Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Bernhard Roos SPD vom 18.11.2015 Sicherheit an Bahnübergängen Immer wieder ereignen sich an Bahnübergängen – wie jüngst in Freihung auf der Strecke Nürnberg-Weiden – fatale Kollisionen zwischen Zügen und auf den Gleisen liegen gebliebenen Kraftfahrzeugen. Ursache hierbei dürfte neben allgemeiner Unachtsamkeit und Leichtsinn das Phänomen der „Kuppen“ vor Bahnübergängen sein, die dazu führen, dass insbesondere Lkws beim Überqueren der Gleise aufsitzen und liegen bleiben. Um die Sicherheit an Bahnübergängen in Bayern zu verbessern , ist es Aufgabe der Politik, hier ein effizientes Sicherheitskonzept zu erarbeiten. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. a) Wie viele Bahnübergänge mit einer eingangs beschriebenen „Kuppe“ gibt es in Bayern? b) Wie viele sind davon unbeschrankt? 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung den viel diskutierten Lösungsansatz, gefährdete Bahnübergänge mit einem Warnsystem in Gestalt eines Notrufknopfes – eventuell in Verbindung mit einem automatisch aktivierenden Bewegungsmelder – auszustatten? b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Realisierung dieses Warnsystems? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden, Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? 3. a) Wie bewertet die Staatsregierung den alternativen Lösungsansatz, sämtliche unbeschrankten Bahnübergänge mit Schranken nachzurüsten? b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Nachrüstung mit Schranken? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden, Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? 4. a) Zieht die Staatsregierung die Möglichkeit in Betracht, Bahnübergänge mit den gefährlichen „Kuppen“ baulich zu entschärfen, indem eine Niveauangleichung zwischen Gleisbett und davorliegender Fahrbahn vorgenommen wird? b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Beseitigung dieser „Kuppen“? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden, Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Möglichkeit, gefährdete Knotenpunkte nachträglich und zukünftig durch Tunnel oder Überführungen kreuzungsfrei zu gestalten? b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Untertunnelung oder Überführung der neuralgischen Knotenpunkte ? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden, Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? 6. a) Hält die Staatsregierung die Installation von Sensoren , die Hindernisse auf den Schienen automatisch erfassen und gegebenenfalls einen Nothalt einleiten – analog zum Sensorsystem auf den U-Bahnstrecken U2 und U3 in Nürnberg – für ein erwägenswertes Konzept ? b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Ausstattung der gefährdeten Bahnübergänge mit einem solchen Sensorsystem? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden, Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? 7. Welche weiteren Lösungsansätze werden seitens der Staatsregierung derzeit verfolgt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 07.01.2016 Vorbemerkung: Für höhengleiche Kreuzungen von Schienenwegen der öffentlichen Eisenbahnen und der Anschlussbahnen mit öffentlichen Straßen und Wegen (Bahnübergänge) gilt das Eisenbahnkreuzungsgesetz (EKrG). Das Gesetz verpflichtet die Kreuzungsbeteiligten, also das Eisenbahninfrastrukturunternehmen und den Träger der Baulast der kreuzenden Straße , Maßnahmen an Eisenbahnkreuzungen durchzuführen, wenn es die Sicherheit oder die Abwicklung des Verkehrs erfordert. Als Maßnahmen an Bahnübergängen kommen insbesondere die Beseitigung oder Entlastung von Bahnübergängen , der Bau von Überführungen oder das Errichten oder Ändern von technischen Bahnübergangssicherungsanlagen in Betracht. Das Gesetz regelt sodann auch die Kostenverteilung bei solchen Bahnübergangsmaßnahmen. Danach müssen beide Kreuzungsbeteiligte – vorbehaltlich Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.02.2016 17/9618 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9618 abweichender Vereinbarungen untereinander – jeweils ein Drittel der Kosten tragen. Das verbleibende Kostendrittel ist vom Bund zu tragen, wenn eine Eisenbahn des Bundes kreuzungsbeteiligt ist, ansonsten vom Freistaat Bayern. Wird an einem Bahnübergang eine Maßnahme durchgeführt, so hat jeder Kreuzungsbeteiligte seine veränderten Erhaltungsund Betriebskosten ohne Ausgleich zu tragen. Die Mehrheit der Bahnübergänge im Zuge öffentlicher Straßen und Wege in Bayern besteht zwischen Schienenwegen der bundeseigenen DB Netz AG und Straßen in der Baulast von Landkreisen oder Gemeinden. Wo der Freistaat weder für die Eisenbahnaufsicht zuständig noch als Straßenbaulastträger kreuzungsbeteiligt ist, verfügt die Staatsregierung in der Regel über keine Informationen zu den baulichen und verkehrlichen Verhältnissen am Bahnübergang. 1. a) Wie viele Bahnübergänge mit einer eingangs beschriebenen „Kuppe“ gibt es in Bayern? b) Wie viele sind davon unbeschrankt? Über die Anzahl von Bahnübergängen mit „Kuppen“ liegen der Staatsregierung keine Informationen vor. Der Freistaat ist an der Mehrheit der Eisenbahnkreuzungen in Bayern kein Kreuzungsbeteiligter. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen . 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung den viel diskutierten Lösungsansatz, gefährdete Bahnübergänge mit einem Warnsystem in Gestalt eines Notrufknopfes – eventuell in Verbindung mit einem automatisch aktivierenden Bewegungsmelder – auszustatten? Um Kollisionen sicher auszuschließen, muss zu einem Zeitpunkt , der dem Zug noch ein Anhalten vor dem Bahnübergang erlaubt, festgestellt werden, dass der Bahnübergang frei von Hindernissen ist, und sodann der Bahnübergang mittels technischer Anlagen (Schranken) für den Straßenverkehr abgeriegelt werden. Es existieren Bahnübergangssicherungsanlagen mit Sensoren für das Erkennen von Hindernissen auf dem Gleis, die auf die beschriebene Weise funktionieren. Nach Auffassung der Staatsregierung sind solche Lösungen vorzugswürdig gegenüber einem Notrufknopf , der missbräuchlich bedient werden kann und bei dem nicht zuverlässig gewährleistet ist, dass er im Ereignisfall von den Straßenverkehrsteilnehmern auch tatsächlich bedient wird. b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Realisierung dieses Warnsystems? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden , Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? Die Kosten können nicht beziffert werden. Da solche Systeme bislang nicht realisiert wurden, gibt es keine Anhaltswerte für die Kosten je Bahnübergang. Im Übrigen wäre die Einrichtung eines solchen Notrufknopfes eine Bahnübergangsmaßnahme im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes . Wegen der Zuständigkeit für die Durchführung solcher Maßnahmen und der Kostenverteilung im Geltungsbereich des Eisenbahnkreuzungsgesetzes wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 3. a) Wie bewertet die Staatsregierung den alternativen Lösungsansatz, sämtliche unbeschrankten Bahnübergänge mit Schranken nachzurüsten? Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang technische Sicherungsanlagen zur Gewährleistung der Sicherheit an einem Bahnübergang erforderlich sind, obliegt den jeweiligen Kreuzungsbeteiligten beziehungsweise den zuständigen Anordnungsbehörden. Die große Mehrheit der unbeschrankten Bahnübergänge in Bayern sind solche ohne jede technische Sicherung (nichttechnische Bahnübergänge). Sie befinden sich typischerweise entlang von Nebenbahnen mit relativ geringer Streckengeschwindigkeit an Kreuzungen mit Straßen und Wegen, die nur schwachen bis mäßigen Verkehr aufweisen. Eine technische Sicherung mit Schranken an jedem existierenden unbeschrankten Bahnübergang ist nach Einschätzung der Staatsregierung weder von den Kreuzungsbeteiligten finanzierbar noch vorrangig anzustreben . Das Hauptaugenmerk sollte aus Sicht der Staatsregierung auf einer Verringerung der Anzahl von Bahnübergängen liegen. b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Nachrüstung mit Schranken? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden , Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? Über die Kosten und ihre Verteilung sind keine genauen Angaben möglich. Derzeit gibt es nach Angaben der Eisenbahninfrastrukturunternehmen ca. 3.000 unbeschrankte Bahnübergänge in Bayern, und nach Angaben der DB Netz AG betragen die Kosten einer neuen technischen Sicherungsanlage typischerweise ca. 500.000 Euro. Hinzu kommen in der Folgezeit die Wartungs- und Betriebskosten der Anlagen. Das Errichten oder die Änderung einer technischen Sicherungsanlage wäre im Geltungsbereich des Eisenbahnkreuzungsgesetzes eine Bahnübergangsmaßnahme im Sinne des Gesetzes. Wegen der Zuständigkeit für die Durchführung solcher Maßnahmen und der Kostenverteilung bei EKrG-Maßnahmen wird auf die Vorbemerkung verwiesen . Der Staatsregierung ist nicht bekannt, wie viele der genannten Bahnübergänge im Zuge öffentlicher Straßen und Wege liegen und somit das Eisenbahnkreuzungsgesetz einschlägig wäre. 4. a) Zieht die Staatsregierung die Möglichkeit in Betracht , Bahnübergänge mit den gefährlichen „Kuppen “ baulich zu entschärfen, indem eine Niveauangleichung zwischen Gleisbett und davor liegender Fahrbahn vorgenommen wird? b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Beseitigung dieser „Kuppen“? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden , Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? Die Kosten können nicht beziffert werden, weil der Staatsregierung die Zahl der Bahnübergänge mit „Kuppen“ in Bayern nicht bekannt ist. Auf die Antwort zu Frage 1 a wird verwiesen. Im Übrigen handelt es sich bei der Beseitigung einer „Kuppe“ um die Änderung eines bestehenden Bahnübergangs , mithin um eine Bahnübergangsmaßnahme im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes. Wegen der Zu- Drucksache 17/9618 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 ständigkeit für die Durchführung solcher Maßnahmen und der Kostenverteilung im Geltungsbereich des Eisenbahnkreuzungsgesetzes wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Möglichkeit, gefährdete Knotenpunkte nachträglich und zukünftig durch Tunnel oder Überführungen kreuzungsfrei zu gestalten? b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Untertunnelung oder Überführung der neuralgischen Knotenpunkte? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden , Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? Neue Eisenbahnkreuzungen mit Straßen für den allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr sind nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz als Überführungen (Straßen- oder Eisenbahnüberführung ) herzustellen. Neue Bahnübergänge sind nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig und bedürfen einer besonderen Genehmigung. Grundsätzlich stellen Überführungen hinsichtlich der Abwicklung des Verkehrs auf beiden Verkehrswegen die optimale, im Regelfall aber auch mit Abstand teuerste Kreuzungsvariante dar. Der nachträgliche Bau von Überführungen anstelle bestehender Bahnübergänge dürfte regelmäßig nur bei Ausbaumaßnahmen und an stark befahrenen Verkehrswegen in Betracht kommen. Im Hinblick auf das Kollisionsrisiko zwischen Eisenbahn- und Straßenfahrzeugen kann auch durch moderne Bahnübergangssicherungsanlagen mit Hinderniserkennung ein äußerst hohes Sicherheitsniveau erreicht werden. Auf die Antwort zu Frage 2 a wird verwiesen. Die Kosten für eine bayernweite nachträgliche Herstellung von Überführungen können nicht beziffert werden. Die Zahl neuralgischer Knotenpunkte im Sinne der Fragestellung ist der Staatsregierung nicht bekannt, weil der Freistaat an der Mehrheit der