Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 27.01.2014 Situation der Frauenhäuser in Bayern Der Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser und Fachberatungsstellen für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder offenbart auch für Bayern erhebliche Defizite bei einer flächendeckenden Versorgung mit Frauenhausplätzen und Beratungsangeboten. So hat Bayern im Bundesvergleich die zweitniedrigste Versorgungsquote mit Frauenhausplätzen und die niedrigste Zahl an Fachberatungsstellen in Relation zur Bevölkerungszahl. Auch in der regionalen Verteilung der Angebote gibt es erhebliche Unterschiede . So mussten allein die Frauenhäuser in Unterfranken im letzten Jahr 310 Frauen aufgrund von Platzmangel abweisen . Vor diesem Hintergrund müssen das 1993 entwickelte Gesamtkonzept für Frauenhäuser und die Richtlinie für die Förderung von Frauenhäusern in Bayern überprüft werden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Hält die Staatsregierung vor dem Hintergrund steigen- der Auslastungsquoten das Angebot von 340 Plätzen in 38 staatlich geförderten Frauenhäusern noch für ausreichend, um eine bedarfs- und flächendeckende Versorgung in Bayern zu gewährleisten? a) In welchen bayerischen Bezirken und Regionen sieht die Staatsregierung mögliche Versorgungsdefizite? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Feststellung, dass Bayern im Bundesvergleich die zweitniedrigste Versorgungsquote mit Frauenhausplätzen aufweist (1,17 Plätze auf 10.000 Frauen)? 2. Hält die Bayerische Staatsregierung vor dem Hinter- grund steigender Beratungszahlen bei den Notrufen das Angebot von 33 staatlich geförderten Notrufen und Fachberatungsstellen in Bayern für ausreichend, um eine bedarfs- und flächendeckende Versorgung zu gewährleisen? a) In welchen bayerischen Bezirken und Regionen sieht die Staatsregierung möglicherweise Versorgungsdefizite ? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Tatsache, dass Bayern im Bundesvergleich in Relation zur Bevölkerungszahl die niedrigste Anzahl an Fachberatungsstellen aufweist (0,1 Prozent auf 10.000 Frauen)? 3. Hält die Bayerische Staatsregierung den 1993 im Ge- samtkonzept für Frauenhäuser ermittelten Schlüssel an Frauenhausplätzen in Bayern (1 Platz pro 10.000 Einwohnerinnen) noch für zeitgemäß? a) Hält die Staatsregierung die in der Richtlinie zur Förde- rung von Frauenhäusern in Bayern festgelegten Stellenschlüssel für die Betreuung der Frauen und für die Kinderbetreuung noch für bedarfsgerecht? b) Wie vielen Frauen wurde aufgrund von Platzmangel in den letzten fünf Jahren die Aufnahme in einem Frauenhaus versagt? 4. Hält die Staatsregierung die in der Richtlinie für die Förderung von Frauenhäusern in Bayern festgelegte staatliche Förderung der Personalkosten von Frauenhäusern angesichts des kontinuierlich steigenden kommunalen Förderanteils noch für sach- und bedarfsgerecht ? a) Hält die Staatsregierung die gegenwärtige Förderung der Personal- und Sachkosten der Notrufe für von sexualisierter oder häuslicher Gewalt betroffene Frauen noch für sach- und bedarfsgerecht? b) Wann ist eine Anpassung der zuletzt zum 01.01.2009 erhöhten staatlichen Fördersätze für Frauenhäuser und Notrufe vorgesehen? 5. Welche Ursachen sieht die Staatsregierung für die steigende durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Frauen in bayerischen Frauenhäusern? a) Wie bewertet die Staatsregierung das Problem, dass zunehmend Frauen dazu gezwungen sind, länger als erforderlich im Frauenhaus zu bleiben, weil sie insbesondere in den städtischen Ballungsräumen keine bezahlbaren Wohnungen finden? b) Welche speziellen Hilfs- und Unterstützungsangebote bei der Wohnungsvermittlung hält die Staatsregierung insbesondere für Frauen im ALG-II- oder Sozialgeldbezug für erforderlich? 6. Welche Beschränkungen gibt es in Frauenhäusern bei der Wohnsituation von Frauen mit einem oder mehreren Kindern? a) Wie häufig müssen sich Frauen mit einem oder mehreren Kindern ein gemeinsames Schlafzimmer mit ihren Kindern teilen? b) Welche Maßnahmen hält die Staatsregierung für erforderlich , um insbesondere für Frauen mit Kindern zufriedenstellende Wohnverhältnisse zu ermöglichen? 