Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote, Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.11.2015 Zugang zu medizinischer Versorgung für untergebrachte Patientinnen und Patienten in bayerischen Maßregelvollzugseinrichtungen Vor dem Hintergrund der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung in dem Artikel „Unter Verschluss“ vom 12.10.2015 bezüglich zweier verstorbener psychisch kranker Straftäterinnen mit chronischen Grunderkrankungen fragen wir die Staatsregierung: 1. Wie ist die über die psychiatrische Versorgung hinausgehende medizinische Versorgung in Maßregelvollzugseinrichtungen genau geregelt (bitte mit Angabe der gesetzlichen Grundlagen sowie den Verfahren für die einzelnen medizinischen Bereiche wie Allgemeinmedizin , Innere Medizin, Frauenheilkunde etc.)? a) Inwiefern unterscheidet sich der Anspruch auf eine medizinische Versorgung von in der Forensik untergebrachten Patientinnen und Patienten und den in Justizvollzugsanstalten Untergebrachten? b) Wie ist „das Recht, auf dem gleichen medizinischen Niveau behandelt zu werden wie eine Patientin oder ein Patient der gesetzlichen Krankenversicherung“, wie es in dem oben genannten Artikel der Süddeutschen Zeitung heißt, ausgestaltet, insbesondere bezüglich Vorsorgemaßnahmen, Anspruch auf Hilfs- und Heilmittel, physiotherapeutische Maßnahmen und nicht überlebensnotwendiger Operationen? 2. Wie ist der Anspruch von Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen auf akute Zahnbehandlung sowie auf regelmäßige zahnärztliche Versorgung , zahnärztliche Vorsorge oder Zahnersatz geregelt ? 3. Wie viele Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugsanstalten gelten als chronisch krank? a) Wie wird die Versorgung chronisch Kranker gewährleistet , hinsichtlich der notwendigen Medikamentierung und erforderlichen, regelmäßigen Untersuchungen bei Fachärztinnen und Fachärzten? b) An wen können sich Maßregelvollzugspatientinnen und -patienten oder Beschäftigte in Maßregelvollzugseinrichtungen innerhalb und außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung wenden, wenn sie eine erbetene medizinische Begutachtung durch einen externen Arzt oder eine Ärztin nicht genehmigt bekommen und diese Entscheidung überprüft werden soll? 4. In welchen Maßregelvollzugseinrichtungen in Bayern gibt es auch angestellte Ärztinnen und Ärzte für Innere Medizin und/oder Allgemeinmedizin? 4. a) Wie viele der Psychiaterinnen oder Psychiater, die in Maßregelvollzugseinrichtungen arbeiten, weisen eine Zusatzqualifikation in der Allgemeinmedizin auf? b) Gibt es für Psychiaterinnen und Psychiater in den Maßregelvollzugseinrichtungen Fort- und Weiterbildungen im Bereich Innere Medizin oder Allgemeinmedizin? 5. Inwieweit sind Maßregelvollzugseinrichtungen mit medizinischen Behandlungsräumen ausgestattet, um ärztliche Untersuchungen und Behandlungen vor Ort durchführen zu können? a) Wird die Ausstattung von Maßregelvollzugseinrichtungen mit medizinischen Behandlungsräumen von der Staatsregierung gefördert? b) Hält die Staatsregierung die Ausstattung der Maßregelvollzugseinrichtungen mit medizinischen Behandlungsräumen für ausreichend? 6. Haben Patientinnnen und Patienten in den Maßregelvollzugseinrichtungen einen Anspruch auf eine Zweitmeinung bei der Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung? a) Inwieweit wird kontrolliert, wie die medizinischen Behandlungen oder Kontrolluntersuchungen der Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen erfolgen? b) Wie wird sichergestellt, dass bei den Patientinnen und Patienten in der Forensik die von den Krankenkassen empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden? 7. An wen können sich Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen innerhalb und außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung wenden, wenn sie eine medizinische Behandlung erhalten oder ablehnen wollen? a) Unter welchen Voraussetzungen können Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen einen anderen behandelnden Arzt oder eine Ärztin beantragen ? b) Inwieweit haben Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen die Möglichkeit, medizinische Behandlungen einzuklagen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 24.03.2016 17/9646 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9646 Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 11.01.2015 Die Schriftliche Anfrage wird abgestimmt mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Wie ist die über die psychiatrische Versorgung hinausgehende medizinische Versorgung in Maßregelvollzugseinrichtungen genau geregelt (bitte mit Angabe der gesetzlichen Grundlagen sowie den Verfahren für die einzelnen medizinischen Bereiche wie Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Frauenheilkunde etc.)? a) Inwiefern unterscheidet sich der Anspruch auf eine medizinische Versorgung von in der Forensik untergebrachten Patientinnen und Patienten und den in Justizvollzugsanstalten Untergebrachten? b) Wie ist „das Recht, auf dem gleichen medizinischen Niveau behandelt zu werden wie eine Patientin oder ein Patient der gesetzlichen Krankenversicherung “, wie es in dem oben genannten Artikel der Süddeutschen Zeitung heißt, ausgestaltet , insbesondere bezüglich Vorsorgemaßnahmen, Anspruch auf Hilfs- und Heilmittel, physiotherapeutische Maßnahmen und nicht überlebensnotwendiger Operationen? Hinweis: Die Fragen 1 bis 1 b stehen im Zusammenhang und werden deshalb gemeinsam beantwortet. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Var. 3 und 4 des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V) ruht der gesetzliche Leistungsanspruch für Versicherte, gegen die eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird, soweit die Versicherten als Gefangene oder als untergebrachte Personen Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz haben oder sonstige Gesundheitsfürsorge erhalten. Untergebrachte Personen im Maßregelvollzug, ebenso wie Gefangene in Justizvollzugsanstalten, haben einen umfassenden Anspruch auf eine angemessene gesundheitliche Fürsorge und Betreuung. Der Behandlungsanspruch leitet sich aus der Fürsorgepflicht einer freiheitsentziehenden Institution ab, die einen Ausgleich dafür zu schaffen hat, dass untergebrachte Personen sich nicht wie Bürgerinnen und Bürger außerhalb freiheitsentziehender Einrichtungen um ihre Gesundheit kümmern können. Der Anspruch auf Behandlung anderer, nicht psychischer Erkrankungen wurde in Art. 7 des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes (BayMRVG) neu gestaltet und orientiert sich hinsichtlich des Umfangs des Anspruchs, der Art und des Umfangs der Leistung sowie der Kostenbeteiligung an der Behandlung von Gefangenen im Strafvollzug. Nach Art. 7 BayMRVG haben untergebrachte Personen Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen , medizinische Vorsorgeleistungen, Krankenbehandlung und Versorgung mit Hilfsmitteln nach den gesetzlichen Maßgaben der Art. 59 bis 61, 63 und 64 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG). Die Vorschriften des BayStVollzG sind an die einschlägigen Regelungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) gemäß dem Äquivalenzprinzip angeglichen. Art und Umfang der Leistungen richten sich grundsätzlich nach den Vorgaben des Sozialgesetzbuchs, sofern im Bayerischen Strafvollzugsgesetz keine abweichenden Regelungen getroffen wurden, vgl. Art. 63 BayStVollzG. So hat nach Art. 60 Satz 1 BayStVollzG jede/r Gefangene und jede untergebrachte Person Anspruch auf Krankenbehandlung , wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 sind davon ärztliche und zahnärztliche Behandlungen, Krankenhausbehandlung , Zahnersatz, Versorgung mit Arznei-, Verband -, Heil- und Hilfsmitteln sowie Leistungen zu medizinischer Rehabilitation und ergänzende Leistungen umfasst. Die Krankenbehandlung wird durch approbierte Ärztinnen und Ärzte nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt sowie nach den Richtlinien, die für