4. Auf der Grundlage welcher Informationen und in welchem Verfahren werden die konkreten Gefährdungseinschätzungen , die zur Vergabe des PHW ANST erforderlich sind, erarbeitet? 4.1 In welchem zeitlichen Abstand wird die konkrete Gefährdungseinschätzung überprüft oder wird diese lediglich einmalig zu Beginn der Speicherung abgegeben? 5. Wenn „keine systematische und recherchierbare Erfassung “ möglich ist – ist denn überhaupt in Bayern oder im Bund eine “Übertragung von HIV- oder Hepatitis-Infektionen im Polizeidienst” bekannt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 22.01.2016 Die Schriftliche Anfrage wird nach Einbindung des Bayerischen Landeskriminalamtes wie folgt beantwortet: 1. Welchen Inhalt (bitte wörtlich) haben die „Richtlinien für die Führung Polizeilicher Sammlungen“ (RPpS), die Errichtungsanordnung für die polizeilichen Dateien „Polizeiliche Sachbearbeitung/ Vorgangsverwaltung – Verbrechensbekämpfung – Personen – und Fall-Auskunftsdatei“ (EA PFAD) sowie der „PHW-Leitfaden“ des Bundeskriminalamts (BKA) (PHW = Personengebundener Hinweis)? Soweit parlamentarische Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen der polizeilichen Aufgabenerfüllung geheimhaltungsbedürftig sind, hat das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr zu prüfen, ob und auf welche Weise die Geheimhaltungsbedürftigkeit mit dem parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage 1 nicht in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil beantwortet werden kann. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Einstufung der bayerischen Unterlagen (RPpS und EA PFAD) zu Frage 1 als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch “ ist aber im vorliegenden Fall notwendig (vgl. hierzu Antwort zu Frage 1.1). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 07.04.2016 17/9755 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze, Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 26.10.2015 Ansteckungsgefahr als personengebundener Hinweis in polizeilichen Datenbanken II Durch die Antwort der Staatsregierung vom 21.08.2015 auf unsere Schriftliche Anfrage betreffend Speicherung des Vermerks „Ansteckungsgefahr als personengebundener Hinweis in polizeilichen Datenbanken“ vom 15.07.2015 (Drs. 17/8030) ergeben sich eine Vielzahl von weiteren offenen Fragen. Mit seiner Entscheidung vom 20. März 2014 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof der Staatsregierung aufgegeben, auch im Falle von berechtigten Geheimhaltungsinteressen Formen der Informationsbeschaffung zu finden, die das subjektive Recht des Abgeordneten nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 Bayerische Verfassung (BV) gewährleisten . Wir fragen die Staatsregierung: 1. Welchen Inhalt (bitte wörtlich) haben die „Richtlinien für die Führung Polizeilicher Sammlungen“ (RPpS), die Errichtungsanordnung für die polizeilichen Dateien „Polizeiliche Sachbearbeitung/Vorgangsverwaltung – Verbrechensbekämpfung – Personen- und Fall-Auskunftsdatei “ (EA PFAD) sowie der „PHW-Leitfaden“ des BKA? 1.1 Soweit die vorgenannten Vorschriften als Verschlusssache eingestuft sein sollten, wie wird das Geheimhaltungsinteresse jeweils begründet? 