umsetzungsstand und ggf. Umsetzungszeitplan aufschlüsseln)? 4. a) Haben die an Kürnach und Pleichach liegenden Kommunen bezüglich der Ausgestaltung ihres Kanalsystems Auflagen bekommen (z. B. hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit , der Dimensionierung und des Stands der Technik ihrer Regenüberlaufbecken)? b) Wenn ja, welche Auflagen wurden erteilt und inwieweit wurden diese umgesetzt? 5. Welche Maßnahmen zur Gewässersanierung, insbesondere zur Behebung der Gewässerschäden, wurden bislang durchgeführt bzw. eingeleitet? 6. Gibt es Finanzierungshilfen für Kommunen, die unter der Vorgabe von § 55 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) ihr Mischsystem in ein Trennsystem umstellen, und wenn ja, welche und unter welchen Voraussetzungen ? 7. a) Können nun wieder unbedenklich neue Fische in Kürnach und Pleichach eingesetzt werden? b) Welche Fischarten haben nach heutigem Stand eine Chance, in einer ihren Bedürfnissen angemessenen Umgebung zu leben, ohne Schaden zu nehmen? c) Für welche Fischarten befindet sich in diesen Gewässern wieder eine natürliche Flora und Fauna mit Wasserpflanzen und Insekten als notwendige Lebensgrundlage für diese Fischarten? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 01.12.2015 1. a) In welchem ökologischen und chemischen Zustand befinden sich die Kürnach und Pleichach derzeit und wann wird der gute Zustand nach Wasserrahmenrichtlinie erreicht? Die Ober- und Mittelläufe von Pleichach und Kürnach bis zur Stadtgrenze von Würzburg sind dem Oberflächenwasserkörper (OWK) mit dem Code 2_F138, die Unterläufe im Stadtgebiet Würzburg dem OWK mit dem Code 2_F141 zugeordnet . Die Bewertung des ökologischen und chemischen Zustands stellt sich wie folgt dar: 2_F138: Ökologischer Zustand: unbefriedigend Makrozoobenthos – Modul Saprobie: mäßig Makrozoobenthos – Modul Allgemeine Degradation: mäßig Makrophyten & Phytobenthos: unbefriedigend Fischfauna: unbefriedigend Flussgebietsspezifische Schadstoffe: Umweltqualitätsnormen erfüllt Chemischer Zustand (mit ubiquitären Stoffen): nicht gut Chemischer Zustand (ohne ubiquitäre Stoffe): gut Prioritäre Stoffe mit Umweltqualitätsnorm-Überschreitung: Quecksilber und Quecksilberverbindungen (ubiquitärer Stoff; Haupteintragspfad über die Atmosphäre) Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.01.2016 17/9381 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9381 2_F141 (erheblich veränderter Flusswasserkörper, HMWB): Ökologisches Potenzial: mäßig Makrozoobenthos – Modul Saprobie: mäßig Makrozoobenthos – Modul Allgemeine Degradation: mäßig Makrophyten & Phytobenthos: mäßig Fischfauna: mäßig Flussgebietsspezifische Schadstoffe: Umweltqualitätsnormen erfüllt Chemischer Zustand (mit ubiquitären Stoffen): nicht gut Chemischer Zustand (ohne ubiquitäre Stoffe): gut Prioritäre Stoffe mit Umweltqualitätsnorm-Überschreitung: Quecksilber und Quecksilberverbindungen (ubiquitärer Stoff; Haupteintragspfad: über die Atmosphäre) Der gute ökologische Zustand kann bei 2_F138 voraussichtlich erst bis 2027 erreicht werden, das gute ökologische Potenzial bei 2_F141 voraussichtlich erst nach 2027. b) Warum ist derzeit der gute Zustand in den beiden Bächern noch nicht erreicht? Wie die unter 1 a berichteten Ergebnisse zeigen, gibt es Defizite bezüglich der Belastung mit Sauerstoff zehrenden organischen Stoffen und Nährstoffen (Stickstoff, Phosphor), die über die Eintragspfade „landwirtschaftlich genutzte Flächen “ und „Abwasseranlagen“ in die Gewässer gelangen. Weiterhin führten Gewässerausbauten in früheren Jahrzehnten , veranlasst durch den Nutzungsdruck (Siedlungen, Landwirtschaft), zu strukturellen Defiziten. 2. a) Von wem wurde die Gewässergüte im Hinblick auf das Ziel eines guten ökologischen wie chemischen Zustands regelmäßig kontrolliert? Der Zustand der Gewässer wird vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg (WWA) erhoben. Die hierzu auch erforderlichen Fischuntersuchungen erfolgten im Fall der Pleichach und Kürnach durch die Fachberatung für Fischerei des Bezirks Unterfranken (Federführung Wasserwirtschaftsverwaltung ). b) Wird dabei auch ein Saprobienindex erstellt? Das alte 7-stufige Verfahren mit dem Saprobienindex wird nicht mehr angewendet. Im Zuge des Monitorings nach den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wurde