Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Schindler SPD vom 24.11.2015 Abwicklung von Insolvenzverfahren In § 155 I der Insolvenzordnung (Inso) ist geregelt, dass zur Sicherung der Insolvenzmasse handels- und steuerrechtliche Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt bleiben und dass der Insolvenzverwalter diese Pflichten in Bezug auf die Insolvenzmasse zu erfüllen hat. Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur gilt dies auch dann, wenn ein insolventes Unternehmen nicht fortgeführt werden kann, sondern liquidiert werden muss. Dagegen sollen bayerische Insolvenzgerichte die Ansicht vertreten, dass in reinen Liquidationsverfahren ohne Unternehmensfortführung keine Rechnungslegungspflichten bestehen und Insolvenzverwalter in diesen Fällen nicht verpflichtet sind, die kaufmännische (handelsrechtliche/ steuerrechtliche) Rechnungslegung der schuldnerischen Unternehmen fortzuführen, Jahresabschlüsse zu erstellen und Steuererklärungen abzugeben. Wenn Insolvenzverwalter entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes und in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung dennoch durch Steuerberater Steuererklärungen erstellen lassen, werden die hierfür entstehenden Kosten als unnötige Ausgaben der Insolvenzmasse angesehen und es soll in Einzelfällen bereits die Vergütung der Insolvenzverwalter gekürzt worden sein. Ich frage deshalb die Staatsregierung: 1. Trifft es zu, dass den mit der Schlussrechnungsprüfung beauftragten Rechtspflegern bei Fortbildungsveranstaltungen vermittelt wird, dass in reinen Liquidationsverfahren auch bei ausreichender Insolvenzmasse keine kaufmännische (handelsrechtliche/steuerrechtliche) Rechnungslegung der schuldnerischen Unternehmen erforderlich ist und dass hierfür entstandene Kosten als unnötige Ausgaben der Insolvenzmasse behandelt werden sollen, und falls ja, wie wird dies begründet? 2. Hat die Staatsregierung Kenntnis davon, dass Insolvenzgerichte Insolvenzverwalter, die die ihnen gemäß § 155 I InsO obliegenden Pflichten nicht erfüllen, bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern bevorzugen, weil sie dadurch eine höhere Quote erwirtschaften und andere Insolvenzverwalter , die in reinen Liquidationsverfahren bei ausreichender Insolvenzmasse ihren Pflichten gemäß § 155 I InsO nachkommen, benachteiligen? 3. Trifft es zu, dass bei den Insolvenzgerichten ein ranking der Insolvenzverwalter nach den in Insolvenzverfahren erwirtschafteten Quoten vorgenommen und bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern als Auswahlkriterium herangezogen wird, und falls ja, was ist hierfür die Rechtsgrundlage? 4. Hält es die Staatsregierung für geboten, durch eine Änderung der Insolvenzordnung klarzustellen, dass die Rechnungslegungspflichten gem. § 155 I InsO auch in reinen Liquidationsverfahren ohne Unternehmensfortführung erfüllt werden müssen, und falls ja, wird sie über den Bundesrat eine entsprechende Initiative ergreifen? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 22.12.2015 1. Trifft es zu, dass den mit der Schlussrechnungsprüfung beauftragten Rechtspflegern bei Fortbildungsveranstaltungen vermittelt wird, dass in reinen Liquidationsverfahren auch bei ausreichender Insolvenzmasse keine kaufmännische (handelsrechtliche/ steuerrechtliche) Rechnungslegung der schuldnerischen Unternehmen erforderlich ist und dass hierfür entstandene Kosten als unnötige Ausgaben der Insolvenzmasse behandelt werden sollen, und falls ja, wie wird dies begründet? Nach einer hierzu im Dezember 2015 durchgeführten Umfrage des Staatsministeriums der Justiz bei den früheren und aktuellen Referenten entsprechender Fortbildungsveranstaltungen sowie den bayerischen Insolvenzgerichten trifft es nicht zu, dass den Rechtspflegern bei Fortbildungsveranstaltungen vermittelt wird, dass in reinen Liquidationsverfahren auch bei ausreichender Insolvenzmasse keine kaufmännische (handelsrechtliche/steuerrechtliche) Rechnungslegung der schuldnerischen Unternehmen erforderlich ist und dass hierfür entstandene Kosten als unnötige Ausgaben der Insolvenzmasse behandelt werden sollen. Der Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg hat dazu berichtet, dass entstandene Steuerberaterkosten in Ausnahmefällen als unnötige Kosten behandelt und dementsprechend von der Vergütung des Insolvenzverwalters abgezogen werden. Dies ändert aber nichts daran, dass in den Fortbildungsveranstaltungen gelehrt und von allen Insolvenzgerichten einhellig die Auffassung vertreten wird, dass auch in reinen Liquidationsverfahren nach dem Insolvenzrecht grundsätzlich eine handelsrechtliche und steuerrechtliche Rechnungslegung erforderlich ist und hierfür entstandene Kosten Masseverbindlichkeiten darstellen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.02.2016 17/9593 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9593 2. Hat die Staatsregierung Kenntnis davon, dass Insolvenzgerichte Insolvenzverwalter, die die ihnen gemäß § 155 I InsO obliegenden Pflichten nicht erfüllen, bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern bevorzugen, weil sie dadurch eine höhere Quote erwirtschaften, und andere Insolvenzverwalter, die in reinen Liquidationsverfahren bei ausreichender Insolvenzmasse ihren Pflichten gemäß § 155 I InsO nachkommen, benachteiligen ? Nach der vom Staatsministerium der Justiz durchgeführten Umfrage bei den bayerischen Insolvenzgerichten trifft es nicht zu, dass Insolvenzgerichte Insolvenzverwalter, die die ihnen gemäß § 155 Abs. 1 InsO obliegenden Pflichten nicht erfüllen, bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern bevorzugen . Es handele sich dabei um kein Auswahlkriterium. Allenfalls werde ein Insolvenzverwalter, der seinen gesetzlichen Pflichten aus § 115 Abs. 1 InsO nicht nachkomme, bei einer künftigen Bestellung mangels Eignung gerade nicht berücksichtigt. Die Staatsregierung kann folglich auch keine entsprechende Kenntnis haben. 3. Trifft es zu, dass bei den Insolvenzgerichten ein ranking der Insolvenzverwalter nach den in Insolvenzverfahren erwirtschafteten Quoten vorgenommen und bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern als Auswahlkriterium herangezogen wird, und falls ja, was ist hierfür die Rechtsgrundlage? Nach der vom Staatsministerium der Justiz durchgeführten Umfrage bei den bayerischen Insolvenzgerichten trifft es nicht zu, dass bei den Insolvenzgerichten ein „ranking“ der Insolvenzverwalter nach den in Insolvenzverfahren erwirtschafteten Quoten vorgenommen und bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern als Auswahlkriterium herangezogen wird. Sämtliche bayerischen Insolvenzgerichte haben mitgeteilt, dass dort kein entsprechendes „ranking“ erfolge. 4. Hält es die Staatsregierung für geboten, durch eine Änderung der Insolvenzordnung klarzustellen, dass die Rechnungslegungspflichten gem. § 155 I InsO auch in reinen Liquidationsverfahren ohne Unternehmensfortführung erfüllt werden müssen, und falls ja, wird sie über den Bundesrat eine entsprechende Initiative ergreifen? Im Hinblick auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 und den Wortlaut des § 155 Abs. 1 InsO sieht die Staatsregierung keinen Bedarf für eine gesetzliche Klarstellung.