Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 02.02.2016 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wie befolgt beantwortet: 1. An welchen Gewässern des bayerischen Aaleinzugsgebietes wurden welche Maßnahmen zum Schutz des Aals ergriffen? Mit Inkrafttreten vom 1. Juli 2010 wurde nach § 12 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Fischereigesetzes (AVBayFiG) in allen Gewässern des bayerischen Aaleinzugsgebietes eine Schonzeit vom 1. November bis 28. Februar eingeführt und bayernweit das Schonmaß von 40 cm auf 50 cm hochgesetzt. Am Unterfränkischen Main werden seit 2009 jährlich im Auftrag des Kraftwerkseigentümers Rhein-Main-Donau (RMD) AG durchschnittlich 6 Tonnen abwanderungsbereiter Blankaale vor den Wasserkraftanlagen abgefangen und zur ungehinderten Abwanderung in das Laichgebiet in den Rhein abtransportiert (Catch & Carry). Im Folgenden sind die jährlichen Mengen der aus dem Main in den Rhein abtransportierten Blankaale aufgeführt: Jahr (kg) 2009 5.703 2010 4.730,5 2011 6.636 2012 4.587 2013 6.425 2014 7.527,5 Am Main wird in den Kraftwerken Schweinfurt, Garstadt, Wipfeld, Volkach, Dettelbach, Kitzingen, Marktbreit, Gossmannsdorf , Randersacker, Untere Mainmühle, Erlabrunn, Himmelstadt und Harrbach seit 2011 ein aalschonender Betrieb mitHilfe von zwei MIGROMATENTM (Aufstellorte: Garstadt , Erlabrunn) gefahren. Im Herbst 2013 wurden zwei weitere MIGROMATENTM in Hausen und Heubach aufgestellt und der aalschonende Betrieb auf 8 weitere Kraftwerke an Main und Regnitz (Obernau , Wallstadt, Klingenberg, Heubach, Freudenberg, Faulbach , Forchheim, Hausen) ausgeweitet. An drei weiteren Kraftwerken werden neuartige Abstiegshilfen in Pilotprojekten erprobt (Zick-Zack-Rohre in Limbach und Rothenfels, „Bottom Gallery“ in Gerlachshausen). In der Hauptwanderphase des Aals von September bis Februar wurde im Zeitraum 2011 bis 2015 jährlich an 24 bis 33 Tagen ein aalschonender Betrieb gefahren. Dabei wird die Kraftwerksleistung reduziert und so die Anströmgeschwindigkeit vor den Rechen reduziert. Gleichzeitig wird das turbinennahe Wehrfeld in der Regel um mindestens 20 cm angehoben und so ein Abwanderungskorridor für die Aale geschaffen. 17. Wahlperiode 30.03.2016 17/9941 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 08.10.2015 Umsetzung der EU-Aalverordnung in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. An welchen Gewässern des bayerischen Aaleinzugsgebietes wurden welche Maßnahmen zum Schutz des Aals ergriffen? 2. Welche Erfolge hatten diese Maßnahmen hinsichtlich der Aalpopulation jeweils? 3. An welchen Gewässern des bayerischen Aaleinzugsgebietes wurden keine Maßnahmen zum Schutz des Aals ergriffen? 4. Aus welchen Gründen wurden in diesen Fällen keine Maßnahmen ergriffen? 5. Welche Auswirkungen haben Wasserkraftanlagen an diesen Gewässern auf die Aalpopulation? 6. Wie viele Wasserkraftanlagen gibt es entlang der Gewässer des bayerischen Aaaleinzugsgebiets? 7. Wie viele und welche dieser Wasserkraftanlagen wurden seit Inkrafttreten der EU-Aalverordnung nachgerüstet , um den Schutz der Aale vor Tod oder Verletzung zu gewährleisten? 8. Welche Wasserkraftanlagen wurden aus welchen Gründen nicht nachgerüstet? