Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 06.02.2014 Zuwanderung aus Rumänien, Bulgarien sowie Serbien und Mazedonien beschränken Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist es möglich, für die Zuwanderer bzw. Asylbewerber aus den genannten Ländern eine Visumspflicht einzuführen , damit der Zustrom von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen in Schranken gehalten wird, und wenn ja, a) welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden und b) kann diese Visumspflicht auch auf einen bestimmten Personenkreis begrenzt werden? 2. Wie viele Personen sind in den Jahren 2013 und 2014 in den Wintermonaten nach Bayern gekommen, um Asyl zu beantragen, und wie viele mussten nach wie vielen Monaten wieder in ihre Heimat zurück, weil der Antrag abgelehnt wurde (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und untergliedert nach Rumänien, Bulgarien, Serbien und Mazedonien)? 3. Sind der Staatsregierung Fälle bekannt, dass Famili- en, welche bereits abgewiesen wurden, im nächsten Winter wieder nach Bayern gekommen sind, um Asyl zu beantragen? Wenn ja, wie hoch war die Zahl? 4. Wie steht die Staatsregierung zu solchen Forderungen (Visumspflicht), die verschiedene Kommunalpolitiker erheben? 5. Widerspricht eine solche Visumspflicht der Idee eines gemeinsamen Europas bzw. wie beurteilt die Staatsregierung dies? 6. Hat die Staatsregierung andere Instrumente, um den Zuzug von Wirtschaftsflüchtlingen zu bremsen, und wenn ja, welche, und wendet die Staatsregierung diese an? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 07.03.2014 1. Ist es möglich, für die Zuwanderer bzw. Asylbewerber aus den genannten Ländern eine Visumspflicht einzuführen, damit der Zustrom von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen in Schranken gehalten wird, und wenn ja, a) welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden und b) kann diese Visumspflicht auch auf einen bestimmten Personenkreis begrenzt werden? Die Einführung einer Visumspflicht für rumänische und bulgarische Staatsangehörige ist kraft Europarechts nicht möglich. Rumänien und Bulgarien sind Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ihre Staatsangehörigen genießen als Unionsbürger Freizügigkeit. Unionsbürger bedürfen für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU). Die mit Wirkung zum 19.12.2009 aufgehobene Visumspflicht für Staatsangehörige Serbiens und Mazedoniens könnte vom Europäischen Gesetzgeber durch Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 wieder eingeführt werden . Darüber hinaus wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 1289/2013 vom 11.12.2013 eine Rechtsgrundlage geschaffen , mit der die Visumfreiheit vorübergehend ausgesetzt werden kann. Damit kann rasch reagiert werden, wenn es in einem oder mehreren Mitgliedstaaten u. a. zu einem erheblichen oder plötzlichen Anstieg der Asylantragszahlen von Staatsangehörigen eines visabefreiten Drittlandes kommt. Die Entscheidung trifft die Kommission, die von einem Ausschuss mit Vertretern der Mitgliedstaaten unterstützt wird (vgl. Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011). 2. Wie viele Personen sind in den Jahren 2013 und 2014 in den Wintermonaten nach Bayern gekommen , um Asyl zu beantragen, und wie viele mussten nach wie vielen Monaten wieder in ihre Heimat zurück, weil der Antrag abgelehnt wurde (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und untergliedert nach Rumänien , Bulgarien, Serbien und Mazedonien)? Als Mitgliedstaaten der EU sind Rumänien und Bulgarien sichere Herkunftsstaaten im Sinne des Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) sowie § 29 a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG). Hiernach sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Im Jahr 2013 stellten 31 rumänische Staatsangehörige aus Bayern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylanträge (28 Erst- und 3 Folgeanträge), im laufenden Jahr (Stand: 31.01.2014) waren es zwei Erstantragsteller . Das Bundesamt traf in diesem Zeitraum betref- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.04.2014 