2. Nach welchem Verfahren werden Einträge im Kriminalaktennachweis (KAN) gelöscht, nachdem nach Aussage der Staatsregierung der PHW ANST (= Ansteckungsgefahr ) nur zu Personen gespeichert werden kann, die im Informationssystem der Polizei (INPOL) mit einer aktuellen Fahndung oder einem Eintrag im KAN erfasst sind? 2.1 Nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren wird bei einem Prüftermin zur Löschung der Einträge im KAN entschieden, ob die Speicherung einer Person weiterhin erforderlich ist und ob eine Löschung zu erfolgen hat? 3. Gegen wie viele Personen läuft aktuell eine Fahndung wegen PHW ANST, nachdem mit Stand 03.08.2015 in Bayern nach Angabe der Staatsregierung 13.992 Personen mit dem PHW ANST in Bayern erfasst sind? 3.1 Wie viele dieser Personen sind im KAN erfasst und seit wann? 3.2 Wie viele der unter den im KAN erfassten Personen sind Kinder oder Jugendliche? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9755 Diese Unterlagen werden daher gemäß § 48 der Verschlusssachenanweisung dem Bayerischen Landtag gesondert übermittelt und können nur von den Fragestellerinnen eingesehen werden. Ergänzend dürfen wir darauf verweisen, dass die „Richtlinien für die Führung Polizeilicher Sammlungen“ (RPpS) sowie die Errichtungsanordnung für die polizeilichen Dateien „Polizeiliche Sachbearbeitung/Vorgangsverwaltung – Verbrechensbekämpfung – Personen- und Fall-Auskunftsdatei “ (EA PFAD) derzeit vom Bayer. Landeskriminalamt u. a. aufgrund EDV-technischer Änderungen sowie neuer Rechtsprechung aktualisiert werden. Mit der Fertigstellung der überarbeiteten Richtlinien ist zu Beginn des 2. Quartals 2016 zu rechnen. Bei dem PHW-Leitfaden handelt es sich um eine vom Arbeitskreis II „Innere Sicherheit” der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder abschließend beschlossene Unterlage, die ebenfalls als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch ” eingestuft ist. Die Frage, inwieweit ihr Inhalt mitgeteilt werden kann, ist im Bund-Länder-Kontext zu klären. Vor diesem Hintergrund haben wir uns an die AK II-Geschäftsstelle gewandt. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor, wird aber voraussichtlich im Laufe des Januar 2016 nachgereicht. 1.1 Soweit die vorgenannten Vorschriften als Verschlusssache eingestuft sein sollten, wie wird das Geheimhaltungsinteresse jeweils begründet? Die RPpS und EA PFAD enthalten Informationen über polizeitaktische Belange, deren Preisgabe sich nachteilig auf die kriminalpolizeiliche Tätigkeit auswirken kann. Eine Veröffentlichung der bayerischen Anlagen (RPpS und EA PFAD) zu Frage 1 würden spezifische Informationen zu polizeitaktischen Belangen – insbesondere zur kriminalpolizeilichen Tätigkeit – einem nicht eingrenzbaren Personenkreis zugänglich machen. Dies kann für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Polizei nachteilig sein, da deren Veröffentlichung z. B. Rückschlüsse auf die polizeiliche Arbeit zulassen würde und dadurch der Erfolg polizeilicher Maßnahmen beeinträchtigt werden könnte. Hinsichtlich der Einstufung des PHW-Leitfadens dürfen wir mitteilen, dass dieser gemäß „Verschlusssachenanweisung Bund“ als „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft wurde, da eine Kenntnisnahme durch Unbefugte nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder sein kann. Der PHW-Leitfaden enthält u. a. Informationen darüber, unter welchen Voraussetzungen bestimmte personengebundene Hinweise im INPOL-Verbund vergeben werden können. Die öffentliche Kenntnis dieser Voraussetzungen könnte für Betroffene ggf. die Möglichkeit bieten, die Vergabe personengebundener Hinweise gezielt zu umgehen. 