die kassenärztliche Versorgung gelten. Soweit erforderlich, stehen zusätzlich externe Konsiliar- und Fachärztinnen bzw. -ärzte zur Verfügung . Sofern eine erforderliche Behandlungsmaßnahme nicht in der Maßregelvollzugseinrichtung durchgeführt werden kann, ist die untergebrachte Person nach Art. 7 Abs. 2 BayMRVG in ein geeignetes Krankenhaus oder zu einem ambulanten Leistungserbringer außerhalb des Maßregelvollzugs zu verbringen. Die Leistungen zur Verhütung von Krankheiten richten sich nach den Vorgaben des Art. 59 BayStVollzG, der ebenfalls an die Regelungen für gesetzlich Krankenversicherte angelehnt ist und präventive Angebote und Beratungsleistungen umfasst, wie beispielsweise ärztliche Gesundheitsuntersuchungen zur Früherkennung von Herz-Kreislaufund Nierenerkrankungen oder Krebserkrankungen. Bei weiblichen Untergebrachten ist ergänzend Art. 42 BayMRVG i. V. m. Art. 82 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 und Art. 85 BayStVollzG zu beachten. Danach hat eine Patientin während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Behandlung und auf Hebammenhilfe . Zur ärztlichen Betreuung gehören insbesondere Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft sowie Vorsorgeuntersuchungen einschließlich der laborärztlichen Untersuchungen (entsprechend § 24 d Hs. 1 SGB V). 2. Wie ist der Anspruch von Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen auf akute Zahnbehandlung sowie auf regelmäßige zahnärztliche Versorgung, zahnärztliche Vorsorge oder Zahnersatz geregelt? Der Anspruch folgt aus Art. 7 Abs. 1 BayMRVG i. V. m. Art. 60 Satz 1 Nr. 2 und 3 BayStVollzG. Der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst die zahnärztliche Behandlung (Nr. 2) sowie die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (Nr. 3). 3. Wie viele Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugsanstalten gelten als chronisch krank? Die Staatsregierung weist darauf hin, dass im Maßregelvollzug nach § 64 des Strafgesetzbuches (StGB) Menschen mit einer im Regelfall chronischen Suchterkrankung oder nach § 63 StGB mit einer chronischen psychiatrischen Erkrankung untergebracht sind. Nur bei den gem. § 126 a der Strafprozessordnung (StPO) oder § 81 StPO einstweilig oder zur Begutachtung untergebrachten Personen kann sich herausstellen , dass keine chronische Erkrankung vorliegt. Eine Abfrage bei den Trägern der Einrichtungen über den Bayerischen Bezirketag ergab, dass zum Stichtag 1. Dezember 2015, abhängig von der Größe der Einrichtung, der Altersstruktur sowie der Zusammensetzung nach Unterbrin- Drucksache 17/9646 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gungsgrund, zwischen 20 % bis 55 % der Patientinnen und Patienten zusätzlich eine chronische somatische Erkrankung wie Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Epilepsie, koronare Herzkrankheit, Hepatitis-C-Virusinfektion, Asthma Bronchiale, Hypothyreose, Neurodermitis, Allergien etc. aufweisen . a) Wie wird die Versorgung chronisch Kranker gewährleistet , hinsichtlich der notwendigen Medikamentierung und erforderlichen, regelmäßigen Untersuchungen bei Fachärztinnen und Fachärzten? Fachärztlich indizierte Behandlungen und Untersuchungen, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen, sind Teil der umfassenden gesundheitlichen Fürsorge und Betreuung im Maßregelvollzug. Dies gilt auch für Medikamente, die entsprechend medizinisch indiziert und ärztlich verordnet sind. Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie gewährleisten auch durch allgemeinmedizinische Tätigkeiten eine möglichst zeitnahe Versorgung der untergebrachten Personen. Diese Basisversorgung wird in jeder Maßregelvollzugseinrichtung auf unterschiedliche Weise vollumfänglich weiter fachärztlich unterstützt. So sind bei einigen forensischen Kliniken Fachärztinnen oder Fachärzte für Allgemein- oder Innere Medizin fest angestellt. Meist befindet sich die forensische Klinik an einem Standort mit anderen bezirklichen Gesundheitseinrichtungen, sodass Fachärztinnen oder Fachärzte für Allgemein- oder Innere Medizin auf dem Gelände, auf dem sich die Forensik befindet, tätig sind, die dann regelmäßig Sprechstunden in der Forensik durchführen. Zum Teil stehen dort weitere somatische Disziplinen wie Neurologie und vereinzelt auch Orthopädie zur Verfügung. Daneben wird bei Bedarf in allen Bereichen auf niedergelassene Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte zurückgegriffen . Regelmäßige Kooperationen bestehen mit Fachärztinnen und Fachärzten der Fachrichtungen Chirurgie, Orthopädie, Ophthalmologie, Dermatologie und Urologie, über die z. T. auch feste Sprechstunden in einzelnen Einrichtungen angeboten werden. Für die weiterführende fachspezifische stationäre Versorgung stehen Krankenhäuser anderer Träger zur Verfügung. b) An wen können sich Maßregelvollzugspatientinnen und -patienten oder Beschäftigte in Maßregelvollzugseinrichtungen innerhalb und außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung wenden, wenn sie eine erbetene medizinische Begutachtung durch einen externen Arzt oder eine Ärztin nicht genehmigt bekommen und diese Entscheidung überprüft werden soll? Eine erbetene medizinische Behandlung/Untersuchung durch eine externe Ärztin oder einen externen Arzt wird Patientinnen und Patienten in der Regel unaufgefordert vorgeschlagen, wenn bei den Patientinnen bzw. Patienten Gesundheitsstörungen/Erkrankungen bzw. Krankheitssymptome vorliegen, die mit den personellen und sonstigen, in der Maßregelvollzugseinrichtung oder im Bezirkskrankenhaus vorhandenen Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten nicht hinreichend diagnostiziert bzw. ohne eine weitere fachliche Empfehlung nicht sicher fachgerecht behandelt werden können, und eine (weiterführende) Diagnostik und/oder Behandlung medizinisch angezeigt ist. Sollten eine von der Patientin oder dem Patienten erbetene diagnostische bzw. therapeutische Maßnahme durch Ärztinnen oder Ärzte außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung /des Bezirkskrankenhauses nicht genehmigt worden sein, können sich die Patientinnen bzw. Patienten innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung an die zuständige leitende Oberärztin oder den zuständigen leitenden Oberarzt oder im nächsten Schritt an die Maßregelvollzugsleiterin oder den Maßregelvollzugsleiter wenden, die oder der das Anliegen der Patientin bzw. des Patienten überprüft, um eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Im ablehnenden Fall kann und wird auf Antrag der Patientin bzw. des Patienten stets ein Bescheid durch die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung ausgestellt, gegen den nach §§ 108 ff. des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) beim zuständigen Vollstreckungsgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann. Innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung bzw. des Bezirkskrankenhauses können sich die Patientinnen und Patienten auch an die berufene Patientenfürsprecherin oder den berufenen Patientenfürsprecher wenden. Darüber hinaus haben Patientinnen und Patienten auch die Möglichkeit, sich außerhalb des Maßregelvollzugseinrichtung an den für die Maßregelvollzugseinrichtung zuständigen Ärztlichen Kreisverband zu wenden und hier Beschwerde gegen die Ablehnung der erbetenen medizinischen Untersuchung oder Behandlung zu erheben. Ferner kann sich jede Patientin oder jeder Patient sowie jede oder jeder Beschäftigte im Einzelfall an die Fachaufsicht , Zentrum Bayern Familie und Soziales / Amt für Maßregelvollzug , oder an die Maßregelvollzugsbeiräte wenden, deren Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende in der Vollversammlung des Bayerischen Landtags am 20. Oktober 2015 benannt worden sind. 4. In welchen Maßregelvollzugseinrichtungen in Bayern gibt es auch angestellte Ärztinnen und Ärzte für Innere Medizin und/oder Allgemeinmedizin? Das Ergebnis der Abfrage bei den Trägern über den Bayerischen Bezirketag ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen (Stand: Dezember 2015): Maßregelvollzugseinrichtung Innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung Auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses Oberbayern, kbo- Isar-Amper-Klinikum München-Ost 1 Facharzt für Innere Medizin 1 Facharzt für Allgemeinmedizin Oberbayern, kbo- Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen Internistische Facharztsprechstunde mit einem Konsil- Vertragsarzt Oberbayern, kbo- Inn-Salzach-Klinikum 1 Facharzt für Allgemeinmedizin Niederbayern, Straubing hausinterne Ambulanzpraxis mit externem Facharzt für Innere Medizin, 1 Facharzt für Chirurgie Niederbayern, Mainkofen 1 Facharzt für Innere Medizin Oberpfalz, Regensburg 1 Facharzt für Allgemeinmedizin Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9646 Maßregelvollzugseinrichtung Innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung Auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses Oberpfalz, Parsberg Kooperationen mit Fachärzten außerhalb Oberfranken, Bayreuth 1 Facharzt für Allgemeinmedizin 1 Facharzt für Innere Medizin Mittelfranken, Ansbach 1 Facharzt für Innere Medizin Mittelfranken, Erlangen Konsultation von Fachärzten und Fachkliniken aller medizinischen Disziplinen Unterfranken, Lohr a. Main 1 Facharzt für Innere Medizin Unterfranken, Werneck 1 Facharzt für Innere Medizin Schwaben, Günzburg Fachabteilung für Innere Medizin auf dem Gelände in der direkt benachbarten Kreisklinik Günzburg, Ärztehaus mit verschiedenen Fachrichtungen Schwaben, Kaufbeuren 1 Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie mit allgemeinmedizinischer und internistischer Vorerfahrung Sprechstunden durch einen Internisten und einen Facharzt für Allgemeinmedizin 4. a) Wie viele der Psychiaterinnen oder Psychiater, die in Maßregelvollzugseinrichtungen arbeiten, weisen eine Zusatzqualifikation in der Allgemeinmedizin auf? Die Staatsregierung weist darauf hin, dass alle als Ärztin oder Arzt tätigen Personen die für die Berufszulassung notwendigen theoretischen und praktischen Bestandteile in verschiedenen medizinischen Gebieten erfolgreich absolviert haben und daher die Anforderungen zur Berufsausübung als Ärztin oder Arzt umfassend und grundsätzlich erfüllen . Unabhängig von einer erlangten Facharztqualifikation sind approbierte Ärztinnen und Ärzte mit allen Rechten und Pflichten dieses Berufsstandes ausgestattet bzw. unterliegen diesen. Alle Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie verfügen daher über das notwendige allgemeinmedizinische Wissen, um grundsätzlich jede Patientin und jeden Patienten mit jedem Störungsbild inklusive körperlicher Erkrankungen zu versorgen bzw. zu entscheiden, ab wann eine Spezialistin oder ein Spezialist einer anderen Fachrichtung in die Diagnostik und Therapie einbezogen wird. b) Gibt es für Psychiaterinnen und Psychiater in den Maßregelvollzugseinrichtungen Fort- und Weiterbildungen im Bereich Innere Medizin oder Allgemeinmedizin ? Zum ärztlichen Selbstverständnis sowie zu den ärztlichen Berufspflichten gehört die kontinuierliche berufsbegleitende Aktualisierung und Erweiterung medizinischer Kenntnisse. Fortbildung ist daher ein immanenter Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit. Ebenfalls besteht auf Grundlage der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte Bayerns und des Heilberufe-Kammergesetzes eine Fortbildungspflicht. Die Fortbildungsordnung der Bayerischen Landesärztekammer führt zum Inhalt der Fortbildung näher aus, dass diese auch interdisziplinäre und fachübergreifende Kenntnisse und die Einübung von klinisch-praktischen Fähigkeiten umfassen soll. Zu Fortbildungsmaßnahmen zählen Vorträge und Diskussionen, Besuch und Teilnahme an mehrtägigen Kongressen im In- und Ausland oder eine Maßnahme mit konzeptionell vorgesehener Beteiligung jedes einzelnen Teilnehmers. Alle Ärztinnen und Ärzte absolvieren Fortbildungsmaßnahmen mit interdisziplinären und fachübergreifenden Inhalten , die zum einen von der Bayerischen Landesärztekammer sowie durch Dritte angeboten werden, aber auch innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtungen bzw. den Bezirkskrankenhäusern durchgeführt werden. 