Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Martina Fehlner SPD vom 29.01.2014 Erweitertes Führungszeugnis für Ehrenamtliche Der § 72 a SGB VIII wurde durch das Bundeskinderschutzgesetz neu gefasst und ist am 01.01.2012 in Kraft getreten . Die Vorschrift verfolgt das Ziel, einschlägig vorbestrafte Personen von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Kinder - und Jugendhilfe fernzuhalten bzw. auszuschließen und damit Kindeswohlgefährdungen vorzubeugen. Daher müssen auch Ehrenamtliche, die bei freien Trägern Kinder und Jugendliche beaufsichtigen, betreuen, erziehen, ausbilden oder einen vergleichbaren Kontakt haben, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, sofern finanzielle Mittel der Jugendhilfe in Anspruch genommen werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche verbindlichen Ausführungsbestimmungen, Hinweise und Handreichungen neben den „Fachlichen Empfehlungen zur Handhabung des § 72 SGB VIII“ des Landesjugendhilfeausschusses vom 17.09.2013 werden den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe vom Freistaat zur Verfügung gestellt? 2. In welchen kreisfreien Städten und Landkreisen gibt es entsprechende Ausführungsbestimmungen, Hinweise und Handreichungen (bitte detaillierte Auflistung)? 3. Sieht die Bayerische Staatsregierung Probleme im Bereich der Gewährleistung des Datenschutzes bei der Einsichtnahme des erweiterten Führungszeugnisses durch Vereinsvorstände bzw. Verantwortliche von Vereinen ? 4. Welche haftungsrechtlichen Folgen hat es nach Auffassung der Staatsregierung für Vereinsvorstände, wenn die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht erfolgt ist bzw. nachträglich vom Vorstand nicht mehr nachgewiesen werden kann? 5. Müssen nach Auffassung der Staatsregierung auch Eltern, die neben ihren eigenen Kindern auch Mannschaftskameraden zu Wettkämpfen oder Trainingseinheiten und auch an Wochenenden und über Nacht mit betreuen, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen? 6. Wie viele Übungsleiter und Betreuer sind in den einzelnen Vereinen in Bayern von der Neuregelung betroffen? 7. Sind der Staatsregierung Fälle bekannt, in denen Übungsleiter und Betreuer aufgrund der Neuregelung ihre ehrenamtliche Tätigkeit eingestellt haben? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 20.02.2014 1. Welche verbindlichen Ausführungsbestimmungen, Hinweise und Handreichungen neben den „Fachlichen Empfehlungen zur Handhabung des § 72 SGB VIII“ des Landesjugendhilfeausschusses vom 17.09.2013 werden den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe vom Freistaat zur Verfügung gestellt? Neben den genannten „Fachlichen Empfehlungen zur Handhabung des § 72 a SGB VIII“, einem Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 12. März 2013, geändert am 17. September 2013, stellt der Bayerische Jugendring (BJR), dem vom Freistaat Bayern im Bereich der Jugendarbeit die Aufgaben des überörtlichen Trägers der Jugendhilfe übertragen wurden, zur Unterstützung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf seiner Homepage (www.bjr.de ► Themen ► Rechtsfragen der Jugendarbeit ► Kinder- und Jugendhilfe [SGB VIII]) das folgende Informationsmaterial zur Verfügung: – Übersicht zu „Praxisfragen zur Anwendung des § 72 a SGB VIII – 1. Teil“ (sog. Frequently Asked Questions, FAQ). Die Praxisfragen wurden vom Bayerischen Landesjugendamt und vom BJR gesammelt und bearbeitet. Die Reihe soll fortgesetzt werden. – Arbeitshilfe des BJR zur Umsetzung des BKiSchG für die Jugendarbeit in Bayern. In dieser Arbeitshilfe wird das BKiSchG unter Einbeziehung der bisherigen Ergebnisse der Beratungen auf Bundes- und Landesebene ausgelegt . – Arbeitshilfe des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) für Verantwortliche in der Jugendverbandsarbeit auf lokaler Ebene zum Thema „Führungszeugnisse bei Ehrenamtlichen nach dem BKiSchG“. – Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zu Führungszeugnissen bei Neben- und Ehrenamtlichen in der Kinder- und Jugendhilfe (§ 72 a Abs. 3 und Abs. 4 SGB VIII). Der Deutsche Verein ist das gemeinsame Forum von Kommunen und Wohlfahrtsorganisationen sowie ihrer Einrichtungen, der Bundesländer und Vertreter der Wissenschaft für alle Bereiche der sozialen Arbeit und der Sozialpolitik. – Handlungsempfehlungen zum BKiSchG – Orientierungsrahmen und erste Hinweise zur Umsetzung – der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) und der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter (BAGLJÄ), die insbesondere als Begleitung und erste Orientierungshilfe dienen sollen, damit die erforderlichen Entscheidungen vor Ort erleichtert werden. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.04.2014 17/964 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/964 Darüber hinaus führt der BJR vielfältige Einzelberatungen von Jugendämtern, Jugendringen und Jugendverbänden durch und erläutert die o. g. Empfehlungen im Rahmen von Fachveranstaltungen und Arbeitstagungen. Nach hiesigem Kenntnisstand wurden auch vonseiten der Jugendämter und Kommunen zahlreiche Informationsveranstaltungen vor Ort durchgeführt. 