2. Nach welchem Verfahren werden Einträge im Kriminalaktennachweis (KAN) gelöscht, nachdem nach Aussage der Staatsregierung der PHW ANST (= Ansteckungsgefahr) nur zu Personen gespeichert werden kann, die im Informationssystem der Polizei (INPOL) mit einer aktuellen Fahndung oder einem Eintrag im KAN erfasst sind? Der Kriminalaktennachweis (KAN) ist der Nachweis über personenbezogene polizeiliche Sammlungen von Unterlagen , die in Straf-, schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten - oder Gefahrenabwehrverfahren erstellt werden (= Kriminalakten). Bei der Datei „Kriminalaktennachweis“ (KAN) handelt es sich im Wesentlichen um ein elektronisches Aktenerschließungssystem der Polizei, das in Kurzform den Inhalt der polizeilichen personenbezogenen Sammlungen (Kriminalakte) wiedergibt. Durch die EDVgestützte Speicherung ist eine fristgerechte Aussonderung der Kriminalakten und Löschung der Datensätze im KAN möglich. Nach Art. 38 Abs. 2 Polizeiaufgabengesetz (PAG) sind im Regelfall die Termine für die Prüfung der Aussonderung nach folgenden Fristen festzulegen: – 10 Jahre für Erwachsene – 5 Jahre für Jugendliche – 2 Jahre für Kinder Die Frist beginnt regelmäßig mit dem Ende des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfasst worden ist, das zur Speicherung der Daten geführt hat, jedoch nicht vor Entlassung des Betroffenen aus einer Justizvollzugsanstalt oder der Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung (Art. 38 Abs. 2 Satz 5 PAG). Werden innerhalb dieser Frist weitere personenbezogene Daten über dieselbe Person gespeichert, so gilt für alle Speicherungen gemeinsam der Prüftermin, der als letzter eintritt, oder die Aufbewahrungsfrist, die als letzte endet (Art. 38 Abs. 2 Satz 6 PAG). Zu jedem Jahresbeginn wird ein Jahreslöschlauf in IN- POL-Bayern durchgeführt. Dabei wird der Kriminalaktennachweis zu einer Person mit allen Eintragungen gelöscht, wenn im Vorjahr der letzte Prüfungstermin der Unterlagen erreicht wurde und nach Einzelfallprüfung (siehe Antwort zu Frage 2.1) die Frist nicht verlängert wurde. Zur Aussonderung der betroffenen Kriminalakten werden bei den aktenführenden Dienststellen Löschlisten erzeugt, anhand derer die Vernichtung der Kriminalakte erfolgt. Im Übrigen dürfen wir auf unsere Antwort zu Frage 4 vom 21.08.2015 auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze und Verena Osgyan vom 15.07.2015 verweisen (Drucksache 17/8030 vom 13.11.2015). 2.1 Nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren wird bei einem Prüftermin zur Löschung der Einträge im KAN entschieden, ob die Speicherung einer Person weiterhin erforderlich ist und ob eine Löschung zu erfolgen hat? Mit jedem Delikt/Ereignis, das im KAN gespeichert wird, wird – ausgehend von den o. a. Regelfristen – ein Aussonderungsprüfdatum zur Unterlage gespeichert. Zeitgerecht vor Erreichen des jeweils höchsten Prüfdatums werden die entsprechenden Datensätze in eine elektronische Liste eingetragen , die den aktenführenden Dienststellen die systematische Aussonderungsprüfung ermöglicht. Dabei werden neben dem gesamten Inhalt der Kriminalakte ggf. aktuell laufende Ermittlungen (die noch nicht im KAN gespeichert sind) und ggf. auch Speicherungen anderer INPOL-Teilnehmer (andere Länderpolizeien, das BKA, die Bundespolizei sowie das Zollkriminalamt) im INPOL- Zentralsystem berücksichtigt. Art. 38 Abs. 4 PAG bestimmt hierzu: In den Fällen des Art. 36 Abs. 1 PAG (also wenn die Gesamtwürdigung der Person und ihrer bisher begangenen Straftaten erwarten lassen, dass sie auch künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person Drucksache 17/9755 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird) kann abweichend von Abs. 2 eine längere Frist festgelegt werden . Wird nach Fristablauf die Aufbewahrung fortgesetzt, ist nach spätestens drei Jahren die