6. a) Ist für das erste Quartal 2016 die weitere Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Bayern geplant? b) Wenn ja, wann und in welcher Form sollen die betroffenen Träger darüber unterrichtet werden? c) Wenn nein, welche Maßnahmen möchte die Staatsregierung ergreifen, um die vorhandenen, neu geschaffenen Kapazitäten anderweitig zu nutzen? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 25.01.2016 1. Seit wann war der Staatsregierung bekannt, dass die geplante Umverteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge früher als erwartet nicht erst zum 1. Januar 2016 sondern bereits zum 1. November 2015 durchgeführt werden sollte? Am 24.09.2015 haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder politisch vereinbart, das Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher zu beschleunigen , um das Gesetz zum 01.11.2015 in Kraft treten zu lassen. Vereinbart wurde auch, die im Gesetzentwurf geregelte bundesweite Aufnahmepflicht für alle Länder mit einer Übergangsphase zum 01.01.2016 zum Tragen kommen zu lassen. Die Übergangsphase sollte für die aufnahmepflichtigen Bundesländer die Möglichkeit eröffnen, im November nur 1/3 und im Dezember nur 2/3 ihrer Aufnahmequote erfüllen zu müssen. In welchem Umfang die Bundesländer davon Gebrauch machen würden, war zunächst nicht bekannt. Vorerst war deshalb damit zu rechnen, dass ein erheblicher Anteil der unbegleiteten Minderjährigen (uM) nach wie vor in Bayern unterzubringen ist – insbesondere in Anbetracht der im September noch einmal stark angestiegenen Asylbewerberzahlen . Bei einer vom Freistaat Bayern initiierten Länderbesprechung mit den Bundesländern Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen am 4. November 2015 erklärten die Länder Baden-Württemberg und Sachsen deutlich, dass Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.03.2016 17/9701 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Linus Förster SPD vom 17.12.2015 Bundesweite Umverteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge Seit 1. November 2015 werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge über eine Quotenregelung bundesweit verteilt. Zuvor galt das Prinzip der Unterbringung am Ankunftsort. Zahlreiche Träger in Bayern mussten dafür die notwendige Infrastruktur schaffen. Sie stehen nun vor dem Problem, dass die geschaffenen Kapazitäten aufgrund der Umverteilung nicht genutzt werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Seit wann war der Staatsregierung bekannt, dass die geplante Umverteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge früher als erwartet nicht erst zum 1. Januar 2016 sondern bereits zum 1. November 2015 durchgeführt werden sollte? 2. Weshalb wurden die betroffenen Träger nicht rechtzeitig informiert, sodass sie die Schaffung der Infrastruktur an den tatsächlichen künftigen Bedarf hätten anpassen können? 3. Wie gedenkt die Staatsregierung den entstandenen, aber nun nicht mehr gegenfinanzierten Sach- und Personalaufwand (von der Unterbringung über Bildungsangebote bis zu Therapieangeboten) zu kompensieren ? 4. Wie schätzt die Staatsregierung das Problem ein, dass neu eingestelltes Personal kurzfristig wieder entlassen werden musste, insbesondere mit Blick auf mögliche neue Flüchtlingsströme im Jahr 2016 und einen damit einhergehenden, neuerlichen Bedarf an Fachkräften in diesem Bereich? 5. Wie schätzt die Staatsregierung das Problem ein, dass angemietete Räumlichkeiten kurzfristig wieder gekündigt werden mussten, insbesondere mit Blick auf mögliche neue Flüchtlingsströme im Jahr 2016 und einen damit einhergehenden neuerlichen Bedarf an Räumlichkeiten ? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9701 sie die Option einer reduzierten Aufnahmequote nicht in Anspruch nehmen und ab sofort möglichst alle in Bayern ankommenden uM übernehmen werden. Thüringen wollte sich ab Dezember an der Übernahme von uM aus Bayern beteiligen. 