7. Gibt es angesichts der hohen Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen in Bayern genügend spezialisierte und barrierefrei zugängliche Schutz- und Beratungsangebote ? a) Welche Programme plant die Staatsregierung zur Förderung des barrierefreien Umbaus existierender Frauenhäuser und Frauennotrufe? b) Welchen konzeptionellen Änderungsbedarf und Nachqualifizierungsbedarf in Bezug auf das Personal sieht die Staatsregierung bei der bestehenden Hilfeinfrastruktur , um den Bedürfnissen gewaltbetroffener Frauen mit Behinderung besser gerecht werden zu können? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.04.2014 17/952 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/952 8. Welchen politischen Handlungsbedarf zum Ausbau der Frauenhausplätze und Fachberatungsangebote sieht die Staatsregierung angesichts der ersten bundesweiten Bestandsaufnahme zur Situation der Frauenhäuser und Fachberatungsstellen für gewaltbetroffene Frauen? a) Gibt es in Bayern genügend spezialisierte Schutz- und Hilfsangebote für psychisch erkrankte Frauen und akut suchtkranke Frauen, die einem besonders hohen Gewaltrisiko unterliegen? b) Gibt es in Bayern ausreichend spezialisierte Schutz- und Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen mit Mig- rationshintergrund? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 05.03.2014 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Kerstin Celina beantworte ich im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt: Vorbemerkung: Die Staatsregierung nimmt den im Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder (BT-Drs. 17/10500) aufgezeigten Handlungsbedarf ernst und setzt sich intensiv mit ihm auseinander . Nachdem die Bereitstellung von Unterstützungsangeboten für von Gewalt bedrohte oder betroffene Frauen Teil der Daseinsvorsorge und damit in erster Linie Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte ist, ist eine Prüfung bzw. Weiterentwicklung des in Bayern bestehenden Unterstützungssystems nur gemeinsam mit diesen Akteuren möglich. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) hat daher auf Fachebene den kommunalen Spitzenverbänden sowie den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern im Juni 2013 vorgeschlagen, gemeinsam mögliche Konsequenzen aus dem o. g. Bericht zu erörtern. Ein erstes Gespräch fand mittlerweile Anfang Januar 2014 statt. Dort wurde insbesondere festgestellt, dass eine sinnvolle Planung einer Bedarfsermittlung bedarf. Nachdem auch das im o. g. Bericht enthaltene Gutachten betont, dass die dort abgebildete Situationsanalyse keine Bedarfserhebung darstellt und keine Bedarfsanalyse leisten kann, wird derzeit als erster Schritt eine bayernweite Bedarfsermittlung geprüft. Ein weiteres Gespräch ist für Ende März anberaumt. 1. Hält die Staatsregierung vor dem Hintergrund steigender Auslastungsquoten das Angebot von 340 Plätzen in 38 staatlich geförderten Frauenhäusern noch für ausreichend, um eine bedarfs- und flächendeckende Versorgung in Bayern zu gewährleisten ? a) In welchen bayerischen Bezirken und Regionen sieht die Staatsregierung mögliche Versorgungsdefizite ? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Feststellung, dass Bayern im Bundesvergleich die zweitniedrigste Versorgungsquote mit Frauenhausplätzen aufweist (1,17 Plätze auf 10.000 Frauen)? Der Bedarf an Frauenhausplätzen in Bayern wurde in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und den als Trägern von Frauenhäusern betroffenen Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege in dem 1993 gemeinsam entwickelten Gesamtkonzept für Frauenhäuser in Bayern mit einem Platz pro 10.000 Einwohnerinnen zwischen 18 und 60 Jahren ermittelt. Neben den 340 Frauenplätzen in den 38 staatlich geförderten Frauenhäusern halten einige Kommunen sog. Notwohnungen bzw. sonstige Frauenhäuser bereit, die nicht staatlich gefördert werden. Über diese rein kommunalen Angebote hat die Staatsregierung keine abschließende