auf ein 5-stufiges System umgestellt. Anstelle des Saprobienindex ist das Makrozoobenthos – Modul Saprobie getreten, mit dessen Hilfe der gesamte OWK mit dem Untersuchungsergebnis an einer repräsentativen Messstelle bewertet wird. Für die Bewertung der Saprobie im Längsverlauf eines Gewässers wird ein vereinfachtes Verfahren, die sog. „Flächenkartierung “ benutzt, ebenfalls ein 5-stufiges System. c) Wie hat sich die Qualität in den letzten Jahren seit dem ersten Fischsterben am 21.09.2011 bis heute entwickelt? Die Fischsterben waren i. W. auf Stoßbelastungen aus der Kanalisation zurückzuführen (vgl. Antwort zu Frage 3 a), deren Ursachen angegangen wurden. Die unter 1 a dargestellte Gewässerqualität, die als Resultat der dauerhaften Einwirkungen der Belastungen zu sehen ist, hat sich seither nicht verändert. Die unter 3 c und 5 genannten Maßnahmen werden erst künftig Auswirkungen zeigen. 3. a) Warum kam es am 21.09.2011, am 11.05.2012 und am 30.04.2013 in der Kürnach und jüngst am 23.07.2015 in der Pleichach zu einem Fischsterben (bitte konkret die Ursache(n) und die Wirkung auf das Gewässer mit Datum benennen)? Die staatsanwaltlichen Ermittlungen sind nach unserem Kenntnisstand in allen Fällen noch nicht abgeschlossen. Die Ursachen sind in allen Fällen unterschiedlich und reichen von Problemen an Regenüberlaufbecken, durch Fremdkörper verengte Kanalquerschnitte bis hin zu einem starken Niederschlagsereignis ohne Hinweis auf Abwassereinleitungen . b) Welchen Einfluss hatten in diesem Zusammenhang Abwassereinleitungen aus Entwässerungsbauwerken ? Siehe 3 a. c) Welche Maßnahmen wurden und werden unternommen , um ein weiteres Fischsterben zu verhindern (bitte die Maßnahmen nach Vorhaben, Effekt, Umsetzungsstand und ggf. Umsetzungszeitplan aufschlüsseln)? In mehreren Besprechungen mit den betroffenen Gemeinden und den Kreisverwaltungsbehörden drängte das WWA auf eine konsequente Umsetzung der Eigenüberwachungsverordnung (EÜV). Hierbei wurden vom WWA Lösungsansätze aufgezeigt, wie der Betrieb der Entlastungsanlage und die Eigenüberwachung optimiert werden können. Die Eigenüberwachung und die Unterhaltung/Wartung der Abwasseranlage der Gemeinde Estenfeld wurden zwischenzeitlich deutlich verbessert. Sämtliche Becken sind mit einer Messeinrichtung ausgestattet, die regelmäßig ausgewertet wird. Im Stadtbereich Würzburg wurde die Drosseleinstellung bei einigen Becken so verändert, dass die Entlastungstätigkeit eines überlasteten Beckens etwas zurückgenommen wird. Dieses Becken mit einer nach wie vor sehr großen Entlastungstätigkeit wird im April 2016 außer Betrieb genommen und durch ein wesentlich größeres ersetzt. Zudem werden vom WWA im Zuge anstehender bzw. laufender Wasserrechtsverfahren sämtliche Mischwassereinleitungen auf Basis der aktuellen wasserwirtschaftlichen Vorgaben überprüft. Festgestellte Defizite werden aufgezeigt und die notwendigen Abhilfemaßnahmen mit den Betreibern besprochen. Da die entsprechenden Nachforderungen i. d. R. eine Umplanung erfordern und die Umsetzung im Bestand häufig sehr aufwendig ist, wird die Umsetzung der Maßnahmen noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Abhängig vom Umfang der jeweiligen Maßnahme kann hier von einem Zeitraum von bis zu 10 Jahren ausgegangen werden. 4. a) Haben die an Kürnach und Pleichach liegenden Kommunen bezüglich der Ausgestaltung ihres Kanalsystems Auflagen bekommen (z. B. hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit, der Dimensionierung und des Stands der Technik ihrer Regenüberlaufbecken ? Siehe 3 c. b) Wenn ja, welche Auflagen wurden erteilt und inwieweit wurden diese umgesetzt? Siehe 3 c. Drucksache 17/9381 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 5. Welche Maßnahmen zur Gewässersanierung, insbesondere zur Behebung der Gewässerschäden, wurden bislang durchgeführt bzw. eingeleitet? Für die durch technische Defekte verursachten Fischsterben (siehe 3 a) waren keine konkreten Sanierungsmaßnahmen erforderlich. Dass umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur erforderlich sind, zeigen insbesondere die Ergebnisse des WRRL-Monitorings bzw. der Zustandserhebung (vgl. Ergebnisse unter 1 a). Auch das Abflussverhalten nach starken Regenereignissen („hydraulischer Stress“) ist zu optimieren. Für die Gewässer III. Ordnung