Aussonderung erneut zu prüfen. Nr. 38.6 der Vollzugsbekanntmachung zu Art. 38 PAG führt hierzu aus, dass bei Beschuldigten oder Tatverdächtigen einer Sexualstraftat (…) oder Gewaltdelikten mit sexuellem Hintergrund die in Art. 36 Abs. 1 PAG genannten Prognosekriterien in der Regel erfüllt sind. Die Aussonderungsprüffrist für (solche) Fälle beträgt in der Regel 20 Jahre . In den übrigen in Art. 36 Abs. 1 genannten Fällen (insbes. organisierte Kriminalität, Rauschgift, Terrorismus) kann die Regelfrist von vorneherein um 3 Jahre verlängert werden. 3. Gegen wie viele Personen läuft aktuell eine Fahndung wegen PHW ANST, nachdem mit Stand 03.08.2015 in Bayern nach Angabe der Staatsregierung 13.992 Personen mit dem PHW ANST in Bayern erfasst sind? Mit Stand 02.11.2015 sind in Bayern 14.253 Personen mit dem personengebundenen Hinweis (PHW) „Ansteckungsgefahr “ im Informationssystem der Polizei (INPOL) erfasst. Davon sind insgesamt 2.126 Personen aus unterschiedlichen Gründen zur Fahndung ausgeschrieben. PHW (wie auch der PHW „ANST“) dienen primär der Eigensicherung von Polizeibediensteten oder dem Schutz der Betroffenen und können daher selbstständig keine Fahndung begründen. 3.1 Wie viele dieser Personen sind im KAN erfasst und seit wann? Von den 14.253 in Bayern erfassten Personen mit dem PHW „Ansteckungsgefahr“ sind 14.250 im KAN erfasst. Zu drei Personen ist der PHW „ANST“ in Verbindung mit aktuellen Fahndungsausschreibungen erfasst (ohne KAN). Von einer Erhebung, seit wann diese 14.250 Personen im KAN erfasst sind, wurde aufgrund des damit verbundenen enormen Auswertungsaufwandes abgesehen. 3.2 Wie viele der unter denen im KAN erfassten Personen sind Kinder oder Jugendliche? Unter den im KAN erfassten Personen mit dem PHW „ANST“ befinden sich keine Kinder und nur eine jugendliche Person. 4. Auf der Grundlage welcher Informationen und in welchem Verfahren werden die konkreten Gefährdungseinschätzungen , die zur Vergabe des PHW ANST erforderlich sind, erarbeitet? Zur Vergabe des PHW „ANST“ ist es erforderlich, dass die Hinweise von einem Arzt oder einer anderen öffentlichen Stelle auf Grundlage eines ärztlichen Attestes oder einer entsprechenden Unterlage (Gesundheitsamt, Verwaltungsbehörde , Justizvollzugsanstalt u. Ä.) oder dem Betroffenen selbst vorliegen. 4.1 In welchem zeitlichen Abstand wird die konkrete Gefährdungseinschätzung überprüft oder wird diese lediglich einmalig zu Beginn der Speicherung abgegeben ? Diesbezüglich dürfen wir auf unsere Antwort zu Frage 4 vom 21.08.2015 auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze und Verena Osgyan vom 15.07.2015 verweisen (Drucksache 17/8030 vom 13.11.2015). Ergänzend ist festzuhalten, dass mit einer Löschung des Kriminalaktennachweises und der Kriminalakte auch eine Löschung des PHW „ANST“ einhergeht. Die Löschung einer Fahndungsausschreibung führt zur Löschung des PHW „ANST“. 5. Wenn „keine systematische und recherchierbare Erfassung“ möglich ist – ist denn überhaupt in Bayern oder im Bund eine „Übertragung von HIVoder Hepatitis-Infektionen im Polizeidienst“ bekannt ? Unter Bezugnahme auf unsere Antwort zu Frage 5 vom 21.08.2015 auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze und Verena Osgyan vom 15.07.2015 (Drucksache 17/8030 vom 13.11.2015) teilen wir ergänzend mit, dass beim Ärztlichen Dienst der Bayer. Polizei keine Daten bzw. Informationen über Ansteckungsfälle von Polizeibeamten mit Hepatitis oder HIV im Dienst vorliegen. Für den Bund kann das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr keine Aussage treffen.