Übersicht. Eine Abfrage bei den Gleichstellungsbeauftragten der Landkreise und kreisfreien Städte vom Frühjahr 2013 hat ein Gesamtergebnis von 23 derartigen (zusätzlichen) Hilfsangeboten ergeben. Aussagekräftig für die Beurteilung der Versorgungslage ist neben der Anzahl der Frauenhausplätze der Bedarf. Ein Indiz für die quantitative Bedarfsgerechtigkeit ist die Auslastungsquote . Diese lag bei den staatlich geförderten Frauenhäusern im Jahr 2012 im Durchschnitt bei rund 91 % und ist in den davorliegenden Jahren – abgesehen von Absenkungen in den Jahren 2009 und 2010 – kontinuierlich angestiegen . Im Landesvergleich hat Niederbayern die wenigsten Plätze im Vergleich zur Bevölkerungszahl, und diese Plätze weisen auch eine sehr hohe Auslastungsquote auf. In Unterfranken gibt es ebenfalls im Landesvergleich relativ wenige Plätze, allerdings liegt hier auch die Auslastungsquote der Plätze deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Zudem merkt der o. g. Bericht an, dass die berechneten Pro-Kopf-Quotienten Näherungswerte seien, die aufgrund unterschiedlicher Zählweisen von Frauenhausplätzen – im Hinblick auf unterschiedliche Berücksichtigung von Plätzen für Kinder – nur begrenzt vergleichbar seien. Ein Ranking oder Rating der Versorgungssituation nach Bundesländern könne mit diesem Datenmaterial daher nicht vorgenommen werden (a. a. O., Seite 14). Anhaltspunkte für eine strukturelle oder flächendeckende Unterversorgung sieht der Bericht ebenfalls nicht (a. a. O., Seite 22). Es darf auch nicht übersehen werden, dass der Bericht neben der rein quantitativen Aussage auch Aussagen zur Qualität im Ländervergleich trifft, bei denen Bayern besser abschneidet als manche Länder mit einer sehr hohen Anzahl an Frauenhausplätzen. So bieten z. B. alle bayerischen Frauenhäuser, die sich an der Umfrage beteiligt haben, auch nachgehende Beratung und ambulante Beratung an, in 92 % findet – was für eine Kriseneinrichtung wichtig ist – eine Aufnahme von Frauen auch außerhalb der regulären Dienstzeiten überwiegend durch Bereitschaftsdienst (und nicht durch andere Bewohnerinnen ) statt, und in 29 von 31 der antwortenden Frauenhäuser werden eigenständige Unterstützungsangebote für Kinder vorgehalten. Wie bereits dargelegt, ist jedoch vorgesehen, im Rahmen der oben erwähnten Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern das Drucksache 17/952 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen auf den Prüfstand zu stellen. 2. Hält die Bayerische Staatsregierung vor dem Hintergrund steigender Beratungszahlen bei den Notrufen das Angebot von 33 staatlich geförderten Notrufen und Fachberatungsstellen in Bayern für ausreichend, um eine bedarfs- und flächendeckende Versorgung zu gewährleisen? a) In welchen bayerischen Bezirken und Regionen sieht die Staatsregierung möglicherweise Versorgungsdefizite ? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Tatsache, dass Bayern im Bundesvergleich in Relation zur Bevölkerungszahl die niedrigste Anzahl an Fachberatungsstellen aufweist (0,1 Prozent auf 10.000 Frauen)? Das Angebot der 33 staatlich geförderten Notrufe/Fachberatungsstellen bietet zusammen mit anderen Beratungsangeboten , wie z. B. Frauenhäusern und Ehe- und Familienberatungsstellen , ein regional ausgewogenes Hilfe- und Unterstützungssystem. Zu der Relation von Fachberatungsstellen zur Bevölkerungszahl sei darauf hingewiesen, dass es neben Bayern noch vier weitere Länder (Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt) gibt, die laut dem Bericht eine Anzahl von 0,1 Fachberatungsstellen pro 10.000 Frauen aufweisen. Wie bereits dargelegt, ist jedoch vorgesehen, im Rahmen der oben erwähnten Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern das Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder auf den Prüfstand zu stellen. 