Eisenbahnkreuzungen in Bayern kein kreuzungsbeteiligter Straßenbaulastträger ist. Im Übrigen hängen die Kosten einer Überführung von einer Vielzahl von Faktoren wie z. B. Grundwasserstand und vielem mehr ab und können erst im Zuge einer konkreten Planung beziffert werden. Die Beurteilung, welche Bahnübergänge aus Gründen der Sicherheit oder der Abwicklung des Verkehrs zweckmäßigerweise durch Überführungen zu ersetzen sind, obliegt den jeweiligen Kreuzungsbeteiligten beziehungsweise den zuständigen Anordnungsbehörden. Der Ersatz eines Bahnübergangs durch eine Überführung wäre eine Bahnübergangsmaßnahme im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes . Wegen der Kostenverteilung im Geltungsbereich des Eisenbahnkreuzungsgesetzes wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 6. a) Hält die Staatsregierung die Installation von Sensoren , die Hindernisse auf den Schienen automatisch erfassen und gegebenenfalls einen Nothalt einleiten – analog zum Sensorsystem auf den U-Bahnstrecken U2 und U3 in Nürnberg – für ein erwägenswertes Konzept? b) Wie hoch wären die Kosten für die bayernweite Ausstattung der gefährdeten Bahnübergänge mit einem solchen Sensorsystem? c) Wie würden sich diese Kosten unter den Gemeinden , Landkreisen, dem Freistaat Bayern und dem Bund verteilen? Entsprechende Sensorsysteme gibt es jedenfalls für neue technische Bahnübergangssicherungsanlagen. Auf die Antwort zu Frage 2 a wird verwiesen. Die Kosten für die bayernweite Ausstattung mit Hindernissensoren können nicht beziffert werden. Der Staatsregierung ist die bayernweite Zahl gefährdeter Bahnübergänge im Sinne der Fragestellung nicht bekannt, weil der Freistaat an der Mehrheit der Eisenbahnkreuzungen in Bayern kein kreuzungsbeteiligter Straßenbaulastträger ist. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Ferner ist unbekannt, inwieweit und zu welchen Kosten bestehende Bahnübergänge mit solchen Sensoren nachgerüstet werden können. Die Nachrüstung einer Hinderniserkennung an bestehenden Bahnübergängen oder das Errichten einer neuen Bahnübergangssicherungsanlage wäre eine Bahnübergangsmaßnahme im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes. Wegen der Zuständigkeit für die Durchführung solcher Maßnahmen und der Kostenverteilung im Geltungsbereich des Eisenbahnkreuzungsgesetzes wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 7. Welche weiteren Lösungsansätze werden seitens der Staatsregierung derzeit verfolgt? Für Bahnübergangsmaßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz können kreuzungsbeteiligte nichtbundeseigene Eisenbahnen und kommunale Straßenbaulastträger im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel Zuwendungen des Freistaats erhalten. Ferner beteiligen sich Behörden des Freistaats, insbesondere die Bayerische Polizei, an sogenannten Bahnübergangsschauen. Dies gilt auch für Bahnübergänge, an denen der Freistaat nicht für die Eisenbahnaufsicht zuständig und an denen er nicht der kreuzungsbeteiligte Straßenbaulastträger ist. Bahnübergangsschauen sollen alle zwei bis vier Jahre durchgeführt werden, aufgrund von Unfallereignissen oder auf begründeten Wunsch eines Kreuzungsbeteiligten oder einer Polizei- bzw. Aufsichtsbehörde auch früher. Hiervon unberührt bleiben eigene Inspektionen der Kreuzungsbeteiligten. Grundlage der Bahnübergangsschauen bildet der (bundesweit einheitliche ) Leitfaden Bahnübergangsschau, der von der Staatsregierung für Bayern eingeführt worden ist. Der Leitfaden enthält Empfehlungen für die straßenseitige Sicherung von Bahnübergängen insbesondere durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen. Er gilt für alle höhengleichen Kreuzungen von Eisenbahnen mit gewidmeten und nicht gewidmeten Straßen und Wegen, soweit dort öffentlicher Straßenverkehr stattfindet. Zu betrachten ist der Bahnübergang einschließlich des Straßenbereiches von bis zu 240 m vor und nach dem Bahnübergang.