17/988 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/988 fend rumänische Staatsangehörige keine einzige positive Asylentscheidung. Im Jahr 2013 beantragten fünf bulgarische Staatsangehörige aus Bayern beim Bundesamt Asyl (1 Erstantrag und 4 Folgeanträge), im Jahr 2014 (Stand: wie oben) liegt dem Bundesamt kein Asylantrag eines bulgarischen Staatsangehörigen aus Bayern vor. Es gab auch betreffend bulgarische Staatsangehörige in den Jahren 2013 und 2014 (Stand: wie oben) keine positive Asylentscheidung des Bundesamts. Die Zahl der Asylanträge von Staatsangehörigen aus Serbien und Mazedonien ist seit der EU-Visabefreiung Ende 2009 sprunghaft angestiegen. Bundesweit wurden im Jahr 2013 insgesamt 18.001 Asylanträge (11.459 Erstanträge und 6.542 Folgeanträge) von serbischen Staatsangehörigen gestellt. Damit stand Serbien an erster Stelle der Herkunftsländer von Asylbewerbern, ebenso im Januar 2014 mit 2.548 Anträgen (1.776 Erstanträge und 772 Folgeanträge ). Mazedonien lag im Jahr 2013 auf dem vierten Rang der Hauptherkunftsländer mit 9.418 Asylanträgen (6.208 Erstanträge und 3.210 Folgeanträge) und im Januar 2014 an dritter Stelle mit 1.024 Anträgen (746 Erstanträge und 278 Folgeanträge). Vor der Visabefreiung (19.12.2009) verzeichnete das Bundesamt im gesamten Jahr 2009 bundesweit nur 891 Asylanträge serbischer Staatsangehöriger (581 Erstanträge und 310 Folgeanträge) und 158 Asylanträge mazedonischer Staatsangehöriger (109 Erstanträge und 49 Folgeanträge). Die Anzahl und die Erfolgsquote der in Bayern gestellten Asylanträge serbischer und mazedonischer Staatsangehöriger in den Jahren 2013 und 2014 (Stand: 31.01.2014) kann den nachfolgenden Tabellen entnommen werden: Serbien: Monat Asylanträge (Bay- ern) Entscheidungen des BAMF1 (Bayern) gesamt Erstan - trag Folgean - trag Asylan - erkennung Flüchtlings - schutz Abschie - bungsverbot erfolglos Jan. 13 45 29 16 - - 1 54 Feb. 13 32 25 7 - - - 52 Mrz. 13 47 28 19 - - - 30 Apr. 13 50 36 14 - - - 48 Mai 13 15 6 9 - - 1 32 Juni 13 67 38 29 1 - - 26 Juli 13 162 121 41 - - - 60 Aug. 13 125 82 43 - - - 108 Sept. 13 226 175 51 - - - 111 Okt. 13 189 163 26 - - - 145 Nov. 13 153 112 41 - - - 203 Dez. 13 159 108 51 - - - 65 Jahr 20132 1.268 923 345 1 - 2 930 Jan. 2014 165 101 64 - - - 139 1 Die Zahlen beziehen sich auf die im jeweiligen Monat getroffenen Entscheidungen, nicht auf die in diesem Monat gestellten Asylanträge. Die Zahlen zu Asylanträgen und Entscheidungen im jeweiligen Monatszeitraum entsprechen sich deshalb nicht. 2 Die Jahreszahlen werden vom BAMF ggf. korrigiert (bei nachträglichen Veränderungen). Die Jahreszahl kann deshalb geringfügig von der Summe der Monatszahlen abweichen. Mazedonien: Monat Asylanträge (Bay- ern) Entscheidungen3 des BAMF (Bayern) gesamt Erstan - trag Folgean - trag Asyan - erkennung Flüchtlings - schutz Abschie - bungsverbot erfolglos Jan. 13 9 8 1 - - - 62 Feb. 13 11 10 1 - - - 24 Mrz. 13 5 2 3 - - 1 6 Apr. 13 36 23 13 - - - 16 Mai 13 23 16 7 - - - 12 Juni 13 44 24 20 - - - 20 Juli 13 90 62 28 - - - 46 Aug. 13 79 50 29 - - - 55 Sept. 13 92 66 26 - - - 57 Okt. 13 110 76 34 - - - 102 Nov. 13 93 68 25 - - - 82 Dez. 13 69 63 6 - - - 35 Jahr 20134 666 470 196 - - 1 518 Jan. 2014 67 43 24 - - - 35 3 wie Fußnote 1 4 wie Fußnote 2 Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer beim Bundesamt betrug im Jahr 2013 in Bayern für Serbien 40,9 Tage und für Mazedonien 54,7 Tage. 3. Sind der Staatsregierung Fälle bekannt, dass Familien , welche bereits abgewiesen wurden, im nächsten Winter wieder nach Bayern gekommen sind, um Asyl zu beantragen? Wenn ja, wie hoch war die Zahl? Der Staatsregierung liegen hierzu betreffend rumänische und bulgarische Staatsangehörige keine Erkenntnisse vor. Demgegenüber war in der zweiten Jahreshälfte 2013, wie schon in den Vorjahren, ein Anstieg der Asylfolgeantragsteller aus Serbien und Mazedonien zu verzeichnen. Von bundesweit insgesamt 17.443 Asylfolgeanträgen wurden 6.542 von serbischen und 3.210 von mazedonischen Staatsangehörigen gestellt. 