3. Hält die Bayerische Staatsregierung den 1993 im Gesamtkonzept für Frauenhäuser ermittelten Schlüssel an Frauenhausplätzen in Bayern (1 Platz pro 10.000 Einwohnerinnen) noch für zeitgemäß? a) Hält die Staatsregierung die in der Richtlinie zur Förderung von Frauenhäusern in Bayern festgelegten Stellenschlüssel für die Betreuung der Frauen und für die Kinderbetreuung noch für bedarfsgerecht ? Es darf auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 verwiesen werden. Das Gesamtkonzept für Frauenhäuser in Bayern und die bayernweit geltende Bemessungszahl von einem Frauenhausplatz auf 10.000 Frauen (im Alter von 18 bis 60 Jahren) sowie die Stellenschlüssel für die Betreuung der Frauen und der Kinder wurden 1993 gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern entwickelt. Ob sie dem aktuellen Bedarf entsprechen, wird im Rahmen der o. g. Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern zu überprüfen sein. b) Wie vielen Frauen wurde aufgrund von Platzmangel in den letzten fünf Jahren die Aufnahme in einem Frauenhaus versagt? Entsprechende Zahlen liegen der Staatsregierung nicht vor. Die Zahl der abgewiesenen Frauen wird in der vom StMAS geführten Frauenhausstatistik nicht abgefragt, ebenso wenig wie die Gründe, aus denen eine Frau abgewiesen wird. Vereinzelt wird von den Frauenhäusern in den Sachberichten dazu Stellung genommen, eine bayernweite Auswertung liegt jedoch nicht vor. Generell gilt jedoch, dass versucht wird, Betroffene, die nicht aufgenommen werden können, an ein anderes Frauenhaus oder eine andere geeignete Einrichtung weiterzuvermitteln. 4. Hält die Staatsregierung die in der Richtlinie für die Förderung von Frauenhäusern in Bayern festgelegte staatliche Förderung der Personalkosten von Frauenhäusern angesichts des kontinuierlich steigenden kommunalen Förderanteils noch für sach- und bedarfsgerecht? a) Hält die Staatsregierung die gegenwärtige Förderung der Personal- und Sachkosten der Notrufe für von sexualisierter oder häuslicher Gewalt betroffene Frauen noch für sach- und bedarfsgerecht? b) Wann ist eine Anpassung der zuletzt zum 01.01.2009 erhöhten staatlichen Fördersätze für Frauenhäuser und Notrufe vorgesehen? Die Bereitstellung von Hilfsangeboten für von häuslicher Gewalt bedrohte oder betroffene Frauen ist als Teil der Daseinsvorsorge in erster Linie Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte. Insofern obliegt ihnen auch die Kostentragung . Um die Kommunen zu entlasten und aufgrund der hohen Bedeutung, die die Staatsregierung dem Schutz von Frauen vor Gewalt zumisst, hat sie sich zur Beteiligung an den Personalkosten der Frauenhäuser sowie den Personal- bzw. Sachkosten der Notrufe im Rahmen ergänzender freiwilliger Leistungen verpflichtet. Die Richtlinie für die Förderung von Frauenhäusern in Bayern und die Richtlinie zur Förderung von Notrufen für von sexualisierter und/oder häuslicher Gewalt betroffene Frauen und von sexualisierter Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche in Bayern wurden zu Jahresbeginn 2013 novelliert . Eine Erhöhung der staatlichen Förderung für Frauenhäuser und Notrufe ist derzeit nicht vorgesehen. Die Fragestellung wird in die o. g. Gespräche mit den Kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern eingebracht werden. 5. Welche Ursachen sieht die Staatsregierung für die steigende durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Frauen in bayerischen Frauenhäusern? Der Staatsregierung liegen keine Statistiken zu den Gründen für den Anstieg der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer in den bayerischen Frauenhäusern vor. Die Sachberichte der Frauenhäuser führen allerdings – neben anderen Ursachen , wie z. B. einen nötigen längeren Betreuungsbedarf – insbesondere den Mangel an preisgünstigen Wohnungen als Grund an. a) Wie bewertet die Staatsregierung das Problem, dass zunehmend Frauen dazu gezwungen sind, länger als erforderlich im Frauenhaus zu bleiben, weil sie insbesondere in den städtischen Ballungsräumen keine bezahlbaren Wohnungen finden? Aufgabe der Frauenhäuser ist es in erster Linie, die hilfesuchenden Frauen so weit psychosozial zu stabilisieren, dass sie in ein selbstbestimmtes Leben zurückkehren können. Daneben fällt in das Aufgabengebiet der Frauenhäuser – bei entsprechendem Bedarf der betreuten Frauen – auch die Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung. Es ist aber nicht Aufgabe der Frauenhäuser und kann es auch nicht sein, Wohnungsmarktprobleme auszugleichen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/952 Nach Art. 106 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung ist es die Aufgabe von Staat und Kommunen, preisgünstigen Wohnraum zu fördern. Nach Art. 2 Abs. 1 des Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes (BayWoFG) ist es das Ziel der Mietwohnraumförderung , Haushalte zu unterstützen, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können. Bayern unterstützt daher die Schaffung preisgünstigen Wohnraums im Rahmen des Bayerischen Wohnungsbauprogramms . Die Bayerische Staatsregierung misst der Wohnraumförderung trotz Haushaltskonsolidierung einen hohen Stellenwert zu. Das erklärte Ziel ist, den Wohnungsbau entscheidend zu stärken, damit auch weiterhin ausreichend und erschwinglicher Wohnraum bereitsteht. Staatsminister Herrmann hat 2014 zum Jahr des Wohnungsbaus erklärt. Vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags stehen 2014 Fördermittel von Land und Bund in Höhe von insgesamt 260 Mio. € für den Neubau von Mietwohnungen und Eigenheimen bzw. für ihren Erwerb zur Verfügung. Dies bedeutet eine Steigerung der Landesmittel gegenüber dem Vorjahr um 50 Mio. Euro. Zu dem begünstigten Personenkreis gehören selbstverständlich schon jetzt Frauen auch in schwierigen Lebenslagen . Wenn alleinerziehende Elternteile (und in der überwiegenden Mehrheit sind das Frauen) z. B. Wohngemeinschaften bilden wollen, kommen nach Nr. 7.7 Buchstabe c der Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts – VVWoBindR) Freistellungen von den Belegungsbindungen in Betracht. Zudem können von der Bewilligungsstelle im Zuwendungsbescheid Belegungsvorbehalte etwa für Schwangere oder Alleinerziehende vorgesehen werden. Nicht vergessen werden dürfen auch die Rechtsschutzmöglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes: Es muss durchaus nicht die von Partnergewalt betroffene Frau sein, die sich eine neue Wohnung suchen muss. Vielmehr bietet das Gewaltschutzgesetz die Möglichkeit der Wohnungszuweisung . Diese ist zusammen mit anderen Schutzmaßnahmen, wie z. B. dem Kontakt- und Näherungsverbot, eine gute Möglichkeit zum Schutz vor weiteren Gewalttaten, ohne dass die eigene Wohnung verlassen werden muss. Gewaltbetroffenen Frauen sollte daher Mut gemacht werden, auch diese Schutzmöglichkeit zu nutzen. b) Welche speziellen Hilfs- und Unterstützungsangebote bei der Wohnungsvermittlung hält die Staatsregierung insbesondere für Frauen im ALG-II- oder Sozialgeldbezug für erforderlich? Im SGB II und im SGB XII gibt es keinen Anspruch auf Wohnraumvermittlung, nur einen Anspruch auf Übernahme der (angemessenen) Kosten. Änderungen diesbezüglich sind nicht veranlasst. Für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten sind ggf. Wohnraumvermittlungs-Leistungen nach § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII möglich – diese Vorschrift ist neben dem SGB II anwendbar, auch für erwerbsfähige Personen. Alleinerziehende werden grundsätzlich nicht dem Personenkreis mit besonderen sozialen Schwierigkeiten zuzurechnen sein. Sie haben aber gleichwohl Anspruch auf Beratung durch die Sozialämter und bei entsprechendem Bedarf auf weitere Hilfen. 6. Welche Beschränkungen gibt es in Frauenhäusern bei der Wohnsituation von Frauen mit einem oder mehreren Kindern? a) Wie häufig müssen sich Frauen mit einem oder mehreren Kindern ein gemeinsames Schlafzimmer mit ihren Kindern teilen? b) Welche Maßnahmen hält die Staatsregierung für erforderlich, um insbesondere für Frauen mit Kindern zufriedenstellende Wohnverhältnisse zu ermöglichen ? Frauenhäuser müssen nach der Richtlinie für die Förderung von Frauenhäusern in Bayern mindestens die gleiche Anzahl an Kinder- wie an Frauenplätzen vorhalten. In den staatlich geförderten Frauenhäusern stehen über 400 Plätze für Kinder zur Verfügung. Die Auslastungsquote im Kinderbereich liegt regelmäßig unter der im Frauenbereich. Zugangsbeschränkungen existieren