Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 17.11.2015 Verwendung von Pfefferspray bei der Polizei in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Behördenmitarbeiter/-mitarbeiterinnen, Beamte bzw. Beamtinnen und Angestellte in Bayern sind befugt, Pfefferspray einzusetzen? 2. Welche Gesetze, Verwaltungsvorschriften, Verordnungen oder Richtlinien regeln den Einsatz von Pfefferspray durch diese Personen? 3. Welche Reizstoffsprühgeräte (RSG) sind bei der Polizei im Einsatz (bitte aufgliedern nach Hersteller, Typenbezeichnung des RSG, Füllmenge, Einsatzreichweite, Sprühbilddurchmesser, Mindestzahl von 1-Sekunden- Strahlstößen)? 4. Wie finden Ausbildung und Training der Polizeibeamten/ -beamtinnen in Bezug auf den Einsatz von Reizstoffen statt, und inwieweit wird bei der Ausbildung auf mögliche Risiken und Gesundheitsgefährdungen durch den Einsatz von Reizstoffen sowie die Hinweise auf den Sicherheitsdatenblättern der Hersteller hingewiesen? 5. Nach welchen Vorschriften bzw. nach welchem Verfahren müssen Beamte bzw. Beamtinnen der Polizei die Anwendung von Pfefferspray als Hilfsmittel körperlicher Gewalt gegen Personen melden? Inwiefern (Rhythmus, Kriterien) werden diese Meldungen ausgewertet, und welche Schlussfolgerungen hat die Staatsregierung bzw. die zuständige Behörde bislang aus den Auswertungen gezogen (bitte die wesentlichen Erkenntnisse aus den Auswertungen angeben)? 6. Welche vorsorgenden Maßnahmen zur Erstversorgung und zur ärztlichen Behandlung von Menschen, die dem Reizstoff ausgesetzt sind beziehungsweise sein könnten, trifft die Polizei a) im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray bei Großveranstaltungen und anderen Menschenansammlungen , b) im Zusammenhang mit dem Einsatz gegen einzelne Personen? 7. Wie viele Einheiten welcher Reizstoffsprühgeräte einschließlich Nachfüllpatronen wurden in den Jahren 2008– 2015 beschafft (bitte nach Hersteller, Typenbezeichnung des RSG, Füllmenge, Reizstoff und Jahren aufschlüsseln )? 8. Wie viele Polizist(inn)en des Landes kamen in den Jahren 2008–2015 bei der Verwendung der von ihnen eingesetzten Reizstoffe selbst zu Schaden bzw. waren von deren Wirkstoffen selbst betroffen (z. B. durch das Verwenden in geschlossenen Räumen, stehende Nebelwolke im Einsatzkorridor, gleichzeitiges „Vorrücken“ und Sprühen gegen eine Menschenmenge, Streuwirkung/abprallender Strahl vom Ziel etc.)? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 19.12.2015 1. Welche Behördenmitarbeiter/-mitarbeiterinnen, Beamte bzw. Beamtinnen und Angestellte in Bayern sind befugt, Pfefferspray einzusetzen? Bei der Bayerischen Polizei sind ausschließlich Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte (PVB) zur Anwendung von Pfefferspray befugt. 2. Welche Gesetze, Verwaltungsvorschriften, Verordnungen oder Richtlinien regeln den Einsatz von Pfefferspray durch diese Personen? Der Einsatz von Pfefferspray im Dienst wird in den einschlägigen Artikeln des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) zur Anwendung von unmittelbarem Zwang und den hierzu erlassenen Vollzugsbekanntmachungen geregelt. Art. 61 Abs. 3 PAG definiert Reizstoffe als Hilfsmittel körperlicher Gewalt. In Nr. 61.9 der Vollzugsbekanntmachung zu Art. 61 PAG wird u. a. bestimmt, dass Reizstoffe nur gebraucht werden dürfen, wenn der Einsatz anderer Hilfsmittel oder einfacher körperlicher Gewalt keinen Erfolg verspricht oder wenn durch den Einsatz von Reizstoffen die Anwendung von Waffen vermieden werden kann. Gemäß dem in Art. 4 PAG geregelten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs unter mehreren gleich geeigneten Mitteln dasjenige zu wählen, das den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Gemäß Nr. 4.4 der Vollzugsbekanntmachung zu Art. 4 PAG ist eine Maßnahme dann unverhältnismäßig, wenn sie nach vernünftiger Einschätzung der Sachlage einen größeren Schaden bewirken dürfte als den, der entsteht, wenn die polizeiliche Maßnahme unterbleibt. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat der Beamte demzufolge die möglichen Gesundheitsgefahren aus einer Verwendung des Pfeffersprays gegen die Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.02.2016 17/9585 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9585 Gefahren abzuwägen, die bei ungehindertem Fortlauf des Geschehens einträten. Der Einsatz von Pfefferspray wird gem. Art. 54 Abs. 2, Art. 59 PAG grundsätzlich vorher angedroht. In den Einsatzbefehlen bzw. Einsatzkonzeptionen ist im Übrigen geregelt, dass es bei geschlossenen Einheiten – abgesehen von Eilfällen, insbesondere Fällen der Notwehr – beim geschlossenen Einsatz des Pfeffersprays zusätzlich noch einer Freigabe dieses Einsatzmittels durch den Polizeiführer bedarf, der diese Anwendung grundsätzlich im Einsatzbefehl unter „Polizeiführervorbehalt“ stellt. Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 9. September 2008 (AllMBl 2008, 628) regelt den Besitz und das Führen von dienstlich zur Verfügung gestellten Reizstoffsprühgeräten durch PVB außerhalb des Dienstes. 3. Welche Reizstoffsprühgeräte (RSG) sind bei der Polizei im Einsatz (bitte aufgliedern nach Hersteller, Typenbezeichnung des RSG, Füllmenge, Einsatzreichweite , Sprühbilddurchmesser, Mindestzahl von 1-Sekunden-Strahlstößen)? Bei der Bayerischen Polizei werden nur Reizstoffsprühgeräte verwendet, die der Technischen Richtlinie (TR) „Reizstoffsprühgeräte RSG mit Oleoresin Capsicum (OC) und/oder Pelargonsäurevanillylamid (PAVA)“ der Polizeien der Länder und des Bundes entsprechen. Somit ergibt sich die folgende technische Spezifikation: RSG 2 RSG 3 RSG 4 Einsatzreichweite 2,5 m 4 m 4 m/7 m Sprühbilddurchmesser 10–20 cm 10–20 cm 10–20 cm/ 20–40 cm Anzahl der 1-s-Strahlstöße 4 5–8 11 Aktuell wird bei der Bayerischen Polizei nur der Wirkstoff OC verwendet. Konkret sind die nachfolgend aufgeführten Geräte im Einsatz: RSG 2 Hersteller Herstellerbezeichnung Fa. Hoernecke TW1000 RSG 2 Inhalt 20 ml RSG 3 Hersteller, Herstellerbezeichnung, Inhalt Fa. Hoernecke TW1000 RSG 4, 30 ml TW1000 RSG 6, 63 ml und 45 ml (Allround) Hersteller Herstellerbezeichnung, Inhalt Fa. IDC Curd’s Police RSG 3, 60 ml Curd’s Police RSG2000 (RSG 3), 60 ml RSG4 Hersteller Herstellerbezeichnung, Inhalt Hoernecke TW1000 RSG 8, 400 ml 4. Wie finden Ausbildung und Training der Polizeibeamten /-beamtinnen in Bezug auf den Einsatz von Reizstoffen statt, und inwieweit wird bei der Ausbildung auf mögliche Risiken und Gesundheitsgefährdungen durch den Einsatz von Reizstoffen sowie die Hinweise auf den Sicherheitsdatenblättern der Hersteller hingewiesen? Jede Bayerische Polizeivollzugsbeamtin und jeder Polizeivollzugsbeamte muss bereits im Rahmen der Ausbildung nachweislich in den Umgang mit dem Reizstoff Pfefferspray eingewiesen und fortlaufend in dessen Handhabung geschult werden. Dieser Verpflichtung ist im Rahmen des Trainings für polizeiliches Einsatzverhalten (PE) nachzukommen, bei dem möglichst realitätsnah die professionelle Handlungs- und Verhaltenssicherheit der Polizeivollzugsbeamten im polizeilichen Einsatzgeschehen gestärkt wird. Das Training mit dem Einsatzmittel Pfefferspray umfasst dabei die Vermittlung von notwendigem theoretischen Wissen inkl. der entsprechenden Handhabungs- und Sicherheitshinweise der Hersteller der Reizstoffsprühgeräte und des Polizeitechnischen Instituts der Deutschen Hochschule der Polizei, das Basistraining im Umgang mit dem Reizstoffsprühgerät , die Verwendung in interaktiven Trainingsszenarien und die sachgerechte Versorgung nach dem Einsatz, einschließlich der unter Umständen notwendigen Notfallund Erste-Hilfe-Maßnahmen. 5. Nach welchen Vorschriften bzw. nach welchem Verfahren müssen Beamte bzw. Beamtinnen der Polizei die Anwendung von Pfefferspray als Hilfsmittel körperlicher Gewalt gegen Personen melden? Inwiefern (Rhythmus, Kriterien) werden diese Meldungen ausgewertet , und welche Schlussfolgerungen hat die Staatsregierung bzw. die zuständige Behörde bislang aus den Auswertungen gezogen (bitte die wesentlichen Erkenntnisse aus den Auswertungen angeben)? Gemäß Innenministerieller Regelung IC1/IC5-0272.0672-2 vom 08.05.2000 sind besondere Vorkommnisse, die sich im Zusammenhang mit einem Pfeffersprayeinsatz ergeben können, unverzüglich dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr detailliert zu melden. Der Begriff „besondere Vorkommnisse“ beinhaltet neben allen öffentlichkeitswirksamen Ereignissen auch Fälle, in denen bei