Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 26.10.2015 Ausbau der Sicherheitswacht in Bayern Der Freistaat plant, die Sicherheitswacht in Bayern weiter auszubauen: Von derzeit 772 Mitgliedern soll sie auf 1.000 Mitglieder erhöht werden. Derzeit gibt es Sicherheitswachten in 124 Gemeinden Bayerns. Nach der Aufgabenbeschreibung der Sicherheitswacht auf der Homepage der Bayerischen Polizei (https://www.polizei.bayern.de/wir/ sicherheitswacht/index.html/300) soll diese „vor allem dort präsent sein, wo Straftaten drohen, die Gefährdung aber dennoch nicht so groß ist, dass Polizeibeamte ständig vor Ort sein müssen. Als Tätigkeitsgebiete kommen hauptsächlich in Betracht: (…) das Umfeld von Asylbewerber-Unterkünften “. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welchen zeitlichen Aufwand erfordert die Auswahl der Interessenten, die Aus- und Fortbildung der Personen und deren Einsatzkoordination (bitte ungefähre Angabe pro Stichpunkt in Stunden oder Wochen)? 2. Welche Nachweise müssen Interessenten erbringen, um zu belegen, dass sie über Zuverlässigkeit und Verantwortungsbereitschaft verfügen und somit die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes und der Verfassung einzutreten? 3. Wie werden mögliche Einträge im polizeilichen Führungszeugnis der Interessenten überprüft und welche Auswirkungen haben diese? 4. Wie werden die Interessenten durch die Sicherheitsbehörden auf mögliche extremistische Aktivitäten überprüft? 4.1 Wurden in der Vergangenheit Interessenten wegen eines extremistischen Hintergrundes abgelehnt? 4.2 Wenn ja, wie viele Personen und mit welcher Begründung ? 5. Weshalb geht die Staatsregierung trotz der genannten Aufgabenbeschreibung vor dem Hintergrund der deutschlandweit massiv gestiegenen Zahl gewaltsamer rechtsextremistisch motivierter Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte weiterhin davon aus, dass das Umfeld von Asylbewerberunterkünften als Einsatzgebiet der Sicherheitswacht geeignet ist? 6. Welche Kosten verursachte die Sicherheitswacht für den Freistaat Bayern seit dem Jahr 2010, also seit dem Zeitpunkt des vollständigen Finanzierungsübergangs in die Hand des Freistaats (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? 7. Wie viele Beschwerden oder Rechtsbehelfsverfahren sind seit 2010 gegen Maßnahmen von Angehörigen der Sicherheitswacht erhoben oder eingeleitet worden ? 8. Hat die Staatsregierung Evaluationen vorgenommen, um zu klären, ob der Einsatz der Sicherheitswacht zu einem Rückgang von Kriminalität am Einsatzort führt? 8.1 Wenn nein, warum nicht? 8.2 Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 09.12.2015 Die Schriftliche Anfrage wird unter Beteiligung der Präsidien der Bayerischen Landespolizei wie folgt beantwortet: 1. Welchen zeitlichen Aufwand erfordert die Auswahl der Interessenten, die Aus- und Fortbildung der Personen und deren Einsatzkoordination (bitte ungefähre Angabe pro Stichpunkt in Stunden oder Wochen)? Der zeitliche Aufwand für die Auswahl der Interessenten wird nicht explizit erfasst. Nach Einschätzung der Bayerischen Landespolizeipräsidien ist hierfür ein Zeitaufwand von etwa 2 bis 3 Stunden pro Bewerber anzusetzen. Dieser setzt sich insbesondere aus Werbemaßnahmen, Sichtung sowie Aus- und Bewertung der Bewerbungsunterlagen, der Überprüfung des Bewerbers und dem Führen eines Auswahlgesprächs zusammen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 26.01.2016 17/9526 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9526 Der Umfang der Ausbildung ist bayernweit einheitlich geregelt . Die Ausbildung für die Angehörigen der Sicherheitswacht umfasst 