nach Kenntnis der Staatsregierung bei mitgebrachten Söhnen in jugendlichem Alter: Frauenhäuser nehmen männliche Kinder ab 14 Jahren in der Regel dann nicht mit auf, wenn aufgrund ungünstiger baulicher Gegebenheiten eine sowohl für männliche Jugendliche als auch für weitere dort wohnende Frauen angemessene Unterbringung nicht gewährleistet werden kann (z. B. bei gemeinschaftlich genutzten Duschräumen und Toiletten ; nicht getrennten Wohneinheiten). Daten darüber, wie häufig sich Frauen und Kinder ein gemeinsames Schlafzimmer teilen müssen, liegen der Staatsregierung nicht vor. Dies ist abhängig von den räumlichen Gegebenheiten und der Belegungssituation des Frauenhauses . Die Fragestellung wird in die o. g. Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern eingebracht werden. 7. Gibt es angesichts der hohen Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen in Bayern genügend spezialisierte und barrierefrei zugängliche Schutz- und Beratungsangebote? b) Welchen konzeptionellen Änderungsbedarf und Nachqualifizierungsbedarf in Bezug auf das Personal sieht die Staatsregierung bei der bestehenden Hilfeinfrastruktur, um den Bedürfnissen gewaltbetroffener Frauen mit Behinderung besser gerecht werden zu können? Die Thematik Behinderung und Gewalt ist in den letzten Jahren vermehrt in das öffentliche Bewusstsein gerückt, nicht zuletzt durch die Studie der Universität Bielefeld „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“, erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Der Staatsregierung liegt aufgrund der vorrangigen kommunalen Zuständigkeit kein bayernweiter Überblick über die Barrierefreiheit von Frauenhäusern und Notrufen vor. Nach Kenntnis der Staatsregierung versucht jedes Frauenhaus, je nach seinen räumlichen Gegebenheiten und personellen Kapazitäten, auch den Bedürfnissen gewaltbetroffener Frauen mit Behinderungen Rechnung zu tragen bzw. sie zumindest an besser geeignete Einrichtungen weiter zu verweisen . Laut dem von der Fragestellerin erwähnten Bericht sehen sich von den 30 bayerischen Frauenhäusern, die an der bundesweiten Bestandsaufnahme teilgenommen haben , eines als spezialisiert, eines als gut geeignet und 21 als teils-teils geeignet für Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderung an (a. a. O., Seite 63, Abbildung 22). Bei den Frauennotrufen wird dann, wenn es die personellen Kapazitäten erlauben, für Frauen mit Behinderungen im Bedarfsfall auch aufsuchende Beratung zu Hause angeboten. Drucksache 17/952 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Bei den Netzwerkfrauen Bayern (offener Zusammenschluss von Frauen und Mädchen mit unterschiedlichen Behinderungen und chronischen Erkrankungen in Bayern) können gewaltbetroffene Frauen zweimal wöchentlich telefonisch oder über Skypeberatung Information und Hilfe holen. Der Verbesserung des Gewaltschutzes für Frauen mit Behinderungen widmen sich auch zwei neue Projekte des StMAS, die Anfang 2014 gestartet sind: Zum einen die Erstellung einer speziellen zentralen barrierefreien Service-Homepage sowie Fortbildungen für Beraterinnen in Frauenhäusern und Notrufen zur Thematik „Gewalt und Behinderung“ und zum anderen Schulungen zur Frauenbeauftragten für in Einrichtungen der Behindertenhilfe lebende und arbeitende Frauen. Im Rahmen dieser beiden Projekte werden auch nähere Erkenntnisse zu den aufgeworfenen Fragen gewonnen werden. Zudem wird die Fragestellung auch in die o. g. Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern eingebracht werden. a) Welche Programme plant die Staatsregierung zur Förderung des barrierefreien Umbaus existierender Frauenhäuser und Frauennotrufe? Im Bereich der Frauenhäuser und Notrufe gibt die Staatsregierung einen Zuschuss zu den Personalkosten, beteiligt sich jedoch nicht an den Investitionskosten. Derzeit laufen die Vorbereitungsarbeiten für das von Herrn Ministerpräsidenten in seiner Regierungserklärung am 12. November 2013 im Bayerischen Landtag angekündigte Sonderinvestitionsprogramm „Bayern barrierefrei 2023“. Am 21. Februar 2014 wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet , die in den kommenden Monaten die Handlungsfelder und den konkreten Bedarf für einen barrierefreien öffentlichen Raum erarbeiten wird. Die Barrierefreiheit von Frauenhäusern und Frauennotrufen wird vonseiten des StMAS in die interministerielle Arbeitsgruppe eingebracht werden. 8. Welchen politischen Handlungsbedarf zum Ausbau der Frauenhausplätze und Fachberatungsangebote sieht die Staatsregierung angesichts der ersten bundesweiten Bestandsaufnahme zur Situation der Frauenhäuser und Fachberatungsstellen für gewaltbetroffene Frauen? Der Handlungsbedarf wird derzeit in den oben erwähnten Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern erörtert. a) Gibt es in Bayern genügend spezialisierte Schutz- und Hilfsangebote für psychisch erkrankte Frauen und akut suchtkranke Frauen, die einem besonders hohen Gewaltrisiko unterliegen? Der Staatsregierung liegt aufgrund der vorrangigen kommunalen Zuständigkeit kein bayernweiter Überblick über die Anzahl der Schutz- und Hilfsangebote für gewaltbetroffene psychisch erkrankte und akut suchtkranke Frauen vor. Die 38 staatlich geförderten Frauenhäuser und 33 staatlich geförderten Notrufe stehen grundsätzlich selbstverständlich auch gewaltbetroffenen Frauen mit psychischen Erkrankungen und suchtkranken Frauen zur Verfügung. Laut dem von der Fragestellerin erwähnten Bericht sehen sich von den 30 bayerischen Frauenhäusern, die an der bundesweiten Bestandsaufnahme teilgenommen haben, 20 als gut bzw. teil-teils geeignet für psychisch kranke Frauen und 16 als gut bzw. teil-teils geeignet für suchtkranke Frauen an (a. a. O., Seite 65 Abbildung 25 und Abbildung 26). Akut psychisch erkrankte Frauen bzw. akut suchtkranke Frauen können in der Regel nicht in ein Frauenhaus aufgenommen werden. Allerdings wird immer im Einzelfall entschieden (z. B. wenn externe Begleitung oder Therapiemöglichkeit , durch welche die Frau begleitet werden kann, besteht). Ist eine akute Problematik anhängig, die im Frauenhaus nicht zufriedenstellend gelöst werden kann, werden die Frauen an geeignete Einrichtungen weitervermittelt. Die Suchthilfe und die psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen sowie die komplementären Hilfesysteme sind generell in der Lage, Frauen ihren spezifischen Bedarfen entsprechend zu versorgen. Um Vernetzungen dieser Hilfesysteme mit den Frauenhäusern und Notrufen voranzubringen, ist das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in einen Dialog mit der Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe (KBS) eingetreten. b) Gibt es in Bayern ausreichend spezialisierte Schutz- und Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen mit Migrationshintergrund? Auch gewaltbetroffenen Frauen mit Migrationshintergrund stehen selbstverständlich die bayerischen Frauenhäuser und Frauennotrufe offen. So wurde in dem von der Fragestellerin erwähnten Bericht von 83 % der deutschlandweit an der Umfrage beteiligten Frauenhäuser ihre Eignung für Frauen mit Migrationshintergrund bejaht. Darüber hinaus gibt es weitere staatlich geförderte Einrichtungen , die sich mit Gewaltbereichen auseinandersetzen, denen speziell Frauen mit Migrationshintergrund ausgesetzt sein können. So existiert seit August 2012 das Wohnprojekt „Scheherazade“, das für akut von Zwangsverheiratung bedrohte oder betroffene junge Frauen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren eine sichere Zufluchtsstätte bietet. Insgesamt stehen dort drei staatlich pauschal finanzierte Krisenplätze zur Verfügung. Migrantinnen und Ausländerinnen, die Opfer von Gewalt insbesondere in Form von Menschenhandel oder Zwangsverheiratung geworden sind, können sich zudem an die staatlich geförderten Fachberatungsstellen JADWIGA und SOLWODI wenden. Fachberatungsstellen von Solwodi befinden sich in Bad Kissingen (seit 2001), Passau (seit 2003), Augsburg (seit 2005) und München (seit 2007). Fachberatungsstellen von Jadwiga gibt es in München (seit 1999) und Nürnberg (seit 2005). SOLWODI stellt für betroffene Frauen auch Schutzwohnungen in Bad Kissingen und Passau bereit.