5. Inwieweit sind Maßregelvollzugseinrichtungen mit medizinischen Behandlungsräumen ausgestattet, um ärztliche Untersuchungen und Behandlungen vor Ort durchführen zu können? Bei Einrichtungen des Maßregelvollzugs handelt es sich um ein psychiatrisches Krankenhaus, das sowohl therapeutischen Gesichtspunkten als auch speziellen Sicherheitsanforderungen genügen muss. In allen forensischen Kliniken sind Untersuchungs- und Behandlungsräume ebenso wie Räume für die Durchführung von pflegerischen Maßnahmen vorhanden. Jede Station verfügt gemäß der Anlage zur Richtlinie zur Planung von Baumaßnahmen im Maßregelvollzug in Bayern (Stand 22. Mai 2014) des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration über ein Arzt-/Untersuchungszimmer , einen Aufenthalts-/Therapieraum und ein Kriseninterventionszimmer . Ferner verfügen 50 % aller Maßregelvollzugseinrichtungen in Bayern über einen zahnärztlichen Behandlungsraum. a) Wird die Ausstattung von Maßregelvollzugseinrichtungen mit medizinischen Behandlungsräumen von der Staatsregierung gefördert? Bei einer Maßregelvollzugseinrichtung handelt es sich um ein psychiatrisches Sonderkrankenhaus, das zu 100 % vom Freistaat Bayern als Kostenträger des Maßregelvollzugs im Rahmen des individuell abgestimmten Bauprogrammes gefördert wird. b) Hält die Staatsregierung die Ausstattung der Maßregelvollzugseinrichtungen mit medizinischen Behandlungsräumen für ausreichend? Jede Maßregelvollzugseinrichtung verfügt über eine ausreichende Personal- und Sachausstattung, um eine umfassende medizinische Versorgung der untergebrachten Personen zu gewährleisten. 6. Haben Patientinnnen und Patienten in den Maßregelvollzugseinrichtungen einen Anspruch auf eine Zweitmeinung bei der Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung? Im Hinblick auf die Besonderheiten im Maßregelvollzug, ebenso wie im Strafvollzug, haben untergebrachte Perso- Drucksache 17/9646 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 nen anders als gesetzlich Krankenversicherte grundsätzlich keinen Anspruch auf medizinische Versorgung durch eine Ärztin oder einen Arzt eigener Wahl und auch nicht auf Zweitmeinung. Soweit Befundberichte und Behandlungsvorschläge durch beauftragte bzw. in Anspruch genommene Ärztinnen oder Ärzte medizinisch nicht ausreichend nachvollziehbar sind, oder wichtige Fragen offenlassen, ist es geboten , eine weitere Ärztin oder einen weiteren Arzt mit einer Untersuchung zu beauftragen bzw. um einen geeigneten Therapievorschlag zu bitten. Wenn Patientinnen oder Patienten mit einem ihnen mitgeteilten Untersuchungsbefund/ Behandlungsvorschlag nicht einverstanden sind und dies gegenüber der zuständigen Ärztin oder dem zuständigen Arzt in der Maßregelvollzugseinrichtung zum Ausdruck bringen , wird dem diesbezüglichen Anliegen der Patientinnen oder Patienten nachgegangen. Gegebenenfalls erfolgt aus fachlich-medizinischen Gründen eine Vorstellung bei einer anderen Ärztin oder einem anderen Arzt zur Abklärung der diagnostischen und therapeutischen Fragestellung. a) Inwieweit wird kontrolliert, wie die medizinischen Behandlungen oder Kontrolluntersuchungen der Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen erfolgen? Eine Überprüfung der Behandlung interkurrenter Erkrankungen erfolgt im Einzelfall, wenn sich Patientinnen oder Patienten , Angehörige oder Betreuerinnen oder Betreuer an die Fachaufsichtsbehörde wenden. b) Wie wird sichergestellt, dass bei den Patientinnen und Patienten in der Forensik die von den Krankenkassen empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden? Die Patientinnen und Patienten werden grundsätzlich über die ihnen zustehende medizinische Behandlung im Sinne der freien Heilfürsorge informiert, die die Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen, wie sie von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden, mit enthält. Den Patientinnen und Patienten steht es frei, sich zu den Vorsorgeleistungen anzumelden. Patientinnen und Patienten, denen z. B. aufgrund ihrer psychiatrischen Erkrankungen nicht zugetraut werden kann, dass sie die Vorsorgeuntersuchungen selbst anmelden, werden regelmäßig aufgeklärt und auf die Untersuchungen hingewiesen. 