Personen erhebliche negative gesundheitliche Beeinträchtigungen oder gar irreversible Schädigungen eingetreten oder zu erwarten sind. Bei Vorliegen derartiger besonderer Vorkommnisse erfolgt eine detaillierte Einzelfallbetrachtung. Seit Einführung von Pfefferspray bei der Bayerischen Polizei im Jahr 2000 ergibt die Auswertung der Meldungen: Bei den Hilfsmitteln zur Anwendung von unmittelbarem Zwang durch die Polizei stellt das Pfefferspray eine wirkungsvolle Ergänzung der Einsatzmittel neben dem Einsatz des Einsatzmehrzweckstockes und dem Schusswaffengebrauch als Ultima Ratio dar. Aus polizeilicher Sicht kann man resümieren, dass durch die Anwendung von Pfefferspray der Einsatz der Schusswaffe schon mehrfach verhindert wurde. Aus Sicht des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr hat sich der Einsatz von Pfefferspray bewährt. Derzeit steht kein alternatives Einsatzmittel mit einem besseren Wirkungsgrad und einer geringeren Gesundheitsbeeinträchtigung zu Verfügung. 6. Welche vorsorgenden Maßnahmen zur Erstversorgung und zur ärztlichen Behandlung von Menschen, die dem Reizstoff ausgesetzt sind beziehungsweise sein könnten, trifft die Polizei a) im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray bei Großveranstaltungen und anderen Menschenansammlungen ? Drucksache 17/9585 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Neben der in der Beantwortung zu Frage 4 bereits ausgeführten verbindlichen Schulung jeder Polizeibeamtin und jedes Polizeibeamten in den erforderlichen Notfall- und Erste- Hilfe-Maßnahmen werden Angehörige von geschlossenen Einsatzeinheiten zusätzlich verbindlich im Umgang mit den Besonderheiten des RSG 4 geschult. Beim Einsatz geschlossener Einsatzhundertschaften ist – unabhängig von einem möglichen Einsatz von Pfefferspray – grundsätzlich die Begleitung mit polizeilichen Einsatzsanitätern vorgesehen. Diese gewährleisten (auch) die medizinische Erstversorgung von Personen nach der Anwendung von Pfefferspray. b) im Zusammenhang mit dem Einsatz gegen einzelne Personen? Im polizeilichen Einzeldienst wird die Erstversorgung durch die Einsatzkräfte und die weitergehende medizinische Versorgung bei Bedarf durch Hinzuziehung des Rettungsdienstes gewährleistet. 7. Wie viele Einheiten welcher Reizstoffsprühgeräte einschließlich Nachfüllpatronen wurden in den Jahren 2008–2015 beschafft (bitte nach Hersteller, Typenbezeichnung des RSG, Füllmenge, Reizstoff und Jahren aufschlüsseln)? Die Reizstoffsprühgeräte Model RSG 2 bzw. 3 gehören zur persönlichen Ausstattung jedes bayerischen Polizeibeamten . Das Modell RSG 4 ist als Poolausstattung bei den geschlossenen Einsatzeinheiten der Bayerischen Polizei vorrätig. Der Reizstoff hat einen Verwendungsablauf von 3 Jahren, danach werden die Spraydosen ersetzt. Die Beschaffungszahlen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Es ist keine Differenzierung zwischen Neuausstattung, Nachersatz wegen Defekt oder Nachersatz wegen Verwendungsablauf möglich. 8. Wie viele Polizist(inn)en des Landes kamen in den Jahren 2008–2015 bei der Verwendung der von ihnen eingesetzten Reizstoffe selbst zu Schaden bzw. waren von deren Wirkstoffen selbst betroffen (z. B. durch das Verwenden in geschlossenen Räumen, stehende Nebelwolke im Einsatzkorridor, gleichzeitiges „Vorrücken“ und Sprühen gegen eine Menschenmenge , Streuwirkung/abprallender Strahl vom Ziel etc.)? Eine statistische Erfassung der beschriebenen Fälle durch das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr erfolgt nicht. Darüber hinaus wird auf die Ausführungen zur Frage 5 verwiesen. Reizstoffsprühgeräte Komplettgerät = Gehäuse inkl. Ersatzspraydose 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Stück Stück Stück Stück Stück Stück Stück Stück RSG 3 Komplettgerät, 60 ml OC 262 2.984 1.587 2.388 3.156 734 628 38 RSG 3 Komplettgerät, 45 ml Allround OC 643 RSG 3 Ersatzspraydosen, 60 ml OC 3.560 26.830 7.820 6.660 26.605 9.045 9.025 2.480 RSG 3 Ersatzspraydosen, 45 ml Allround OC 14.605 RSG 4, 400 ml OC 1.131 RSG 3 Ersatzspraydosen, 30 ml OC 490 4.840 3.135 830 4.060 2.205 920 1.030 RSG 2 Komplettgerät, 20 ml OC 15 44 470 242 188 106 328 620 RSG 2 Ersatzspraydosen, 20ml OC 245 2.650 1.640 785 1.530 360 605 2.960