2. Weshalb wurden die betroffenen Träger nicht rechtzeitig informiert, sodass sie die Schaffung der Infrastruktur an den tatsächlichen künftigen Bedarf hätten anpassen können? Auf Landesebene wurden die Regierungen, öffentlichen und freien Träger vom Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) über den aktuellen Sachstand stets zeitnah unterrichtet und eingebunden. Der Bundestag hat erst am 16.10.2015 das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher und Inkrafttreten zum 01.11.2015 beschlossen. Neben schriftlichen Informationen (z. B. 07.10.2015 und 02.12.2015) standen aktuelle Informationen hierzu insbesondere bei den Sitzungen des Landesjugendhilfeausschusses (z. B. 26.03.2015 und 27.10.2015) regelmäßig auf der Tagesordnung. Ein ausführlicher Austausch hierzu erfolgte zudem jeweils im Rahmen der Sitzungen des For.UM (gemeinsame Gesprächsplattform auf Landesebene zum Thema uM, u.a. 2 Plenumssitzungen am 15.04.2015 und 08.12.2015). Im For. UM sind insbesondere die freien und öffentlichen Träger der Jugendhilfe, die Regierungen, Vertreter der betroffenen Ressorts, die KSV (= Kommunale Spitzenverbände), Vertreter der Wirtschaft und Vertreter von Interessentengruppen wie des Bundesverbands umF eingebunden. Bereits im Vorfeld wurden die öffentlichenFreie Wohlfahrtspflege (LAG FW) vorab (05.10.2015 und 07.10.2015) per ausführlicher Mail über den Stand des Gesetzesverfahrens und das beabsichtigte vorzeitige Inkrafttreten zum 01.11.2015 informiert. Bundesweite Zahlen zur Versorgungssituation unbegleiteter Minderjähriger werden von den Jugendämtern durch das Bundesverwaltungsamt erst seit November 2015 erhoben . Aussagen zur bestehenden bundesweiten Versorgungsstruktur können deshalb auch erst ab diesem Zeitpunkt wenigstens annähernd gemacht werden. Eine auf diesen Daten basierende erste landesweite Einschätzung der Bedarfssituation, soweit dies aus Sicht des StMAS möglich war, sowie Informationen an öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe über den aktuellen Stand der bundesweiten Verteilung erfolgte Anfang Dezember 2015. Der aktuelle Stand der Entwicklung wurde ergänzend über die Heimaufsichten der Regierungen in vielen Einzelkontakten und Einzelanfragen kommuniziert. Zudem waren diese Themen u. a. auch Gegenstand eines Gesprächs im StMAS mit den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege Bayern am 04.12.2015, ebenso mit den kommunalen Spitzenverbänden . 3. Wie gedenkt die Staatsregierung den entstandenen , aber nun nicht mehr gegenfinanzierten Sachund Personalaufwand (von der Unterbringung über Bildungsangebote bis zu Therapieangeboten) zu kompensieren? Die Unterbringungs- und Betreuungskosten in der Kinderund Jugendhilfe sind weiterhin im Rahmen der vereinbarten Tagessätze gegenfinanziert. Es ist davon auszugehen, dass für neu geschaffene reguläre Jugendhilfeplätze auch weiterhin Bedarf zur Belegung besteht. Ggf. sind freie Plätze dazu landkreis- oder regierungsbezirkübergreifend anzubieten. Ein nicht mehr gegenfinanzierter Sach- und Personalaufwand ist insoweit nicht erkennbar. 4. Wie schätzt die Staatsregierung das Problem ein, dass neu eingestelltes Personal kurzfristig wieder entlassen werden musste, insbesondere mit Blick auf mögliche neue Flüchtlingsströme im Jahr 2016 und einen damit einhergehenden, neuerlichen Bedarf an Fachkräften in diesem Bereich? Es ist der Staatsregierung nicht bekannt, dass neu eingestelltes Fachpersonal wegen der bundesweiten Verteilung von uM ausgestellt werden musste. Insbesondere ist ergänzend festzustellen, dass nach wie vor in der Breite ein weiter bestehender gravierender Mangel an geeignetem Fachpersonal beklagt wird. Es ist davon auszugehen, dass der aufgebaute Gesamtbestand an regulären Jugendhilfeeinrichtungen bei anhaltend hohen Asylbewerberzahlen auch weiterhin zur Betreuung und Versorgung von uM erforderlich ist und die Träger in diesem Bereich kaum die Entlassung von qualifiziertem Fachpersonal vornehmen werden. Ca. 4.500 uM befinden sich in Not- und Übergangslösungen . In diesem Bereich bedarf es einer Konsolidierung. Im Einzelfall ist hier ein regionaler Ausgleich bei der Versorgung von uM erforderlich. In der Regel ist bei qualifiziertem Fachpersonal jedoch davon auszugehen, dass die Träger diese Fachkräfte im Rahmen von alternativen Stellenangeboten halten wollen. 