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/9941 2. Welche Erfolge hatten diese Maßnahmen hinsichtlich der Aalpopulation bereits? Die Quantifizierung der aktuellen Abwanderungsrate erfolgt unter Verwendung eines bundesweit gültigen Aalbestandsmodells bezogen auf die zehn Flussgebietseinheiten (Eider , Elbe, Ems, Maas, Oder, Rhein, Schlei/Trave, Warnow/ Peene, Weser). Das bayerische Aaleinzugsgebiet ist Teil des Rheingebietes, zu dem es etwa 9 % der Gewässerfläche beiträgt. Gemäß der Umsetzungsberichte zu den Aalbewirtschaftungsplänen der deutschen Länder (Fladung et al. 2012, 2015) ist die für das Rheingebiet modellierte Blanaal -Abwanderungsrate mit 53 %, respektive 52 %, des ursprünglichen Referenzwertes in den ersten beiden Berichtszeiträumen (2008–2010 und 2011–2013) seit Umsetzung der EU-Aalverordnung nahezu identisch. Speziell auf das bayerische Aaleinzugsgebiet beschränkte Modellierungen liegen nicht vor. Bei alleiniger Berücksichtigung der Catch & Carry-Maßnahmen (siehe Antwort zu Frage 1) wurde die Sterblichkeit der Aalpopulation im bayerischen Aaleinzugsgebiet jährlich um ca. 6 Tonnen reduziert. Inwieweit sich der am Main lokal und zeitlich beschränkte aalschonende Kraftwerksbetrieb (siehe Antwort zu Frage 1) bereits positiv auf den Aalbestand ausgewirkt hat, kann nicht quantitativ abgeschätzt werden. So ist z. B. noch eingehender zu überprüfen, in welchem Umfang der durch das Turbinenmanagement geschaffene Abwanderungskorridor von den Aalen angenommen wird. Die bisherigen intensiven Kontrollbefischungen im Unterwasser des Kraftwerks Harrbach ergaben im aalschonenden Betrieb jedoch stets deutlich höhere Aalfänge unterhalb des Wehres als unterhalb des Kraftwerks, was die grundsätzliche Wirksamkeit des Konzepts bestätigt. 3. An welchen Gewässern des bayerischen Aaleinzugsgebietes wurden keine Maßnahmen zum Schutz des Aals ergriffen? Dem Schutz des Aals können neben den hier erwähnten Baumaßnahmen von Wanderhilfen sowohl Besatzmaßnahmen als auch Einschränkungen der fischereilichen Entnahme dienen. Letztere wurden über die Erhöhung des Schonmaßes und die Einführung der Schonzeit während der Wanderungen an allen Gewässern des Aaleinzugsgebietes gewährleistet (siehe auch Antwort zu Frage 1). 4. Aus welchen Gründen wurden in diesen Fällen keine Maßnahmen ergriffen? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Welche Auswirkungen haben Wasserkraftanlagen an diesen Gewässern auf die Aalpopulation? Die zum Aaleinzugsgebiet zählenden Fließgewässer sind ursprünglich für den Aal frei durchwanderbar gewesen. Wasserkraftanlagen ohne funktionierende Fischpässe stellen Barrieren dar, die die flussaufwärtsgerichtete Wanderung der Steigaale behindern bzw. unterbinden können. An allen Main-Kraftwerken der RMD AG ist eine funktionsfähige Fischtreppe für die Aufwärtswanderung von Aalen vorhanden (Born 1992). Bei den meisten Wasserkraftanlagen fehlt es an geeigneten technischen Einrichtungen, die die Aale vor einer Turbinenpassage schützen bzw. die flussabwärts gerichtete Abwanderung in das Laichgebiet ermöglichen. Aale können daher grundsätzlich in der Turbinenanlage verletzt oder getötet werden. Durch betriebliche Maßnahmen (aalschonender Betrieb) kann während der Aalabwanderung der Anteil der durch die Turbine abwandernden Aale deutlich reduziert werden (siehe Antwort zu Frage 2). Die Schädigungs-/Mortalitätsrate bei Turbinenpassage wird maßgeblich von den kraftwerksspezifischen Rahmenbedingungen (z. B. Turbinentyp, Turbinengröße, Fallhöhe) und der Größe der Fische bestimmt. In verschiedenen Untersuchungen wurden für den Aal Schädigungsraten zwischen 0 und 40 % ermittelt. Sie kann in Einzelfällen aber auch deutlich höher liegen oder sogar 100 % erreichen (Ebel 2008). Die kumulative Wirkung mehrerer Wasserkraftanlagen wirkt sich in einem Gewässer besonders gravierend auf die Aalpopulation aus. Dies trifft in besonderem Maße auf den Main zu, der auf eine Fließlänge von 480 km 34 Wasserkraftanlagen aufweist. 6. Wie viele Wasserkraftanlagen gibt es entlang der Gewässer des bayerischen Aaleinzugsgebietes? Entlang der Gewässer des bayerischen Aaleinzugsgebietes sind 214 Wasserkraftanlagen in Betrieb. 