Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.11.2015 Umsetzung der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen in Bayern Laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 02.11.2015 wurde in den Jahren 2012/2013 entgegen den Bemühungen seitens der zuständigen Mitarbeiter des damaligen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit, die Grenze zwischen Einzelraumfeuerungsanlage und Zentralheizung restriktiv auszulegen, vom damaligen Staatsminister Marcel Huber aufgrund massiven Drucks von außen diese Grenze sehr großzügig ausgelegt mit dem Ergebnis, dass sehr viel mehr Schadstoffe in die Luft ausgestoßen werden dürfen. Unter der Voraussetzung, dass der im Artikel dargestellte Sachverhalt richtig ist, frage ich die Staatsregierung : 1. a) Wer hat sich wann in welcher Form an Staatsminister Marcel Huber gewandt, um eine schärfere Interpretation der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen zu verhindern? b) Nach welchen Kriterien wird beurteilt, ob es sich bei einem Ofen um eine Einzelraumfeuerungsanlage im Sinne der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV)“ handelt? c) Wie haben sich die Kriterien im Sinne der Frage 1 b und die Position des Umweltministeriums seit der Novelle der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV im Jahr 2010 geändert und warum? 2. Aus welchen fachlichen Gründen heraus hat Staatsminister Marcel Huber ein Schreiben seiner Fachabteilung , in dem unter anderen vor „ernst zu nehmenden Luftverunreinigungen“ gewarnt wurde, ignoriert? 3. Entspricht die derzeit gängige Praxis in Bayern der Auslegung, die am 05.08.2011 von der Bund-Länder- Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz veröffentlicht wurde, wenn nein, in welchen Punkten wird Verordnung aus welchen Gründen anders interpretiert? 4. a) Welche Schadstoffe werden in welchen Mengen von den verschiedenen Einzelraumfeuerungsanlagen zulässigerweise ausgestoßen? b) Welche Schadstoffe werden in welchen Mengen von dem in dem Artikel der Süddeutschen Zeitung (SZ) erwähnten „Stubenkessel“ der Firma Brunner real ausgestoßen ? 5. a) Welches sind die „fachlichen Argumente“, die laut SZ- Artikel ein Sprecher des Umweltministeriums als Erklärung für die damalige Kehrtwende angeführt hat? b) Welche „positiven Weiterentwicklungen auf technischer Seite“ hat derselbe Sprecher laut SZ-Artikel gemeint ? c) Welchen Einfluss haben diese Weiterentwicklungen auf den Schadstoffausstoß dieser Anlagen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 21.12.2015 1. a) Wer hat sich wann in welcher Form an Staatsminister Marcel Huber gewandt, um eine schärfere Interpretation der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen zu verhindern? Im Rahmen der zeitlichen Vorgaben konnten folgende Eingaben bzw. Gespräche ermittelt werden: • Der Industrieverband Haus-, Heiz- und Küchentechnik (HKI) übersandte mit Schreiben vom 12.04.2012 einen Beitrag zur Abgrenzung von Einzelraumfeuerungsanlage und Zentralheizung an Herrn Staatsminister Dr. Huber. • Eine Anfrage zum Plenum vom 17./18.07.2012 des Abgeordneten Staatsminister a. D. Erwin Huber enthielt die Frage, warum Bayern als einziges Bundesland „weitere Hürden“ für die wasserführenden Öfen errichten wolle. • Die Abgeordnete Helga Schmitt-Bussinger wandte sich mit Schreiben vom 14.08.2012 an Herrn Staatsminister Dr. Huber mit der Bitte um Informationen zur Auslegung der Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundesimissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV), und bat mit Schreiben vom 19.09.2012 um eine zeitliche Konkretisierung , wann mit einer endgültigen Klärung der Auslegungsfrage zu rechnen sei. Die Abgeordneten Reserl Sem und Erwin Huber wandten sich in ihrem gemeinsamen Schreiben vom 08.09.2012 an Herrn Staatsminister Dr. Huber mit der Bitte, in Bayern den gleichen Vollzug wie in den anderen Ländern, nämlich den analog zur Bund-Länder-Auslegung, fortzuführen. • Herr Dr. Franz X. Kirschner wandte sich mit Schreiben vom 10.07.2012 an Herrn Staatsminister Dr. Huber mit der Bitte um einen Gesprächstermin, und wurde daraufhin zu einem der unten genannten Gespräche auf Fachebene eingeladen, nahm jedoch nicht teil. • Herr Hubert Ziegler übersandte mit E-Mail vom 30.05.2012 einen