7. An wen können sich Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen innerhalb und außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung wenden, wenn sie eine medizinische Behandlung erhalten oder ablehnen wollen? Die Patientinnen und Patienten können sich an die auf Station tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie an die Oberärztinnen oder Oberärzte, die Chefärztin oder den Chefarzt der forensischen Klinik, die Maßregelvollzugsleiterin oder den Maßregelvollzugsleiter bzw. die ärztliche Direktorin oder den ärztlichen Direktor des Bezirkskrankenhauses wenden. Als weiterer Ansprechpartner innerhalb der Bezirkskrankenhäuser steht auch die Klinikleitung/der Vorstand zur Verfügung. Des Weiteren gibt es ein Anregungsund Beschwerdemanagement im Rahmen des internen Qualitätsmanagements des Bezirkskrankenhauses. Darüber hinaus haben Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, sich an die Patientenfürsprecherin oder den Patientenfürsprecher bzw. an den künftig gebildeten Maßregelvollzugsbeirat zu wenden. Auch eine Beschwerde nach § 109 StVollzG an das zuständige Vollstreckungsgericht ist möglich. Patientinnen und Patienten mit einer rechtlichen Betreuung können die Unterstützung ihrer Betreuerin oder ihres Betreuers in Anspruch nehmen. Alle Patientinnen und Patienten haben die Möglichkeit, sich über ihren Rechtsbeistand an die Klinik zu wenden. Ebenso steht es Patientinnen und Patienten offen, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen (Strafvollstreckungskammer) oder sich im Rahmen einer Eingabe direkt an die Fachaufsichtsbehörde oder an die Maßregelvollzugsbeiräte zu wenden. Auch der für die Einrichtung zuständige Ärztliche Kreisverband kann von Patientinnen oder Patienten mit einer Beschwerde über eine ihrer Meinung nach unzureichende medizinische Versorgung adressiert werden. a) Unter welchen Voraussetzungen können Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen einen anderen behandelnden Arzt oder eine Ärztin beantragen? Die Staatsregierung macht darauf aufmerksam, dass eine erfolgreiche psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis voraussetzt und dass so weit als möglich auf die Wünsche der Patientinnen und Patienten Rücksicht genommen wird. Allerdings gehört es auch zu psychotherapeutischen Behandlungsprozessen , dass sich Patientinnen und Patienten mit für sie unangenehmen und kritischen Rückmeldungen auseinandersetzen müssen. Auch dies kann gelegentlich dazu führen, dass auf einen Wechsel der sie behandelnden Ärztin oder des sie behandelnden Arztes gedrängt wird. In solchen Fällen wird einem entsprechenden Wunsch der Patientin oder des Patienten zunächst im Rahmen der therapeutischen Auseinandersetzung und im Weiteren durch Einbeziehung der zuständigen Oberärztin oder Maßregelvollzugsleiterin oder des zuständigen Oberarztes oder Maßregelvollzugsleiters Rechnung getragen. Grundsätzlich kann an die Maßregelvollzugsleiterin oder den Maßregelvollzugsleiter ein Antrag auf Arzt- bzw. Therapeutenwechsel gestellt werden, über den sachgerecht mittels Bescheid zu befinden ist. Gegen den Bescheid ist wiederum Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig. b) Inwieweit haben Patientinnen und Patienten in Maßregelvollzugseinrichtungen die Möglichkeit, medizinische Behandlungen einzuklagen? Den Patientinnen und Patienten stehen die einschlägigen zivil- und strafrechtlichen Rechtswege offen. Darüber hinaus kann nach § 109 Abs. 1 StVollzG gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlass einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.