5. Wie schätzt die Staatsregierung das Problem ein, dass angemietete Räumlichkeiten kurzfristig wieder gekündigt werden mussten, insbesondere mit Blick auf mögliche neue Flüchtlingsströme im Jahr 2016 und einen damit einhergehenden neuerlichen Bedarf an Räumlichkeiten? Es ist möglich, dass kurzfristig angemietete Räumlichkeiten für evtl. erforderliche Not- und Übergangslösungen im Einzelfall wieder gekündigt werden mussten, weil aufgrund der bundesweiten Verteilung dafür derzeit kein Bedarf mehr gegeben war. Räumlichkeiten und Gebäude mit einer Betriebserlaubnis nach § 45 des Sozialgesetzbuches (SGB) Achtes Buch (VIII) sind davon nach Kenntnis der Staatsregierung nicht betroffen . Viele der bestehenden Übergangslösungen werden zudem derzeit in betriebserlaubnisfähige Einrichtungsstrukturen überführt. Zusammen mit den weiterhin zusätzlich in Planung befindlichen betriebserlaubnisfähigen Jugendhilfeeinrichtungen freier Träger wird Bayern nach gegenwärtiger Einschätzung seine Unterbringungsverpflichtungen im Bereich uM im Jahr 2016 gut erfüllen können. 6. a) Ist für das erste Quartal 2016 die weitere Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Bayern geplant? Neu eingereiste uM sind seit dem 01.11.2015 durch die Jugendämter vorläufig in Obhut zu nehmen. Die vorläufige Inobhutnahme unmittelbar nach der Einreise umfasst u. a. die Unterbringung für 2 bis max. 4 Wochen, Altersfeststellung, gesundheitliches Erstscreening, Anmeldung zur bundesweiten Verteilung und Beförderung des uM an das zugewiesene Jugendamt im Bundesgebiet. Hierfür haben die bayerischen Jugendämter entsprechende Platzkapazitäten zur kurzfristi- Drucksache 17/9701 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gen Unterbringung vorzuhalten. Nur wenige Kinder und Jugendliche werden von diesen uM im ersten Quartal wegen festgestellter Verteilhindernisse in Bayern bleiben. Eine dauerhafte Aufnahme weiterer uM in größerer Zahl wird erst wieder ab dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Überbelastung Bayerns abgebaut ist und Bayern damit wieder zu einem Aufnahmeland wird. Diese Regelung gilt jedoch längstens für 18 Monate ab Start der bundesweiten Verteilung. Siehe dazu auch Beantwortung von Frage 4. b) Wenn ja, wann und in welcher Form sollen die betroffenen Träger darüber unterrichtet werden? Siehe Antwort zu Frage 6 a. c) Wenn nein, welche Maßnahmen möchte die Staatsregierung ergreifen, um die vorhandenen neu geschaffenen Kapazitäten anderweitig zu nutzen? Je nach Entwicklung der Zugangszahlen ist damit zu rechnen , dass Bayern bereits im zweiten Quartal 2016 wieder aufnahmepflichtig werden kann. Dies bedeutet, dass die geschaffenen Jugendhilfestrukturen weiter benötigt werden (siehe dazu auch Beantwortung der Frage 4). Die konkrete Ausgestaltung der zukünftigen Angebotsstruktur auf Basis der bisher geschaffenen Betreuungsmöglichkeiten wird darüber hinaus in einer gesonderten Arbeitsgruppe des For.UM unter Einbeziehung der öffentlichen und freien Träger zeitnah gemeinsam diskutiert und abgestimmt. Zu einem ersten Termin am 26. Januar 2016 wurde bereits eingeladen. Zusätzlich ist auf die im For.UM getroffene Vereinbarung zur regionalen Abstimmung auf Regierungsbezirksebene hinzuweisen. Die Regierungen wurden hierzu gebeten, regionale Planungskonferenzen mit den öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe durchzuführen (siehe auch Beantwortung von Frage 2).