Beitrag zur Abgrenzung von Einzel- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.02.2016 17/9581 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9581 raumfeuerungsanlage und Zentralheizung an Herrn Staatsminister Dr. Huber und setzte sich für einen Vollzug analog zur Bund-Länder-Auslegung ein. Der Neuburger Oberbürgermeister, Herr Dr. Bernhard Gmehling, bat mit E-Mail vom 12.09.2012 um einen Gesprächstermin bei Herrn Staatsminister Dr. Huber gemeinsam mit Herrn Hubert Ziegler. Das Gespräch fand auf Fachebene statt, Herr Dr. Gmehling hat daran nicht teilgenommen. Einwände von Verbänden und Ofenherstellern wurden im Rahmen von Gesprächen auf Fachebene gehört, an denen auch Vertreter des Kaminkehrerhandwerks teilnahmen. b) Nach welchen Kriterien wird beurteilt, ob es sich bei einem Ofen um eine Einzelraumfeuerungsanlage im Sinne der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV)“ handelt? Als Einzelraumfeuerungsanlagen gelten nach § 2 Nr. 3 der 1. BImSchV Feuerungsanlagen, die vorrangig zur Beheizung des Aufstellraums verwendet werden. Sie können laut amtlicher Begründung der 1. BImSchV aber auch angrenzende Räume mit beheizen. Zur Klarstellung, was vorrangig bedeutet, wurde im Rahmen der Bund-Länder-Arbeit am 05.08.2011 eine Auslegung veröffentlicht. Die Nennwärmeleistung der Einzelraumfeuerungsanlage muss sich danach am Wärmebedarf des Aufstellraums orientieren. Die Ermittlung der maximalen, an den Wärmebedarf des Aufstellraums angepassten Nennwärmeleistung einer Einzelraumfeuerungsanlage in kW erfolgt dabei • in Abhängigkeit von der Feuerstättenart, • nach der Grundfläche des Aufstellraums • und unter Berücksichtigung des Gebäudedämmstandards . Hierzu wurden von der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz Tabellen für den Vollzug herausgegeben, bis zu welcher Raumgröße welche Nenn- bzw. Feuerungswärmeleistung des Ofens zulässig ist. c) Wie haben sich die Kriterien im Sinne der Frage 1 b und die Position des Umweltministeriums seit der Novelle der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV im Jahr 2010 geändert und warum? Die Kriterien im Sinne der Frage 1 b haben sich nicht geändert . Die Novelle der 1. BImSchV trat im März 2010 in Kraft und bildet den damaligen Stand der Technik ab. Zu diesem Zeitpunkt waren viele der seitdem erfolgten Weiterentwicklungen im Bereich der Holzkleinfeuerungsanlagen noch nicht absehbar. U. a. auch durch die Energiewende nahm die Anzahl neu entwickelter Anlagen zu, die nicht mehr eindeutig einem System (Zentralheizung oder Einzelraumfeuerungsanlagen ) zugeordnet werden konnten. Auf Fachebene wurde zudem festgestellt, dass die 1. BImSchV keine ausreichend präzise Regelung, z. B. für wasserführende Anlagen, bereitstellte. Das Abweichen von der in der Bund-Länder-Arbeit verabschiedeten Auslegung wurde den Regierungen mit einem Vollzugsschreiben auf Fachebene vom 27.01.2012 mitgeteilt. Die Verbände der Hersteller und der Kaminkehrer, die an der Erarbeitung der Bund-Länder- Auslegung, die einen bundesweit einheitlichen Vollzug zum Ziel hatte, beteiligt waren, reagierten mit dem Wunsch einer fachlichen Klarstellung, welche im Rahmen der in der Antwort zu Frage 1 genannten Gespräche auf Fachebene im Jahr 2012 erfolgte. Um auf die positiven Weiterentwicklungen auf technischer Seite und die sich daraus verbessernde Anlagentechnik zu reagieren, wurden die ersten Informationen , die zu Beginn des Jahres 2012 an die Vollzugsbehörden herausgegeben wurden, korrigiert, und mit Schreiben vom 21.12.2012 weiterentwickelte Vorgaben zum Vollzug herausgegeben (siehe Antwort auf Frage 3). 2. Aus welchen fachlichen Gründen heraus hat Staatsminister Marcel Huber ein Schreiben seiner Fachabteilung, in dem unter anderen vor „ernst zu nehmenden Luftverunreinigungen“ gewarnt wurde , ignoriert? Die Schadstoffbelastung der Luft z. B. mit Feinstaub wird von allen Holzheizungen verursacht, nicht nur von wasserführenden Öfen. Die zum Zeitpunkt der Novelle der 1. BImSchV befürchteten Grenzwertüberschreitungen z. B. bei Feinstaub blieben aus. Durch Inkrafttreten der Stufe 2 der 1. BImSchV zum 01.01.2015 wurden die Grenzwerte für Neuanlagen nochmals deutlich verschärft, sodass man davon ausgehen kann, dass die seitdem errichteten Holzkleinfeuerungsanlagen nur gering zur Schadstoffbelastung der Luft durch Feinstaub beitragen. 