Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 07.02.2014 ADAC in Bayern In zahlreichen Medienberichten wurde erörtert, dass der Verein ADAC aufgrund einer Vereinbarung mit den Finanzbehörden nur auf 10% des Basistarifs seiner Mitgliedsgebühren Umsatzsteuer entrichten muss. Gleichzeitig versteht sich der Verein als „Idealverein“, der eigentlich von der Umsatzsteuer ganz befreit sei. Ich frage die Staatsregierung. 1. Ist die Ansicht des Vereins ADAC richtig, dass er überhaupt keine Umsatzsteuer zahlen müsste? a) Bejahendenfalls: Weswegen zahlt dann der Verein die oben erwähnten 10 %? b) Verneinendenfalls: Weswegen zahlt der Verein ADAC dann nur die oben erwähnten 10% und welche Vereinbarung liegt dem zugrunde? 2. Wann und wie wird in Bayern die Zulässigkeit als nichtwirtschaftlicher Verein (Idealverein) geprüft? 3. a) Wie wird in Bayern mit Idealvereinen umgegangen, die im Laufe der Zeit eine wirtschaftliche Tätigkeit entfalten und diese auf Tochtergesellschaften ausgliedern? b) Ist insbesondere noch das Urteil des BGH vom 29.09.1982 („ADAC-Urteil“) noch zeitgemäß und anzuwenden oder ist nicht vielmehr dem Urteil des OLG Dresden vom 09.08.2005 zu folgen, wonach die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit einer Tochtergesellschaft dem Idealverein zuzurechnen ist? 4. Welcher Steuerpflicht unterliegen die Tochtergesellschaften des ADAC? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die politische Einflussnahme des ADAC, auf deren Richtung die Mitglieder aber keinen Einfluss haben, der ADAC aber seine große Mitgliederzahl bei der politischen Einflussnahme geltend macht? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 11.03.2014 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat wie folgt beantwortet: 1. Ist die Ansicht des Vereins ADAC richtig, dass er überhaupt keine Umsatzsteuer zahlen müsste? a) Bejahendenfalls: Weswegen zahlt dann der Verein die oben erwähnten 10 %? b) Verneinendenfalls: Weswegen zahlt der Verein ADAC dann nur die oben erwähnten 10 % und welche Vereinbarung liegt dem zugrunde? Die umsatzsteuerliche Behandlung der vom ADAC erhobenen Mitgliederbeiträge betrifft die steuerlichen Verhältnisse des ADAC. Konkrete Angaben dazu sind wegen der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 Abgabenordnung) nicht zulässig. Ganz allgemein kann zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Mitgliederbeiträgen aber Folgendes gesagt werden: Vereine sind Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes , wenn sie als solche nach außen auftreten, d. h. wenn sie selbstständig und nachhaltig Leistungen zur Erzielung von Einnahmen ausführen. Die vom Verein ausgeführten Leistungen unterliegen der Umsatzsteuer, wenn sie gegen Entgelt (auch in Form von Mitgliederbeiträgen) im Rahmen seines Unternehmens erbracht werden. Diese sog. steuerbaren Umsätze können steuerpflichtig oder steuerfrei sein. Erhebt ein Verein dagegen zur Erfüllung seiner den Gesamtbelangen sämtlicher Mitglieder dienenden Gemeinschaftszwecke echte Mitgliederbeiträge, liegt kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts und damit kein steuerbarer Umsatz vor. Echte Mitgliederbeiträge sind dazu bestimmt, dem Verein die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen, es fehlt an einem Leistungsaustausch mit dem einzelnen Mitglied. Insoweit wird der Verein nicht unternehmerisch tätig. In Abschnitt 1.4 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE), der sich mit der Behandlung von Mitgliederbeiträgen befasst, heißt es dazu in Absatz 1: „Soweit eine Vereinigung zur Erfüllung ihrer den Gesamt- belangen sämtlicher Mitglieder dienenden satzungsgemäßen Gemeinschaftszwecke tätig wird und dafür echte Mitgliederbeiträge erhebt, die dazu bestimmt sind, ihr die Erfüllung dieser Aufgaben zu ermöglichen, fehlt es an einem Leistungsaustausch mit dem einzelnen Mitglied . Erbringt die Vereinigung dagegen Leistungen, die den Sonderbelangen der einzelnen Mitglieder dienen, und erhebt sie dafür Beiträge entsprechend der tatsächlichen oder vermuteten Inanspruchnahme ihrer Tätigkeit, liegt ein Leistungsaustausch vor (vgl. BFH-Urteile vom 04.07.1985, V R 107/76, BStBl 1986 II S. 153, und vom 07.11.1996, V R 34/96, BStBl 1997 II S. 366).“ Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.04.2014 17/986 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/986 Absatz 7 des Abschnitts 1.4 UStAE ergänzt diese Aussagen: „Bewirkt eine Vereinigung Leistungen, die zum Teil den Einzelbelangen, zum Teil den Gesamtbelangen der Mitglieder dienen, sind die Beitragszahlungen in Entgelte für steuerbare Leistungen und in echte Mitgliederbeiträge aufzuteilen.“ 2. Wann und wie wird in Bayern die Zulässigkeit als nichtwirtschaftlicher Verein (Idealverein) geprüft? Die Prüfung der Voraussetzungen eines nichtwirtschaftlichen Vereins (Idealverein) ist bundesrechtlich geregelt (materiellrechtlich in §§ 21 ff. BGB, verfahrensrechtlich in §§ 55 ff. BGB und §§ 374 ff. FamFG); sie verläuft daher in Bayern nicht anders als in anderen Ländern. Insbesondere gibt es in diesem Bereich auch keine Verwaltungsvorschriften der Justizverwaltung, weil die Prüfung gemäß §§ 3 Nr. 1 Buchst. a RPflG dem Rechtspfleger und im Beschwerdeverfahren dem Richter obliegt, die jeweils in sachlicher Unabhängigkeit handeln. Nach der bundesrechtlichen Regelung werden die Voraussetzungen des Idealvereins zum einen vor der Eintragung geprüft. Zum anderen können sie auch nach der Eintragung gemäß § 395 FamFG von Amts wegen geprüft werden. 3. a) Wie wird in Bayern mit Idealvereinen umgegangen, die im Laufe der Zeit eine wirtschaftliche Tätigkeit entfalten und diese auf Tochtergesellschaften ausgliedern ? Der Umgang mit derartigen Vereinen beurteilt sich ebenfalls nach Bundesrecht und verläuft daher in Bayern nicht anders als in anderen Ländern. Gemäß § 395 Abs. 1 FamFG kann das Registergericht eine Eintragung im Vereinsregister löschen, wenn sie wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig ist. Dies ist bei einem Idealverein der Fall, wenn sein Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet ist bzw. wird (§ 21 BGB). Die Frage, ob die Ausgliederung einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf Tochterunternehmen zur Annahme einer wirtschaftlichen Ausrichtung des Vereins führt, wird dabei von der Rechtsprechung in richterlicher Unabhängigkeit beurteilt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 85, 84, vgl. auch Ellenberger in: Palandt: BGB, 73. Auflage 2014, § 21 Rz. 4 mit Nachweisen auch zur Gegenansicht) ist dies in der Regel nicht der Fall. b) Ist insbesondere noch das Urteil des BGH vom 29.09.1982 („ADAC-Urteil“) noch zeitgemäß und anzuwenden oder ist nicht vielmehr dem Urteil des OLG Dresden vom 09.08.2005 zu folgen, wonach die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit einer Tochtergesellschaft dem Idealverein zuzurechnen ist? Es wird um Verständnis gebeten, dass sich die Staatsregierung im Hinblick auf die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit einer Beurteilung richterlicher Entscheidungen enthält. Dies gilt umso mehr, als der Status des ADAC als eingetragener Verein Gegenstand eines laufenden Verfahrens vor dem Amtsgericht München ist. 4. Welcher Steuerpflicht unterliegen die Tochtergesellschaften des ADAC? Tochtergesellschaften unterliegen – sofern es sich um Kapitalgesellschaften handelt – der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerpflicht. Sind diese unternehmerisch tätig, unterliegen sie auch der Umsatzsteuer. Erwirbt eine Tochtergesellschaft Grundstücke, unterliegt sie der Grunderwerbsteuer . Sofern zum Betriebsvermögen der Tochtergesellschaften Grundstücke oder Fahrzeuge zum Verkehr auf öffentlichen Straßen gehören, unterliegen diese der Grundsteuer bzw. der Kraftfahrzeugsteuer. Erbringen die Tochtergesellschaften Versicherungsleistungen, unterliegen sie auch der Versicherungssteuerpflicht . Konkrete Angaben zur Steuerpflicht der Tochtergesellschaften des ADAC können aus Gründen des Steuergeheimnisses (§ 30 der Abgabenordnung) nicht gemacht werden . 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die politische Einflussnahme des ADAC, auf deren Richtung die Mitglieder aber keinen Einfluss haben, der ADAC aber seine große Mitgliederzahl bei der politischen Einflussnahme geltend macht? Die Staatsregierung enthält sich einer Beurteilung der politischen Betätigung privatrechtlicher Vereine. Aus Sicht der Staatsregierung ist es Sache der jeweiligen politischen Verantwortungsträger , jeweils im Einzelfall zu entscheiden, von welchen Personen und Institutionen sie zur Vorbereitung von Entscheidungen Stellungnahmen einholen und wie sie diese gewichten.