ist für den Oberlauf der Pleichach ein Gewässerentwicklungskonzept in Aufstellung. Für die Kürnach (Gew. III. Ordnung) haben die Gemeinden Kürnach und Estenfeld kürzlich ein gemeinsames Gewässerentwicklungskonzept fertiggestellt. Die Stadt Würzburg will ein entsprechendes Konzept für den Stadtbereich in Auftrag geben. Das Gewässerentwicklungskonzept des WWA für die Pleichach (Unterund Mittellauf, Gewässer II. Ordnung) steht zur Überarbeitung an. Die Umsetzung der Konzepte wird einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Wie unter 3 c bereits dargestellt, werden die Mischwassereinleitungen im Rahmen der Wasserrechtsverfahren überprüft . Dabei werden seitens des WWA auch die quantitativen Anforderungen betrachtet und eine ggf. gewässerseitig erforderliche Abflussdämpfung verlangt. 6. Gibt es Finanzierungshilfen für Kommunen, die unter der Vorgabe von § 55 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) ihr Mischsystem in ein Trennsystem umstellen, und wenn ja, welche und unter welchen Voraussetzungen? Der § 55 Abs. 2 WHG begründet keine Pflicht zur Umrüstung bestehender Mischwassersysteme und Trennsysteme. Nach den Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas 2013) werden Vorhaben der Ersterschließung gefördert. Vorhaben zur Umstellung eines bestehenden Entwässerungsverfahrens vom Misch- in ein Trennsystem sind nach den derzeitig gültigen RZWas 2013 nicht zuwendungsfähig. 7. a) Können nun wieder unbedenklich neue Fische in Kürnach und Pleichach eingesetzt werden? Aus fischereifachlicher Sicht sollte in den Bereichen, in denen es zu einem Fischsterben gekommen ist, zumindest so lange auf einen Fischbesatz verzichtet werden, bis die vom Wasserwirtschaftsamt und den Kommunen bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässersituation Wirkung zeigen. b) Welche Fischarten haben nach heutigem Stand eine Chance in einer ihren Bedürfnissen angemessenen Umgebung zu leben, ohne Schaden zu nehmen ? Die Fischsterben wurden nur im Unterlauf der Pleichach und der Kürnach in den dicht besiedelten Abschnitten festgestellt . In den Mittel- und Oberläufen beider Bäche ist ein naturnaher Fischbestand vorhanden. Bei Befischungen nach Wasserrahmenrichtlinie und bei der Beratungstätigkeit des Fachberaters und Sachverständigen für Fischerei konnten in Pleichach und Kürnach an vielen Stellen neben der Bachforelle auch mehrere andere Arten nachgewiesen werden. Am häufigsten waren die Bachschmerle und der Gründling. Beide Arten haben einen natürlichen Altersaufbau, werden nicht besetzt und vermehren sich im Gewässer eigenständig . Vorhanden waren auch noch die Arten Nase, Rutte, Rotauge und Stichling. Weitere sechs Arten wurden nur als Einzelfunde oder nur in geringen Zahlen gefunden. Einige dieser Funde, wie Goldfische, sind eindeutig auf Einträge aus Teichen oder aus dem Aquaristikbereich zurückzuführen . Insgesamt entspricht der aktuelle Fischbestand nicht ausreichend der Referenzzönose. Mehrere Arten, wie z. B. die Elritze oder der Hasel, fehlen vollständig. Nach Wasserrahmenrichtlinie haben die Bewertungen anhand der Fischbestände in den beiden betroffenen Flusswasserkörpern deshalb nur ein mäßig und ein unbefriedigend erreicht. c) Für welche Fischarten befindet sich in diesen Gewässern wieder eine natürliche Flora und Fauna mit Wasserpflanzen und Insekten als notwendige Lebensgrundlage für diese Fischarten? Alle vorhandenen Fischarten finden eine ausreichende Nahrungsgrundlage. Für kieslaichende Fischarten wie die Bachforelle fehlen aber geeignete Laichplätze. Auch sind viele Abschnitte im Siedlungsbereich stark verbaut und in den Bereichen mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung begradigt, strukturarm und ohne Uferschutzstreifen. Eine Beschreibung dieser Defizite und mögliche Lösungen sind in den unter 5 genannten Gewässerentwicklungskonzepten zu finden. Grundsätzlich gibt es bei beiden Gewässern auch naturnähere Abschnitte, in denen alle dort lebenden Fischarten Rückzugsmöglichkeiten und ausreichende Lebensgrundlagen finden. Anspruchslosere Arten wie Schmerle und Gründling vermehren sich im gesamten Gebiet eigenständig und haben stabile Bestände. Die in den Gewässerentwicklungskonzepten beschriebenen Maßnahmen lassen das Erreichen der Umweltziele nach WRRL für die beiden OWK erwarten.