3. Entspricht die derzeit gängige Praxis in Bayern der Auslegung, die am 05.08.2011 von der Bund-Länder -Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz veröffentlicht wurde, wenn nein, in welchen Punkten wird Verordnung aus welchen Gründen anders interpretiert? Die derzeit gängige Praxis in Bayern entspricht grundsätzlich der Auslegung, die am 05.08.2011 von der Bund-Länder -Arbeitsgemeinschaft veröffentlicht wurde. Um jedoch die Nutzung einer solchen wasserführenden Einzelraumfeuerungsanlage als Zentralheizung auszuschließen , wurde mit dem Schreiben zum Vollzug vom 21.12.2012 als Ergänzung zu den Kriterien der Bund- Länder-Auslegung (siehe Antwort auf Frage 1 b) nochmals klargestellt, dass eine solche Anlage nicht als Ersatz für die Zentralheizung fungieren darf, sondern allenfalls dauerhaft nachgeordnet in einen Heizkreislauf eingebunden sein darf. 4. a) Welche Schadstoffe werden in welchen Mengen von den verschiedenen Einzelraumfeuerungsanlagen zulässigerweise ausgestoßen? Einzelraumfeuerungsanlagen für feste Brennstoffe, mit Ausnahme von Grundöfen und offenen Kaminen, die ab dem 22.03.2010 errichtet wurden, dürfen nur betrieben werden, wenn für die Feuerstättenart durch eine Typprüfung des Herstellers belegt werden kann, dass unter Prüfbedingungen die Anforderungen an die Emissionsgrenzwerte nach Anlage 4 der 1. BImSchV eingehalten werden. Diese Grenzwerte beziehen sich auf die Schadstoffe Staub und Kohlenstoffmonoxid (CO). Seit dem 01.01.2015 ist Stufe 2 in Kraft, welche im Vergleich zur seit 22.03.2010 geltenden Stufe 1 nochmals deutlich verschärfte Grenzwerte vorsieht. Bei Öfen für den Betrieb mit Scheitholz liegt der derzeit geltende Grenzwert für Staub bei 40 mg/m³, Pelletöfen müssen den Grenzwert 30 mg/m³ einhalten. Ein noch strengerer Grenzwert gilt für wasserführende Pelletöfen, er beträgt 20 mg/m³. Die Emissionen im praktischen Betrieb hängen sehr von der Bedienung der Feuerungsanlage und der Brennstoffbeschaffenheit ab. Damit die Emissionen möglichst nahe an Drucksache 17/9581 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 die Typprüfergebnisse heranrücken, führen die Kaminkehrer die nach 1. BImSchV geforderten Beratungsgespräche durch, kontrollieren das Brennstofflager, prüfen die Brennstofffeuchte und weisen auf geeignetes Informationsmaterial hin. b) Welche Schadstoffe werden in welchen Mengen von dem in dem Artikel der Süddeutschen Zeitung (SZ) erwähnten „Stubenkessel“ der Firma Brunner real ausgestoßen? Bei dem von der Firma Brunner vertriebenen Stubenkessel handelt es sich um einen Kachelofen-Heizeinsatz, der nur dann als Einzelraumfeuerungsanlage eingestuft werden kann, wenn er die in der Antwort zu Frage 3 genannten Kriterien erfüllt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist eine solche Anlage als Zentralheizung einzustufen. In diesem Fall muss im Rahmen einer wiederkehrenden Messung durch den Kaminkehrer die Einhaltung der Anforderungen des § 5 Abs. 1 der 1. BImSchV nachgewiesen werden. Die realen Emissionen hängen von verschiedenen Faktoren ab (siehe auch Antwort zu Frage 4 a), es sind keine pauschalen Angaben möglich. 5. a) Welches sind die „fachlichen Argumente“, die laut SZ-Artikel ein Sprecher des Umweltministeriums als Erklärung für die damalige Kehrtwende angeführt hat? Innovative Lösungen, um den nachwachsenden Rohstoff Holz zu nutzen, gleichzeitig aber auch dem sinkenden Wärmebedarf von Gebäuden gerecht zu werden, wurden seitens der Hersteller entwickelt. Da für diesen niedrigen Wärmebedarf geeignete, sehr kleine Einzelraumfeuerungsanlagen in einem Leistungsbereich von ca. 4 kW derzeit nicht am Markt vorhanden sind, wurde die Idee, die überschüssige Wärme zu nutzen, die während des temporären Betriebs einer Einzelraumfeuerungsanlage bei der Beheizung des Aufstellraumes frei wird, aus fachlicher Sicht positiv bewertet. Gleichzeitig kann so ein ungünstiger Teillastbetrieb vermieden werden. b) Welche „positiven Weiterentwicklungen auf technischer Seite“ hat derselbe Sprecher laut SZ-Artikel gemeint? Siehe Antwort auf Frage 5 a. c) Welchen Einfluss haben diese Weiterentwicklungen auf den Schadstoffausstoß dieser Anlagen? Siehe Antwort auf Frage 5 a.