40 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten. Das Prüfungsgespräch dauert 15 Minuten. Für jede Unterrichtseinheit ist nach Mitteilung der Polizeipräsidien etwa eine Stunde für Vor- und Nachbereitung einzuberechnen. Für den Bereich der Fortbildung ist mindestens einmal vierteljährlich eine zentrale Fortbildungsveranstaltung vorzusehen . Näheres ist nicht vorgeschrieben. In den meisten Polizeipräsidien finden jedoch monatlich Fortbildungsveranstaltungen statt. Hierfür sind in Abhängigkeit der zu vermittelnden Inhalte zwischen einer und vier Stunden pro Monat vorzusehen. Der zeitliche Aufwand für Einsatzkoordination der Sicherheitswacht wird ebenso nicht explizit erfasst. Nach Einschätzung der Bayerischen Landespolizeipräsidien wendet eine Polizeidienststelle je nach Anzahl der Sicherheitswachtmitarbeiter bis zu zwei Stunden pro Woche für die Einsatzkoordination auf. Der durchschnittliche Koordinierungsaufwand liegt bei einer Stunde wöchentlich. 2. Welche Nachweise müssen Interessenten erbringen , um zu belegen, dass sie über Zuverlässigkeit und Verantwortungsbereitschaft verfügen und somit die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes und der Verfassung einzutreten ? Die Bestellungsvoraussetzung für Interessenten ergeben sich aus Art. 12 Sicherheitswachtgesetz (SWG). Gemäß der Vollzugsbekanntmachung zum SWG müssen Interessenten Zuverlässigkeit und Verantwortungsbereitschaft erkennen lassen und einen guten Ruf besitzen. Die Bayerische Polizei überprüft die Zuverlässigkeit der Bewerber durch einen Abgleich mit den Datenbeständen der polizeilichen Informationssysteme. Darüber hinaus erfolgt die Einholung einer Auskunft aus dem Bundeszentralregister (BZR). Weiterhin werden einzelfallbezogen Nachfragen bei der Gemeinde durchgeführt. Zusätzlich gibt der Bewerber in einem Fragebogen eine Erklärung in Bezug zu extremistischen oder extremistisch beeinflussten Organisationen ab. In diesem Formblatt wird der Bewerber ausführlich über den Einsatz der Sicherheitswacht und die daraus resultierenden Verpflichtungen zum Eintritt für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung (FDGO), einschließlich der Unvereinbarkeit der Unterstützung von Vereinigungen oder Parteien, welche die FDGO ablehnen, gegen Unterschrift belehrt. Weiterhin benennt der Interessent in diesem Formblatt zwei Auskunftspersonen (Leumund), die zu dessen Zuverlässigkeit Auskünfte geben können. Die Richtigkeit seiner Angaben wird unterschriftlich durch den Bewerber bestätigt. 3. Wie werden mögliche Einträge im polizeilichen Führungszeugnis der Interessenten überprüft und welche Auswirkungen haben diese? Zunächst wird auf die Beantwortung der Frage 2 verwiesen. Werden bei der Überprüfung entsprechende Einträge festgestellt , die nicht mit einer Tätigkeit in der Sicherheitswacht vereinbar sind, erfolgt regelmäßig eine Beendigung des Bewerbungsverfahrens . 4. Wie werden die Interessenten durch die Sicherheitsbehörden auf mögliche extremistische Aktivitäten überprüft? Das Auswahlverfahren beinhaltet auch das persönliche Gespräch mit dem Bewerber. In diesem Gespräch wird der Bewerber auch hinsichtlich extremistischer Tendenzen überprüft . Über die in der Beantwortung zu Frage 3 beschriebenen Maßnahmen hinaus, erfolgt regelmäßig eine Überprüfung der Bewerber hinsichtlich staatsschutzrelevanter Erkenntnisse . Anlassbezogen kommt auch eine Überprüfung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in Betracht. 4.1 Wurden in der Vergangenheit Interessenten wegen eines extremistischen Hintergrundes abgelehnt? 4.2 Wenn ja, wie viele Personen und mit welcher Begründung ? Die Fragen 4.1 und 4.2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Bislang wurde bei keinem Bewerber für die Bayerische Sicherheitswacht ein extremistischer Hintergrund festgestellt , der die Ablehnung eines Bewerbers erforderlich gemacht hätte. 5. Weshalb geht die Staatsregierung trotz der genannten Aufgabenbeschreibung vor dem Hintergrund der deutschlandweit massiv gestiegenen Zahl gewaltsamer rechtsextremistisch motivierter Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte weiterhin davon aus, dass das Umfeld von Asylbewerberunterkünften als Einsatzgebiet der Sicherheitswacht geeignet ist? Die Staatsregierung begrüßt es, dass sich die ehrenamtlichen Angehörigen der Sicherheitswacht dafür einsetzen, auch im Umfeld von Asylbewerberunterkünften für Sicherheit zu sorgen. Die sichtbare Präsenz der Sicherheitswacht kann nicht nur zu einer Stärkung des Sicherheitsgefühls der dort wohnhaften Asylbewerber beitragen, sondern auch potentielle Straftäter abschrecken. Die Angehörigen der Sicherheitswacht stehen per Funk mit der Polizei in Verbindung und haben damit die Möglichkeit, verdächtige Wahrnehmungen unmittelbar mitzuteilen. Eine Gefährdungsbewertung, die einen Einsatz der Sicherheitswacht im Umfeld von Asylbewerberunterkünften nicht mehr zulässt, ist in Bayern nicht gegeben. 6. Welche Kosten verursachte die Sicherheitswacht für den Freistaat Bayern seit dem Jahr 2010, also seit dem Zeitpunkt des vollständigen Finanzierungsübergangs in die Hand des Freistaats (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? Für Aufwandsentschädigungen und Ausstattung der Angehörigen der Sicherheitswacht fielen in den Jahren 2010 bis 2015 folgende Kosten an: – 2010: 612.727,09 € – 2011: 851.898,94 € – 2012: 832.616,83 € – 2013: 786.212,60 € – 2014: 860.320,48 € – 2015: 747.179,99 € (Stand: 10.11.2015). 7. Wie viele Beschwerden oder Rechtsbehelfsverfahren sind seit 2010 gegen Maßnahmen von Angehörigen der Sicherheitswacht erhoben oder eingeleitet worden? Seit Bestehen der bayerischen Sicherheitswacht wurden Drucksache 17/9526 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 zwei Strafverfahren gegen deren Angehörige eingeleitet. Beide Verfahren wurden durch die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft eingestellt. Darüber hinaus wurden sechs Beschwerden erhoben und ein Rechtsbehelfsverfahren eingeleitet. 8. Hat die Staatsregierung Evaluationen vorgenommen , um zu klären, ob der Einsatz der Sicherheitswacht zu einem Rückgang von Kriminalität am Einsatzort führt? 8.1 Wenn nein, warum nicht? 8.2 Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Eine Evaluation zur Wirkung des Einsatzes der Sicherheitswacht auf die Kriminalitätsentwicklung wurde durch die Staatsregierung nicht vorgenommen. Die primäre Aufgabe der Sicherheitswacht ist es, durch Verstärkung der sichtbaren Präsenz das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu steigern. Der Einsatz von Mitgliedern der Sicherheitswacht an Kriminalitätsbrennpunkten setzt eine konkrete Gefährdungsbewertung voraus und ist eine Einzelfallentscheidung des zuständigen Dienststellenleiters der Polizei. Zwar bewirkt die Präsenz der Sicherheitswacht in den Einsatzgebieten auch kriminalpräventive Effekte, z. B. im Bereich von Vandalismus und einfacher Straßenkriminalität. Die Sicherheitswacht als polizeiliches Instrumentarium eines gezielten Einsatzes zur Kriminalitätsbekämpfung würde aber der grundsätzlichen Ausrichtung der Sicherheitswacht widersprechen und ist ihren Angehörigen auch nicht zumutbar. Eine Evaluation zum Rückgang der Kriminalität ist vor diesem Hintergrund nicht zielführend.