2. In welchen kreisfreien Städten und Landkreisen gibt es entsprechende Ausführungsbestimmungen , Hinweise und Handreichungen (bitte detaillierte Auflistung)? Über etwaige Ausführungsbestimmungen, Hinweise und Handreichungen bei den für die Umsetzung des BKiSchG zuständigen örtlichen öffentlichen Trägern der Jugendhilfe vor Ort gibt es – auch nach Auskunft des BJR – derzeit keine Erhebungen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Sieht die Bayerische Staatsregierung Probleme im Bereich der Gewährleistung des Datenschutzes bei der Einsichtnahme des erweiterten Führungszeugnisses durch Vereinsvorstände bzw. Verantwortliche von Vereinen? Gemäß § 72 a Abs. 5 SGB VIII dürfen Träger der freien Jugendhilfe von den nach § 72 a Abs. 4 SGB VIII eingesehenen Daten nur den Umstand, dass Einsicht in ein Führungszeugnis genommen wurde, das Datum des Führungszeugnisses und die Information erheben, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer einschlägigen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Die Träger der freien Jugendhilfe dürfen diese Daten nur speichern, verändern und nutzen, soweit dies zum Ausschluss der Personen von der Tätigkeit, die Anlass zu der Einsichtnahme in das Führungszeugnis gewesen ist, erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen , wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit nach § 72 a Abs. 4 Satz 2 SGB VIII wahrgenommen wird. Andernfalls sind die Daten spätestens drei Monate nach der Beendigung einer solchen Tätigkeit zu löschen. Verstöße gegen diese Bestimmungen sind nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes bußgeldbewehrt. Der Staatsregierung sind keine Fälle bekannt, in denen gegen die o. g. Bestimmungen verstoßen wurde. 4. Welche haftungsrechtlichen Folgen hat es nach Auffassung der Staatsregierung für Vereinsvorstände , wenn die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht erfolgt ist bzw. nachträglich vom Vorstand nicht mehr nachgewiesen werden kann? Erachtet ein Träger der freien Jugendhilfe die Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis bei einer in der Jugendarbeit ehrenamtlich tätigen Person nicht für erforderlich und kommt es durch diese Person zu einem Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen, kommt eine strafrechtliche Verantwortung der oder des Verantwortlichen grundsätzlich nicht in Betracht. Dies gilt beispielsweise aber dann nicht, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit einer Person, die einschlägig vorbestraft ist, durch einen Vereinsvorstand in Kenntnis der einschlägigen Vorstrafe wissentlich gedeckt wird. Im Rahmen des Abschlusses der in § 72 a Abs. 4 SGB VIII vorgesehenen Vereinbarung besteht die Möglichkeit, diese Frage und alle damit zusammenhängenden Fragen zwischen dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe und dem Träger der freien Jugendhilfe zu erörtern. Bei Unklarheiten liegt es auch an den Trägern der freien Jugendhilfe, ggf. den jeweils zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe um weitere Informationen zu bitten. Kann die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses von den Verantwortlichen nicht mehr nachgewiesen werden, so ist die Einsichtnahme glaubhaft zu machen. Im Zweifel haben die Gerichte hierüber zu entscheiden. Hinsichtlich zivilrechtlicher Ansprüche möglicher Opfer eines sexuellen Übergriffs, der mithilfe der Einsichtnahme in ein erweitertes Führungszeugnis hätte verhindert werden können, gelten die allgemeinen Haftungsgrundsätze. 5. Müssen nach Auffassung der Staatsregierung auch Eltern, die neben ihren eigenen Kindern auch Mannschaftskameraden zu Wettkämpfen oder Trainingseinheiten und auch an Wochenenden und über Nacht mit betreuen, einerweitertes Führungszeugnis vorlegen? Ehrenamtlich Tätige müssen dann ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, wenn es sich um eine Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe handelt und die ehrenamtlich Tätigen Kinder oder Jugendliche beaufsichtigen, betreuen, erziehen oder ausbilden oder einen vergleichbaren Kontakt haben. Hierfür sind Art, Intensität und Dauer des Kontakts der ehrenamtlich Tätigen mit Kindern und Jugendlichen entscheidend. Keine Rolle spielt es, ob die ehrenamtlich Tätigen für einzelne Kinder oder Jugendliche der Gruppe erziehungsberechtigt sind. Laut Gesetzesbegründung fallen „Eltern, die gelegentlich Kinder und Jugendliche bei Ausflügen begleiten“, nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes. 6. Wie viele Übungsleiter und Betreuer sind in den einzelnen Vereinen in Bayern von der Neuregelung betroffen? Zu dieser Frage gibt es – auch nach Auskunft des BJR – keine Erhebungen. 7. Sind der Staatsregierung Fälle bekannt, in denen Übungsleiter und Betreuer aufgrund der Neuregelung ihre ehrenamtliche Tätigkeit eingestellt haben ? Der Staatsregierung und auch dem BJR sind keine derartigen Fälle bekannt.