7. Wie viele und welche dieser Wasserkraftanlagen wurden seit Inkrafttreten der EU-Aalverordnung nachgerüstet , um den Schutz der Aale vor Tod oder Verletzung zu gewährleisten? In der zentralen Wasserkraftdatei der Wasserwirtschaftsverwaltung ist erfasst, dass an 95 der 214 Anlagen Fischaufstiegsanlagen (FAA) installiert sind. Die Datei enthält keine Änderungsdokumentation, d. h. Veränderungen und Umbauten an den Wasserkraftanlagen inkl. FAA werden nicht dokumentiert. Die Eignung der FAA und sonstiger Fischschutzeinrichtungen für spezielle Fischarten (hier: Aale) wird in der Datei ebenfalls nicht erfasst. Die RMD als Betreiber der Wasserkraftanlagen im Main hat in 2011 ein Konzept zum Aalschutzmanagement erstellt (Messeinrichtungen zum Erkennen der Aalwanderungen mit entsprechender Anpassung des Kraftwerksbetriebs). Das System wurde in 2013 erweitert und umfasst nun 21 Kraftwerke auf der Mainstrecke von Kleinostheim bis Schweinfurt , siehe auch Antwort zu Frage 1. 8. Welche Wasserkraftanlagen wurden aus welchen Gründen nicht nachgerüstet? Der Fischschutz wird auf der Basis des aktuellen Wissens bei Neuverbescheidungen von Wasserkraftanlagen berücksichtigt . Allerdings besteht hier die Schwierigkeit, dass es bislang keine anerkannten Regeln der Technik gibt. Zunächst erfolgsversprechende Fischschutzkonzepte für Wasserkraftanlagen haben sich in der Praxis zum Teil als wirkungslos herausgestellt, wie etwa am Main an der Wasserkraftanlage bei Kostheim/Hessen. Der Freistaat Bayern hat daher 2013 ein umfassendes, mehrjähriges Forschungsprojekt an die Technische Universität zum Fischschutz an innovativen Wasserkraftanlagen vergeben, und beteiligt sich auf diese Weise aktiv an der Weiterentwicklung des Fischschutzes. Aufgrund der Verzögerungen in den Rechtsverfahren und der bisherigen Ergebnisse , die noch keine abschließende Betrachtung des Themas zulassen, wurde dieses Projekt aktuell von der Bayerischen Staatsregierung verlängert. Zudem engagiert sich der Freistaat Bayern in einer Arbeitsgruppe der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), die derzeit an der Erstellung eines Themenheftes zum Fischschutz arbeitet. Drucksache 17/9941 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Nachträgliche Forderungen nach Nachrüstungen setzen im juristischen Sinne von § 35 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) voraus, dass sie fachlich erforderlich sind. Dies bedeutet , dass auf der Basis anerkannter Regeln der Technik gezielte Maßnahmen zum Fischschutz ergriffen werden können, die eine signifikante Verbesserung für den Fischschutz bzw. die flussabwärts gerichtete Durchgängigkeit der Fließgewässer erwarten lassen. Die zitierten Literaturstellen finden sich in der Anlage. Anlage Literaturverzeichnis Born, O. (1995): Untersuchungen zur Wirksamkeit von Fischaufstiegshilfen am unterfränkischen Main, Dissertation an der TU München, Inst. für Tierwissenschaften, 236 S. Ebel, G. (2008): Turbinenbedingte Schädigung des Aals (Anguilla anguilla) - Schädigungsraten an europäischen Wasserkraftanlagenstandorten und Möglichkeiten der Prognose. Mitteilungen aus dem Büro für Gewässerökologie und Fischereibiologie Dr. Ebel, Heft 3. Fladung, E.; Simon, J.; Brämick, U. (2012): Umsetzungsbericht 2012 zu den Aalbewirtschaftungsplänen der deutschen Länder 2008. Institut für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow. Auftraggeber: Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung. Fladung, E.; Simon, J.; Brämick, U. (2015): Umsetzungsbericht 2015 zu den Aalbewirtschaftungsplänen der deutschen Länder 2008. Institut für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow. Auftraggeber: Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung.