Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Doris Rauscher SPD vom 29.10.2015 Flüchtlingskinder in Kita und Hort Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Flüchtlingskinder leben derzeit in Bayern und werden in einer Kindertageseinrichtung betreut (bitte aufgeschlüsselt nach Altersgruppen 0–3, 4–6, über 6 Jahren)? 2. Welche Vorgaben hinsichtlich Zugangsmöglichkeiten und Buchungszeiten gibt es vonseiten der Staatsregierung zur Betreuung von Flüchtlingskindern in Krippe , Kindergarten und Hort? 3. Welche Spielräume haben die Kommunen bzw. die zuständigen Jugendämter bei der Übernahme der Kosten für die Betreuung in Kindertageseinrichtungen? 4. Welche Kommunen beschränken sich auf die Übernahme der Kosten für eine Buchungszeit von bis zu 4 Stunden täglich? 4.1 Welche Kommunen übernehmen die Kosten für eine Buchungszeit bis zu 6 Stunden? 4.2 Wie bewertet die Staatsregierung die unterschiedliche Übernahme von Betreuungs- und Bildungszeiten? 5. Gedenkt die Staatsregierung, eine einheitliche Handhabung für die Betreuung, Bildung und Erziehung von Flüchtlingskindern und die einheitliche Übernahme von Buchungszeiten in den Kommunen zu verankern? 6. Welche Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen für Flüchtlingskinder kein Platz in einer Krippe, im Kindergarten oder im Hort zur Verfügung stand? 6.1 Welche Gründe gab es hierfür? 6.2 Welche Maßnahmen gedenkt die Staatsregierung zu ergreifen, um allen Kindern gleichermaßen den Zugang zu Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangeboten zukommen zu lassen? 7. Zu welcher Einschätzung kommt die Staatsregierung hinsichtlich der Gruppengrößen in den einzelnen Einrichtungen durch die steigende Zahl von Flüchtlingskindern ? 7.1 Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung ergreifen , um dem zusätzlichen Platzbedarf in Kitas und Hort gerecht zu werden? 8. Wie unterstützt die Staatsregierung die Kommunen bei einer unkomplizierten und unbürokratischen Planung neuer Betreuungsplätze, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden? 8.1 Wie unterstützt die Staatsregierung die Kommunen bei einer unkomplizierten und unbürokratischen Erweiterung bereits bestehender Planungen für neue Betreuungsplätze ? 8.2 Welche Fälle liegen der Staatsregierung vor, in denen es hinsichtlich der Erweiterung bereits bestehender und vorgelegter Planungen zu Verzögerungen, Hürden oder Problemen bei der praktischen Umsetzung gekommen ist? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 30.11.2015 1. Wie viele Flüchtlingskinder leben derzeit in Bayern und werden in einer Kindertageseinrichtung betreut (bitte aufgeschlüsselt nach Altersgruppen 0–3, 4–6, über 6 Jahren)? Nach einer Erhebung zum Stichtag 31.08.2015 befanden sich in Bayern 17.193 Flüchtlingskinder (Asylbewerber und Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG – im Alter zwischen 0 und 10 Jahren. Davon sind 6.741 unter 3 Jahre alt und 3.253 Flüchtlingskinder im Alter zwischen 4 und 5 Jahren. In der Altersgruppe von 6 Jahren bis 10 Jahren befanden sich zum Stichtag 7.199 Kinder in Bayern. Bis zum Ende des Jahres wird sich die Zahl der Flüchtlingskinder in den genannten Altersgruppen voraussichtlich um rund 7.000 erhöhen. Die Staatsregierung hat keine Angaben darüber, wie viele Flüchtlingskinder derzeit in einer Kindertageseinrichtung betreut werden. Dies ist Aufgabe der jeweiligen Kommunen. 2. Welche Vorgaben hinsichtlich Zugangsmöglichkeiten und Buchungszeiten gibt es vonseiten der Staatsregierung zur Betreuung von Flüchtlingskindern in Krippe, Kindergarten und Hort? Für den Zugang und die Buchungszeiten gelten die allgemeinen Anforderungen ohne Unterschied, ob es sich um ein Flüchtlingskind oder ein sonstiges Kind handelt. So haben Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.01.2016 17/9407 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9407 zum Beispiel unterschiedslos alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zur Einschulung einen Rechtsanspruch auf Betreuung in einer Kindertageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Voraussetzung für den Zugang zu einer Kindertageseinrichtung ist lediglich, dass die Flüchtlingsfamilie von der Ersteinrichtung in eine Anschlussunterbringung umgezogen ist, da zuvor keine Aufnahme in eine Kindertageseinrichtung erfolgen kann. 3. Welche Spielräume haben die Kommunen bzw. die zuständigen Jugendämter bei der Übernahme der Kosten für die Betreuung in Kindertageseinrichtungen ? Bei der Übernahme der Kosten für die Betreuung in Kindertageseinrichtungen gilt § 90 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches (SGB) Achtes Buch (VIII). Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Landkreise, kreisfreie Städte) sind für den Vollzug zuständig und treffen ihre Entscheidungen eigenverantwortlich . Die Arbeitsgruppe Kosten und Zuständigkeitsfragen beim Bayerischen Landesjugendamt hat hierzu Empfehlungen zur pauschalierten Kostenbeteiligung gemäß § 90 SGB VIII veröffentlicht (http://www.blja.bayern.de/im peria/md/content/stmas/stmas_internet/grundsicherung/ 5-090811-kinderbetreuung-abgrenzung-zur-jugendhilfe. pdf). 4. Welche Kommunen beschränken sich auf die Übernahme der Kosten für eine Buchungszeit von bis zu 4 Stunden täglich? 4.1 Welche Kommunen übernehmen die Kosten für eine Buchungszeit bis zu 6 Stunden? 4.2 Wie bewertet die Staatsregierung die unterschiedliche Übernahme von Betreuungs- und Bildungszeiten ? Der Staatsregierung liegen zu diesen Fragen keine Informationen vor. Da Beschwerden über eine unzureichende Übernahme des Elternbeitrags seit geraumer Zeit nicht an das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration herangetragen werden, wird von einem interessensgerechten Vollzug des § 90 Abs. 3 SGB VIII ausgegangen. 5. Gedenkt die Staatsregierung, eine einheitliche Handhabung für die Betreuung, Bildung und Erziehung von Flüchtlingskindern und die einheitliche Übernahme von Buchungszeiten in den Kommunen zu verankern? Es besteht derzeit kein Anlass, die bewährte Praxis über die bereits bestehenden Vorschriften hinaus zu regeln. Im Falle eines Handlungsbedarfs wäre es zunächst Angelegenheit der zuständigen Kommunen, für Abhilfe zu sorgen. 6. Welche Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen für Flüchtlingskinder kein Platz in einer Krippe, im Kindergarten oder im Hort zur Verfügung stand? 6.1 Welche Gründe gab es hierfür? Der Staatsregierung sind entsprechende Fälle nicht bekannt . Allgemein berichten die Gemeinden, dass bisher allenfalls vorübergehend Unterbringungsprobleme bestehen. 6.2 Welche Maßnahmen gedenkt die Staatsregierung zu ergreifen, um allen Kindern gleichermaßen den Zugang zu Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangeboten zukommen zu lassen? Auch die Flüchtlingskinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bis zur Einschulung haben Anspruch auf Zugang zu den Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangeboten (siehe Antwort zu Frage 2). Die zuständigen Gemeinden haben daher die entsprechenden notwendigen Plätze im Falle des Zuzugs von Flüchtlingsfamilien in ihren Bedarfsplanungen zu berücksichtigen und diese rechtzeitig bereitzustellen . Der Freistaat Bayern unterstützt die zuständigen Gemeinden finanziell im Rahmen des Bayerischen Kinderbildungs - und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) durch Betriebs - und Investitionskostenförderung. Um Engpässe zu überbrücken, können Träger von Kindertageseinrichtungen den Anstel-lungsschlüssel im Umfang von bis zu 3 Kalendermonaten förderunschädlich überschreiten, sofern ihnen seitens des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe Kinder aus Gründen des Kindeswohls zugewiesen werden (§ 17 Abs. 5 Satz 3 AVBayKiBiG). Das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) hat bezogen auf Flüchtlingskinder dieser Überschreitung vorab zugestimmt. Darüber hinaus wird der Freistaat in 2016 zusätzlich 6 Mio. Euro zur Verfügung stellen, um den Trägern die Finanzierung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingskindern zu ermöglichen. Ferner wird der Freistaat Bayern auch weiterhin das pädagogische Personal unterstützen, um sich auf die neuen Herausforderungen durch die Zuwanderung besser einstellen zu können. Insbesondere ist hierzu in Zusammenarbeit mit den Fortbildungsträgern eine Fortbildungsinitiative geplant. Schließlich sollen für die Einrichtungen dadurch Anreize geschaffen werden, Flüchtlingskinder aufzunehmen, dass diese mit einem erhöhten Gewichtungsfaktor von 1,3 bei der finanziellen Förderung berücksichtigt werden. In Abhängigkeit der weiteren Entwicklung prüft das StMAS fortlaufend, ob weitere Unterstützungsmaßnahmen erforderlich werden und wie diese ggf. umgesetzt werden könnten. Hierzu steht das StMAS in engem Austausch mit den Gemeinden und Trägern. 7. Zu welcher Einschätzung kommt die Staatsregierung hinsichtlich der Gruppengrößen in den einzelnen Einrichtungen durch die steigende Zahl von Flüchtlingskindern? Eine Organisation einer Kindertageseinrichtung in Gruppen ist nicht zwingend, weshalb die Gruppengröße auch nicht erfasst wird. Indikator für die Belegung einer Einrichtung ist der Anstellungsschlüssel. Derzeit ist ein Absinken des durchschnittlichen Anstellungsschlüssels nicht feststellbar (2013/14: 1:9,42; 2015: 1:9,39). Der sogar leicht verbesserte Anstellungsschlüssel zeigt, dass die hohe Kita-Qualität beibehalten wurde. 7.1 Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung ergreifen , um dem zusätzlichen Platzbedarf in Kitas und Hort gerecht zu werden? Bisher ist es den zuständigen Gemeinden bzw. freigemeinnützigen und sonstigen Trägern gelungen, die Flüchtlingskinder im regulären Kindertagesbetrieb zu integrieren. Die Gemeinden setzen den Ausbau insbesondere im Bereich der Kinder unter drei Jahren (U3) und der Schulkinder bedarfsgerecht fort. Der Freistaat unterstützt die Gemeinden durch die Betriebskostenförderung nach dem BayKiBiG und die Investitionskostenförderung nach dem BayKiBiG i.V.m. dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) und trägt derzeit rund 53 % der Grundkosten. Für den Bereich U3 wird in Fortführung der Investitionsprogramme von 2008 bis 2015 (Förder- Drucksache 17/9407 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 mittel in Höhe von insgesamt 1,3 Mrd. Euro) die Sonderförderung des Freistaates fortgesetzt (Laufzeit bis Ende 2017). Die regulären Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich werden mit einer Pauschale in Höhe von 9.800 Euro pro neuem Platz U3 mit Mitteln des Bundes in Höhe von 87 Mio. Euro fortgesetzt. Damit trägt der Freistaat im Schnitt rund 70 % der Baukosten. 8. Wie unterstützt die Staatsregierung die Kommunen bei einer unkomplizierten und unbürokratischen Planung neuer Betreuungsplätze, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden? 8.1 Wie unterstützt die Staatsregierung die Kommunen bei einer unkomplizierten und unbürokratischen Erweiterung bereits bestehender Planungen für neue Betreuungsplätze? 8.2 Welche Fälle liegen der Staatsregierung vor, in denen es hinsichtlich der Erweiterung bereits bestehender und vorgelegter Planungen zu Verzögerungen , Hürden oder Problemen bei der praktischen Umsetzung gekommen ist? Die Planung der ausreichenden Anzahl von Betreuungsplätzen ist in erster Linie Aufgabe der Kommunen. Die Staatsregierung hat ganz unabhängig von der derzeitigen Situation den Kommunen Hinweise gegeben, wie eine solche Planung im Allgemeinen aussehen kann. Weitergehenden Unterstützungsbedarf haben die bayerischen Kommunen nicht angemeldet.