4. Wie steht die Staatsregierung zu solchen Forde- rungen (Visumspflicht), die verschiedene Kommunalpolitiker erheben? Betreffend Rumänien und Bulgarien sind der Staatsregierung keine Forderungen von Kommunalpolitikern bekannt, eine Visumspflicht einzuführen. Eine solche Forderung würde auch gegen Europarecht (Freizügigkeit) verstoßen. Betreffend Serbien und Mazedonien begrüßt die Staatsregierung die neue Möglichkeit, die Visumfreiheit von Drittstaaten vorübergehend aussetzen zu können. Die Rechtsgrundlage zur Aussetzung der Visumfreiheit macht nur Sinn, wenn man auch bereit ist, sie anzuwenden. Die Regierungen der betroffenen Länder müssen das politische Signal verstehen und alles unternehmen, um den Missbrauch der Visafreiheit durch ihre Staatsangehörigen wirkungsvoll einzudämmen. 5. Widerspricht eine solche Visumspflicht der Idee eines gemeinsamen Europas bzw. wie beurteilt die Staatsregierung dies? Die Einführung einer Visumspflicht für rumänische und bulgarische Staatsangehörige würde gegen Europarecht (Freizügigkeit ) verstoßen. Drucksache 17/988 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Die Visumfreiheit für Staatsangehörige von Drittländern wie Serbien und Mazedonien muss überprüft werden betreffend der Gefahr illegaler Einwanderung, Belange der öffentliche Ordnung und Sicherheit, der Außenbeziehungen der EU, der regionalen Kohärenz und des Gegenseitigkeitsprinzips (vgl. Erwägungsgrund 5 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001). Die Kommission hat die Entwicklung in den visabefreiten westlichen Balkanstaaten zu überwachen. Sie sieht in ihrem Vierten Bericht über die Überwachung für die Zeit nach der Visaliberalisierung für die westlichen Balkanstaaten vom 28. November 2013 (KOM(2013) 836 final) die Notwendigkeit, den Asylbewerberzustrom aus den visabefreiten Herkunftsländern nachhaltig zu verringern, ohne aber die Aussetzung oder Wiedereinführung der Visumspflicht dieser Drittländer zu erwägen. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr ist der Auffassung, dass die die Visumfreiheit der asylzugangsstärksten Länder des Westbalkans nur aufrechterhalten werden kann, wenn es rasch gelingt, den Asylbewerberzustrom zu verringern. 6. Hat die Staatsregierung andere Instrumente, um den Zuzug von Wirtschaftsflüchtlingen zu bremsen , und wenn ja, welche, und wendet die Staatsregierung diese an? Der Ministerrat hat am 13.01.2014 ein Positionspapier („Ja zur Freizügigkeit – Nein zur Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme “) beschlossen, das einen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der Zuwanderung von Unionsbürgern in die sozialen Sicherungssysteme enthält. Die Lebensbedingungen von Minderheiten in den Herkunftsländern müssen verbessert werden. Die Staatsregierung hält es zudem für erforderlich, dass ordnungspolitische Maßnahmen geprüft und umgesetzt werden, wo Leistungsmissbrauch, kriminelle Strukturen und Ausbeutung Integration behindern und zulasten der Zuwandernden selbst gehen. Der Missbrauch des Freizügigkeitsrechts muss klare aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben. Fälle von ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Sozialleistungen müssen nicht nur den Verlust des Freizügigkeitsrechts nach sich ziehen, sondern auch eine Wiedereinreisesperre. Die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen muss wirksam, auch im Verwaltungsvollzug, unterbunden werden. Betreffend den Asylbewerberanstieg aus visabefreiten Westbalkanländern befürwortet die Staatsregierung die schnelle Umsetzung des Koalitionsvertrags, in dem vereinbart wurde, die asylzugangsstärksten Westbalkanstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien und Herzegowina im Asylverfahrensgesetz als sichere Herkunftsstaaten einzustufen . Damit können aussichtslose Asylanträge schneller bearbeitet und der Aufenthalt in Deutschland zügiger beendet werden. Daneben unterstützt die Staatsregierung den Vorschlag des Bundesministeriums des Innern, einen Regelausweisungsgrund bei Einreise zum missbräuchlichen Bezug von öffentlichen Leistungen zu schaffen. Mit einer daraus resultierenden Wiedereinreisesperre wären aussichtslose Folgeanträge nicht mehr möglich.