Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.01.2014 Flächendeckende anonyme Spurensicherung bei Vergewaltigungen in Bayern Die rechtskräftige Verurteilung von Vergewaltigern ist oft deshalb so schwierig, weil Spuren nicht rechtzeitig gesichert wurden. Der Grund ist, dass Vergewaltigungsopfer in dieser seelischen Ausnahmesituation oft nicht in der Lage sind, fremden Menschen den detaillierten Tathergang zu beschreiben. Opfern, die nicht unmittelbar eine Anzeige erstatten können, wird mit der anonymen Spurensicherung geholfen. Sie können durch eine anonyme Spurensicherung Nachweise von Sperma oder Blut, Kratzer und innere Verletzungen sichern und anonymisiert einlagern lassen. Wenn sich die Opfer später zu einer Anzeige entschließen , werden die Beweismittel erst dann wieder ihrem Namen zugeordnet. Damit gäbe es für sie einen Ausweg, wenn die unmittelbare Anzeige nicht möglich ist. Die Strafverfolgung durch die Polizei bleibt möglich Deshalb frage ich die Staatsregierung, ob sie anstrebt, dass diese Spuren in den rechtsmedizinischen Instituten des Landes aufbewahrt werden, und wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 05.03.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst wie folgt beantwortet: In Bayern besteht seit März 2010 im Institut für Rechtsmedizin der Universität München (IRmed München) für erwachsene Opfer von (sexuellen) Gewalttaten die Möglichkeit, sich unabhängig von einer Anzeige bei der Polizei kostenlos und beweiskräftig untersuchen und Spuren sichern zu lassen. Der Leistungskatalog der Ambulanz für Gewaltopfer umfasst u. a. die kostenlose Verletzungsdokumentation und Beweismittelsicherung für Frauen und Männer aus ganz Bayern, die Opfer einer Gewalttat geworden sind, und zwar unabhängig von einer polizeilichen Anzeige. Ggf. werden dabei Abstriche/Abriebe und Blut- sowie Speichelproben genommen, bei Einverständnis werden auch Lichtbilder gefertigt. Die Proben werden zwei Jahre im Rechtsmedizinischen Institut aufbewahrt. Bei entsprechendem Wunsch bzw. bei Anzeigeerstattung der Opfer werden die Proben an die Strafverfolgungsbehörde weitergegeben, andernfalls nach Fristablauf vernichtet. Auch Ärztinnen und Ärzte können sich bei Fragen zu sachgerechter Verletzungsdokumentation und Befundsicherung sowie zum sensiblen Umgang mit Patientinnen bzw. Patienten, die Opfer von Gewalt wurden, (telefonisch) bei der Ambulanz für Gewaltopfer informieren. Eine anonyme Spurensicherung wird von der Ambulanz für Gewaltopfer nicht angeboten, die personenbezogenen Spuren werden jedoch unter strenger Beachtung des Datenschutzes im Institut sicher gelagert. Zudem führt die Ambulanz für Gewaltopfer Fortbildungen in ganz Bayern durch. Damit wird auch das Wissen um eine fachgerechte Verletzungsdokumentation und Beweismittelsicherung in die Fläche gebracht. Auf der Homepage der Ambulanz für Gewaltopfer wird zudem ein Dokumentationsbogen für Ärztinnen und Ärzte zum Download zur Verfügung gestellt, um z. B. Hausärzten und Gynäkologen eine fachgerechte Dokumentation zu ermöglichen. Bei Verdacht auf körperliche Misshandlung oder sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen ist die vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration seit 2011 unterstützte und finanziell geförderte bayernweite Kinderschutzambulanz am Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München kompetente Anlaufstelle, insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie für Jugendämter. Kinder und Jugendliche werden schnell, umfassend und kostenlos untersucht, Verletzungen dokumentiert und Beweismittel und Spuren einer Misshandlung gesichert. Über www.remed-online.de, dem konsiliarischen Online-Dienst der Kinderschutzambulanz, der ebenfalls vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration finanziell gefördert wird, können Ärztinnen und Ärzte sowie Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zudem kostenlos und gegebenenfalls auch anonym Beratung und Informationen erhalten. Darüber hinaus führen die Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner der Kinderschutzambulanz auf der Grundlage des Leitfadens für Ärztinnen und Ärzte „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – Erkennen und Handeln“ (www. aerzteleitfaden.bayern.de) des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration interdisziplinäre Qualifizierungs- und Fortbildungsveranstaltungen zu der Thematik durch und tragen somit dazu bei, dass landesweit einheitliche Qualitätsstandards gewährleistet sind. Die Kinderschutzambulanz schließt mit ihrem Angebot eine Lücke zwischen Kinder- und Jugendhilfe und medizinischer Diagnostik und stärkt so den Kinderschutz in Bayern (www.kinderschutz.bayern.de) nachhaltig. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.04.2014 17/990 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/990 Daneben besteht seit einiger Zeit auch an den Instituten für Rechtsmedizin der Universitäten Erlangen-Nürnberg und Würzburg die Möglichkeit, Tatspuren von Sexual- oder Gewaltdelikten rechtsmedizinisch sichern zu lassen. Die Initiative hierfür ging vom Weißen Ring e. V. aus, der entsprechende Untersuchungsschecks in Höhe von 150,- Euro bereitstellt und sich an die rechtsmedizinischen Institute wandte. Die beteiligten Ministerien waren diesbezüglich nicht eingebunden. Nach Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst gibt es auch in anderen Bundesländern bzw. Regionen teilweise eine sogenannte „anonyme Spurensicherung“. Das Legalitätsprinzip steht einer „anonymen“ Spurensicherung im Zusammenhang mit Sexualstraftaten grundsätzlich nicht entgegen, solange Polizei und Staatsanwaltschaft nicht an der Spurensicherung in den einzelnen Fällen beteiligt sind und damit auch keine Kenntnis von einer konkreten Straftat haben. Wegen des ärztlichen Zeugnisverweigerungsrechts bestünde auch keine Möglichkeit, die vorhandenen Erkenntnisquellen und Beweismittel in verwertbarer Weise zu nutzen, solange sich die gesicherten Spuren im Besitz der rechtsmedizinischen Institute bzw. niedergelassener Ärzte befinden. Allerdings ist zu beachten, dass die Sicherung der Spuren am Körper für sich gesehen eine spätere Verurteilung des Täters nicht gewährleisten kann. Mindestens ebenso wichtig ist eine authentische Aussage des Tatopfers, bei der Hergang und Umstände möglichst detailliert geschildert werden. Solche Angaben sind in der Regel nur gegenüber entsprechend geschulten Vernehmungsbeamten der Polizei und bei zeitnaher Befragung möglich. Gleichzeitig sollte aufgrund der möglichen Wiederholungsgefahr auf eine zeitnahe Strafverfolgung des Täters hingewirkt werden. Nach Auskunft des Weißen Ring e. V. sind die dortigen Mitarbeiter entsprechend informiert und weisen den Opfern gegenüber auf die Notwendigkeit einer zeitnahen Aussage oder zumindest einer Anfertigung eigener Tataufzeichnungen als wesentliche Voraussetzung für eine spätere Strafverfolgung hin. Eine weitere Ausweitung bzw. monetäre Unterstützung des bestehenden Angebots im Zusammenhang mit einer „anonymen“ Spurensicherung durch die beteiligten Staatsministerien ist derzeit nicht geplant. Gleichwohl wird sich die Bayerische Staatsregierung auch weiter für die wertvolle Arbeit der Institute für Rechtsmedizin einsetzen.